Merkur – ein fast vergessener Planet im Fokus

Werbung
Blick in die Forschung: Kurzberichte
Als die US-Sonde Messenger ihre Kameras
in der Umlaufbahn um Merkur aktiviert
hatte, machte sie noch während der
folgenden Umkreisung Aufnahmen der
Oberfläche. Das erste Bild, das die Sonde
zur Erde funkte, gehört zu einer Sequenz
Filter. Die hier gezeigte Version ist ein
Farbbild von dieser ersten abgelichteten
Region auf Merkur (links). Im oberen
Bildbereich liegt zentral der nach dem
französischen Komponisten Claude
Debussy benannte Krater Debussy. Nie
zuvor waren die strahlenartigen Strukturen
in der Umgebung dieses Kraters, der einen
Durchmesser von 80 Kilometern hat, so
detailliert fotogra­fiert worden. Die
schmalen Strahlen entstanden durch
Materialauswürfe als Folge des Einschlags.
Der Auschnitt rechts demonstriert die hohe
Auflösung der neuen Aufnahmen.
NASA / Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory / Carnegie Institution of Washington
von acht Belichtungen durch verschiedene
Merkur – ein fast vergessener Planet im Fokus
Mitte März dieses Jahres erhielt Merkur seinen ersten künstlichen Satelliten. Nach
einer langen Reise traf die US-Raumsonde Messenger beim sonnennächsten
Planeten ein und erforscht diesen nun ein Jahr lang. Merkur ist unter den Planeten im
Sonnensys­tem in vielerlei Hinsicht extrem und außergewöhnlich.
tets den sonnennächsten Planeten
S
bahn um Merkur ein. Nach der US-Raum-
lösen und der geologischen Geschichte
Merkur im Visier, reiste die US-ameri-
sonde Mariner 10, die in den Jahren 1974
Merkurs auf die Schliche zu kommen. Da
kanische Raumsonde Messenger sechsein-
und 1975 an Merkur dreimal nur vor-
die Sonde dreimal an der gleichen Seite
halb Jahre lang durch das innere Sonnen-
beiflog, ist Messenger erst die zweite ir-
des Planeten vorbeiflog, erfasste sie auch
system. In der Nacht auf den 18. März 2011
dische Besucherin beim innersten Pla-
nur gerade 45 Prozent der Oberfläche. Ob-
fand endlich das mit Spannung erwartete
neten unseres Sonnensystems – und die
wohl der sonnennächste Planet seine gut
historische
erste, die ihn nun während eines Jahres als
gehüteten Geheimnisse noch nicht preis-
Satellit umrundet.
gab, geriet er nach Mariner 10 zunächst
Ereignis
statt:
Messenger
schwenkte erfolgreich in eine Umlauf-
Die Vorbeiflüge von Mariner 10 gaben
wieder in Vergessenheit.
der Merkuroberfläche bereits ein grobes
33 Jahre lang zog Merkur einsam sei-
Gesicht: Die Sonde fotografierte eine zer-
ne Bahn ohne Besuch von der Erde. Un-
klüftete Kraterlandschaft mit aus­ge­dehn­
entwegt tüftelten derweil aber Wissen-
ten Ebenen, die von langen Hügelketten
schaftler und Ingenieure der US-amerika-
Didaktische Mate­rialien zum Thema
un­ter­brochen sind – der Oberfläche un-
nischen Weltraumbehörde NASA an neu-
für die Arbeit mit Schülern der
seres inaktiven alten Erdmonds verblüf-
en Technologien, um ein Raumfahrzeug
Oberstufe finden Sie kostenfrei unter
fend ähnlich. So eindrücklich die Bilder
zu konstruieren, das die extremen Bedin-
www.wissenschaft-schulen.de/
von Mariner 10 auch waren, die dama-
gungen in einer Umlaufbahn um den son-
artikel/1070006.
lige Technik war noch nicht so weit fort-
nennächsten Planeten überleben kann.
