Drahtwurmschaden Unter der Bezeichnung „Drahtwurm“ fasst man die Larvenstadien unterschiedlicher Schnellkäferarten, wie beispielsweise des Saatschnellkäfers (Agriotes lineatus), des Düsteren Humusschnellkäfers (Agriotes obscurus) und des Salatschnellkäfers (Agriotes sputator) zusammen. Alle schädigen die Kartoffeln in vergleichbarer Weise, auch wenn diese Kultur nicht unbedingt zu ihren bevorzugten Wirtspflanzen zu zählen ist. Kartoffelknollen werden vor allem bei Wassermangel angenommen. Das Schadmaß ist dabei je nach Verwertungsrichtung durchaus unterschiedlich. Am empfindlichsten reagieren die Abnehmer von Speiseoder Veredlungskartoffeln (Fritten- und Chipsproduktion) auf Drahtwurmbefall, gefolgt von den Pflanzkartoffelbeziehern. Relativ problemlos ist die Verwertung hingegen bei Kartoffeln, die für die Stärke- oder Alkoholproduktion vorgesehen sind. Drahtwurmschäden sind daher vor allem qualitativer Natur. Der Flächenertrag wird hingegen kaum beeinflusst. Aus Gründen der Qualitätsminderung können aber auch relativ geringe Drahtwurmpopulationen unter ungünstigen Umständen große finanzielle Einbußen hervorrufen. Schädling Insgesamt 39 Schnellkäferarten aus 12 verschiedenen Gattungen wurden inzwischen als potentielle Kartoffelschädlinge identifiziert. Hiervon sollen die für Deutschland bedeutsamsten Spezies nachfolgend kurz charakterisiert werden. Eine gewisse Artenkenntnis ist nützlich, weil schon aufgrund geringer Unterschiede im Entwicklungsablauf Maßnahmen, die den Saatschnellkäfer hemmen, gegen Humus- und Salatschnellkäfer ins Leere laufen können! Schnellkäfer, das Erwachsenenstadium des Drahtwurms bzw. Geranyl Hexanoat beim Humusschnellkäfer. Zur Kontrolle des Salatschnellkäfers verwendet man Geranyl Butanoat plus Farnesyl Hexanoat. Zeitpunkt: Jeweils Mitte April bis Mitte Juni (Saatschnellkäfer) bzw. Juni bis August (Humus- und Salatschnellkäfer). Aus der Zahl der gefangenen Käfer lässt sich aber kein Schwellenwert ableiten. Man gewinnt indes Informationen über deren Aktivitäten: Ohne Käfer keine Eiablage. Bei hohen Fangergebnissen ist hingegen eine Eiablage wahrscheinlich mit möglichen Drahtwurmschäden ab 2. Jahr nach dem Flug. Entwicklungszyklus Drahtwurm, die Larve des Schnellkäfers Als Beispiel hierfür sei das Erstauftreten im Frühjahr genannt. Saatschnellkäfer erreichen eine Körperlänge zwischen 7,5 und 11 mm, treten in den Farbvarianten gelbbraun (kurz nach dem Schlupf aus der Puppe), braun und schwarzbraun auf und haben rostbraune Fühler und Beine. Der Halsschild ist deutlich länger als breit. Humusschnellkäfer gleichen dem Saatschnellkäfer, aber der Halsschild ist breiter als lang. Salatschnellkäfer fallen hingegen kleiner aus: Sie erreichen 6,5 bis maximal 8 mm Körperlänge. Man findet sie eher im süddeutschen als im norddeutschen Raum. Die Larven aller Arten ähneln sich sehr: Sie sind goldgelb bis gelbbraun, zylindrisch-langgestreckt und sehr stabil (Chitinpanzer). Saatschnellkäferlarven erreichen eine Körperlänge von 22 mm, Humusschnellkäfer eine solche von 25 mm und Salatschnellkäfer 18 mm. Eine genaue Artdifferenzierung anhand von Körpermerkmalen ist nur dem Fachmann möglich. Der ausgewachsene Saatschnellkäfer überwintert in ca. 25 cm Bodentiefe. Im April verlässt er sein Winterlager zwecks Reifungsfraß und Paarung. Die Eiablage beginnt bei wärmerer Witterung im April und zieht sich bis Ende Juni hin. Das Weibchen deponiert seine insgesamt ca. 300 Eier bei ausreichender Feuchtigkeit gruppenweise (2–12) in ca. 6 cm Bodentiefe. Bei Trockenheit dringt es auch 15 cm und mehr in die Ackerkrume