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V. Makedonien von 1025 bis 1430
Alkmini Stavridou-Zafraka
1. Makedonien von 1025 bis 1204
1.1. Die Krise des 11. Jahrhunderts
Der Tod Basileios II. im Dezember 1025, jenes Kaisers, der zweiundvierzig Jahre seiner 50jährigen Regentschaft in Kriege gegen die Bulgaren unter deren Herrscher Samuel investiert
hatte – daher auch sein Beiname Bulgarentöter – war eine Wende in der Geschichte von Byzanz. Das Kaiserreich hatte seine größte Ausdehnung und Blüte erreicht und seine Macht
etablierte sich auf der Balkanhalbinsel bis hin zur Adria und zur Donau.
Doch auf die harte Regentschaft des Basileios folgte eine Reihe unfähiger Kaiser, die verschanzt hinter den Mauern der Kaiserstadt - sich blindlings Genüssen und der Befriedigung ihres persönlichen Ehrgeizes, unnötigen Bautätigkeiten und erbarmungslosen
Besteuerungen der durch die ständigen Kriege erschöpften ländlichen Bevölkerung hingaben
und unfähig waren, sich effizient mit ihren externen Feinden auseinander zu setzen. Die Politik Basileios’ II. gegen die Großgrundbesitzer wurde über den Haufen geworfen und die
Kleinbauern zerstört, während aufgrund der neuen Kriegstaktik an die Stelle der ThemenSoldaten ausländische Söldnerheere traten und die moralische Krise der geistigen Welt nicht
zu übersehen war.
Innere und äußere Faktoren führten das Kaiserreich in die Krise des 11. Jahrhunderts,
und die Veränderungen in der sozialen und militärischen Ordnung bereiteten den negativen
Lauf von Byzanz in den nächsten Jahrhunderten vor.
Die Folgen der Politik der herrschenden und der bürokratischen Kreise der Hauptstadt
drückten sich auch schon bald entweder in aufständischen Bewegungen ehrgeiziger und empörter Feldherren oder in Aufständen ländlicher griechischer und ausländischer
Bevölkerungsgruppen gegen die Sparpolitik des Staates aus, wobei besondere Auswirkungen
auch im makedonischen Territorium festzustellen waren.
Eine der gefährlichsten Folgen war der bulgarische Aufstand von 1040. Im Gegensatz
zur weitsichtigen Politik Basileios’ II., der für die ländliche Bevölkerung die Möglichkeit der
Steuerbezahlung in Gütern beibehalten hatte, wie dies auch unter Samuel galt, forderte der
Bruder von Kaiser Michael IV. (1034-1041), Ioannes Orphanotrophos, ein eigennütziger und
habgieriger Mensch, der sich immer wieder neue Steuern ausdachte, die Bezahlung der Steuern in Geld. Darüber hinaus ernannte er nach dem Tode des bulgarischen Erzbischofs von
Ochrid zu dessen Nachfolger einen Griechen, den hartophylax (Archivar und Sekretär) der
Hagia Sophia in Konstantinopel Leon1. 1040 rief Peter Deljan, der sich als Enkel des bulgarischen Zaren Samuels ausgab, in Belgrad zum Aufstand gegen Byzanz auf, marschierte nach
Süden in Richtung Naïssos und Skopja und verbreitete Tod und Vereinsamung. Der an epileptischen Anfällen leidende Kaiser Michael IV., der sich auf einer Pilgerreise zum Grab des
heiligen Demetrios in Thessalonike befand, kehrte überstürzt nach Konstantinopel zurück.
Höchst wahrscheinlich wegen der starken Befestigung der Stadt wandte sich Deljan nicht
nach Thessalonike, doch einer seiner Generäle eroberte Dyrrhachion, während ein anderer
Teil seines Heeres nach Süden marschierte, vorübergehend Demetrias besetzte, jedoch auf
heftigen Widerstand seitens der Thebaner stieß. Doch völlig unerwartet schlossen sich der
Bewegung des Deljan die Einwohner des Themas Nikopolis im Epirus an (außer Naupaktos),
und zwar nicht so sehr aus Sympathie zum bulgarischen Aufständischen als eher, weil sie we-
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gen der großen Steuerlast und der Unterdrückung des von Konstantinopel für die Einkassierung der Steuerabgaben entsandten Verantwortlichen aufgebracht waren2.
Der Aufstand unter Peter Deljan nahm eine andere Wende, als Alusian, ein Neffe Samuels, auftauchte, ein Patrizier und Feldherr aus Theodosiupolis in Kleinasien. Er wurde –
allerdings zu Unrecht - des Verrats beschuldigt und gefangen genommen und Orphanotrophos
verlangte für seine Freilassung eine übermäßige Summe von ihm. Nachdem es ihm gelungen
war, aus Konstantinopel zu fliehen, kam er nach Makedonien. Er traf Deljan im westmakedonischen Ostrovos, wo ihn dieser aus Angst davor, die Bulgaren könnten sich Alusian
anschließen, zum Mitkönig ernannte und ihm sogar die Eroberung von Thessalonike übertrug.
Alusian belagerte die Stadt, die sich mit einer starken Verteidigung zur Wehr setzte, mit
40.000 Mann. Nach sechstägiger Belagerung wagten es die Thessaloniker, nachdem sie die
ganze Nacht hindurch in der Kirche ihres Stadtbeschützers, des heiligen Demetrios, gebetet
hatten, die Stadt «angeführt von dem Märtyrer»3 zu verlassen und es gelang ihnen, die Feinde
in die Flucht zu schlagen. Viele bulgarische Gefangene sagten sogar, dass sie «einen jungen
Reiter …. an der Spitze der Phalanx der Rhomäer» gesehen hätten4. Nach seiner Niederlage
riss Alusian aus Angst davor, von Deljan des Verrats angeklagt zu werden, diesen mit, blendete ihn und floh zum Kaiser ins thrakische Mosynopolis. Im Gegenzug dafür wurde ihm der
Ehrentitel des magistros verliehen. Michael gelangte nach Thessalonike und zog gegen die
Bulgaren bis nach Prilep, nahm deren General Ivatzes gefangen und kehrte - nachdem er in
Makedonien die Ordnung wieder hergestellt hatte - mit Deljan und Ivatzes in die Hauptstadt
zurück, wo er seinen Triumph im Hippodrom feierte.
Die Dinge nahmen für Byzanz jedoch eine negative Wende, als Konstantin IX. Monomachos den Thron bestieg (1042-1055). Der Historiker Ioannes Skylitzes schreibt
diesbezüglich: «Ab dem Zeitpunkt, als jener Kaiser den Thron bestieg und wegen seiner Zügellosigkeit … wurden die Angelegenheiten der Rhomäer geschwächt»5. Als der äußerst
fähige Feldherr Georgios Maniakes, der in Italien und Sizilien große Siege gegen die Araber
und Franken errungen hatte, ließ er sich im Oktober 1042 um sein Leben bangend zum Kaiser
ausrufen und zog mit seiner Armee nach Dyrrhachion, wurde jedoch auf seinem Weg nach
Konstantinopel in einer Schlacht in der Nähe von Amphipolis gegen das kaiserliche Heer tödlich verletzt, worauf sich sein Heer auflöste.
Nach Georgios Maniakes’ Aufstand und seinem Abzug aus Italien fanden die Normannen, die in Süditalien Raubzüge unternahmen und sich dort niederließen, fruchtbaren Boden
vor, während eine Allianz zwischen Byzanz und dem Papst gegen dessen gemeinsamen Feind
in Italien wegen des Bruchs zwischen der Kirche Konstantinopels und dem Papst nicht möglich war (Großes Schisma von 1054).
Während die Bedrohung durch äußere Feinde zunahm – Ungarn und Petschenegen aus
dem Norden, seldschukische Türken im Osten, Normannen im Westen –, versuchten die Kaiser, unfähig, sich der gravierenden Gefahren bewusst zu werden und die erforderlichen
Maßnahmen zu treffen, die Gefahr durch Bestechungsgeschenke an die barbarischen Führer
zu bannen. Gleichzeitig vernachlässigten sie das Heer, was dazu führte, dass die Feinde immer stärker wurden, der Bevölkerung in den Provinzen jeglicher Schutz fehlte und sie sich
von der Hauptstadt entfremdeten.