geschritten, um genügend Details aufzu-
Die technischen Hürden, die es zu neh-
18
Juni 2011
Sterne und Weltraum
sie an der Erde, zweimal an der Venus und
Der geringe Fehler von nur zwei Hun­derts­
dreimal an Merkur, ihrem späteren Ziel,
tel Grad dürfte zu verschmerzen sein.
vorbei. Ohne diese nahen Vorbeiflüge hät-
Die nahezu polare Bahn von Messen-
te sich Messenger mit so hoher Geschwin-
ger wird durch gelegentliche Triebwerks-
digkeit auf sein finales Reisseziel, den Mer-
zündungen sonnensychron gehalten. Dies
kur, zu bewegt, dass kein Antriebssystem
bewirkt, dass auf die beiden Solarsegel der
der Welt sie genügend abbremsen und auf
Sonde zu jedem Zeitpunkt genügend Son-
eine Umlaufbahn um den Planeten hätte
nenlicht trifft und stets optimale Beleuch-
bringen können.
tungsverhältnisse herrschen. Um ihre In-
Während des Abbremsmanövers in 155
strumente zu schonen, wurde die Form
Millionen Kilometer Entfernung von der
der Bahn so gewählt, dass sich Messenger
Erde feuerte die Sonde 15 Minuten lang
nur beschränkte Zeit in geringem Abstand
mit ihrem Triebwerk in Richtung der Vor-
über dem heißen Planeten aufhält. Für ei-
wärtsbewegung und verlangsamte so ihre
nen Umlauf um Merkur benötigt die Son-
Geschwindigkeit gegenüber Merkur um
de rund zwölf Stunden, dabei nähert sie
860 Meter pro Sekunde. Dadurch war sie
sich seiner Oberfläche bis auf 200 Kilome-
langsam genug, um sich vom Gravitati-
ter und entfernt sich von ihr im äußersten
onsfeld des Planeten einfangen zu lassen.
Punkt der Bahn bis zu 15 200 Kilometer.
Das heikle Unterfangen glückte perfekt: Die angestrebte stark exzentrische
Merkur wirft viele Fragen auf
und beinahe polare Umlaufbahn stimmt
Ausgerüstet mit sieben wis­sen­schaft­li­
mit der erreichten bis auf kleine Abwei-
chen Instrumenten und einem Ra­dio­
chungen weit innerhalb der Toleranzgren-
wel­len-Experiment fühlt Messenger dem
zen über­ein. Angepeilt war eine Bahnnei-
kleins­ten, sonnennächsten und daher
gung von 82,5 Grad relativ zu Merkurs
auch schnellsten Planeten des Sonnensys­
Äquator. Die Neigung des ersten Bahn-
tems ein Jahr lang auf den Zahn. Die Auf-
durchlaufs betrug schließlich 82,52 Grad.
nahmen aus der Umlaufbahn schließen
men galt, waren beachtlich: Hit­ze­re­sis­
tent, leicht und kompakt musste der erste
künst­li­che Satellit von Merkur sein.
Die in der Folge entwickelte Sonde Messenger erfüllt all diese Anforderungen. Sie
ist so leicht, dass sie beim Start 600 Kilogramm Treibstoff mitführen konnte,
ohne das erlaubte Startgewicht zu überschreiten. Genügend, um später beim Einschwenken in die Umlaufbahn um Merkur
Ausschreibung: Reiff-Preis für Amateur- und Schulastronomie 2011
M
it diesem Förderpreis möchte die Reiff-Stiftung ein amateur- oder schul­astro­
nomisches Projekt auszeichnen, für dessen Durch- oder Fortführung das
zweckgebundene Preisgeld in Höhe von 3000 Euro bestimmt ist.