ein. Ab Juni, schwerpunktmäßig aber im Juli/ August schlüpfen die Larven. Deren Entwicklung dauert je nach Witterung und Nahrungsangebot 3 bis 5 Jahre. Die ersten 3 Larvenstadien (LI bis LIII) ernähren sich vorzugsweise durch Kaufraß am Humus, die restlichen (bis maximal 9) Stadien gleichermaßen an Wurzeln und – im Falle der Kartoffel – durch Bohrfraß in Knollen. Frühestens im 3., normalerweise im 4. oder gar 5. Jahr verpuppt sich der Drahtwurm im Juli/August in 10 bis 30 cm Bodentiefe. Im August/September schlüpft dann der Käfer, der aber bis zum folgenden April im Puppenlager ausharrt. Die Zyklen des Düsteren Humusschnellkäfers und des Salatschnellkäfers ähneln denen des Saatschnellkäfers. Beide erscheinen aber etwas später. Der Humusschnellkäfer legt eine nicht genauer bekannte Anzahl Eier im Juni/Juli ab, der Salatschnellkäfer 40 bis 150 von Juni bis August. Letzterer benötigt für seine Gesamtentwicklung im Schnitt ein Jahr weniger als die beiden anderen Arten. Knollenoberflächennaher Platzfraß des Drahtwurms Der Drahtwurm selbst wird Mitte März bis Ende April und Mitte September bis Mitte Oktober kontrolliert. Schadbild Verfahren: Die Larvenstadien LI bis LIII verursachen keinen Schaden, sind vielmehr als Humuszersetzer sogar nützlich. Auch der Kaufraß an Kartoffelwurzeln, den die nachfolgenden Stadien hervorrufen, stellt für die Kartoffeln kaum ein Problem dar. Kritisch wirken sich aber Trockenperioden vor allem im Juli/August aus. Der äußerst feuchtigkeitsliebende Drahtwurm deckt dann seinen Wasserbedarf durch die Kartoffelknolle, wobei das Knollenfleisch ihn gleichzeitig vor dem Austrocknen bewahrt. Nahrungsmäßig sagt ihm die Kartoffel allerdings weniger zu, so dass er sie mit dem Einsetzen feuchterer Witterung häufig wieder verlässt. Das Resultat sind (im Regelfall vernarbte) Bohrgänge, die mehrere cm in die Knolle hineinragen, ohne einen Drahtwurm zu beherbergen. Bei anhaltend trockenem Wetter wird hingegen ein ganzes Miniersystem angelegt, in dem der Drahtwurm dann häufig auch zu finden ist. Drittes Schadbild ist eine Art Platzfraß, wobei flach unter der Schale ein unterschiedlich großer Raum frei gefressen wird. Im Gegensatz zu beispielsweise Erdraupen- oder Engerlingsfraß (offene Hohlräume) bleibt jedoch eine etwa 2–3 mm starke „Schutzschicht“ erhalten, die schließlich dunkel verfärbt und eintrocknet. • Bodenuntersuchung (aufwändig!): - 5 x 1 m2/ha auf 20 cm Tiefe sieben. - Schwellenwert: ca. 6 Larven/m2 Schaderregerüberwachung Die Überwachung der Käferaktivitäten ist mittels Pheromonfallen möglich. Als Basissubstanz dient hierbei Geranyl Oktanoat, ergänzt durch Geranyl Butanoat beim Saatschnellkäfer • Köderverfahren: - 5 x 4 Häufchen keimendes Getreide/m2 in 30 cm Abstand auslegen (leicht mit Erde bedecken und markieren). - Ersatzweise Kartoffelscheiben (weniger attraktiv) oder Möhren. - 5 Kontrollstellen/ha. - Schwellenwert: ca. 4 Larven/ m2 Befallsfördernde Faktoren • hohe Bodenfeuchtigkeit (selbst Überstau wird 5 bis 6 Tage überlebt) • hoher Humusanteil (meist in Verbindung mit saurem pH) • Grünlandumbruch • mehrjährige Grünbrache • Grasuntersaaten im Getreide • Einarbeitung hoher Stalldung- und Strohgaben • rigorose Unkrautvernichtung (verstärkt den Befallsdruck auf die Kulturpflanzen) • Beregnung • intensive (insbesondere wendende) Bodenbearbeitung Hohe Bodenfeuchtigkeit begünstigt das Überleben des Drahtwurms, schützt aber die Knolle zunächst bis zu einem ge- wissen Grade vor Befall: Der Schädling zieht andere Nahrung vor. Treten zeitweise Trockenphasen auf, kehrt sich dies ins