Vor rund 1000 Jahren Erzbischof Heribert

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Vor rund 1000 Jahren
Erzbischof Heribert
von Ingeborg Nitt
(Info-Heft der Akademie för uns kölsche Sproch Mai - Oktober 2003, S. 4)
Im elften Jahrhundert, als die Römermauer noch stand, befand
sich außerhalb von ihr eine Kirche, die im Laufe der Zeit immer
imposanter wurde: St. Aposteln.
Dreikonchenchor vom Neumarkt von
C.Pronk 1729, Hessiches Landesmuseum Darmstadt
Nacht für Nacht konnte ein aufmerksamer Beobachter dort einen
Mann beobachten, wie er sein Haus am Gertrudenkloster verließ,
auf die Römermauer stieg und von dort besagte Kirche durch
eine Pforte im Chorraum, und zwar an der Ostkonche, betrat.
Zuvor betete er zu der Madonna, die in der zentralen Nische des
Ostchores stand und heute noch steht. Der Mann war der
Erzbischof von Köln, der heilige Heribert. Soweit die Legende.
Die Umrisse dieser Pforte, die tatsächlich die Höhe der römischen Stadtmauer angibt, kann
der Passant vom Neumarkt aus heute noch sehen, natürlich ist sie mittlerweile zugemauert.
Die Türe führte im Inneren nicht, wie viele vermuten, ins Erdgeschoss hinunter, sondern auf
den oberen Laufgang am Nordansatz der Apsis. Die Zweischaligkeit des Konchenaufbaus
verbarg die Treppe im Inneren der Kirche. Die innere Türe wiederum liegt hinter einem
Wandpfeiler versteckt.
Eine kleine Apostelkirche existierte schon vor Heriberts Zeiten an gleicher Stelle. Jedoch ist
er wohl nur der Initiator des heutigen Bauwerkes, nicht der Bauherr. Denn die Überlieferung
und die Forschungsergebnisse sprechen für seinen Nachfolger Pilgrim. Die obige Legende,
so anrührend sie sein mag, trifft also nicht zu.
Aber sie gibt einen Hinweis auf Heriberts Charakter. Er galt als ein bescheidener, ja
asketischer Mann, der vorbildlich im Glauben war und dessen Hilfsbereitschaft gerühmt
wurde. Diese Anlagen wurden während seines Aufenthaltes im Kloster Gorze ausgeprägt.
Bedauerlicherweise ist die Quellenlage zu dieser Zeit generell und besonders zu Heribert
sehr ungünstig, der zu Unrecht im Schatten seiner Zeitgenossen und eines seiner
erzbischöflichen Vorgänger, nämlich Brun, steht. Wichtigstes Zeugnis ist die „Vita Heriberti“
des Mönches Lantbert von Lüttich, entstanden um 1050, die Rupert von Deutz anfang des
12. Jh. überarbeitete. Allerdings entspricht das Werk nicht den heutigen Anforderungen einer
Biographie, da es Heribert vor allem als beispielhaften Diener Gottes preist.
Heribert wurde um 970 geboren, seine Herkunft ist umstritten. Er stammte entweder aus einer
hochstehenden Wormser Familie oder aus der Familie der Konradiner. Als Jugendlicher
besuchte er zunächst die Wormser Domschule. Anschließend trat er in das lothringische
Kloster Gorze ein, das damals einer der Hauptorte der klösterlichen Reformbewegung war.
Er übte sich dort nicht nur in den schon oben genannten Eigenschaften, sondern erhielt auch
eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung.
Auf Wunsch des Vaters kehrte er um 990 vor Ablegung der Gelübde nach Worms zurück, wo
er Dompropst wurde. Innerlich jedoch blieb er Mönch. Er trug auch noch als Erzbischof unter
den prachtvollen Gewänder das Bußkleid auf bloßem Leib, betete nachts und widmete sich
persönlich den Armen und Kranken unter Einsatz eigener Mittel.
