Teil 1 Die Grundrechte I. Geschichtlicher Hintergrund der Grundrechte Die Ausformung der Grundrechte geschah im Blick auf die Erfahrung typischer Gefährdungen und Verletzungen der Würde, der Freiheit und der rechtlichen Gleichheit der einzelnen Menschen oder von Menschengruppen durch die öffentliche Gewalt, vor allem im Dritten Reich. II. Der Inhalt der Grundrechte Im Wesentlichen teilen sich die Grundrechte auf Freiheitsrechte (Handlungsfreiheiten, Freiräume, Rechte oder Rechtsgüter) und Gleichheitsrechte (Bürger im Verhältnis untereinander dürfen durch die staatlichen Organe nur aus sachlichem Grund ungleich behandelt werden) auf. Gegenüber dem Statt sind die Grundrechte Abwehrrechte oder Rechte auf Schutz bzw. Gewährung von Hilfe. Grundrechte haben in subjektiver und objektiver Hinsicht Doppelcharakter. Sie enthalten eine subjektive Gewährleistung für den einzelnen Bürger, die sein Verhältnis zum Staat betrifft. Ferner haben sie einen objektiven Gehalt, welcher Richtlinien für das Handeln des Staates und seine Organe gegenüber den Bürgern unabhängig vom Einzelnen gibt. Der Bürger kann seine Grundrechte gegenüber dem Staat im Rahmen der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG sowie durch die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 AGG wahrnehmen. Damit soll garantiert werden, dass der Bürger die ihm zustehenden Grundrechte aus durchsetzen kann. Beispiele: Abwehr von grundrechtswidrigen - Gesetzen durch Normenkontrolle oder Inzidentkontrolle - Verwaltungsakten durch Widerspruch und Anfechtungsklage - Realakten, z.B. Warnerklärungen, Ehrverletzungen, Immissionen (vorbeugende Unterlassungsklage) - Versagung von Genehmigungen, z.B. einer Bauerlaubnis oder Gewerbeerlaubnis durch Erhebung einer Verpflichtungsklage (gerichtet auf Erteilung der Genehmigung) - Urteilen oder Beschlüssen der Gerichte durch Rechtsbehelfe, Rechtsmittel bzw. Verfassungsbeschwerde Grundrechte können eine mittelbare Drittwirkung haben, nämlich bei der Beurteilung von Rechtsbeziehungen der Bürger untereinander. Hier geht es also nicht um das Verhältnis Bürger/Staat, sondern um das Zusammenleben der gleichberechtigten Bürger. Die Wirkung der Grundrechte erschöpft sich allerdings im Privatrecht darin, dass die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts den grundgesetzlichen Wertmaßstäben Rechnung tragen müssen. Im BGB finden sich hierzu einige „Türen“, etwa über den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und die Grenzen der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB). ________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 1 zum Skript Seite 2 III. Grundrechtsfähigkeit und Grundrechtmündigkeit Grundrechtsfähig sind sowohl natürliche als auch juristische Personen. Auch das ungeborene Kind ist grundrechtsfähig. Die Schutzpflicht des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gibt dem Kind nicht nur ein Recht auf Leben, sondern gibt auch dem Staat die Pflicht, sich schützend und fördernd vor dieses Rechtsgut zu stellen. Auch nach dem Tod bleibt eine natürliche Person aufgrund des postmortalen Persönlichkeitsrechts noch beschränkt grundrechtsfähig. Der Unterschied zwischen der Grundrechtsfähigkeit und der Rechtsfähigkeit nach dem BGB liegt vor allem darin, dass alle Menschen rechtsfähig im Sinne des § 1 BGB sind, während das Grundgesetz zusätzlich zwischen Menschen- und Bürgerrechten unterscheidet, wobei Bürgerrechte u.U. nur Inländern, also deutschen Staatsbürgern zustehen können. Juristische Personen können naturgemäß nur solche Grundrechte beanspruchen, die ihrem Wesen nach dazu geeignet sind. Alle Grundrechte, die nur individuell beansprucht werden, können (z.B. Wehrdienstverweigerung) beispielsweise nicht von Firmen geltend gemacht werden. Wohl aber gilt dies für das allgemeine Persönlichkeitsrecht, da auch ein Wirtschaftsunternehmen beispielsweise „beleidigungsfähig“ ist. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind allerdings nicht grundrechtsfähig, weil sie Teil des Staates sind und somit nicht gleichzeitig berechtigt und verpflichtet sein können (so genannte Konfusion), eine Ausnahme gilt jedoch für die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die unmittelbar dem Lebensbereich der Bürger zugeordnet werden müssen, der durch die Grundrechte geschützt wird, und die als eigenständige, unabhängige oder zumindest distanzierte Einrichtungen Bestand haben. Hier sind die Rundfunkanstalten, die Universitäten bzw. Fakultäten, aber auch die Kirchen- und Religionsgemeinschaften, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert sind, zu nennen. Sie sind grundrechtsfähig, weil sie normalerweise nicht im staatlichen Bereich wurzeln. In der Regel entsteht Streit zwischen einzelnen Bürgern oder einem Bürger und dem Staat dann, wenn verschiedene Grundrechte - ausgeformt durch „einfache“ Gesetze miteinander kollidieren. IV. Wichtige Grundrechte im Einzelnen 1. Art. 1 GG (Menschenwürde) Die Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG als Leitprinzip der Verfassung. Kerngehalt der Aussage des Art. 1 Abs. 1 GG ist die Normierung der Menschenwürde als Mittelpunkt des Wertesystems der Verfassung. Trotz der Formulierung „ … die nachfolgenden Grundrechte …“ ist Art. 1 Abs. 1 GG wegen seiner zentralen Bedeutung selbst als Grundrecht anzusehen. Grundrechtsfähiger ist jeder Mensch von der Geburt an bis zum Tod, wobei die bereits genannten Ausnahmen für das werdende Leben und über den Tod hinaus gelten. Die Menschenwürde ist typischerweise betroffen bei - Folter und sonstiger körperlicher Misshandlung - unerlaubter Genforschung ________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 2 zum Skript Seite 3 - Import/Forschung mit embryonalen Stammzellen - Klonen von Menschen, portmortale Entnahme bzw. Verkauf von Organen - Aktiver Sterbehilfe sowie bei Verletzung der geistig-seelischen Integrität, beispielsweise