Gegenteil. Schnellkäfereier wie auch Drahtwürmer mögen keinen relativen Luftfeuchtigkeitsgehalt unter 98 %. Wird dieser Wert unterschritten, steigt die Mortalität. Larven können notfalls in tiefere Bodenschichten ausweichen, Eier nicht. Begünstigend wirkt auch hoher Humusgehalt: Er fördert die Jungstadien. Diese sind aber zunächst noch harmlos. Etwa ab LIV wird dann zunehmend lebende organische Substanz mit allen negativen Folgen für die Kultur verwertet. Grünlandbzw. Grünbrachenumbruch (vorzugsweise nach Dauerbrache) wurden bisher stets als kritisch angesehen, wenn sie 2 bis 3 Jahre zurücklagen. Bei Sommertrockenheit kann es allerdings auch schon im 1. Jahr nach Umbruch zu erheblichen Drahtwurmschäden kommen. Grasuntersaaten sowie Stalldungund Strohgaben verbessern das Nahrungsangebot für den Drahtwurm, wirken damit fördernd auf dessen Populationsdichte und erhöhen zusätzlich den Eiablagereiz für die Schnellkäferweibchen. Die rigorose Unkrautvernichtung hat hingegen mehr hypothetischen Aussagewert: Die wenigsten Landwirte werden in ihren Kartoffeln einen Unkrautbesatz tolerieren, der sich ablenkend auf den Drahtwurmfraß auswirken kann. Hinzu kommt, dass auch Unkräuter im Fall von Sommertrockenheit ihre Ablenkungswirkung verlieren. Für Beregnung gilt das unter „Hohe Bodenfeuchtigkeit“ gesagte. Über den Einfluss intensiver Bodenbearbeitung lässt sich hingegen nur spekulieren. Möglich ist, dass natürliche Gegenspieler dadurch Drahtwurmbekämpfung ➤ ➤ Indirekte chemische Maßnahmen Bohrgänge des Drahtwurms in der Knolle ungleich stärker beeinträchtigt werden, als der relativ „hartleibige“ Drahtwurm. Möglich ist aber auch, dass ein günstigeres Kleinklima (herabgesetzte Verdunstungsrate) die Lebensbedingungen verbessert. Schadminderung Sortenwahl: Es empfiehlt sich, bis zu 3 (besser 4) Jahre nach Grünland- oder Dauerbrachenumbruch möglichst keine Speise- oder Veredelungskartoffeln anzubauen. Falls unumgänglich, sollte man auf Anbau von Sorten der Reifegruppe I (sehr früh) ausweichen, weil diese bereits geerntet werden können, bevor in der Mehrzahl der Jahre der Hauptschaden durch Drahtwurm eintritt. Alternativ ist der Anbau von Stärkesorten in Erwägung zu ziehen, weil deren Vermarktung auch mit Drahtwurmschäden möglich ist. Ackerbauliche Maßnahmen: Herbstfurche ist günstiger als Frühjahrsfurche (geringer Eiablagereiz auf blanken Boden im Frühjahr). Bei Frühjahrsfurche sollte zumindest organische Substanz (Stalldung) umgehend eingearbeitet werden, weil diese eine hohe Anziehungskraft auf Saatschnellkäferweibchen ausübt. Beim Humus- und Salatschnellkäfer wirken sich Getreideuntersaaten negativ aus, weil der Eiablagereiz auf den abgeernteten Flächen höher ausfällt. Hier empfiehlt sich daher eine möglichst rasche Schälfurche. Feldberegnung (obwohl im Prinzip drahtwurmfördernd) kann in Trockenzeiten vom Knollenbefall ablenken. Insbesondere auf leichten Böden sind hier aber nur Teilerfolge zu erwarten (rel. rasches Wiederaustrocknen durch Draineffekt). Großteils verdeckter Drahtwurmfraß Vor allem bietet sich eine Beizung der Vorfrüchte (Getreide, Mais, Rüben, Raps) mit neueren Insektiziden (kulturbezogen gegenwärtig entweder Imidacloprid oder Thiametoxam) an. (Beispiele: Rübenpillierung mit Imprimo oder Gaucho, Getreidebeizung mit Gasur oder Manta Plus, Maisbeize mit Gaucho 600 FS, Rapspillierung mit Cruiser OSR). Diese Beizen verfügen in den betreffenden Kulturen zwar nur teilweise über eine Zulassung zur Drahtwurmbekämpfung, dennoch ist bei ihrem Einsatz gegen andere Schaderreger (z.B. Virusvektoren im Getreide oder Erdfloh im