FAKULTÄT FÜR LEBENSWISSENSCHAFTEN UNIVERSITÄT WIEN Zoologisches Kolloquium Montag, 8. 5. 2006 um 17 Uhr 15 Hörsaal 1 Zoologie Neue Zellen für alte Gehirne: Adulte Neurogenese und neuronale Regeneration bei Knochenfischen Günther K.H. ZUPANC School of Engineering and Science, Int. University Bremen, Deutschland Im Gegensatz zu Säugetieren sind Knochenfische durch ihr enormes Vermögen ausgezeichnet, kontinuierlich eine große Zahl von neuen Zellen im adulten Gehirn zu erzeugen und verletztes Nervengewebe durch neugebildete Neuronen ersetzen zu können. Die einzelnen Prozesse, die diesen Phänomenen der adulten Neurogenese und neuronalen Regeneration zugrunde liegen, sind in ihren Grundzügen bekannt. Laufende Forschungsprojekte verfolgen im wesentlichen zwei Ziele: Erstens die zellulären Mechanismen, die diese Prozesse steuern, aufzuklären und damit zur Entwicklung neuer Strategien für eine Zellersatz-Therapie nach Verletzungen oder neurodegenerativen Krankheiten beizutragen. Zweitens mit Hilfe einer vergleichbaren Analyse zu einem besseren evolutionären Verständnis von adulter Neurogenese bei Wirbeltieren zu gelangen. FAKULTÄT FÜR LEBENSWISSENSCHAFTEN UNIVERSITÄT WIEN Zoologisches Kolloquium Montag, 15. 5. 2006 um 17 Uhr 15 Hörsaal 1 Zoologie Neurophylogenie: Architektur des Nervensystems und die Verwandtschaftsbeziehungen der Arthropoda Stephan HARZSCH Abteilung Neurobiologie und Sektion Biosystematische Dokumentation, Universität Ulm, Deutschland Die Architektur und Entwicklung des Nervensystems ist ein Merkmalskomplex, der in der neuen Debatte um die Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb der Arthropoda eine herausragende Rolle spielt. In diesem Vortrag wird ein Überblick über den aktuellen Kenntnisstand zur Gehirnstruktur insbesondere der Crustacea (Abb. E: Embryonen einer Krabbe) sowie anderer Nicht-Modell Arthropoden gegeben und der Beitrag dieser Merkmale zu unserem Verständnis der Arthropodenphylogenie diskutiert. Im Zentrum stehen dabei z. B. das olfaktorische System (Abb. A: Neuropeptid-Immunhistochemie im Gehirn eines Flusskrebses), der Zentralkomplex (Abb. B: Immunlokalisierung von Histamin im Salinenkrebs), identifizierbare serotonerge Neurone im Bauchmark, sowie die Struktur und Entwicklung der optischen Neuropile und Lateralaugen (Abb. C, D: Doppelmarkierung von Ommatidien – rot – und proliferierenden Zellen – grün – im larvalen Sehsystem des Pfeilschwanzkrebses). Des weiteren wird die überraschend komplexe Gehirnstruktur der Remipedia vorgestellt, blinden Höhlenkrebsen, die eine Schlüsselstellung in der Phylogenie der Crustacea haben. Insgesamt unterstützen Merkmale des Nervensystems die Tetraconata Hypothese von Dohle, nach der die Hexapoda enger mit den Crustacea verwandt sind als mit den Myriapoda. Übersichtsartikel: Harzsch S (2006) Neurophylogeny: architecture of the nervous system and a fresh view on arthropod phyologeny. Comp. Integr. Biol. 46(2) : DOI 10.1093/icb/icj011 Harzsch S, Müller CHG, Wolf H (2005) From variable to constant cell numbers: cellular characteristics of the arthropod nervous system argue against a sister-group relationship of Chelicerata and “Myriapoda” bur favour the Mandibulata concept. Dev. Genes. Evol. 215: 53 – 68 FAKULTÄT FÜR LEBENSWISSENSCHAFTEN UNIVERSITÄT WIEN Zoologisches Kolloquium Montag, 22. 5. 2006 um 17 Uhr 15 Hörsaal 1 Zoologie Koordinierte Bewegungen ohne Muskeln und Nerven: Funktionsmorphologie und Physiologie eines Schwammes (Tethya wilhelma) Michael NICKEL Biologisches Institut, Abt. Zoologie, Universität Stuttgart, Deutschland Obwohl Schwämme weder ein Nervensystem noch Muskeln besitzen, sind sie in der Lage, einfache koordinierte Bewegungen durchzuführen: von Kontraktionen bis hin zu Ortsveränderungen. Deren Biomechanik und die Steuerung sind weitgehend unbekannt. Wir nutzen die kultivierbare vagile Art Tethya wilhelma als Modellorganismus. Mittels auf Synchrotronstrahlung basierender RöntgenMicrotomographie konnten wir einen kompletten Schwamm (Skelett, Gewebe, Kanalsystem) mit einer Auflösung von unter 4 µm dreidimensional darstellen, quantitativ auswerten und funktionsmorphologische Aspekte ableiten. In Experimentierreaktoren konnten wir die Kontraktion kinetisch analysieren und ein physiologisches Testsystem etablieren. Verschiedene neuroaktive Substanzen zeigten spezifische Effekte auf die Kontraktion (Induktion, Rhythmus, Amplitude), im Extrem sogar spasmenartige Dauerkontraktion, was Rückschlüsse auf hypothetische Regelungsmechanismen zulässt. FAKULTÄT FÜR LEBENSWISSENSCHAFTEN UNIVERSITÄT WIEN Zoologisches Kolloquium Montag, 29. 