bei - Gebrauch von Hypnose durch staatliche Organe, auch mit Einverständnis des Betroffenen, - Lebenslange Sicherungsverwahrung - Ausweisung eines Ausländers aus generalpräventiven Gründen oder bei fehlender Grundsicherung des individuellen und sozialen Lebens, beispielsweise - der Gewährleistung einer würdigen Existenz im Strafvollzug, - keine Besteuerung des Existenzminimums - Zwangsweise Unterbringung von Obdachlosen und Asylbewerbern, sowie bei sonstigen Fällen, die gegen das sittliche Anstandsgefühl der Mehrheit verstoßen wie beispielsweise - Kampfspiele wie Paintball-Schießen, Zwergewerfen, Damenschlammschlacht etc. - Ausstellung von Leichen - Schockwerbung - Finaler Rettungsabschuss (sehr problematisch: Luftsicherheitsgesetz) In allen genannten Fällen ist zunächst das Grundrecht - bloß - tangiert. Soweit kein ausdrückliches (einfach-) gesetzliches Verbot für eine individuelle Maßnahme steht, bedarf eines einer Abwägung im Einzelfall, ob eine bestimmte Maßnahme noch grundrechtsmäßig ist. 2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein Freiheitsrecht, das die informationelle Selbstbestimmung, die engere persönliche Lebenssphäre und das Recht des einzelnen darüber regelt, ob und wie er in der Öffentlichkeit in Erscheinung tritt. Mit dem Volkszählungsurteil hat das BVerfG den Schutzbereich dieses Grundrechts konkretisiert für den Umgang mit personenbezogenen und statistischen Daten. Das Recht auf Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit bedeutet, dass der Betroffene selbst darüber bestimmen kann, wie weit er seine Privatsphäre gegenüber der Öffentlichkeit öffnet. Der Schutz ist nicht nur auf den häuslichen Bereich beschränkt, sondern gilt auch für andere, erkennbar abgeschiedene Orte (Luxusjacht, Jagdhütte, FKK-Strand). 3. Die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG Art. 2 Abs. 2 GG ist nicht nur ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern verpflichtet die staatlichen Organe, sich schützend und fördernd vor die darin genannten Rechtsgüter zu stellen. Hierzu zählt beispielsweise der Anspruch auf Schutz des ________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 3 zum Skript Seite 4 werdenden Lebens bei der Reform des § 218 StGB. Eine Grundrechtsverletzung kann auch darin liegen, dass eine Behörde bei der Entscheidung über die Genehmigung eines Kernkraftwerkes Schutzvorschriften nicht ausreichend beachtet. Das Grundrecht umfasst auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit beispielsweise in Form der Pflicht zur Bekämpfung von gesundheitsgefährdenden Auswirkungen des Fluglärms. Eine Pflicht zur Zwangsimpfung stellt zwar einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar, ist jedoch unter dem Gesetzesvorbehalt u.U. rechtmäßig. Rechtmäßig sind auch Vorschriften, die beispielsweise die Länge und Tragweite des Haupthaars von Soldaten oder Polizisten regelt. Das Recht umfasst auch die Unverletzlichkeit der Freiheit. Freiheitseinschränkende Maßnahmen sind nur unter dem Vorbehalt der richterlichen Entscheidung möglich. Das Grundrecht steht auch Geisteskranken oder nicht Vollgeschäftsfähigen zu. Das Grundrecht gewährt nicht die Freiheit von jeglichem staatlichen Druck. So stellt beispielsweise die Vorladung zum Verkehrsunterricht keinen rechtswidrigen Eingriff dar. Weitere Beispiele: - Mitnahme zur Dienststelle, Mitnahme zur Blutentnahme - Durchsuchung einer Person im Rahmen der Polizeiaufgaben All diese Eingriffe sind nur unter dem Gesetzesvorbehalt, also im Rahmen der polizeilichen Befugnisse zulässig und durch die Gerichte überprüfbar. Keine rechtswidrigen Eingriffe sind - Wehrpflicht und Schuldpflicht - Nachsitzen in der Schule - Vorladung zum Verkehrsunterricht - Vorladung eines Zeugen - Platzverweis - Aufenthaltsverbote für Drogendealer bzw. Teilnehmer von Chaos-Tagen usw. Im Rahmen des Gesetzesvorbehalts gilt das Bestimmtheitsgebot. Dieses bedeutet, dass die förmlichen Gesetze die zulässigen Maßnahmen einzeln und konkret beschreiben und regeln müssen. Ist das Gesetz zu unscharf und wird den ausführenden Organen dadurch ein zu weiter Spielraum eingeräumt, ist die Ermächtigungsgrundlage nicht mehr vom Grundgesetz gedeckt. Ein solches Gesetz ist dann verfassungswidrig. Auch die Einzelmaßnahme ist dann nicht gesetzmäßig. 4. Art. 3 Grundgesetz (Gleichheitsgrundsatz) Der Gleichheitsgrundsatz wird von dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit beherrscht und richtet sich in erster Linie an den Gesetzgeber. Er ist für alle Menschen, auch für Ausländer, juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts anwendbar. Er umschreibt, dass wesentlich Gleiches nicht ungleich, wesentlich Ungleiches nicht gleich zu behandeln ist. Er verbietet vor allem willkürliches Handeln. Im Unrecht gibt es keine Gleichheit. Besondere Probleme bereitet der Gleichheitsgrundsatz dort, wo die Gesetze den Behörden ein Ermessen einräumen, beispielsweise bei der Subventionsgewährung. Die entsprechenden Entscheidungen werden regelmäßig durch die Gerichte überprüft, die dann eine Güterabwägung vornehmen und die Ermessenskriterien überprüfen. Hier gibt es eine reichhaltige Rechtsprechung. ________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 4 zum Skript Seite 5 Soweit die Verwaltung im Rahmen ihres Ermessens eine bestimmte Praxis entwickelt, spricht man von der Selbstbindung der Verwaltung. Dieser Grundsatz besagt, dass die Verwaltung ohne sachlichen Grund von einer solchen Verwaltungspraxis nicht mehr abweichen darf. 5. Art. 4 GG (Religionsfreiheit) Auch dieses Grundrecht ist ein subjektiv-öffentliches Abwehrrecht. Es verwehrt dem Staat den bestimmenden Zugriff auf die religiöse oder weltanschauliche Dimension des Menschen. Grundrechtsträger ist wieder jedermann, auch Kinder. Die Religionsgemeinschaften selbst sind ebenfalls Grundrechtsträger. Auch religionsfeindliche Gemeinschaften sind von der