Einführung in die Planetenkosmogonie Die Planetenkosmogonie beschäftigt sich mit der Frage, wie im Allgemeinen Planeten entstehen und wie im Besonderen die Planeten unseres Sonnensystems einmal entstanden sind. Ein kleiner geschichtlicher Rückblick: Es existieren eine Vielzahl von Urmythen vergangener Völker, die versuchen, die Existenz der Welt und der Erde zu erklären Schöpfungsmythen = Kosmologien / Kosmogonien Beispiel: Der Babylonische Urmythos (Kosmogonie) Enuma elish Im Mythos wird geschildert, wie die Erde geschaffen wurde. Apsû („der Uranfängliche“) und Tiamat („die sie alle gebar“; dargestellt als ein Seeungeheuer) sind die ersten Daseinsformen, lange vor der Schöpfung. Es entstehen mehrere Götter, unter anderem Laḫmu und Laḫamu, über die außer den Namen nichts bekannt ist. Später werden Apsû und Tiamat in einem Götterkampf von den Göttern der neuen Generationen gestürzt. Mit der Neuzeit (Rene‘ Descartes) und mit der Etablierung des Newton‘schen mechanistischen Weltbildes werden immer mehr „natürliche“ Szenarien für die Entstehung des Sonnensystems in Konkurrenz zum biblischenSchöpfungsmythos diskutiert in der Zeit der Zeit der „Aufklärung“ werden in dieser Beziehung die ersten Gedankengebäude ausgearbeitet: Immanuel Kant (1724-1804) Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels (1755) Thomas Wright (1711-1786) An original theory or new hypothesis of the Universe (1750) Pierre-Simon de Laplace (1749-1827) Exposition du Syste`me du Monde (1799-1823) Sir, diese Hypothese bedarf ich nicht... Antwort von de Laplace auf die Frage Napoleons, warum nirgends in seinem Werk „ der Begriff Gott“ auftaucht Kant‘s Planetenkosmogonie Ausgangspunkt (übernommen von G. L. Leclerc de Buffon) ist, daß die Entstehung der Planeten ein natürlicher Prozeß ist, der mit den Gesetzen der Mechanik erklärt werden kann. In einer abgeflachten „Urwolke“ um die Sonne bilden sich Planetenkeime, die durch Akkretion anwachsen ... de Laplace‘ s Planetenkosmogonie Planeten bilden sich aus den ablösenden Gasringen einer ehemals schnell rotierenden Sonne ... Kant-Laplace‘sche Nebulartheorie Die Kant‘-Laplace‘sche Nebulartheorie bildete die Grundlage zu weiteren Forschungen, die über viele Zwischenstufe zur heutigen modernen Planetenkosmogonie führte. 1861 konnte Jaques Babinet zeigen, daß aufgrund der Drehimpulserhaltung die Laplace‘schen Vorstellung von der Ursonne sich ablösender Gasringe nicht stimmen kann DREHIMPULSPROBLEM Modell nach Chrowder Chamberlain / Forest Ray Moulton (um 1905) „Spiralnebel“ sind Ausgangspunkt der Planetenentstehung -> Wirbel verdichten sich durch Masseakretion zu Planeten „fission theorie“ Ablösen von Materieklumpen von schnell rotierenden Sternen (Elie Joseph Cartan konnte zeigen, daß das nicht möglich ist) Planeten entstanden aus einem Materiefilament, der bei einer nahen Sternpassage gravitativ aus der Sonne gerissen wurde (Sir James Hopwood Jeans) 1950: Wirbeltheorie von Carl Friedrich von Weizsäcker 30siger bis 1960ziger Jahre: Planetesimaltheorie nach Otto Schmidt und Viktor Sergeevich Safranov Mit dem sogenannten „Cameron-Modell“ (genauer ein ganzer Satz von Computermodellen, die den radialsymmetrischen Kollaps einer Gaswolke simulieren) beginnt die Zeit, in der das Paradigma geboren wird, daß sich Planeten im Zuge der Sternentstehung bilden (1970ziger Jahre). • Eine Gas- und Staubwolke wird unter ihrer eigen Gravitation instabil und kollabiert im freien Fall • Aufgrund der Drehimpulserhaltung entsteht eine differentiell rotierende flache Scheibe mit einer zentralen Massekonzentration, aus dem sich ein Stern entwickelt • Nach einem (damals) noch unbekannten Mechanismus entstehen in der Staubscheibe Planetesimale und daraus durch Kollisionen Planetenkeime, die ab einer gewissen Masse durch Massenakkretion weiter wachsen bis die Umgebung von Materie freigeräumt ist Dieses „Grundparadigma“ beschreibt bereits die modernen Ansichten der Planetenkosmogonie, die im Folgenden im Detail entwickelt werden sollen Spezialfall: Kosmogonie unseres Sonnensystems Man kann sich der Frage, wie unser Sonnensystem