Die Ungarn eroberten Belgrad 1064, während die Petschenegen und Uzen die Donau
überquerten. Die etwa 600.000 uzischen Eindringlinge (eine sicher übertriebene Zahl) besiegten in Nordthrakien Bulgaren und Byzantiner und gelangten bis nach Thessalonike und
Zentralgriechenland, sahen sich jedoch wegen des Winters gezwungen, sich in ihre Heimaten
zurück zu ziehen, während eine gleichzeitig auftauchende Epidemie sie zusätzlich dezimierte.
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Die Überlebenden liefen zu den Byzantinern über und erhielten dafür Lehen in Nordthrakien,
die sie kultivieren konnten6.
Wenige Jahre später (1071) ebnete die tragische Niederlage des Kaisers Romanos IV.
Diogenes bei Mantzikert gegen den seldschukischen Sultan Alp-Arslan den Weg für die Ausbreitung der Seldschuken in Kleinasien; im Westen eroberten in denselben Jahren die
Normannen unter Robert Guiskard Bari, die letzte byzantinische Stadt in Süditalien. Auf dem
Balkan wurden Aufstände von Kroaten, Serben und Bulgaren gewaltsam unterdrückt, während Petschenegen und Ungarn ihre zerstörerischen Invasionen fortsetzten. Die
Wirtschaftskrise unter Michael VII. Parapinakes aufgrund der wirtschaftlichen Maßnahmen
des Eunuchen Nikephoritzes und der Einführung des staatlichen Weizenmonopols lösten in
der Bevölkerung wegen der Teuerung Verzweiflung aus. Es entstanden aufständische Bewegungen, einerseits jene des Dux Nikephoros Bryennios aus Dyrrhachion, der über die Via
Egnatia in seine Heimat Adrianopel gelangt war, wo er im November 1077 zum Kaiser ausgerufen wurde, und andererseits jene des Strategos Nikephoros Botaneiates im Osten, der, da er
auch in Konstantinopel selbst Anhänger hatte, den Thron eroberte.
Doch in Dyrrhachion rebellierte auch der Dux von Dyrrhachion, Nikephoros Basilakios,
der Nikephoros Bryennios ablöste. Er stellte eine Armee aus Griechen, Franken, Warägern,
Bulgaren und Arvaniten zusammen und zog bis nach Orchrid, wo er sich zum Kaiser ausrufen
lassen wollte, jedoch vom Erzbischof von Ochrid daran gehindert wurde. Als er Thessalonike
erreichte und darüber informiert wurde, dass Nikephoros III. Botaneiates (1078-1081) den
Thron bestiegen hatte, übermittelte er dem neuen Kaiser Briefe, in denen er ihm gegenüber
seine Treue erklärte, während er gleichzeitig jedoch Kontakte mit den Petschenegen aufnahm7. Damit sich Basilakios in Sicherheit wähnen konnte, schickte ihm der Kaiser – obwohl
er von dessen Schachzügen wusste - ein Schreiben mit der goldenen Bulle und verlieh ihm
den Titel des novelissimos. Doch Basilakios änderte seine Pläne nicht. So wurde der Strategos
Alexios Komnenos gegen ihn losgeschickt, der die Wache des Basilakios in Peritheorion
(dem heutigen Porto Lagos) besiegte und außerhalb von Thessalonike, in der Nähe des Flusses Axios, sein Lager aufschlug. Basilakios griff in der Nacht an, doch sein Plan war verraten
worden und so war er gezwungen, auf der Akropolis von Thessalonike Zuflucht zu suchen.
Mit der Unterstützung der Thessaloniker nahm Alexios ihn gefangen und schickte ihn in Ketten nach Konstantinopel8.
Doch die Lage im Inneren des Kaiserreichs verschlechterte sich zunehmend. Durch den
Verlust des größten Teils von Kleinasien entgingen dem Reich Steuergelder und die Situation
war auch in den westlichen Provinzen prekär geworden, was dazu führte, dass in den Staatskassen viel Geld fehlte. Da entschloss sich der Kaiser zur Fälschung des Geldes: «… und da
es an Geld mangelte, wurde Geld gefälscht», wie der byzantinische Historiker schreibt9. So
wurde der solidus, die von Konstantin dem Großen eingeführte Goldmünze, die durch so viele
Jahrhunderte hindurch ihren Wert beibehalten hatte, unter Nikephoros III. Botaneiates gefälscht, was als Symptom für den wirtschaftlichen Niedergang des Staates gewertet werden
kann.
Alexios Komnenos, ein Abkömmling einer Militärsfamilie, der sich bei der Unterdrückung der aufständischen Bewegungen von Nikephoros Bryennios und Nikephoros Basilakios
ausgezeichnet hatte, stürzte im April 1081 Nikephoros III. Botaneiates und leitete dadurch
eine neue Epoche in der Geschichte von Byzanz ein.
1.2. Die Epoche der Komnenen und der Angeloi, 1081-1204
Alexios I. (1081-1118), ein mutiger Feldherr mit diplomatischem Geschick, war in der Lage,
große Ziele zu setzen und große Projekte durchzuführen (nach Großem strebend und Großes
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vollbringend)10 und musste sich unmittelbar nach seiner Thronbesteigung mit der Bedrohung
durch die Normannen Italiens auseinandersetzen. Er veranlasste sofort die Neuordnung des
Heeres, widmete sich der Verstärkung der Städte und Festungsanlagen in den westlichen Provinzen, schloss Frieden mit den Seldschuken und im Juni 1081 einen Vertrag mit Venedig,
dessen Interessen durch die Anwesenheit der Normannen in Süditalien tangiert wurden und
für welches die freie Schifffahrt durch die Meerenge von Otranto von entscheidender Bedeutung war.
In den folgenden Jahren wurden Makedonien und Epirus zum Schauplatz der kriegerischen Zusammenstöße zwischen Normannen und Byzantinern. Ziel der Normannen war nicht
einfach die Verwüstung und Eroberung der Küstenregionen und der Ionischen Inseln, sondern
die Auflösung des byzantinischen Reiches. «Weil er die kaiserliche Macht der Rhomäer
wünschte» sagt Anna Komnene über den König der Normannen, Robert Guiskard11. Sein Ziel
war die Eroberung des Illyricums sowie Makedoniens und der Vormarsch durch das byzantinische Territorium nach Konstantinopel.
Der älteste Sohn Robert Guiskards, Bohemund, eroberte als Vorhut Kanina und Avlona
(das heutige Vlorë), während Guiskard selbst auf der Schiffsreise von Brindisi nach Dyrrhachion Korfu einnahm und am 17. Juni 1081 mit Heer und Flotte Dyrrhachion erreichte und
belagerte. Im Dezember 1081 sah sich der Kaiser selbst gezwungen, gegen die Normannen
ins Feld zu ziehen. Er erreichte Thessalonike und anschließend Dyrrhachion, doch sein Heer
wurde vernichtend geschlagen und Alexios suchte Zuflucht in Ochrid und anschließend in
Thessalonike. Im Februar 1082 übergaben die Einwohner von Dyrrhachion ihre Stadt. Alexios musste sogar die heiligen Kirchengeräte verkaufen, um Geld aufzutreiben12 und schritt zur
Rekrutierung junger Soldaten, die in der Region von Thessalonike ausgebildet wurden, während er an Venedig für dessen Unterstützung gegen die Normannen mit einer Goldenen Bulle
Handelsprivilegien abtrat. Diese Privilegien sollten jedoch den Anfang des Aufstiegs von Venedig zu einer großen Handelsmacht sein und zum Niedergang des Kaiserreichs in Handel
und Wirtschaft beitragen.