Glaubensfreiheit erfasst, jedoch nicht demokratiefeindliche Gemeinschaften. Erfasst wird auch die Gewissensfreiheit. Hierunter versteht man das Recht des einzelnen, für sich selbst zwischen „gut“ und „böse“ zu unterscheiden und bestimmte Handlungen zu verweigern. Für rechtmäßig befunden wurden allerdings: - Disziplinarmaßnahmen gegen Postbeamten, der sich weigerte, Werbesendungen der „Republikaner“ zuzustellen - Steuerverweigerung aus Gewissensgründen ist Unrecht - Verweigerung der Zahlung von Beiträgen zur Krankenkasse, solange diese generell Abtreibungen bezahlt, ist Unrecht - Verweigerung der Lohnfortzahlung bei Abtreibung durch Arbeitgeber - Freiheitsstrafe wegen Totalverweigerung des Wehrdienstes Wohl aber gilt im Arbeitsrecht ein „Wohlwollensgebot“, das der Gewissensfreiheit in Einzelfällen den Vorrang gegenüber dem Weisungsrecht des Arbeitgebers gibt, solange dieser einen Sielraum hat. 6. Art. 5 GG (Meinungsfreiheit u.a.). Das Grundrecht umfasst sowohl die Meinungsäußerungs- und Verbreitungsfreiheit als auch die Informationsfreiheit und die Pressefreiheit, die Rundfunk- und Filmfreiheit sowie das Zensurverbot und die Kunstfreiheit. Es handelt sich um eines der wichtigsten Grundrechte, da es unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit ist und zugleich konstituierend für die demokratische Staatsordnung. Das Grundrecht beinhaltet ein subjektives Recht als auch ein objektives Prinzip der Gesamtrechtsordnung. Es dient nicht nur der Ermittlung der Wahrheit, sondern will gewährleisten, dass jeder frei sagen kann, was er denkt, auch wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Werturteil angeben kann. Der Begriff der Meinungsäußerung ist von einer Tatsachenbehauptung zu unterscheiden. Während eine Tatsache nachprüfbar ist, enthält die Meinung als kennzeichnendes Element eine Stellungnahme, ein Dafürhalten bzw. eine subjektive Ansicht, gleich ob diese als „richtig“ oder „falsch“ empfunden wird. Die Meinung ist also ein geäußerter Gedanke als Beitrag für geistige Auseinandersetzung, während die Tatsache einen Sachverhalt schildert. ________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 5 zum Skript Seite 6 Es gibt Mischformen, beispielsweise die Durchführung vergleichender Warentests. Auch Bilder können ein Werturteil oder eine Tatsachenbehauptung beinhalten. Während eine Tatsachenbehauptung stets beweisbar richtig sein muss, muss eine falsch empfundene Meinung hingenommen werden, solange sie keine Beleidigung oder Schmähkritik beinhaltet. Die Informationsfreiheit ist ein reines Abwehrrecht gegen den Staat. Allgemein zugängliche Quellen sind Fernsehen, Rundfunk, Zeitungen etc. Ein Eingriff in dieses Recht kann nur unter dem Gesetzesvorbehalt erfolgen. Die Pressefreiheit ist ein subjektives Grundrecht für die im Pressewesen tätigen Personen und Unternehmen. Es wird nicht zwischen „seriöser“ Presse oder Regenbogenpresse etc. unterschieden. Die rechtswidrige Beschaffung von Informationen fällt nicht in den Schutzbereich des Grundrechts, wohl aber die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen. Insbesondere schützt die Pressefreiheit das Vertrauensverhältnis mit den Informanten. Letzteres wird auch als „Presseprivileg“ bezeichnet. Grenzen des Grundrechts sind erreicht, wenn falsche Tatsachen oder ehrenrührige Vorgänge verbreitet werden. 7. Art. 6 GG (Schutz der Familie ) Grundrechtsträger können im Wesen nach nur natürliche Personen sein, in erster Linie die Eltern und die Kinder. Der Artikel hat eine 3-fache Bedeutung, nämlich enthält er eine Institutsgarantie, ein Grundrecht auf Schutz gegen störende Eingriffe des Staates und darüber hinaus eine wertentscheidende Grundsatznorm für das gesamte Recht der Ehe und Familie. Zu den Kindern gehören auch Stief-, Adopptiv- und Pflegekinder sowie nicht-eheliche Kinder. Verboten wäre beispielsweise, wenn Steuergesetze durch einen „Erziehungseffekt“ Ehefrauen von einer Berufsausübung abhalten oder bei der Beamtenversorgung schlechter stellen als männliche Kollegen. Das Verbot der Diskriminierung sieht vor, dass Ehegatten gegenüber Ledigen etwa im Steuerrecht nicht benachteiligt werden dürfen. Vergleichspaare sind insoweit Verheiratete/Ledige und Familienmitglieder/Nichtmitglieder. Dies hat natürlich Auswirkungen auf den Gleichheitsgrundsatz bei Art. 3 Abs. 1 GG, der mit Art. 6 GG zusammenhängt. Der Schutz der Ehe sieht auch die Eheschließungsfreiheit vor. So wäre eine „Zölibatsklausel“ in einem Arbeitsvertrag unwirksam (auflösende Bedingung für den Fall einer Eheschließung de Arbeitnehmers; gilt nicht für die katholische Kirche). Als „negative“ Eheschließungsfreiheit ist die Ehescheidung geschützt, obwohl die verfassungsgemäße Ordnung im Grundsatz der unauflöslichen Ehe folgt. Der Gesetzgeber ist daher gezwungen, im Scheidungsrecht auch eheerhaltende Elemente zu prüfen, beispielsweise durch den Zerrüttungsgrundsatz. Dabei wird geprüft, ob eine Ehe tatsächlich zerrüttet ist. Aufgrund einer Scheidung werden - bekanntlich - eheliche Pflichten nicht völlig aufgelöst, sondern es bestehen Folgewirkungen wie Unterhaltsregelungen, Versorgungsausgleich etc. ________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 6 zum Skript Seite 7 Besondere Bedeutung hat das Grundrecht beim Ausländerrecht, nämlich beim Bleiberecht von Ausländern, die mit Deutschen verheiratet sind (bzw. waren). Hier treten Belange des Ausländerrechts hinter dem Schutz der Ehe praktisch zurück. Gemäß Art. 6 Abs. 2 GG haben Eltern auch Pflichten, die aus dem Grundrecht der Kinder auf Familie resultieren. Als Beispiel wäre die Pflicht zur Erziehung im Rahmen des Kindeswohls, die Gewährung von Unterhalt, die Duldung der Schulpflicht einschließlich des Inhalts der staatlichen Lehrpläne. Das Wächteramt des Staates greift zunächst in Form unterstützender Maßnahmen. Erst dann sind Eingriffe zulässig. Im Familienrecht des BGB sind beispielsweise als Eingriffe Einschränkungen der elterlichen Sorge (§ 1066 ff BGB) geregelt, wenn Kinder zu verwahrlosen drohen oder wenn Kinder misshandelt werden. 