mit seinen Planeten einmal entstanden ist, auf verschiedene Weise nähern: 1. In dem man theoretisch und gestützt durch Beobachtungen eine allgemeine Theorie der Planetenentstehung im Zuge der Sternentstehung entwickelt 2. In dem man aus dem heutigen Zustand des Sonnensystems auf seine Vergangenheit schließt. (Aktualismus) 3. In dem man nach Zeugnissen aus der Vergangenheit (z.B. urtümliche Meteorite) sucht, diese analysiert und daraus die Bedingungen der Planetenentstehung in ihrer zeitlichen Reihenfolge rekonstruiert. (deduktive Herangehensweise) Schwierigkeiten der Methode 2 und 3: ... daß genügend komplexe Systeme im Laufe ihrer Entwicklung ihre Vergangenheit quasi „vergessen“ können, d.h. sie enthalten immanent in ihrem heutigen Zustand so gut wie keine brauchbaren Informationen mehr, die kausal aus der Zeit ihrer Bildung herstammen. Das Hauptproblem der Kosmogonie des Sonnensystems besteht darin, für einen faktischen Endzustand (wie er sich uns heute darstellt) einen Anfangszustand zu rekonstruieren und – was das eigentliche Problem ausmacht – zu zeigen, wie daraus über kausal aufeinanderfolgende Zwischenstufen letztendlich wieder – und zwar möglichst zwangsläufig - der Endzustand folgt. Ausgangsparadigma Planetare Körper entstehen immer im Zuge der Sternentstehung in den protoplanetaren Scheiben von Protosternen ... • Wie entstehen Sterne? • Wie gelangen schwerere Elemente (Metalle) in die interstellare Materie? • Wie können sich aus ca. 1 Masseprozent Staub im Gas einer protoplanetaren Scheibe überhaupt Planeten bilden? Die beste Methode, das Hauptproblem der Kosmogonie des Sonnensystems zu lösen, ist die Untersuchung des „allgemeinen Falls“ anhand von Beobachtungen von realen protoplanetaren Scheiben in Sternentstehungsgebieten sowie in der Entwicklung einer allgemeinen Theorie der Planetenentstehung. Anwendung auf unser Sonnensystem Erst dann läßt sich klären, ob unser Sonnensystem ein „ganz normales“ Planetensystem beherbergt oder ob es Besonderheiten gibt, die es „außergewöhnlich“ machen. Letztere Frage ist besonders für die Astrobiologie von großer Bedeutung? Sinnige Frage... Könnte man theoretisch in jedem Planetensystem die Stoffe finden, die für den Betrieb von Kernkraftwerken und zur Anfertigung von Goldkettchen benötigt werden? (SUPERNOVA-Trigger: Ist der Ausbruch einer Supernova unbedingt notwendig, um potentiell einmal belebte Planeten entstehen zu lassen?) Argumentation: kurz- und langlebige radioaktive Stoffe ... Aufrechterhaltung Plattentektonik ... Langzeitstabilität des Klimas Durch welche Beobachtungen wird das Ausgangs-Paradigma gestützt? • Kühle Molekülwolken sind im Rahmen des kosmischen „Materiekreislaufs“ Ausgangspunkte für die Sternentstehung • Beim Gravitationskollaps entstehen Protosterne, die von einer dichten Gas- und Staubhülle umgeben sind. Diese zirkumstellaren Staubscheiben können in Sternentstehungsgebieten (z.B. im Orion-Komplex) auch direkt beobachtet werden • In Form von primitivem meteoritischen Materials haben Proben aus dem solaren Nebel bis heute überdauert. Aus ihnen lassen sich durch Laboruntersuchungen die Entstehungsbedingungen rekonstruieren. • Bei einer ganzen Anzahl von Sternen konnten Planeten nachgewiesen werden, was darauf hindeutet, daß planetare Körper ein gewöhnliches Nebenprodukt der Sternentstehung sind. Die technischen Voraussetzungen, die Stern- und Planetenentstehung auch beobachterisch zu verfolgen, sind erst seit wenigen Jahrzehnten gegeben. IR-Teleskope, Submillimeter- und Millimeterastronomie, IR-Weltraumteleskope räumliche Auflösung protoplanetarer Scheiben durch Weltraumteleskope, irdische Riesenteleskope mit adaptiver Optik, Optische Interferometrie Was muß eine Theorie der Entstehung unseres Sonnensystems erklären können? • Die Sonne enthält rund das 750 fache der Masse des Sonnensystems abzüglich der Sonnenmasse (1.989∙10^30 kg). Das sind mehr als 99.9% der Gesamtmasse. • Die Planeten tragen zusammen mehr als das 200-fache des Eigendrehimpulses der Sonne • Die Richtung des Eigendrehimpulses der Sonne (Rotationsachse) ist um ~6° gegenüber