Schon bald wurde er Mitglied der „capella“, d. h., der Hofgeistlichkeit. Die Hofkapläne übten
nicht nur geistliche Funktionen aus, sondern übernahmen auch wichtige politische Aufgaben
in der Kanzlei. Offensichtlich knüpfte Heribert schnell gute Kontakte zu Kaiser Otto III., da er
schon 994 zum Kanzler für Italien ernannt wurde. Vier Jahre später weitete Otto sein
Tätigkeitsfeld auf Deutschland aus. Beide strebten die „renovatio imperii Romanorum“, die
Erneuerung des römischen Reiches unter christlich-karolingischen Vorzeichen an, eine Idee,
die mit dem frühen Tod Ottos ihr Ende fand.
Mitte 999 starb der Kölner Erzbischof Everger. Wie üblich, fand im Anschluss an die Exequien
für den Verstorbenen die „electio“, die Wahl des Nachfolgers statt. Geistliche und weltliche
Wahlberechtigte kamen zusammen, konnten sich aber nicht einigen. Schließlich schlug der
Dompropst Wezelin, selbst Kandidat der Kölner Geistlichkeit, den kaiserlichen Kanzler
Heribert vor. Da er allgemeine Zustimmung erhielt, reiste eine Gesandtschaft zu Kaiser Otto
III. nach Italien, um seine Einwilligung einzuholen. Der Kaiser wie auch Papst Silvester II.
erklärten ihr Einverständnis, und noch in Italien erfolgte die feierliche Investitur, Einsetzung,
Heriberts in sein Amt. Da ihn politische Geschäfte dort festhielten, traf er erst am Vorabend
des Weihnachtsfestes in Köln ein. Die Bischofsweihe fand während der nächtlichen
Weihnachtsfeier im Dom statt.
Die Überlieferung berichtet, dass er trotz bitterster Kälte barfuß in die Stadt einzog. Diese
Szene ist von dem berühmten Kupferstecher und Radierer Jacques Callot in den „Images des
Saints“ festgehalten worden und prägte Heriberts Bild. Er galt seinen Zeitgenossen und auch
den späteren Menschen als Vorbild an Bescheidenheit und Demut, als „humilis minister“.
Das ländliche Deutz
Holzschnitt aus der Koehlhoffischen Chronik 1499
Eine andere, wesentlich interessantere Frage beantworten die Quellen jedoch nicht: Warum wurde ein
Mann, der zu Köln keinerlei Beziehungen hatte,
Erzbischof dieser Stadt? Da Heribert eine Vertrauensposition bei Otto III. innehatte, ist anzunehmen, dass
eine kaisertreue Gruppe in Köln seine Wahl durchsetzte. Das würde bedeuten, dass die nach Unabhängigkeit strebende Kölner Geistlichkeit letztlich
eine Niederlage erlitt.
Sie wirkte sich jedoch positiv auf die Geschicke der Stadt aus. Denn Heribert erwies sich als
der fähigste unter den Nachfolgern Bruns. Vor allem nach dem Tode Ottos III. im Jahr 1002
konnte er sich weitgehend seinem Bistum widmen, da sein Verhältnis zu dessen Nachfolger
Heinrich II. getrübt war, und dieser ihn von den Reichsgeschäften weitgehend fern hielt.
Er war weltlicher und geistlicher Fürst der Stadt. Auch wenn die Quellen zu dieser Zeit nur
spärlich sind, ein Punkt wird immer wieder hervorgehoben in der Charakterisierung Heriberts:
seine nicht enden wollende Fürsorge für die Armen. Zwar wurde generell von den Bischöfen
und Klosterangehörigen erwartet, dass sie Notleidenden halfen, da es damals keine andere
Form der Unterstützung gab, aber Heribert versuchte diese Hilfe zu organisieren und
wirksamer zu gestalten, als es einmalige Speisungen sein konnten.
Berühmt ist seine Klostergründung in Deutz. Damit löste er ein
Versprechen ein, dass er Otto III. gegeben hatte: ein Kloster zu
Ehren der Mutter Gottes in Deutschland zu errichten. Diese
selbst hat der Legende nach Heribert Deutz als Standort angegeben, wie ein Medaillon am Heribertusschrein zeigt.