Als Ablenkungsmanöver nahm Alexios Kontakt mit Heinrich von Deutschland auf, der
in Italien einmarschiert war, was den König der Normannen zur Rückkehr nach Apulien
zwang. Die Operationen im griechischen Raum wurden von Bohemund weiter geführt. Mit
Ausgangspunkt Kastoria eroberte er Ioannina, wo das byzantinische Heer erneut geschlagen
wurde, was Alexios zur Rückkehr nach Konstantinopel zwang. In der Folge stießen die Normannen weiter nach Norden vor, eroberten Skopja, Moglena und Aspres Ekklessies am Axios
sowie Pelagonia (das heutige Monastir), konnten jedoch Ochrid, Ostrovos, Serbia und
Berrhoia nicht einnehmen. Bohemund durchquerte Thessalien, eroberte Trikala und begann
am 3. April 1083 mit der Belagerung von Larissa. Diese Belagerung dauerte sechs Monate,
denn der Strategos Leon Kephalas leistete heroisch Widerstand. Alexios hastete nach Thessalonike und es gelang ihm unter Umgehung des Tempi-Tales und mit verschiedenen Listen, die
Normannen zu besiegen, worauf diese ihre Belagerung auflösten und nach Kastoria und von
dort aus nach Avlona zurück wichen13. Im Sommer 1083 kehrte Alexios nach Konstantinopel
zurück. Im Herbst des selben Jahres kam er jedoch wieder nach Makedonien, setzte seine
Säuberungsaktionen fort und eroberte im Oktober 1083 Kastoria, der Normannen wichtigster
Stützpunkt in Makedonien. Darauf hin kapitulierten die Normannen, und die diesbezüglichen
Verhandlungen erfolgten in Thessalonike. Dennoch stellten weder Guiskard selbst noch seine
Söhne die kriegerischen Operationen ein. Sie wurden jedoch in der Nähe von Korfu von der
byzantinisch-venezianischen Flotte geschlagen und ein großer Teil ihres Heeres fiel der Epidemie, die im Winter 1083-84 ausbrach, zum Opfer. Robert Guiskard fuhr nach Kephalonia,
wo er am 17. Juli 1085 verstarb14. Sein Tod läutete auch das Ende des blutigen vierjährigen
normannischen Krieges ein. Ein Aufstand gegen die Normannen in Dyrrhachion, zu dem es
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auf Veranlassung des byzantinischen Kaisers gekommen war, führte zur Rückeroberung der
Stadt, wodurch der erste große Feldzug der Normannen gegen Byzanz ein Ende fand.
Ungefähr zwanzig Jahre später ließ Bohemund die Pläne der Normannen bezüglich der
Auflösung von Byzanz erneut aufflammen. Als einer der Anführer des ersten Kreuzzuges eroberte er im Juni 1098 das syrische Antiocheia, weigerte sich jedoch, die Stadt den
Byzantinern zurückzugeben trotz des Versprechens, das die Kreuzfahrer dem Kaiser gegeben
hatten, dass sie ihm alle von ihnen zurück eroberten Städte übergeben würden. Am 15. Juli
1099 eroberten die Kreuzfahrer Jerusalem. Bohemund gründete ein eigenes Fürstentum und
eroberte von den Türken weitere Städte wie zum Beispiel Laodikeia und Germanikeia (heute
Marasch in Nordsyrien). Im August 1100 geriet er in türkische Gefangenschaft, kaufte sich im
Jahr 1103 jedoch frei und floh nach Korfu und von dort nach Apulien, von wo aus er den Plan
seines Vaters zur Anwendung brachte, indem er gleichzeitig einen Verleumdungsfeldzug gegen Kaiser Alexios unternahm, den er als Verbündeten der Ungläubigen und Feind der
Christen anklagte, wie Anna Komnene sagt15. Auf dieses Vorgehen von Bohemund ist vermutlich «zu einem großen Teil die Entstehung und Verbreitung der Legende über die
griechische Hinterlist (perfidia Graecorum) zurück zu führen, die zur Losung der Westmächte
bei ihren Angriffen gegen Byzanz wurde»16.
Im Oktober 1107 landete Bohemund in Avlona und begann seine Belagerung von
Dyrrhachion. Alexios I. erreichte Thessalonike im Frühjahr 1108, vermied jedoch einen Zusammenstoß mit ihm und bemühte sich darum, die Garnisonen bei Pässen und Durchgängen
zu verstärken und mit der byzantinischen Flotte die Versorgung seiner Gegner von Süditalien
her zu unterbrechen. Bohemund war gezwungen zu kapitulieren. Das Treffen der beiden Befehlshaber fand in Deabolis statt, wo im September 1108 der sogenannte Vertrag von
Deabolis unterzeichnet wurde, den Anna Komnene in ihr Werk aufnahm17. Bohemund
schwor dem Kaiser Treue und Alexios trat ihm Antiocheia und dessen Umgebung als Lehen
ab. Kurze Zeit später (1111) verstarb Bohemund jedoch und sein Neffe Tankred, den er als
Nachfolger in Antiocheia zurück gelassen hatte, anerkannte diesen Vertrag nicht. Doch die
langjährigen Kriege führten die Bevölkerung Westmakedoniens in Armut und Verelendung
und der gelehrte Erzbischof von Ochrid, Theophylaktos, ließ dem Kaiser Briefe mit verzweifelten Appellen zukommen18.
1147 zogen die Normannen unter Roger II. erneut gegen Byzanz ins Feld. Sie plünderten Korinth und Theben, woher sie Männer und Frauen, Spezialisten in der Seidenweberei,
nach Sizilien überführten.
Die auf den Tod Manuels I. Komnenos (1180) folgenden politischen Entwicklungen in
Byzanz - die Ermordung und die Verfolgungen der Venezianer und der übrigen Lateiner in
Konstantinopel – boten den äußeren Feinden eine gute Chance, in byzantinische Territorien
einzufallen. Ungarn und Serben plünderten und zerstörten Städte in Dalmatien und in Regionen südlich der Donau, während der normannische König Wilhelm II. von Sizilien (11661189) Aktionen gegen Byzanz übernahm. Im Mai 1185 belagerte eine zweihundert Schiff
starke Flotte unter dem berühmt-berüchtigten Admiral, dem Korsaren Margaritone, und ein
80.000 Mann starkes Heer Dyrrhachion, das sich nur noch ergeben konnte. Dann wandten
sich die Bodentruppen auf der Via Egnatia nach Thessalonike, während die Flotte zuerst den
Peloponnes umsegeln musste, jedoch am 15. August ebenfalls den Hafen der Stadt erreichte.
Die Bemühungen der Belagerer konzentrierten sich auf den empfindlichsten südlichen
Abschnitt der Ostmauer. Da das Meer aufgrund des Sommers zu wenig tief war, konnten sich
die Schiffe nicht nähern. Doch leider erwies sich der Gouverneur der Stadt, David Komnenos,
als den Umständen nicht gewachsen und handelte wie ein Verräter. Nicht nur vermittelte er
Kaiser Andronikos mit seinen Schreiben ein irreführendes Bild der Lage, das besagte, dass
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sich alles gut entwickle, er erlaubte überdies auch wohlhabenden Bürgern, die Stadt rechtzeitig zu verlassen. Darüber hinaus gab er den Befehl, Wasser vom Chortiatis-Berg in die große
Zisterne der Akropolis einfließen zu lassen, obwohl seit ihrer Reinigung nicht die erforderliche Zeit verstrichen war, was dazu führte, dass der Mörtel mitgerissen und die Zisterne
unbrauchbar wurde. So konnten die Bewohner der Stadt nicht auf die Akropolis flüchten19.
Ein Militärtrupp vom Peloponnes und alanische Söldner eilten Thessalonike zu Hilfe. Viele
von ihnen liefen jedoch zum Feind über. Es kamen auch Streitkräfte aus Konstantinopel, die
allerdings den Befehl hatten, außerhalb der Stadtmauern zu bleiben. Die Bewohner leisteten
heftigen Widerstand, auch die Frauen halfen mit, indem sie den Kriegern entweder Wasser,
Steine und Proviant brachten oder gar selbst mitkämpften20. Bei Anbruch des neunten Belagerungstages drangen die Feinde durch einen durch ein Katapult hervorgerufenen Spalt in der
Nähe des Chamaidrakontos-Turm in der Ostmauer in die Stadt ein und am 24. August wurde
Thessalonike von Feinden überschwemmt. Es folgte ein grässliches Blutbad, Plünderungen
und Vergewaltigungen. Eine Beschreibung der Belagerung und der Eroberung aus der Feder
des Erzbischofs Eustathios führt uns das gesamte Ausmaß der Katastrophe vor Augen. Die
Stadt, die damals Erde der Glücklichen war, schreibt er, füllte sich mit Leichnamen von Männern, Frauen, Kindern und Alten und sie, die einst wunderschöne, große Stadt verkam
«derart, dass von ihrer einstigen Schönheit nichts mehr übrig blieb»21.