8. Art. 7 GG (Schulwesen) Unter Schulwesen ist die Gesamtheit der Einrichtungen zu verstehen, die sich mit der Vermittlung von Bildungsgütern in Schulen befassen. Die Schulen unterliegen der staatlichen Schulaufsicht, wobei die Ordnung des Schulwesens Sache des Landesrechts ist. Dies hat mit der Kulturhoheit der Bundesländer zu tun. Wesentlich ist jedoch der Gesetzesvorbehalt, der besagt, dass für wesentliche Entscheidungen im Schulwesen stets eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist. Die Lehrpläne etc. werden allerdings auf Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung durch Rechtsverordnung oder durch Verwaltungsvorschriften und Richtlinien der Schuldbehörde geregelt. Grundrechte sind nur tangiert, wenn es sich um wesentliche Entscheidungen, etwa im Religionsunterricht, bei der Dauer der Ausbildung etc. handelt. Probleme können auch bei der Anerkennung von Privatschulen stehen, weil hier der Staat die Pflicht hat, die Gleichwertigkeit sicherzustellen. 9. Art. 8 GG (Versammlungsfreiheit) Art. 8 GG gewährleistet die Freiheit der kollektiven Meinungsgrundgabe. Eine besonders enge Verbindung besteht zu Art. 5 Abs. 1 GG, weil hier wie dort die Meinungskundgabe geschützt ist. Vorliegend ist die Persönlichkeitsentfaltung in Gruppenform geregelt. Eine Versammlung liegt vor, wenn mehrere Personen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsbildung und -äußerung an einem Ort zusammenkommen. Der Versammlungsbegriff ist relativ weit, erfasst werden auch Kongresse, Betriebs- oder Gesellschaftsversammlungen. Der Versammlungszweck muss jedoch die Erörterung meinungsrelevanter Angelegenheiten sein. Es reichen nicht aus z.B. Sportveranstaltungen, Volksfeste, Theater oder Filmveranstaltungen oder gar ein Auflauf von Gaffern nach einem Unfall, selbst wenn diese das Geschehen kommentieren. Das Grundrecht ist auf Deutsche beschränkt und gilt nur für friedliche Teilnehmer, die keine Waffen tragen. In der Regel nicht gewalttätig sind reine Sitzblockaden. Einzelne Gewalttäter nehmen einer ansonsten friedlichen Demonstration nicht den Schutz der Art. 8 GG. Gerade deshalb sind Maßnahmen gegen die Störer durch die Polizei in der Regel zulässig. Dies gilt auch dann, wenn beispielsweise rechtsgerichtete Parteien eine Versammlung durchführen. Auch hier hat die Polizei den Ablauf der Versammlung gegen gewalttätige ________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 7 zum Skript Seite 8 Gegendemonstranten zu schützen. Als Waffe sind alle verletzungsgeeigneten Gegenstände geeignet, auch Stuhlbeine und Bierkrüge etc. Das Grundrecht wird durch das Versammlungsgesetz konkretisiert und auch eingeschränkt. Danach ist eine Versammlung anzumelden und kann mit Auflagen der zuständigen Behörde versehen werden. Versammlungen in geschlossenen Räumen unterliegen keinen Beschränkungen abseits der allgemeinen Gesetze. Veranstaltungen unter freiem Himmel können beschränkt werden, beispielsweise durch das Bannmeilengesetz des Bundes, das 1999 durch das Gesetz „über befriedete Bezirke der Verfassungsorgane des Bundes“ ersetzt wurde. Geschützt sind auch Spontanversammlungen, die faktisch nicht angemeldet werden können oder Eilversammlungen, bei denen die fehlende Anmeldung noch kein Auflösungsgrund ist. Problematisch sind solche Versammlungen allerdings dann, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu befürchten ist. 10. Art. 9 GG (Vereinigungs- und Kodaditionsfreiheit) Ein wesentliches Prinzip freiheitlicher Staatsgestaltung zum Ausdruck. Er verwirkt das Recht des einzelnen Staatsbürgers zum Zusammenschluss in Vereinen und Gesellschaften des privaten Rechts. Eine Sonderstellung bilden die Zwangsmitgliedschaften in öffentlichrechtlichen Verbänden wie beispielsweise den Industrie- und Handelskammern, der Ärzteversorgung oder auch der studentischen Krankenversorgung. Diese Mitgliedschaften richten sich nach Art. 2 Abs. 1 GG. Das Grundrecht schützt nicht die Bildung verfassungsfeindlicher Vereine etc. Grundrechtsträger ist jedermann in jedem Beruf. Das Recht steht Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie Beamten zu. Vereinigungen sind beispielsweise auch Gewerkschaften und Berufsverbände unabhängig von ihrer Rechtsform. Art. 9 Abs. 3 GG Begründet das Streikrecht. Auch hier gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. In der Regel wird das Streikrecht durch (freiwillige) Tarifverträge konkretisiert. 11. Art. 10 GG (Briefgeheimnis u.a.) Das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG gewährleistet die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch einen privaten, der Öffentlichkeit verborgenen Austausch von Kommunikation. Das Grundrecht tangiert somit gleichzeitig die Würde des Menschen. Prinzipiell erstreckt sich das Briefgeheimnis auch auf Postkarten, kommt aber letztlich faktisch nicht zur Geltung. Es erstreckt sich nicht nur auf den Inhalt der Sendung, sondern auch auf deren Absender und Empfänger sowie auf alle Daten der Beförderung. Diese Daten sind zwangsläufig nur dem Zustellunternehmen bekannt und dürften im Rahmen der Gesetze nicht weitergegeben werden. Das Postgeheimnis bezieht sich auf den Übermittlungsvorgang und schützt vor allem vor der Offenbarung, wer mit wem wann Briefe usw. gewechselt hat. Gleiches gilt übrigens für E________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 8 zum Skript Seite 9 Mail, SMS und sonstige Übertragungen über Internet. Auf das Medium der Übertragung kommt es daher nicht an, vielmehr reicht die Feststellung, dass es sich um Individualkommunikation handelt. Gegenbeispiel wäre die Veröffentlichung eines „offenen Briefes“, da der Autor dann bewusst die Kenntnisnahme durch Dritte wünscht. Das Fernmeldegeheimnis kann durch