5. 2006 um 17 Uhr 15 Hörsaal 1 Zoologie Biologische Wirkungen von Duftstoffen Gerhard BUCHBAUER Dep’t für Klinische Pharmazie und Diagnostik der Universität Wien, Pharmaziezentrum Duftstoffe und Ätherische Öle (als natürliche Duftstoffmischungen) können mehr als nur gut duften. D.h., neben dem Sinneseindruck, den diese kleinen, flüchtigen und lipophilen Moleküle hervorrufen, besitzen Riechstoffe deutliche physiologische und pharmakologische Eigenschaften. Diese können mit streng naturwissenschaftlichen Methoden, sei es im Tierversuch oder im Humanexperiment, nachgewiesen werden. In dieser Übersicht werden einige auf naturwissenschaftlichen Grundlagen basierende Forschungsergebnisse vorgestellt und die Verwendung der Duftstoffe nicht nur in der Parfümerie und Kosmetik, sondern auch in der Volksheilkunde, Phytotherapie und Aromatherapie kurz besprochen. Duftstoffe sollte man daher auch wie Arzneistoffmoleküle betrachten und sie nicht mit irgendwelchem magischen, esoterischen oder ganzheitlichen Gedankengut in einen Topf werfen, denn entgegen solcher Ansichten sind Duftstoffe ganz gewöhnliche chemische Substanzen, mit einer Strukturformel, mit einem Atomgewicht und mit anderen physikalisch-chemischen Parametern, Verbindungen also, die neben ihren sensorischen Eindrücken sowohl psychische als auch physiologische/ pharmakologische Wirkungen im Menschen hervorrufen. FAKULTÄT FÜR LEBENSWISSENSCHAFTEN UNIVERSITÄT WIEN Zoologisches Kolloquium Montag, 19. 6. 2006 um 17 Uhr 15 Hörsaal 1 Zoologie Magnetic Compass Orientation in Birds and its Physiological Basis Henrik MOURITSEN Dep’t of Biology, University of Oldenburg, Deutschland Es ist seit vielen Jahren bekannt, dass Zugvögel in der Lage sind, das Erdmagnetfeld als Kompass zu nutzen. Die physiologischen Grundlagen für die Wahrnehmung des Erdmagnetfeldes jedoch sind nach wie vor unverstanden. Verhaltensbiologische Daten und theoretische Überlegungen lassen vermuten, dass Zugvögel die Kompassrichtung des Erdmagnetfeldes durch einen so genannten “Radical Pair“ Mechanismus speziell ausgerichteter Photorezeptormoleküle in der Retina detektieren. In meinem Vortrag werde ich verhaltensbiologische, physiologische und molekulare Untersuchungen an der Retina (Netzhaut) und dem Gehirn der Gartengrasmücke (Sylvia borin) präsentieren, welche die Hypothese unterstützen, dass Zugvögel tatsächlich das Erdmagnetfeld als visuellen Eindruck wahrnehmen können. FAKULTÄT FÜR LEBENSWISSENSCHAFTEN UNIVERSITÄT WIEN Zoologisches Kolloquium Montag, 26. 6. 2006 um 17 Uhr 15 Hörsaal 1 Zoologie Wie und worüber Bienen “sprechen“. Der Schwänzeltanz ist nur die halbe Geschichte Michael HRNCIR Dep´t für Neurobiologie und Verhaltenswissenschaften, Universität Wien Der Ausdruck "Bienenkommunikation" wird fast automatisch mit dem berühmten Schwänzeltanz der Honigbienen assoziiert. Diese "Tanzsprache" ist allerdings nur ein kleiner, wenn auch komplexer Teil all jener Kommunikationsprozesse, die das Verhalten von mehreren hundert oder tausend Individuen in einem Bienenstock koordinieren. Seit der Antike (Columella: "De re rustica", ca. 50 n.Chr.) ist bekannt, dass Bienenvölker kurz vor dem Ausschwärmen Laute erzeugen. Nachdem aber Bienen vom anatomischen Gesichtspunkt her lange Zeit als "taub" galten, wurde derartigen Lauten wenig Bedeutung beigemessen. In den drei Gruppen eusozialer Bienen (Apini, Meliponini, Bombini) ist die Produktion von Lauten in verschiedensten Verhaltenskontexten (Verteidigung, Rekrutierung, Schwärmen, u.a.) beschrieben. Wichtige Fragen im Zusammenhang mit der tatsächlichen Bedeutung von solch mutmaßlichen Signalen wurden bisher allerdings nicht oder nur ansatzweise beantwortet: Wie erzeugen Bienen Laute, obwohl sie keinerlei Organe besitzen, die auf Lautbildung spezialisiert sind? Wie werden derartige "Signale" übertragen und von anderen Bienen "gehört"? Gibt es Hinweise, dass Laute von Bienen tatsächlich zur Kommunikation verwendet werden?