Die Normannen drangen auch in die Kirche des heiligen Demetrios ein, zertrümmerten
mit Äxten den Grabkasten des Heiligen und entwendeten Silber und Gold. Sie besetzten Herrenhäuser und einfache Wohnhäuser; die Thessaloniker liefen obdachlos und hungrig durch
die Straßen der Stadt, und beim Kriegshafen wurden die Kriegsgefangenen versammelt. Unter
ihnen befand sich auch der Erzbischof Eustathios, der, obwohl er hätte fliehen können, seiner
Gemeinde zur Seite stand, ihr Mut zusprach und versuchte, den Schmerz über die Eroberung
zu lindern.
Die Eroberung der zweitwichtigsten Stadt des Kaiserreichs erfüllte die Byzantiner mit
Zorn und Empörung. Kaiser Andronikos I. Komnenos veranlasste Verfolgungen der Verwandten von David Komnenos in Konstantinopel und es entstand ein Klima des Schreckens,
da er die Niederlage auf eine Konspiration seiner Gegner mit den Normannen zurück führte.
Die Normannen ließen in Thessalonike eine Wache zurück und wandten sich nun gegen
Konstantinopel. Ein Teil zog weiter um Serrhai einzunehmen, während der wichtigste Teil
nach Mosynopolis in Thrakien gelangte. Die normannische Flotte war bereits außerhalb von
Konstantinopel angekommen.
Am 15. Dezember 1185 führte jedoch ein unerwartetes Ereignis zum Sturz von Andronikos I. und zu seinem schrecklichen Tod. Dem neuen Kaiser Isaak II. Angelos, mit dem die
Dynastie der Angelos eingeweiht wurde, gelang es, ein kampftüchtiges Heer zu konstituieren,
das unter der Leitung des Strategos Alexios Branas die Normannen angriff und Mosynopolis
eroberte. Am 7. November 1185 erlebten die Normannen östlich des Strymon eine vernichtende Niederlage und sahen sich gezwungen, aus Thessalonike und im Frühjahr 1186 auch
aus Dyrrhachion und Korfu abzuziehen. Doch auch die normannische Flotte hatte bei ihrem
Rückzug Verluste zu verzeichnen und zwar durch die Angriffe der byzantinischen Marine
sowie durch Stürme und Krankheiten.
Nach dem Abzug der Normannen versuchte Isaak, auf dem Balkan Bündnisse zu
schließen. Er nahm die Tochter des ungarischen Königs Bela, das Mädchen Margarete, zur
zweiten Ehefrau; dass jedoch für die Feierlichkeiten im Zusammenhang mit dieser Hochzeit
außerordentliche Steuern auferlegt wurden, erregte den Zorn vor allem der Bulgaren und Vlachen in der Region des Haemus, die - angeführt von den Brüdern Asen - gegen Byzanz
revoltierten. Wiederholte Feldzüge gegen die Bulgaren konnten den Aufstand nicht unter-
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drücken und die Bulgaren gründeten den zweiten bulgarischen Staat mit Sitz in Trnovo
(1187). Sie errichteten sogar eine Kirche zu Ehren des heiligen Demetrios und verkündeten,
dass der Märtyrer Demetrios die Metropolis von Thessalonike und seine Kirche verlassen habe und hierher gekommen sei, um ihnen zu helfen, das Joch der Rhomäer abzuschütteln22.
Nach dem Sturz Isaaks II. Angelos im Jahr 1195 durch seinen Bruder Alexios III.
(1195-1203) unternahmen die Vlachen und Bulgaren Einfälle in Makedonien in der Nähe von
Serrhai, während sich gleichzeitig auch der Vlache Dobromir Chris, der Gouverneur von
Strumitsa, unabhängig machte, der Prosakos, eine uneinnehmbare Festung am Axios und
kurzfristig auch Pelagonia und Prilep erobert hatte. Die Lage wurde für Byzanz noch gefährlicher, als 1197 Peter Asen ermordet und sein Bruder Ioannitzes (Kalojan bzw. Skyloioannes)
zu seinem Nachfolger wurde. Dieser hatte sich die Expansion seines Staates zulasten von Byzanz zum Ziel gesetzt.
Die Missverwaltung und die Dynastie-Krise von Byzanz unter Alexios III. führten zur
Umlenkung des 4. Kreuzzuges und am 13. April 1204 zur Eroberung Konstantinopels durch
Venezianer und Franken. Alexios III. leistete nur minimalsten Widerstand und verließ die
Stadt bereits in der Nacht des 17. Juli 1203, nahm auch den Kronschatz mit sich und suchte in
Philippupolis und später im thrakischen Mosynopolis Zuflucht23.
2. Makedonien zur Zeit der Lateinerherrschaft (1204 – 1261)
2.1. Das Lombardische Königreich Thessalonike (1204-1224)
Die Eroberung Konstantinopels im Jahr 1204 bildet eine Schnittstelle in der Geschichte von
Byzanz. Das Reich wurde aufgelöst und an seine Stelle trat das Lateinische Kaiserreich Konstantinopels mit einem fränkischen Kaiser und einem venezianischen Patriarchen. Seine
übrigen Territorien wurden durch den Vertrag über die Aufteilung des byzantinischen Kaiserreichs vom März 1204 den weiteren Herrschern und Baronen sowie Venedig zugesprochen.
Allerdings wurden auch drei griechische Nachfolgestaaten gegründet: der Staat von Trapezunt
durch Alexios und David Komnenos, das Kaiserreich von Nikaia in Bithynien durch Theodor
Laskaris, den Schwiegersohn von Alexios III., und der Staat Epirus durch den Vetter von Kaiser Michael Dukas, deren Ziel es war, Konstantinopel zurückzuerobern und das byzantinische
Reich wieder neu zu gründen.
Anwärter für die Kaiserwürde waren Balduin von Flandern und Bonifaz von Montferrat
aus der Lombardei. Mit der Unterstützung des venezianischen Dogen Enrico Dandolo wurde
jedoch Balduin akklamiert und am 16. Mai 1204 in der Hagia Sophia zum Kaiser gekrönt.
Kleinasien und der Peloponnes wurden an Bonifaz abgetreten, doch dieser beanspruchte die
zweitwichtigste Stadt des Kaiserreichs, Thessalonike, und deren Einzugsgebiet für sich. Er
machte sogar Erbansprüche geltend, da die Einnahmen der Region seinem Bruder Rainier als
Mitgift gegeben worden waren, als dieser 1179 die Tochter Kaiser Manuels I. Komnenos geheiratet hatte. Balduin akzeptierte dies, doch die Reaktion seiner Barone führte zum Bruch
zwischen den beiden Protagonisten.
Balduin brach in Adrianopel auf, um Kaiser Alexios III., der von Mosynopolis nach
Thessalonike unterwegs war, zu verfolgen, gelangte vor die Stadtmauern Thessalonikes und
verlangte die Unterwerfung der Stadt. Wie die thrakischen Städte, die dem fränkischen Kaiser
die Treue erklärten, um Plünderungen und Zerstörungen zu vermeiden, so stimmten auch die
Thessaloniker der Unterwerfung zu unter der Bedingung, dass Balduins Heer die Stadt nicht
betrete und dass die Privilegien, die seit alters her für sie galten, anerkannt würden. Balduin
bestätigte diese Vereinbarung tatsächlich mit einer goldenen Bulle: «Er hörte die Thessaloniker an und übergab ihnen eine Goldene Bulle, mit der er ihnen erlaubte, alle Privilegien,
welche die Stadt hatte, zu behalten»24.
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Der Einzug Balduins in Thessalonike provozierte den Zorn des Bonifaz, der sich beeilte, Didymoteichon zu erobern und Adrianopel zu belagern. Durch seine Heirat mit der Witwe
Isaaks II., Margarete-Maria, stellte er sogar die Akzeptanz der Griechen sicher und verkündete, dass er Margarete-Marias erstgeborenen, als Kaiser der Rhomäer bejubelten Sohn zum
Kaiser krönen werde. Dank der Intervention von Enrico Dandolo, der im Oktober 1204 eine
Ratsversammlung in Konstantinopel einberief, mit der Bonifaz zu seinem Recht kam und als
König von Thessalonike anerkannt wurde, konnte der Bürgerkrieg vermieden werden.