Gesetz eingeschränkt werden. Hier sind vor allem Gesetzes im Rahmen der Strafverfolgung zu nennen sowie Mithörfälle, die Ermittlung der Standorte von Handy’s usw. Ausdrücklich erlaubt ist beispielsweise auch die Öffnung von unzustellbaren Postsendungen zur Feststellung des Absenders, weil sie im Interesse der am Briefwechsel Beteiligten ist. 12. Art. 14 GG (Eigentum) Die Bestimmung des Umfangs der Eigentumsgewährleistung bereitet Schwierigkeiten, denn anders als die Begriffe „Ehe, Freiheit, Körper“ usw. ist der Begriff „Eigentum“ ein Rechtsbegriff, dessen Inhalt durch das einfache Recht ausgefüllt und damit selbst definiert wird. Prinzipiell wird das Eigentum als die ausschließliche Zuordnung einer vermögenswerten Position durch das einfache Recht zu einem bestimmten Zeitpunkt definiert. Die Auferlegung von Steuern etc., die lediglich das Vermögen in seiner Gesamtheit belasten, fällt damit grundsätzlich nicht unter die Eigentumsgarantie. Zum Eigentum gehören Rechte am Sacheigentum beweglicher Sachen und Grundstücken einschließlich des Rechts zur ungestörten Nutzung, dingliche Rechte, die Baufreiheit sowie gewerbliche Schutzrechte, Gesellschaftsrechte und auch das Mietrecht. Ist eine Firma betroffen, spricht man vom „Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ das beispielsweise gegen rufschädigende Äußerungen schützt. Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 14 GG sind auf zwei verschiedene Arten möglich: - Es kann eine Beschränkung von Eigentumsrechten, eine Inhalts- und Schrankenbestimmung sein, - eine vollständige Entziehung des Eigentums durch Enteignung vorliegen Inhalts- und Schrankenbestimmungen liegen vor, wenn die Eigentumsbefugnisse im Vergleich zur bisherigen Rechtslage eingeschränkt werden oder neue Pflichten begründet werden. Beispiele: - Bebauungsplan - Planfeststellung nach dem Luftverkehrsgesetz - Soziales Mietrecht - Naturschutzrechtliche Bestimmungen - Tötung von Geflügel aufgrund eines Gesetzes Jeder Eingriff ist das Eigentum steht unter dem Gesetzesvorbehalt und muss verhältnismäßig sein. Umgekehrt spricht man von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums, d.h. das Eigentum ist ________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 9 zum Skript Seite 10 nur situationsgebunden gewährt. Die Sozialbindung des Eigentums offenbart sich beispielsweise in einem Unternehmen, weil die Produktionsmittel nicht nur Vermögensgut für den einzelnen sind, sondern diesen auch Macht über Dritte, etwa die Arbeitnehmer verleihen. Die Mitbestimmungsregelungen im Unternehmen sind daher ein Beispiel für die Sozialpflichtigkeit des Eigentums und einen damit verbundenen anfänglichen Eingriff. Eine Enteignung ist in Ausnahmefällen zum Wohle der Allgemeinheit zulässig, wenn ein besonders schwerwiegendes dringendes öffentliches Interesse besteht. Meistens geht es hier um den Bau eines Flughafens oder einer Bahntrasse. Das Grundgesetz verlangt hier nach Art. 14 Abs. 3 Satz GG eine angemessene Entschädigung. Fehlt eine Entschädigungsregelung (im Enteignungsgesetz), ist dieses automatisch rechtswidrig. Dieser Grundsatz wird auch als qualifizierter Gesetzesvorbehalt bezeichnet. ________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 10 zum Skript Seite 11 Teil 2 Das Zivilrecht (BGB und ZPO) I. Einführung Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sind die häufigsten Vertragstypen ausführlich geregelt. Für Verträge eigener Art gibt es eine Sondervorschrift. Die wichtigsten Vertragstypen sind Kauf, Tausch, Schenkung, Miete und Pacht, Leihe, Dienstvertrag und Werkvertrag. Alle Vertragstypen können auch kombiniert oder gemischt auftauchen. Beispiele: Ein Vertrag über eine Hotelübernachtung beinhaltet mietvertragliche dienstvertragliche (Bettenmachen) und kaufvertragliche (Minibar) Elemente. (Zimmer), Der Behandlungsvertrag bei einem Arzt ist regelmäßig nur „ein Dienstvertrag“, da der Arzt keinen Erfolg garantiert. Ein Vertrag über die Erstellung und Überlassung von Software ist in der Regel Kauf oder Werk. Wenn die Anpassung von Standardsoftware geschuldet ist, richtet sich die Überlassung der Standardmodule üblicherweise nach Kaufrecht, während die Anpassung nach Dienst- oder Werkrecht geschuldet ist. Die Abgrenzung kann im Einzelfall äußerst schwierig sein. Alle Verträge sind dadurch geprägt, dass sie durch den Abschluß einzelner Rechtsgeschäfte zustande kommen. Hier gilt das Abstraktionsprinzip, nach dem jeder einzelne Teilakt, etwa Angebot und Annahme separat auf seine Wirksamkeit geprüft wird. II. Die einzelnen Vertragstypen 1. Zum Kaufrecht Der Kaufvertrag ist in § 433 BGB geregelt. Er wird durch ein einmaliges Warenaustauschgeschäft geprägt, wobei der Käufer die ihm bekannte, fertige Ware zu Eigentum erwirbt. Beim Werkvertrag hingegen legen die Vertragspartner einen Erfolg fest, der erreicht werden muß. Der Erfolg kann in der Herstellung einer Sache aber auch beispielsweise in der Beförderung von A nach B gesehen werden. Wesentliches Element des Mietvertrages ist der Umstand, daß die überlassene Sache nach Ablauf der Mietzeit wieder zurückgegeben werden muß und der Mieter zwangsläufig kein Eigentum hieran erwirbt. Zuletzt lassen sich Werk- und Dienstvertrag voneinander abgrenzen, nämlich durch den Umstand, daß bei einer dienstvertraglichen Verpflichtung kein Erfolg, sondern nur zeitbe- ________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 11 zum Skript Seite 12 zogenes Arbeiten nach den Regeln der Kunst geschuldet ist. Wie dargetan, ist die Abgrenzung nicht immer einfach. Soweit beim Kaufvertrag der Käufer das Eigentum an der Sache erwirbt, besteht das Eigentum „unbeschadet der Rechte Dritter“. Dies bedeutet, daß der Eigentümer mit der Sache im Rahmen der Gesetze nach Belieben verfahren kann, jedoch fortbestehende Sonderrechte beachten muß. Als Beispiel sei hier das Urheberrecht angeführt, wobei mit dem eigentumsrechtlichen Erwerb eines Werkstücks noch lange nichts über die damit verbundenen Nutzungsrechte ausgesagt ist. Der Umfang der bei einer vertraglichen Überlassung eines urheberrechtlich geschützten Gegenstandes einzuräumenden Nutzungsrechte richtet sich, wenn nicht ausdrücklich festgelegt, nach der Zweckübertragungslehre. Im Rahmen eines Kaufvertrages stehen dem Käufer Rechte bei Mängeln zu. Danach kann der Käufer zunächst Beseitigung eines Mangels bzw. Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen, jedoch nicht vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern. Der Verkäufer hat normalerweise nur zwei Versuche für die Nachbesserung. Schlägt sie fehl, kann der Käufer anschließend vom Vertrag zurücktreten, d.h. die Sache gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben. Er kann aber auch die Sache behalten und den Kaufpreis anteilig mindern, was seltener vorkommt. Gefährlicher ist das Recht des Käufers auf Schadenersatz statt der Leistung (früher: Schadenersatz wegen Nichterfüllung). 2. Darlehensvertrag Beim Darlehensvertrag geht es stets um die vorübergehende Überlassung eines Geldbetrages. Zinsen sind nur geschuldet, wenn dies gesondert vereinbart ist, vor allem bei Privatdarlehen. Die Kündigungsfrist beträgt mangels anderweitiger Vereinbarung 3 Monate. 3. Schenkung Die Schenkung beinhaltet die Überlassung eines Gegenstandes wie beim Kauf, bloß ohne Gegenleistung. Dafür muß der Schenker keine Mängelhaftung übernehmen, er haftet nur allgemeine für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz bzw. für arglistig verschwiegene Mängel. Der Schenkungsvertrag bedarf der notariellen Form. Ein Formmangel wird durch die Wirkung, also durch die tatsächliche Übergabe des Gegenstandes geheilt. Diese praktische Lösung dient der Tatsache, daß wohl 99 % aller Schenkungen ohne Notarvertrag vollzogen werden. Dies dürfte beispielsweise für die überwiegende Zahl aller Weihnachtsgeschenke etc. gelten. 4. Zum Mietvertrag Auch beim Mietvertrag geht es um die Überlassung einer Sache, jedoch nur zeitweise. Der Vermieter muß den Mietgegenstand während der gesamten Mietzeit mangelfrei halten (z.B. Mietwohnung). Das Privileg des Rechts auf Rückgabe der Mietsache wird praktisch durch einen erhöhten Haftungsmaßstab während der Mietdauer kompensiert. Während der Mietdauer können Mängelrechte demnach nie verjähren, was einen maßgeblichen Unterschied zu den Kauf- und Werkverträgen ausmacht. Dafür kann der Vermieter im Vertrag weit reichende ________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 12 zum Skript Seite 13 Beschränkungen für den Mietgebrauch festlegen, die bei einem kauf- oder werkrechtlichen Erwerb aufgrund der Pflicht zur Eigentumsübertragung nicht möglich wären. Für die Miete von Wohnräumen gelten spezielle Vorschriften, die im Wesentlichen dem Mieterschutz dienen. 5. Dienstvertrag Beim Dienstvertrag wird nur zeitbezogene Arbeit nach den Regeln der Kunst geschuldet. Je enger die vertragliche Nähe zwischen dem Dienstgeber und dem Dienstnehmer ist, desto ausführlicher sind die wechselseitigen Rechte und Pflichten in Sondergesetzen geregelt. Das gesamte Arbeitsrecht zählt hierzu. 6. Werkvertrag Hier steht die Erreichung eines Erfolges im Vordergrund, wobei der Begriff „Herstellung des versprochenen Werkes“ großzügig verstanden werden muß. Auch die Beförderung von A nach B (Taxifahrt, Gondelbahn) kann daher ein Werk sein. Ähnlich wie im Kaufrecht hat der Auftraggeber bei Mängeln zunächst ein Recht auf Nacherfüllung, d.h. Beseitigung eines Mangels, auch wenn das Werk hierzu neu erstellt werden muß. Der Unternehmer hat allerdings in der Regel nur einen Nacherfüllungsversuch. Die Vergütung ist mangels anderweitiger Vereinbarung erst mit der Abnahme fällig. Üblicherweise werden daher vertragliche Abschlagszahlungen vereinbart. III. Zivilprozeßrecht 1. Allgemeines Das Recht der Verträge gehört zum privaten, materiellen Schuldrecht. Dieses Recht regelt die Rechtsbeziehungen der Bürgen untereinander. Während das Vertragsrecht von der Privatautonomie geprägt wird, d.h. die Gestaltung im Wesentlichen den Bürgern überlassen bleibt, gibt es zwingende Vorschriften des materiellen Rechts, etwa den Verbraucherschutz, familien- und erbrechtliche Bestimmungen. Der Privatautonomie sind dadurch gewisse Grenzen gesetzt. Zum materiellen Recht gehören auch öffentlich-rechtliche Normen. Darunter werden im Wesentlichen die Regeln verstanden, die im Verhältnis des Staats zum Bürger gelten (z.B. das Recht zum Gemeingebrauch der Straßen, Anspruch auf Sozialhilfe). Davon zu unterscheiden ist das Verfahrensrecht. Wenn es nämlich darum geht, einzelne Ansprüche durchzusetzen und die Bürger untereinander nicht mehr zu Recht kommen, bedarf es der Einschaltung von Behörden oder Gerichten, die in der Sache entscheiden. Wie das Verfahren, das zu einer Entscheidung führt, aussieht, regelt das Verfahrensrecht. ________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 13 zum Skript Seite 14 Im Zivilrecht gibt es hierzu die Zivilprozeßordnung (ZPO), im öffentlichen Recht vor allem das Verwaltungsverfahrensgesetzt (VwVfG). Die ZPO wird ergänzt durch Vorschriften, die in speziellen Verfahren oder für spezielle Gerichte gelten (z.B. das Gerichtsverfassungsgesetz, das Arbeitsgerichtsgesetz, das Sozialgerichtsgesetz). 2. Der Zivilprozeß Die ZPO regelt im Einzelnen, wie ein Zivilprozeß begonnen und anschließend geführt wird, praktisch von der Einreichung der Schriftsätze bis zum rechtskräftigen Urteil im Instanzenweg. Während vor dem Amtsgericht eine Klage von einem Bürger mündlich zu Protokoll gegeben werden kann, herrscht vor den Landgerichten und aufwärts Anwalts- und Schriftzwang. Eine Klageschrift muß mindestens einen Klageantrag und eine Sachverhaltsschilderung enthalten, jedoch keine rechtliche Würdigung. Letztere ist streng genommen Aufgabe des Gerichts, wenngleich ein guter Anwalt eine solche Würdigung schon im Entwurf einreicht. Die Sachverhaltsdarstellung ist ggf. mit Beweisangeboten zu verknüpfen, wenn der Gegner voraussichtlich einen anderen Verlauf behauptet. Auf Mängel der Darstellung hat das Gericht im Rahmen seiner Neutralitätspflicht hinzuweisen. 