Raps) auch mit einer Drahtwurmnebenwirkung zu rechnen. Je häufiger derartige Mittel vor Kartoffeln zum Einsatz gelangen, umso größer sind die Erfolgsaussichten. Bekämpft werden vorzugsweise die kleineren Drahtwurmstadien LIII bis LVI, weniger die LI + II (Ernährungsgewohnheiten bewirken kaum Mittelaufnahme) bzw. LV bis LIX (zu widerstandsfähig). Die verhältnismäßig geringen Mengen insektizider Wirkstoffe, die mittels Beizung oder Pflanzapplikation ausgebracht werden, reichen häufig nicht mehr aus, große Drahtwürmer abzutöten! Eine gute Drahtwurmnebenwirkung erhält man aber ggf. bei der Nematodenbekämpfung mittels Metam-Fluid. Dieses Mittel darf indes aufgrund der Indikationszulassung nicht gezielt gegen Drahtwürmer ausgebracht werden. Erwähnt sei ferner, dass im Getreide als Vorfrucht eine Blattlausbekämpfung im Mai / Juni mittels synthetischer Pyrethroide eine Saatschnellkäfernebenwirkung aufweisen kann. ➤➤ Direkte chemische Maßnahmen Bodeninsektizide wie beispielsweise Lindan und Dursban, die früher zumindest teils in der Vorfrucht eingesetzt werden konnten und recht wirksam waren, sind aufgrund der negativen Nebenwirkungen auch auf neutrale und nützliche Bodenbewohner nicht mehr zugelassen. Es ist kaum damit zu rechnen, dass sich an diesem Zustand etwas ändern wird. Knollenbehandlung mittels Imidacloprid (Beizung oder Applikation beim Pflanzen) kann den Schaden mindern, aber nicht verhindern. Die applizierte Imidaclopridmenge dürfte unter günstigen Umständen zwar ausreichen, mittlere Drahtwurmstadien abzutöten oder zumindest stark zu schädigen, doch gilt dies nicht (oder in weit geringerem Maß) für die älteren Stadien. Geschützt werden zudem vorzugsweise die Mutterknollen, weit weniger jedoch (allenfalls durch den „Ausdünneffekt“) die ungleich wichtigeren Tochterknollen. In feuchten Frühsommern greift der Drahtwurm aber die geschützte Mutterknolle nicht an. Tritt hingegen zu einem späteren Zeitpunkt Trockenheit auf, hat das Imidacloprid bereits ausgewirkt. Drahtwurmschaden Eine Alternative zur insektiziden Flächenbehandlung bzw. zur Knollenbeizung könnten insektizide Ködermittel darstellen, die vor oder beim Pflanzen auszubringen wären. Ausreichende Lockwirkung vorausgesetzt, bestünde die Möglichkeit, den Drahtwurmbesatz deutlich auszudünnen. Die Industrie arbeitet an derartigen Ködern, momentan sind sie aber noch nicht im Handel. Kalkstickstoff (3 bis 5 dt/ha) nach dem Pflanzen und vor dem Anhäufeln kann über die Ätz- und Giftwirkung des Cyanamids unter günstigen Voraussetzungen Drahtwürmer deutlich dezimieren. Vorbedingung dafür ist allerdings ein warmes Frühjahr mit entsprechend zeitigem Drahtwurmauftreten. Erfolge sind hier vor allem in Bezug auf den Saatschnellkäfer, weniger beim Humus- und Salatschnellkäfer zu erwarten. Merkblatt für f r den Kartoffelanbau Insgesamt lassen die Probleme, die sich bei der Drahtwurmbekämpfung auftun, bei Einzelaktionen keinen durchschlagenden Erfolg erwarten. Kombiniert man indes acker- und pflanzenbauliche Maßnahmen mit indirekten und direkten chemischen Eingriffen, dürfte es möglich sein, die Schäden zu minimieren. Titelbildfoto: Durch Drahtwürmer perforierte Kartoffelknolle Herausgeber: Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft e.V. (UNIKA), Reinhardtstraße 18, D – 10117 Berlin, Tel.: +49 (0)30/31904-415, Fax: +49 (0)30/31904-416, e-mail: [email protected], Internet: www.UNIKA-eV.de Autor und Fotos: Dr. Walter Rieckmann, LWK Hannover Redaktionsteam: Fachkommission Phytosanitäre Fragen der UNIKA Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft e.V.