Im Oktober 1204 erfolgte die Aufteilung des Kaiserreichs aufgrund des Vertrags vom
März 1204, allerdings in der als Partitio Romaniae bekannten endgültigen Urkunde. Darin
sind alle übrigen Provinzen des byzantinischen Reichs enthalten bis auf Thessalonike und die
Regionen Ostmakedoniens (Serrhai, Christupolis, Amphipolis, Philippoi, Melenikon) sowie
einen Teil Thrakiens bis nach Mosynopolis, die an Bonifaz gefallen waren25. In den Anfängen
des Jahres 1205 zog Bonifaz in Thessalonike ein und wurde zum König gekrönt. Die luxuriösesten Wohnhäuser verteilte er unter den Rittern seines Hofes; außerdem zweigte er Gelder
und Vermögen der Thessaloniker ab, was das Missfallen der Bürger erregte und Enttäuschung
auslöste26. Unverzüglich schritt er zur Wahl eines lateinischen Erzbischofs und trat die Hagios-Demetrios- und die Hagia Sophia-Kirche sowie deren Einkünfte an den lateinischen Klerus
ab. Die Hagia Sophia blieb weiterhin Bischofskirche27. Auch die Einkommen der Klöster Philokalu und Akapniu scheinen an die Lateiner abgetreten worden zu sein.
Nachdem Bonifaz seine Macht in Thessalonike gefestigt hatte, brach er mit seinem Heer
zu einem Eroberungsfeldzug nach Südgriechenland und auf den Peloponnes auf und verteilte
die eroberten Territorien unter den Kreuzfahrern als Lehen. In Thessalonike überließ er die
Regentschaft lombardischen Adligen unter der Leitung seiner Gattin Maria. Bei seinem Vormarsch nach Süden eroberte er Städte und Burgen wie zum Beispiel Kitros, das er Wirich von
Daun und Platamon, das er Rolando Piscia übergab. Bei seiner Ankunft bei den Thermopylen
stieß er auf den Widerstand durch den Herrscher von Argos und Nauplion, Leon Sgouros, der
bis nach Larissa gelangt war und sah sich schließlich gezwungen, nach Akrokorinth zurückzuweichen28.
Für die Lateiner in Thrakien wurde die Lage jedoch langsam brenzlig. Enttäuscht von
der unterdrückerischen Politik der Franken rebellierten die Bewohner der thrakischen Städte.
Als Balduin Adrianopel belagerte, ersuchten dessen Bewohner den bulgarischen Zaren Ioannitzes, der nach seiner Krönung im November 1204 in Trnovo durch einen Vertreter des
Papstes an Autorität gewonnen hatte, um Beistand. Der bulgarische Zar ergriff die Gelegenheit und fiel in Thrakien ein. Balduin, der Adrianopel belagerte, fiel am 13. April in einen
Hinterhalt der Bulgaren, wurde gefangen genommen und geköpft. Da verlangte der Zar von
den Einwohnern Adrianopels, ihm die Stadt zu übergeben. Diese weigerten sich, doch er
konnte sie nicht erobern, weil «die Bulgaren in Belagerungen völlig unwissend waren» - wie
der Historiker Georgios Akropolites schreibt - und keine Belagerungsmaschinen einsetzten29.
Wutentbrannt verteilten sich die Bulgaren darauf hin in ganz Thrakien, brannten viele Städte
nieder und führten Tausende Kriegsgefangener in die Donauregionen.
Nächstes Ziel des Ioannitzes war Thessalonike. Einer seiner vlachischen Generäle, Etzyismenos (-i.man), Statthalter von Prosako, nahm mit den rebellierenden Thessalonikern
Kontakt auf, drang selbst ebenfalls in die Stadt ein, und die Königin Maria wurde auf der
Akropolis belagert. Da kehrte Bonifaz eiligst nach Thessalonike zurück und zog die Verantwortlichen zur Rechenschaft. Möglicherweise war an der Konspiration auch der mit seiner
Familie in Thessalonike weilende Kaiser Alexios III. beteiligt gewesen und wurde deswegen
vertrieben. Alexios zog weiter nach Süden und traf sich mit Leon Sgouros, der sich mit Eudokia, der Tochter des Kaisers, vermählte30.
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131
Wie sich einst Basileios II. Bulgarentöter nannte, so ließ sich Ioannitzes nun Töter der
Rhomäer nennen31, zog weiter nach Westen, eroberte Serrhai, wo die lateinische Wache und
viel Volk niedergemetzelt wurde und gelangte weitere makedonische Städte erobernd bis
nach Berrhoia. Die bulgarischen Einfälle führten zu Gemetzeln, Gefangennahmen und
Fluchtbewegungen der Bevölkerung in sicherere Städte und Burgen32.
Bonifaz gelang es nicht, Serrhai zurück zu erobern, er nahm jedoch mit dem neuen lateinischen Kaiser, Balduins Bruder Heinrich von Flandern (1206-1216), in Bezug auf einen
gemeinsamen Feldzug gegen die Bulgaren Kontakt auf. Heinrich vermählte sich sogar mit
Agnes von Montferrat, der Tochter des Bonifaz. Im September 1207 fiel Bonifaz in Rhodope
in einen Hinterhalt der Bulgaren und erlag einem Blutsturz. Sein Tod war ein schwerer Schlag
für die Lateiner und die Gelegenheit für Ioannitzes, sich eiligst nach Thessalonike aufzumachen, das er erobern wollte. Doch er wurde noch während der Belagerung - am 26. Oktober
1207, dem Namenstag des heiligen Demetrios - in seinem Zelt umgebracht. Die Thessaloniker
schrieben ihre Rettung ihrem Stadtbeschützer, dem heiligen Demetrios, zu und deshalb wird
er auf vielen Ikonen auch hoch zu Ross abgebildet, wie er den Bulgaren Skyloioannes mit der
Lanze durchstößt33. Nach dem vielen Leid, das er ihnen zugefügt hatte, war Ioannitzes‘ Tod
sowohl für die Griechen als auch für die Lateiner eine Erleichterung.
Nach Bonifaz‘ Tod herrschte in Thessalonike Verwirrung und ein bürgerkriegsähnlicher
Zustand. Zu seinem Thronfolger war sein damals minderjähriger Sohn Demetrios ernannt
worden und zu dessen Vormund seine Mutter Maria. Doch die lombardischen Barone wollten
unter der Leitung des Grafen Umberto von Biantrate den Halbbruder Demetrios‘, Wilhelm
von Montferrat, als Erben seines Vaters aus Italien herbei rufen. Kaiser Heinrich erreichte
Thessalonike im Dezember 1208 und gelangte mit Biantrate im Kloster Chortaïtou (auf dem
heutigen Chortiatis) zu einer Vereinbarung. Doch die Lombarden wollten ganz Griechenland
von Dyrrhachion bis nach Thrakien und von Korinth bis Philippupolis. Unter Berücksichtigung sowohl der Gefühle des Volkes von Thessalonike als auch der Meinung der Königin
Maria machte Heinrich die Vereinbarung ungültig und krönte Demetrios am 6. Januar 1209
zum König. Dann eroberte er dank der Unterstützung der griechischen Einwohner Serrhai und
Christupolis und vertrieb die Wachen der Lombarden, zog weiter nach Thessalien und verpflichtete die Lombarden zur Übergabe der Stadt Larissa und später auch von Theben.
Heinrich führte sein Heer bis nach Athen, wo er die Unterwerfung der Stadt annahm und
Gottfried Villehardouin, den Herzog von Achaia, als Untertanen anerkannte. Während er sich
nun nach Epirus wenden wollte, erklärte der dortige Herrscher Michael Dukas seine Unterwerfung und schlug die Heirat seiner Tochter mit Heinrichs Bruder Eustathios vor, dem er als
Mitgift ein Drittel seines Territoriums abgeben wollte. Heinrich nahm diesen Vorschlag an
und brach auf nach Konstantinopel. Eustathios ließ er als zweiten Vormund von Demetrios in
Thessalonike zurück34.
1212 wurde der Flame Garinos Erzbischof von Thessalonike. Mit seiner Wahl erhielt er
die Privilegien, die der Erzbischof von Thessalonike als päpstlicher Legat vor der Unterordnung des Illyricums unter das Patriarchat von Konstantinopel hatte (Mitte des 8. Jh.). Dem
Erzbistum waren folgende elf Bistümer unterordnet: die Bistümer von Kitros, Berrhoia, Kampaneia, Vardar, Serbia, Petra, Platamon, Langadas, Ardameris, Hierissos und Kassandreia.