Schon 1003 erschienen die ersten Urkunden zugunsten der
Benediktinerabtei, Heribert hatte den Bau also sofort nach Ottos
Tod eingeleitet. Die gewaltige Klosterkirche, als romanischer
Zentralbau konzipiert, bildete den Mittelpunkt der Anlage. Sie
wurde 1020 geweiht. Schon ein Jahr später nahm sie die
sterblichen Überreste ihres Gründers auf, der am 16. März 1021
Gesamtansicht des reich geschmückten
Schreins, an dessen Giebel Christus als Weltenrichter über dem Patron erscheint
gestorben war. Er sollte dort jedoch keine Ruhe finden. Denn die strategisch bedeutsame
Lage von Deutz machte es samt der Klosteranlage zum Ziel verschiedener Kriegsparteien.
Ein Nachfolger Heriberts auf dem Stuhle des Erzbischofs, Konrad von Hochstaden, benutzte
im 13. Jahrhundert die Kirche als Befestigung, im 14. und im 16.
Jahrhundert wurde die Abtei zerstört, die Wirren des Dreißigjährigen Krieges taten ein
Übriges. Zwar wagte man sich immer wieder an den Wiederaufbau bzw. Neubau, aber das
Kloster war nicht zu retten. Es wurde in der Franzosenzeit säkularisiert. Der barocke Bau der
Kirche, zur Preußenzeit als Schmiede missbraucht, wurde nach dem zweiten Weltkrieg
wiederhergestellt. Der prachtvolle Schrein mit den Gebeinen Heriberts befindet sich allerdings
in der Pfarrkirche Neu-St. Heribert.
Seit einigen Jahren erinnert auch auf der linksrheinischen Seite Kölns eine Statue an diesen
Erzbischof, nämlich im Obergeschoss des Ratsturmes.
Um auf die Legende eingangs dieses Artikels zurückzukommen: Wer also nutzte diese Pforte
und diesen Gang? Da sich ein Erzbischof wohl kaum durch die „Hintertüre“ in eine Kirche
schleicht, ist es wahrscheinlicher, dass die Priester und Kanoniker der Pfarrei bzw. des
Stiftes, die innerhalb der Stadtmauer wohnten, diese Tür genutzt haben.
Wenn Sie sich für Erzbischof Heribert, St. Aposteln oder ein anderes Detail dieses Artikels
näher interessieren, bietet Ihnen unsere Bibliothek eine Reihe von Büchern, zum Beispiel:
Geschichte des Erzbistums Köln, hrsg. von Eduard Hegel, Band 1: Das Bistum Köln von den Anfängen bis zum
Ende des 12. Jahrhunderts, J. P. Bachem Verlag Köln 1972, S. 108-111
Heribert Müller: Heribert, Kanzler Ottos III. und Erzbischof von Köln, Köln 1977, eine Veröffentlichung des
Kölnischen Geschichtsvereins, (ausführliche Würdigung auf wissenschaftlicher Basis)
Heribert Müller: Heribert von Köln (um 970-1021), in: Rheinische Lebensbilder, Bd. 8, Köln 1980, S. 7-20
Heribert Müller: Heribert, Kanzler Ottos III., Erzbischof von Köln (999-1021) und Gründer der Abtei Deutz, in:
Colonia Romanica XIII, Jahrbuch des Fördervereins Romanische Kirchen Köln e. V., Greven Verlag Köln
1998
Hiltrud Kier/Bernd Ernsting/UlrichKrings (Hrsg.): Köln: Der Ratsturm – Seine Geschichte und sein Figurenprogramm (Stadtspuren , Denkmäler in Köln Bd. 21) J. P. Bachem Verlag Köln 1996
Jörg Baumgarten/Helmut Buchen: Kölner Reliquienschreine, Wienand Verlag Köln 1985
Gottfried Stracke: Köln: St. Aposteln (Stadtspuren , Denkmäler in Köln Bd. 19) J. P. Bachem Verlag Köln 1992
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