Es können sich sowohl Einzelpersonen als auch Arbeitsgemeinschaften bewerben.
stark abzubremsen zu können. Dank eines
Nach Abschluss des geförderten Projekts wird von den Preisträgern ein didaktisch
Hitzeschilds aus Keramikfasern, hinter
wirksamer, zum Selbst- und Weitermachen anregender Bericht erwartet, der sowohl
dem ihre Instrumente bei Raumtempe-
im VdS-Journal als auch in Sterne und Weltraum veröffentlicht werden soll.
ratur arbeiten, widersetzt sich Messenger
In der Preis-Jury sind Amateur-, Fachastronomen und Schuldidaktiker vertreten.
der versengenden Sonneneinstrahlung.
Der Preis wird am 12. November 2011 auf der Bochumer Herbsttagung (BoHeTa)
Die Sonne erscheint in der Merkurum-
verliehen.
laufbahn bis zu gut dreimal so groß und
Weitere Informationen: www.reiff-stiftung.de
fast elfmal so hell wie bei der Erde.
7,9 Milliarden Kilometer weiter
Ihre Bewerbung für den Reiff-Preis sollte enthalten:
ó eine kurze Beschreibung der Arbeitsgruppe beziehungsweise ihrer Mitglieder
Das erste Etappenziel ihrer jahrzehnte-
(maximal eine Seite);
langen Arbeit erreichten die Entwickler
ó eine Beschreibung der bisher durchgeführten Projekte, inklusive Verweise auf bis-
von Messenger am 3. August 2004, als die
herige Veröffentlichungen im VdS-Journal, Sterne und Weltraum, etc., falls vorhanden
Sonde an Bord einer Delta-II-Trägerrake-
(maximal zwei Seiten);
te von der Cape Canaveral Air Force Stati-
ó eine Beschreibung des geplanten Projekts, einschließlich der Angabe, wofür das
on in Florida erfolgreich ihre lange Reise
Preisgeld eingesetzt werden soll (maximal drei Seiten).
zum Merkur antrat. Um in die unwirtliche
heiße Umgebung im Innersten des Son-
Die Bewerbung ist bis zum 10. Oktober 2011 zu richten an:
nensystems vorzustoßen, legte sie 7,9 Mil-
Dr. Jakob Staude (Kurator), Max-Planck-Institut für Astronomie, Königstuhl 17, D-69117
liarden Kilometer zurück und umkreiste
Heidelberg. E-Mail: [email protected]
die Sonne insgesamt 15-mal. Einmal flog
www.astronomie-heute.de
Juni 2011
19
NASA / Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory /
Carnegie Institution of Washington
Diese Aufnahme von Merkur aus einer
Auch scheint Merkurs Kern teilweise auf-
Dis­tanz von 450 Kilometern zeigt die
geschmolzen zu sein, denn ihn umgibt
Oberflächenstrukturen eines 84 Kilometer
wie die Erde ein globales Dipolmagnet-
breiten und vorher noch nie fotografierten
feld. Jenes der Erde wird nämlich von Strö-
Gebiets in der Nähe des Nordpols. Die Ober-
mungen im flüssigen Metall des äußeren
fläche ist hier übersät von sekundären
Erdkerns erzeugt, der den festen inneren
Kratern, die von einem außerhalb dieses
Kern umschließt.
Gesichtsfelds liegenden Einschlag herrühren.
Um den Ursprung von Merkurs Mag­
net­feld zu finden, ist Messenger mit ei­
nem Magnetometer ausgerüstet, das die
Feldstärke und räumliche Verteilung des
Feldes ermittelt. Innerhalb von nur fünf
Tagen verdreifachte Messenger in der Umlaufbahn die Zahl der Feldmessungen im
Vergleich zu den Daten, die nach den insgesamt sechs vorangegangenen Vorbeiflügen an Merkur zur Verfügung standen.
die letzten weißen Flecken auf Merkurs
nige mit der ältesten Oberfläche, aber im
Die Rätsel, die der extreme ungewöhn-
Landkarte, die nach den Vorbeiflügen von
Gegensatz zu den anderen noch kaum er-
liche Planet immer noch aufwirft, sind
Mariner 10 und Messenger hauptsächlich
forscht. Mit einem Durchmesser von 4878
zahlreich: Warum ist dieser Planet so au-
in den Polregionen noch verblieben sind.