Wie aus einem Synodenbeschluss des Erzbischofs von Ochrid, Demetrios Chomatenos
(1236), hervorgeht, wurden die griechischen Bischöfe beibehalten, die sogar verschiedene
Angelegenheiten in Anwesenheit des Dux Georgios Phrangopulos in der Kirche Acheiropoietos verhandelten. Dies verdankten sie der toleranten Kirchenpolitik der Königin Maria35.
Doch mit seinem minderjährigen König und ohne starke militärische Präsenz schrumpfte das lombardische Königreich Thessalonike langsam und die kriegerischen Aktivitäten
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MAKEDONIEN VON 1025 BIS 1430
sowie der Ehrgeiz der Herrscher im Epirus, deren Ziel die Rückeroberung der byzantinischen
Territorien und die Wiedererrichtung des byzantinischen Kaiserreichs war, stellten für die
Existenz Thessalonikes eine ernsthafte Bedrohung dar.
2.2. Die Auflösung des Lombardischen Königreichs und die Gründung des
Kaiserreichs von Thessalonike (1224-1246)
Den Kampf gegen Bulgaren und Lateiner im griechischen Raum übernahm der Gründer des
Staates von Epirus, Michael I. Dukas. Als Vetter der beiden Kaiser Isaak II. und Alexios III.
hatte er nach der Eroberung Konstantinopels im Heer von Bonifaz von Montferrat gedient,
war jedoch nach Epirus geeilt, als ihn der Militärverwalter des Themas Nikopolis, Senachereim, zur Unterdrückung eines Aufstands dorthin rief. Er vermählte sich in zweiter Ehe mit
der Tochter oder Witwe von Senachereim und entwickelte von seinem Sitz in Arta aus eine
ehrgeizige unabhängige Politik. Er beteiligte sich am Kampf der Peloponneser gegen die
Franken und erklärte in einem diplomatischen Schachzug 1209 seine Unterwerfung unter den
Kaiser Heinrich, während er 1210 eine Vereinbarung mit Venedig unterzeichnete. Doch
schon bald verletzte er diese Vereinbarungen und eroberte von den Venezianern 1212
Dyrrhachion und 1214 Korfu. Im Jahr 1212 befreite er Larissa. Nach der Ermordung von Michael (1214/15) führte dessen Werk sein Bruder Theodor Dukas weiter, ein erfahrener und
ehrgeiziger Feldherr, der Territorien Makedoniens eroberte und die Schlinge um Thessalonike
enger anzog. Beunruhigt über die Lage in Makedonien kam Kaiser Heinrich nach Thessalonike, wo er im Mai 1216 unerwartet starb. Im nächsten Jahr gelang Theodor Dukas ein
spektakulärer Sieg, der ihm besondere Autorität verlieh, als er in den albanischen Bergen den
jungen lateinischen Kaiser Peter von Courtenay, den Gatten von Kaiser Heinrichs Schwester
Jolante, gefangen nahm, der im April 1217 in Rom von Papst Honorius III. gekrönt worden
war. Peter hatte mit 160 Reitern und 5.500 Infanteristen mit venezianischen Schiffen von
Brindisi nach Dyrrhachion übergesetzt, um diesen bedeutenden Hafen zu erobern und ihn den
Venezianern zu übergeben, während seine Ehefrau mit ihrem Gefolge per Schiff nach Konstantinopel reiste. Dyrrhachion leistete jedoch heftigen Widerstand und bei seinem Marsch
durch die Berge, um auf die Via Egnatia zu gelangen, fiel Courtenay in einen Hinterhalt und
wurde gemeinsam mit dem Vertreter des Papstes, Kardinal Giovanni Colonna, gefangen genommen. Der lateinische Kaiser verschwand, während der Kardinal auf Druck des Papstes hin
im Jahr 1218 frei gelassen wurde.
Von 1216-1219 befreite Theodor Ochrid, Pelagonia, Prilep, Prosakos, Skopja, Strumitsa
von den Bulgaren und zwischen 1217-18 Neopatrai (Hypate), Lamia, Grevena, Kastoria, Platamon, Berrhoia, Serrhai, Serbia und Christupolis von den Lateinern, indem er Thessalonike
isolierte und von jeder Hilfe, die die Stadt eventuell von den Franken aus Konstantinopel oder
Südgriechenland hätte bekommen können, abschnitt36.
1222 begab sich Demetrios, der junge König von Thessalonike, in den Westen, um den
Papst um die Organisation eines Kreuzzuges für die Rettung von Thessalonike zu ersuchen. In
den Anfängen des Jahres 1223 kehrte Margarete-Maria in ihre Heimat Ungarn zurück, und die
Verteidigung von Thessalonike übernahm der Markgraf von Bondonitsa, Guido Pallavicini.
Papst Honorius III. versuchte, die Westmächte zu mobilisieren, Geld zu sammeln und ein
Heer für den Kreuzzug zu konstituieren, zu dessen Anführer Wilhelm von Montferrat bestimmt wurde. Theodor Dukas belagerte 1223 Thessalonike und zog im Dezember 1224
triumphierend in die Stadt ein37. Der vom Papst organisierte Kreuzzug verzögerte sich und die
Kreuzfahrer-Truppen erreichten das thessalische Pteleos im Sommer 1225, wurden durch die
Ruhr in der thessalischen Ebene allerdings stark dezimiert. Auch Wilhelm starb und der
Kreuzzug löste sich auf.
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Als die Gefahr aus dem Westen gebannt war und nachdem er seine Truppen nach Thrakien befördert hatte, wurde Theodor Dukas 1226 in Thessalonike öffentlich proklamiert und
höchst wahrscheinlich am Pfingstsonntag 1227 zum «Basileus und Autokrator der Rhomäer»
gekrönt38. Der Metropolit von Thessalonike, Konstantinos Mesopotamites, weigerte sich, die
Krönung zu zelebrieren, vermutlich, weil er dem Patriarchat und dem Kaiser von Nikaia die
Treue halten wollte, und verließ die Stadt. So zelebrierte der Erzbischof von Ochrid, Demetrios Chomatenos, die Krönung, was das heftige Missfallen des Patriarchen von Nikaia erregte,
der in seinen Schreiben an Demetrios Chomatenos diesem vorwarf, die Einheit des Patriarchats zu zerrütten. Es bestand der starke Verdacht, dass mit dem Kaiserreich auch ein
Patriarchat gegründet werden sollte. Die Akklamation und Krönung von Theodor Dukas galt
für Nikaia als Usurpation der kaiserlichen Macht und stand im Gegensatz zur politischen
Ideologie der Byzantiner in Bezug auf die Einmaligkeit des Kaiserreichs39.
Mit ihrer Rückeroberung wurde Thessalonike zur Kaiserstadt und der Staat von Epirus
in ein Kaiserreich von Thessalonike umgebildet. Theodor organisierte seinen Hof laut den
byzantinischen Vorbildern und verlieh seinen beiden Brüdern den Titel des Despotes sowie
weitere ehrende Titel an höhere Würdenträger. In der Geldprägeanstalt von Thessalonike
prägte er Geld, auf dem er gemeinsam mit dem Stadtbeschützer, dem heiligen Demetrios, abgebildet war.
Die interne Organisation des Staates erhellen vor allem die Archive des Demetrios
Chomatenos und des Metropoliten von Naupaktos, Ioannes Apokaukos. Aufgrund der Goldenen Bulle, die Alexios III. im Jahr 1198 in Bezug auf Venedig erlassen hatte, in der alle
Provinzen des Staates, in denen die venezianischen Kaufleute Handelsprivilegien haben sollten, sowie auch die Vereinbarung über die Aufteilung des Kaiserreichs (Partitio Romaniae)
von 1204 aufgeführt sind, lässt sich die administrative Aufteilung des Staates von Theodor
Dukas bestimmen. Der Staat wurde in Themen unterteilt, in kleine Gerichts- und Steuerregionen unter einem Dux. Es werden die Themen von Bagenitia, Berrhoia, Deabolis, Ioannina,
Koloneia, Nikopolis, Skopja, Strumitsa, Thessalonike, Acheloos, Dyrrhachion, Ochrid,
Prespa, Kastoria, Pelagonia und Serbia aufgeführt40.