3. Die Zuständigkeit der Gerichte Im Zivilrecht sind grundsätzlich die Amtsgerichte für vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Gegenstandswert von EUR 5.000,-- zuständig. In speziellen Verfahren (z.B. im Familienrecht) sind einzelne Abteilungen des Amtsgerichts stets ohne Rücksicht auf den Gegenstandswert zuständig. Vermögensrechtliche Streitigkeiten mit einem Gegenstandswert über EUR 5.000,-- beginnen stets vor den Landgerichten. Dort gibt es Zivilkammern und Kammern für Handelssachen. Letztere sind für Streitigkeiten zwischen Kaufleuten wegen Handelsgeschäften zuständig, alle übrigen Sachen kommen vor die Zivilkammern. Gegen die Urteile der Amtsgerichte mit einem Gegenstandswert von wenigstens EUR 600,-findet die Berufung statt. Die Berufung ist eine zweite Chance und wird als Rechtsmittel bezeichnet. Dieser Rechtsstreit wird dann vor dem Landgericht neu verhandelt. Die bei dem Landgericht beginnenden Streitigkeiten werden in der Berufung vor den Oberlandesgerichten neu verhandelt. Die Berufungsinstanz ist immer eine neue Tatsacheninstanz, bei der neue Zeugen und neuer Sachvortrag, der nicht verspätet ist, berücksichtigt wird. Gegen Berufungsentscheidungen der Oberlandesgerichte gibt es noch eine weitere Instanz, nämlich die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH). Hier wird nur noch überprüft, ob das ________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 14 zum Skript Seite 15 Berufungsgericht das Recht richtig angewandt hat. Tatsachen werden nicht neu verhandelt. Es kann jedoch vorkommen, daß der BGH einen Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverweist, weil der Sachverhalt noch nicht entscheidungsreif aufgeklärt wurde. Dann geht der Rechtsstreit in eine „weitere Runde“. 4. Zu den Begriffen Immer wieder werden wichtige Rechtsbegriffe vor allem von Journalisten verwechselt. Vor den Zivilgerichten gibt es nur Kläger und Beklagte. Die Berufung ist ein Rechtsmittel. An den Amtsgerichten urteilt der „Richter am Amtsgericht“ bzw. die „Richterin am Amtsgericht“. Vor den Landgericht urteilt die „Zivilkammer“ oder „Kammer für Handelssachen“. Vor den Oberlandesgerichten und dem BGH urteil ein „Senat“. Kläger und Beklagter werden gemeinsam als „die Parteien“ bezeichnet. Dies hat nichts mit den politischen Parteien zu tun. Der Kläger klagt und der Beklagte wird beklagt. Begriffe wie „Angeklagter, Angeschuldigter oder Beschuldigter“ entstammen dem Strafrecht und haben im Zivilrecht nichts verloren. Die Revision ist immer die III. Instanz und darf nicht mit der Berufung verwechselt werden. Im Instanzenweg gibt es einige Feinheiten, wie beispielsweise die Sprungrevision oder die Sonderzuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgericht (im Unterschied zum Oberlandesgericht München). Diese Einzelheiten müssen Sie nicht kennen. ________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 15 zum Skript Seite 16 3. Teil (Exkurs) Das Urheberrecht I. Allgemeines Im Urheberrecht steht nicht das Werk, auf das sich der Schutz bezieht, sondern die Person des Urhebers im Vordergrund. Durch den Schutz des Werkes, in welchem das urheberische Schaffen seinen Ausdruck findet, wird dem Urheber in persönlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht staatlicher Schutz vermittelt. Im Urheberrecht wird kein Urteil darüber gefällt, was noch Kunst ist, es ist also wertneutral. Der Schutz knüpft an einen Werkbegriff an, d.h. die Verkörperung der geistig-schöpferischen Leistung. Es gibt 4 Elemente des Werkbegriffs: (1) Es muß sich um eine persönliche Schöpfung eines Menschen handeln. (2) Die Schöpfung muß einen geistigen Gehalt aufweisen. (3) Dieser geistige Inhalt muß in einer wahrnehmbaren Formgestaltung zu „Fleisch“ geworden sei. (4) In der Schöpfung muß eine gewisse Individualität zum Ausdruck kommen. Tiere und Maschinen können keine Werkschöpfer sein, weil der Schutz Menschen vorbehalten bleibt. Baut und programmiert der Mensch aber die Maschine, handelt es sich um ein bloßes Werkzeug, so daß der Mensch unproblematisch als Urheber anerkannt wird. In § 2 UrhG sind geschützte Werkarten aufgezählt. Die Aufzählung ist aber nur beispielhaft. Bei vielen Gestaltungen treffen mehrere Werkarten zusammen, etwa bei Opern (Spach- und Bühnenwerke), bei Lehrbüchern mit Abbildungen (Sprachwerke und Darstellungen wissenschaftlicher Art) usw. Die Digitalisierung von Werken begründet keine neue Werktat. Hier wird lediglich das äußere Erscheinungsbild des Werkes, also die Art der Verkörperung berührt. Ein Zusammentreffen mehrerer Werkarten findet sich auch bei Ultimedia Werken. Unerheblich ist es auch, ob ein Werk vollendet ist. Auch Vorprodukte wie schriftliche Konzepte für Computerprogramme sind schutzfähig, wenn sie die 4 genannten Kriterien erfüllen. Bei Fernsprechbüchern und Adreßbüchern stellen die darin enthaltenen tatsächlichen Angaben freies Gemeingut dar und sind urheberrechtlich nicht schutzfähig. Die Schutzfähigkeit kann sich indessen auf der Form und Art der Sammlung, Auswahl und Einteilung des Materials ergeben. § 4 UrhG enthält eine eigene Definition für Sammelwerke und Datenbankwerke. Datenbankwerk ist danach ein Sammelwerk, dessen Element systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind. Ein dabei verwendetes Computerprogramm ist nicht Bestandteil des Datenbankwerks und sein Schutz richtet sich nach eigenen Vorschriften. ________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 16 zum Skript Seite 17 Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse und Bekanntmachungen sowie Entscheidung und amtlich verfaßte Leitsätze zur Entscheidungen