der Normalen der mittleren Bahnebene aller Planeten geneigt. • Alle Himmelskörper mit Ausnahme der Kometen haben näherungsweise koplanare Bahnen, die zumeist eine geringe Exzentrizität aufweisen und die gleiche Drehrichtung haben wie die Drehrichtung der Sonnenrotation (prograde Bewegung) • Die meisten Planeten besitzen eine Rotationsachse, die annähernd senkrecht auf der Bahnebene steht • Es gibt eine klare Trennung zwischen erdähnlichen und jupiterähnlichen Planeten sowie den größeren Kuiper-Objekten • Die terrestrischen (inneren) Planeten sind an volatilen Elementen verarmt während die äußeren (Gas-) Planeten eine Elementezusammensetzung aufweisen, die in etwa dem der Sonne entspricht. • Es existieren verschiedene Typen undifferenzierter Meteorite aus der Zeit der Planetenentstehung. Ihr mineralogischer Aufbau, ihre Struktur und die daraus ableitbare thermische Geschichte sind zu reproduzieren. • Die ältesten, im solaren Nebel gebildeten Minerale, sind ca. 4.56 Milliarden Jahre alt. Ausgangspunkt: Die interstellare Materie (ISM) 99% Gaskomponente (H, He) - ca. 1% Staubkomponente (kondensierte Materie) Die Interstellare Materie läßt sich u.a. über ihre (kinetische) Temperatur, die Dichte und ihre Zusammensetzung charakterisieren: Für die Sternentstehung kommen nur kalte Molekülwolken in Frage, da nur sie gravitativ instabil werden und kollabieren können. Dunkelwolken = Molekülwolken: Fallen durch eine große Extinktionswirkung auf ... „Staub“ ist das wichtigste Ingredienz einer Molekülwolke • hohe Extinktion erlaubt die Kühlung des Wolkengases (10..20 K). Dadurch kommt Wasserstoff ausschließlich in molekularer Form vor. • Staubpartikel bieten Oberflächen für chemische Reaktionen, wodurch Molekülbildung möglich wird • „Staub“ ist das Ausgangsmaterial für Gesteinsplaneten sowie den Kernen von Gasplaneten Eine typische Molekülwolke in unserer Milchstraße enthält ungefähr 1 Masseprozent „Staub“ in Form sub-mikrometergroßer Silikat- und Kohlenstoffpartikel (z.T. mit „Eishüllen“) sowie „polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe“ (PAH‘s). Typischer Durchmesser großer Staubpartikel: 0.1 µm (rund 1 Milliarde Atome) Häufigster Durchmesser: 0.005 µm (rund 100 Atome) Das Größenspektrum interstellarer Staubteilchen hat bei Größen um 10−2 bis 10−3 µ𝑚 sein Maximum. Wo kommt der ganze „Staub“ her? 1. Die Staubkomponente besteht aus festen Partikeln aus Elementen, die nur in massereichen Sternen (M>5 𝑀⊙ ) fusioniert werden können. 2. Die Dichte des interstellaren Gases ist viel zu gering (und die Temperatur gewöhnlich viel zu hoch), als daß sich hier Festkörperpartikel bilden können Die Quelle des interstellaren Staubs müssen Sterne sein... Staubproduktion ist im Wesentlichen ein Phänomen massereicher Sterne. Nur sie sind in der Lage, in ihrem Inneren die für die Staubproduktion wesentlichen Elemente zu fusionieren. Primäre Staubbildung erfolgt immer durch direkte Kondensation aus der Gasphase heraus, sobald die Temperatur unter einem kritischen Wert (der Kondensationstemperatur) gefallen ist und im Gas eine Sättigung der entsprechenden Stoffe erreicht ist. • genügend hohe Teilchenzahldichte der Elemente, die zu Staub kondensieren • Temperatur unterhalb 3500 K Wo sind diese Bedingungen in einem Stern erfüllt? In den äußeren kühlen Bereichen von Sternen, die im HRD den Riesenast und insbesondere den asymptotischen Riesenast bevölkern. 3600 K Hertzsprung-Russel-Diagramm Die wichtigsten stellaren Staubproduzenten sind kühle, konvektive Riesensterne, die radiale Pulsationen ausführen bzw. intensive Sternwinde entwickeln. In der Sternatmosphäre kondensieren insbesondere Karbide (aber auch direkt Graphit) aus, die z.T. bereits hier zu größeren Aggregationen koagulieren und durch den intensiven Sternwind und den Strah-lungsdruck in den interstella-ren Raum geblasen werden. Mira-Veränderliche und insbesondere R Coronae Borealis-Sterne gehören in dieser Beziehung zu den wichtigsten Produzenten kohlenstoffreicher „Sternstäube“. Lichtkurve von R CrB Nächstes Mal: Weitere Quellen für den kosmischen Staub - Staubchemie