Kaum hatten sie die Städte erobert, rehabilitierten sowohl Michael Dukas als auch
Theodor die alten Metropoliten und Bischöfe, und wenn diese in der Zwischenzeit verstorben
waren, gaben sie den Befehl zur Wahl neuer Metropoliten und baten den Patriarchen im
Nachhinein um die Genehmigung, was in Nikaia großes Missfallen erregte41. Ein großes
Thema, das die Kirche betraf und sich vor allem in Westmakedonien stellte, war die Frage der
Presbyter und Diakonen, die während der bulgarischen Besatzung von bulgarischen Bischöfen geweiht worden waren. Eine entgegenkommende Lösung zu diesem Thema gab die
Synode des Erzbistums von Ochrid im Jahr 1218/9: sie erklärte die bulgarischen Bischöfe ohne Aussicht auf Wiederruf für abgesetzt, rehabilitierte die rechtmäßigen Obergeistlichen, die
vertrieben worden waren und rief die Sitze jener aus, die verstorben waren. Außerdem behielt
sie den von ihnen unter Auferlegung gewisser Bußhandlungen geweihten niederen Klerus
bei42. Das Thema der Bischöfe war besonders heikel, denn abgesehen davon, dass sie ihren
Auftrag innerhalb der Kirchgemeinde wahrnahmen, urteilten die je nach Ort zuständigen
Synoden auch über verschiedene Angelegenheiten des Familienrechts, über Vermögensstreitsachen u.a. Besondere Ausstrahlung hatte das Synodalgericht des Erzbistums von Ochrid
während der Pastoralzeit von Demetrios Chomatenos (1217-1236).
Demetrios Chomatenos, «Erzbischof des Justiniana-Prima (rzbistums und ganz Bulgariens», wie der offizielle Titel des Erzbistums von Ochrid lautete, zeichnete sich durch seine
Bildung und seine juristische Qualifikation aus und erwies sich durch sein rechtsprecherisches
Werk «als einer der größten Rechtsgelehrten seiner Zeit»43. Ans Synoden-Gericht von Ochrid
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MAKEDONIEN VON 1025 BIS 1430
wandten sich Herrscher wie Stephan Nemanja aus Serbien und Theodor Dukas, Würdenträger, jedoch auch einfache Menschen aus verschiedenen Orten, selbst von außerhalb des
Amtsbezirks des Erzbistums, um in einer sie betreffenden Angelegenheit verhandeln zu lassen
oder die Meinung von Chomatenos zu erfragen, bevor sie eine gerichtliche Auseinandersetzung anstrengten.
Nach der Rückeroberung von Thessalonike führte Theodor Dukas die Operationen
westwärts weiter und stand 1228 vor den Stadtmauern Konstantinopels. Es kam zwar zu einigen Scharmützeln, doch schließlich unterzeichnete er mit den Vertretern der Regentschaft von
Konstantinopel einen einjährigen Waffenstillstand und einen Handelsvertrag, der auch vom
Senat von Venedig ratifiziert wurde. Im Frühjahr 1230 zog der Kaiser von Thessalonike erneut gegen Konstantinopel. Er wollte sich jedoch nach allen Seiten hin absichern und wandte
sich, als er beim Ebros ankam, nach Norden gegen den König der Bulgaren, Ioannes II. Asen.
In der Nähe des Dorfes Kolokotinitsa beim Ebros erlebte er allerdings eine vernichtende Niederlage. Theodor und viele seiner Generäle und Würdenträger wurden als Gefangene nach
Trnovo geführt, wo er kurze Zeit später der Konspiration angeklagt und geblendet wurde.
Asen eroberte darauf hin Städte in Thrakien und Makedonien, wo er bulgarische Generäle
einsetzte und Steuereinzieher hinschickte, denen das Einkassieren der Steuern oblag44.
Die Verwaltung des geschrumpften Kaiserreichs von Thessalonike übernahm Theodor
Dukas‘ Bruder, der Despotes Manuel, der eine uneheliche Tochter von Ioannes Asen geheiratet hatte. Manuel versuchte, Bündnisse zu schließen und folgte einer unabhängigen
Außenpolitik. Er stellte seine im Zusammenhang mit der Krönung von Theodor Dukas erschütterten Beziehungen mit dem Patriarchat und dem Kaiser von Nikaia wieder her und
schickte den Metropoliten von Korfu, Georgios Bardanes, nach Italien, um mit dem Papst sowie mit dem deutschen Kaiser in Sizilien, Friedrich II. von Hohenstaufen, zu verhandeln.
1237 heiratete der verwitwete Ioannes Asen II. Irene, eine Tochter von Theodor Dukas,
die ihrem Vater in die Gefangenschaft gefolgt war. Er ließ Theodor frei, der heimlich nach
Thessalonike zurück kehrte und die Macht übernahm, während Manuel an den Hof von Nikaia floh. Theodor krönte seinen Sohn Ioannes zum König, während in Tat und Wahrheit
allerdings er selbst die Fäden der Politik in der Hand hielt. Manuel schwor Ioannes III. Batatzes die Treue. Dieser versorgte ihn mit sechs Schiffen, um die Macht zurück zu erobern. 1239
landete Manuel in Demetrias und eroberte Pharsala, Larissa und Platamon. Schließlich erreichte er jedoch eine Vereinbarung mit seinem Bruder und der Bürgerkrieg konnte
vermieden werden. Er selbst übernahm die Verwaltung Thessaliens, während sich Theodor in
Edessa nieder ließ und zwei Festungen in Westmakedonien, Ostrovos und Staridola, unter
seiner Kontrolle hatte45.
1241 verstarb nicht nur Manuel, sondern auch Ioannes Asen II., mit dessen Ableben ein
bedeutendes Kapitel der Geschichte Bulgariens zu Ende ging. Asen wurde von seinem Sohn
Kaliman abgelöst. Die gesamte politische Lage begünstigte die Pläne des Kaisers von Nikaia,
der 1242 gegen Thessalonike ins Feld zog. Dank der Vermittlung von Theodor Dukas verzichtete Ioannes auf die Kaiserwürde und regierte weiterhin unter dem Titel des Despotes.
Nach seinem Tod im Jahr 1244 folgte auf ihn sein Bruder Demetrios, dem der Kaiser von Nikaia den Titel des Despotes verlieh. In jener Zeit stand Thessalonike de facto unter der
Herrschaft Nikaias. Im Sommer 1246 zog Ioannes III. Vatatzes gegen das vom minderjährigen Halbbruder Kalimans, Michael, einem Sohn der Irene, regierte Bulgarien. Er eroberte
Serrhai, die Region von Melenikon bis Velbu/d (Küstendil), Stypeion (Istip), Skopja, Velessa, Prilep, Pelagonia und Prosakos.
Während er sich bei seiner Rückkehr in Melenikon aufhielt, kam es in Thessalonike zu
einer Konspiration gegen Demetrios, höchst wahrscheinlich durch einen Nikaia-freundlich
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gesinnten Flügel. Ende November schlug Vatatzes außerhalb von Thessalonike sein Lager auf
und eroberte die Stadt. Demetrios wurde in die Verbannung geschickt und starb in Kleinasien.
Das vergängliche Kaiserreich von Thessalonike wurde aufgelöst und ganz Makedonien wurde
ein Teil des Kaiserreichs von Nikaia46.
2.3. Kämpfe für die Festigung der Vorherrschaft von Nikaia in Makedonien
(1246-1261)
Die Verwaltung von Thessalonike und der neu zurück eroberten Städte Makedoniens übernahm der Oberbefehlshaber (megas domestikos) Andronikos Palaiologos, während sein Sohn
Michael die Verwaltung von Serrhai und Melenikon übernahm.
Doch die Interessen von Nikaia an Makedonien kollidierten mit jenen des Despotes von
Epirus, Michael II. Dukas, der vom Peloponnes, wohin er nach der Ermordung seines Vaters
Michael geflüchtet war, nach Arta zurück gekehrt war. Michael II. nutzte die in Bulgarien
nach dem Tod von Ioannes Asen II. herrschende Anarchie, um die Territorien in den Regionen von Dyrrhachion, Albanien und Westmakedonien zurück zu gewinnen. 1246 bekamen
Epirus und Nikaia zum ersten Mal gemeinsame Grenzen in der Region von Ochrid und Prilep,
während Michael den größten Teil Thessaliens und des Epirus kontrollierte und sich selbst für
den einzigen überlebenden Regenten hielt, dem ein Anspruch an den Kaiserthron zustand.