genießen keinen urheberrechtlichen Schutz (§ 5 UrhG). II. Der Urheber Gemäß § 7 UrhG ist Urheber der Schöpfer des Werks. Haben mehrere ein Werk gemeinsam geschaffen, sind sie Miturheber. Sie können nur gemeinsam über das Werk verfügen und ihnen gebühren Erträgnisse aus der Nutzung nach dem Umfang ihrer Mitwirkung. Wer auf einem Werkstück als Urheber bezeichnet ist, wird bis zum Beweis des Gegenteils auch als Urheber anerkannt (§ 10 UrhG). Der Urheber ist durch zahlreiche Urheberpersönlichkeitsrechte geschützt. Diese sind unveräußerlich, d.h. der Urheber kann sie auch noch dann geltend machen, wenn er sämtliche Rechte an dem Werk weggegeben hat. Zu diesen Rechten gehören - das Veröffentlichungsrecht das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft das Recht gegen Entstellung des Werks III. Die Verwertungsrechte Zu den wichtigsten Verwertungsrechten gehören das Vervielfältigungsrecht, Verbreitungsrecht sowie das Recht zur öffentlichen Wiedergabe. das Das Vervielfältigungsrecht ist das Recht, das Werk zu kopieren. Das Verbreitungsrecht ist das Recht ein einzelnes Werkstück in Verkehr zu bringen. Um beispielsweise Software zu reproduzieren und zu verkaufen, werden beide Rechte benötigt. Zum Recht der öffentlichen Wiedergabe gehört im Medienbereich vor allem das Recht der „öffentlichen Zugänglichmachung“. Dieses Recht ist dann betroffen, wenn Mitglieder der Öffentlichkeit unabhängig von Ort und Zeit Zugang zu dem Werk haben, beispielsweise zu einer Webseite. IV. Besonderheiten bei Nutzungsrechten Das Urheberrecht ist wie ein „Magnet“ es möchte beim Urheber verbleiben. Wenn der Urheber vertraglich über seine Nutzungsrechte verfügt, die betroffenen Nutzungsarten aber nicht einzeln zeichnete, bestimmt sich der Umfang der Rechtsübertragung nach dem eigentlichen Vertragszweck. In der Regel wird der Auftraggeber schon ausreichend in dem Werkgenuß kommen, wenn er ein nicht-ausschließliches Nutzungsrecht erwirkt, beispielsweise bei der Softwareerstellung, der Erstellung von Medieninhalten usw. Wenn in solchen Verträgen nicht ausdrücklich von einer umfassenden Rechtsübertragung mit ausschließlicher Wirkung die Rede ist, hat der Urheber gute Chancen, das von ihm geschaffene Werk in Zukunft auch selbst neben dem Auftraggeber vermarkten zu dürfen. Dadurch entsteht eine Konkurrenzsituation. Diesen ________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 17 zum Skript Seite 18 Vorteil des Urhebers nennt man auch die „Zweckübertragungslehre“, weil nach dem Vertragszweck gefragt wird. Das Urheberrecht erlischt 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Dies gilt auch bei modernen Werken wie Computerprogrammen oder Medieninhalten, obwohl diese sicher schnellebiger sind als beispielsweise Bühnenwerke, Filmwerke oder Kompositionen. V. Besonderheiten der Computerprogramme Der Schutz von Computerprogrammen wurde erst spät in das UrhG aufgenommen, weil die früheren Vorschriften nicht auf die modernen Werkarten zugeschnitten waren. In den §§ 69 a bis g UrhG wurde klargestellt, daß sich der Schutz von Computerprogrammen nicht anders gestaltet als der Schutz der übrigen Werkkategorien. Schutzfähig sind danach alle Ausdrucksformen eines Computerprogramms, wenn sie die allgemeinen Kriterien erfüllen. Andere Kriterien, über qualitative oder ästhetische, sind nicht anzuwenden. Ideen und Grundsätze sind nicht geschützt. Wird ein Computerprogramm von einem Arbeitnehmer im Rahmen seiner Aufgaben geschaffen, stehen die Verwertungsrechte ausschließlich dem Arbeitgeber zu. Die Urheberpersönlichkeitsrechte verbleiben gleichwohl beim Arbeitnehmer. Problematisch sind Grenzfälle, in denen die Abgrenzung eines freien Mitarbeiters von einem Angestellten unklar ist. In § 69 c Nr. 3 Satz 2 UrhG ist der „Erschöpfungsgrundsatz“ definiert. Er bedeutet, daß das Verbreitungsrecht, also das Recht auf Kontrolle der Weitergabe (z.B. Weiterverkauf, Tausch etc.) durch den Hersteller erlischt, sobald das Programm innerhalb der EU im Wege der Veräußerung legal in Verkehr gebracht wurde. VI. Besonderheiten bei Datenbanken. Der Rechtsschutz von Datenbanken ist noch einmal besonders in den § 87 a ff UrhG geregelt. Dabei ist darauf zu achten, daß als Datenbank lediglich die Sammlung von Werken und Daten, also das „Gewebe“ geschützt ist. Die einzelnen Datensätze, also die Inhalte sind nur dann urhebergeschützt, wenn sie selbständig die Schutzkriterien erfüllen. Es ist also möglich, daß einzelne, nicht geschützte Daten (z.B. Adressen, Rechenformeln) in eine Datenbank aufgenommen werden und diese konkrete Sammlung dann geschützt ist. Wer dann ohne Einwilligung des Herstellers einen wesentlichen Teil der Datenbank vervielfältigt oder verbreitet, handelt rechtswidrig. Der Begriff eines wesentlichen Teils ist im Einzelfall festzulegen. Rechtswidrig ist es auch, unwesentliche Teile wiederholt und systematisch zu vervielfältigen, sofern die Handlungen einer normalen Auswertung der Datenbank zuwiderlaufen. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, daß typischerweise Datenbanken zur Recherche und Nutzung von einzelnen Datensätzen angeboten werden, wobei die Ergebnisse der Recherche durchaus beim Nutzer verbleiben dürfen. Der Hersteller möchte aber verhindern, daß der Nutzer durch eine systematische Ausbeutung der Datenbank am Ende über eine Kopie des ganzen Werkes verfügt. ________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 18 zum Skript Seite 19 Ausnahmen bestehen für den privaten und wissenschaftlichen Gebrauch. Die Rechte des Datenbankherstellers erlöschen 15 Jahre nach der Veröffentlichung der Datenbank. Stand: 19.01.2006 AW ________________________________________________________________________________________________________________ Fachhochschule München WS 2005/06 Fachbereich 06: Feinwerk- und Mikrotechnik / Physikalische Technik Recht (PH3 A/B): Andreas Witte Seite 19 zum Skript