Kilometern ist er nur wenig größer als der
ßergewöhnlich dicht? Was hat es mit sei-
Elf Tage nachdem Messenger in die
Erdmond. Seine Umlaufbahn um die Son-
nem Magnetfeld auf sich? Befindet sich
Um­lauf­bahn eingeschwenkt war, ak­ti­vier­
ne weist die größte Exzentrizität von allen
an seinen Polen tatsächlich gefrorenes
te die Sonde ihre Instrumente und funkte
Planeten des Sonnensystems auf, und die
Eis, so wie manche Forscher vermuten?
erste Bilder zur Erde. Anfang April begann
täglichen Temperaturschwankungen an
In seinem Inneren scheint Merkur einem
sie mit der systematischen detaillierten
seiner Oberfläche reichen von +430 Grad
jungen dynamischen Planeten wie der
Kartierung der Merkuroberfläche.
Celsius auf der Tagseite bis zu –170 Grad
Erde zu ähneln, außen aber sieht er aus
Während der ein Jahr dauernden Pri-
Celsius auf der Nachtseite. Da die Polach-
wie der inaktive alte Erdmond. Um die-
märmission wird Messenger den Merkur
se von Merkur beinahe senkrecht auf sei-
sen Widerspruch aufzulösen und die Vor-
700 Mal umrunden und dabei rund 75 000
ner Bahnebene steht, liegen manche Kra-
gänge in und auf Merkur besser zu ver-
Bilder liefern. Dabei bildet die Kamera der
termulden nahe den Pol­re­gio­nen stets im
stehen, ­sammelt Messenger nun emsig
Sonde die Oberfläche des Planeten drei-
Schatten bei eisigen Minustemperaturen.
Informatio­nen über Merkurs Kruste, sei-
dimensional ab. Die Höhenunterschiede
Im Verhältnis zu seiner Größe besitzt
ne geologische Ver­gan­gen­heit, die Zusam-
vermisst sie zudem mit einem Laseralti-
Merkur einen riesigen Eisenkern, der
mensetzung sei­ner dünnen Atmosphäre
meter, wodurch sich eine dreidimensio-
60 Prozent seiner Gesamtmasse ausmacht
und seiner ak­ti­ven Magnetosphäre und
nale topografische Karte erstellen lässt.
und 75 Prozent seines Radius einnimmt.
auch über seinen inneren Aufbau.
Merkur gehört zu den erdähnlichen
Die Kerne der anderen felsigen Planeten
fel­si­gen Planeten so wie Venus und Mars.
haben nicht annähernd einen so gro­ßen
Rahel Heule ist Physikerin und freie Auto-
Er ist unter diesen der dichteste und derje-
Anteil an ihren Massen und Volumina.
rin.
Norden
Blick von der Erde
Abbremsmanöver
Blick von der Sonne
dichteste
Annäherung
200 km
Norden
Anflugbahn
Abbremsmanöver
am 18. März 2011
Sonne
Nach einem viertelstündigen Bremsmanöver schwenkte die US-Raumsonde
Messenger am 18. März 2011 in eine
Umlaufbahn um Merkur ein. In der linken
Tag-und-Nacht-Linie
Teilgrafik ist die Lage der Bahn von der
Erde aus gesehen dargestellt, die rechte
Grafik zeigt die Bahn aus der Sicht eines
Sonne. Während ihrer jeweils zwölf
Stunden dauernden Umläufe nähert sich
die Sonde der Merkuroberfläche bis auf
200 Kilometer und entfernt sich bis zu
15 200 Kilometer von ihr.
20
Juni 2011
merkurfernster
Punkt 15200 km
NASA / SuW-Grafik
hypothetischen Beobachters auf der
Sterne und Weltraum
Herunterladen