In den nächsten Jahren wurde Makedonien zum Schauplatz der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Michael II. und dem Kaiser von Nikaia. 1251 versuchten Michael und
sein Onkel Theodor Dukas erfolglos, Thessalonike einzunehmen. Im Frühjahr 1252 erreichte
Ioannes Batatzes mit einem riesigen Heer Thessalonike, eroberte Edessa, Kastoria und den
größten Teil Albaniens. Michael sah sich gezwungen zu kapitulieren und Theodor sowie seinen Sohn Nikephoros als Geiseln zu übergeben. Theodor wurde nach Nikaia geführt, wo er
auch verstarb, während Nikephoros, der schon seit 1249 mit des Kaisers Enkelin Maria verlobt war, mit dem Titel des Despotes nach Epirus zurück kehrte.
Nach dem Tode von Ioannes III. Batatzes im Jahr 1254 eroberte der bulgarische Zar
Michael Asen I. (1246-1257) die Regionen vom Axios bis zu dem vom Kaiser von Nikaia eroberten Albanien. Der junge Kaiser Theodor II. Laskaris (1254-1258) zog gegen Thrakien
und Makedonien und stellte die byzantinische Vorherrschaft wieder her, während Michael
Asen im Mai 1256 einen Vertrag unterzeichnete, mit dem er auf die von ihm eroberten Territorien verzichtete47.
Der überwältigende Sieg des Kaisers von Nikaia legte die Pläne Michaels II. von Epirus
lahm. Auf Initiative seiner Gattin Theodora hin, die mit ihrem Sohn Nikephoros zum Lager
des Laskaris am Ebros reiste, wurde die Ehe zwischen Nikephoros und der Tochter des
Laskaris beschlossen. Die Trauung wurde im Oktober 1256 vom Patriarchen Arsenios in Anwesenheit des Kaisers und Theodoras in Thessalonike zelebriert. Als Hochzeitsgeschenk für
den Schwiegersohn musste Michael Dyrrhachion und Serbia anbieten. Laskaris kehrte nach
Nikaia zurück und ließ als Generalgouverneur den bekannten Historiker Georgios Akropolites
zurück. Akropolites brach im Dezember 1256 von Thessalonike aus auf und bereiste alle Regionen Makedoniens bis nach Dyrrhachion und Kroja. Doch Michael II., der die
erpresserische Art und Weise, wie ihm Dyrrhachion und Serbia weggenommen worden waren, nicht verzeihen konnte, stiftete in Kollaboration mit den Serben einen Aufstand in
Elbasan an, eroberte Berrhoia und Kastoria und belagerte Georgios Akropolites, der mit wenigen Streitkräften in Prilep Zuflucht gesucht hatte. Nach der Eroberung von Prilep wurde
Akropolites als Kriegsgefangener nach Arta geführt und die Statthalter vieler Städte ergaben
sich, was dazu führte, dass ganz Westmakedonien unter die Kontrolle des Staates Epirus ge-
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MAKEDONIEN VON 1025 BIS 1430
riet. Thessalonike stand unter dem Schutz von Michael Palaiologos, der jedoch nach Nikaia
zurück berufen wurde, weil er des Verrats angeklagt war48.
In Nikaia kam es zu dramatischen Ereignissen. Im August 1258 starb Theodor II.
Laskaris und hinterließ den Thron seinem minderjährigen Sohn Ioannes IV. Laskaris. Neun
Tage nach seinem Tod wurde der Regent Georgios Muzalon von Angehörigen der Aristokratie ermordet und die Regentschaft Michael Palaiologos übertragen.
Um seine Pläne besser vorantreiben zu können, schloss Michael Dukas zwei Bündnisse:
eines mit Manfred von Sizilien, der durch seine Heirat mit Michaels Tochter Avlona sowie
weitere Städte, die er an der epirotischen Küste erobert hatte, als Mitgift bekam und ein weiteres mit Wilhelm II. Villehardouin, der die zweite Tochter Michaels zur Frau bekam. Diese
Bündnisse schreckten Nikaia auf. Am 25. Dezember 1258 wurde Michael VIII. Palaiologos
zum Kaiser gekrönt und zum Mitkaiser der minderjährige Ioannes IV. Laskaris.
Die entscheidende Schlacht zwischen den beiden Widersachern wurde im Sommer 1259
in der Ebene zwischen Pelagonia und Kastoria ausgetragen, wo die Truppen von Michael Dukas, Manfred und Villehardouin eine niederschmetternde Niederlage durch das Heer von
Nikaia unter der Führung des Bruders von Michael Palaiologos, des Sebastokrators Ioannes,
in Kauf nehmen mussten. Nach der Schlacht von Pelagonia fielen die Festungen Makedoniens
– Edessa, Ostrovos, Prespa, Kastoria, Prilep, Ochrid - sowie die Region bis nach Dyrrhachion
und Berat eine nach der anderen in die Hände Nikaias49.
Die politische Lage wurde völlig auf den Kopf gestellt, als Alexios Strategopulos, der
Strategos von Nikaia, der Thrakien überwachte, am 25. Juli 1261 Konstantinopel zurück eroberte, das er beinahe unbewacht vorfand. Am 15. August marschierte Michael VIII.
Palaiologos triumphierend in die Stadt ein und wurde in der Hagia Sophia als neuer Konstantin gekrönt, wodurch auf dem byzantinischen Thron die Dynastie der Palaiologen Einzug
hielt50.
3. Makedonien zur Zeit der Palaiologen (1261-1430)
Mit der Rückeroberung der Reichshauptstadt im Jahr 1261 wurde das byzantinische Reich
wieder hergestellt, allerdings in einer zerstörten Hauptstadt und mit unzähligen internen und
externen Problemen. Außer den Küsten hatte das Kaiserreich auch fast ganz Kleinasien an die
Türken verloren und die Bedrohung aus dem Westen bestand nach wie vor, da die Franken
Konstantinopel weiterhin für sich beanspruchten. Die Oberhoheit der italienischen Republiken Venedig, Genua und Pisa auf dem Meer sowie die Privilegien, die ihnen die
byzantinischen Kaiser gewährt hatten, schadeten dem byzantinischen Handel, der nicht mehr
konkurrenzfähig war. Der Verlust der fruchtbaren Regionen Kleinasiens führte zur Reduktion
der Einnahmen, während die Militärausgaben erhöht worden waren, da die Verteidigung von
ausländischen Söldnertruppen abhängig war. Das Auftauchen neuer Feinde auf dem Balkan
und der Vormarsch der osmanischen Türken sollten in den nächsten Jahren für das Kaiserreich eine tödliche Bedrohung darstellen.
Die Feindseligkeiten in Makedonien hörten jedoch nicht auf. Von 1262 bis 1264 griff
Michael II. Dukas in Absprache mit Manfred und unter Verletzung der Verträge Garnisonen
der kaiserlichen Streitkräfte an, bis er 1265 gezwungen war, einen Vertrag mit Kaiser Michael
VIII. Palaiologos zu unterzeichnen und Ioannina abzutreten. Der Vertrag wurde durch die
Heirat des Sohnes des Despoten, Nikephoros, mit der Nichte des Kaisers, Anna, besiegelt.
Nach dem Tod Michaels II. (zwischen 1267 und 1271) wurde sein Territorium auf seine
beiden Söhne verteilt, Nikephoros, der seinen Regierungssitz in Arta hatte und Ioannes, der
Thessalien kontrollierte und seinen Sitz in Neopatrae (Hypate) hatte. Ioannes unternahm ge-
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meinsam mit dem jungen dynamischen Feind des Kaiserreichs, dem serbischen Fürsten Stephan Urosch II. Milutin (1282-1321), Operationen gegen Makedonien. 1282 eroberte Milutin
Skopja, das zur Hauptstadt seines Staates wurde und anschließend die Regionen nördlich von
Ochrid, Prilep und Stypeion (Istip). Darüber hinaus setzte er auch die Raubzüge in Makedonien fort. 1299 war Kaiser Andronikos II. Palaiologos (1282-1328) gezwungen, mit Milutin
einen Kapitulationsvertrag abzuschließen und trotz des Widerstands der Kirche der Heirat
seiner fünfjährigen Tochter Simonis mit dem achtundvierzigjährigen Milutin zuzustimmen.
Die Trauung wurde vom Erzbischof von Ochrid in Thessalonike zelebriert und Milutin bekam
als Mitgift die von ihm eroberten Territorien51.
Im 14. Jahrhundert ließen sich Mitglieder der kaiserlichen Familie in Thessalonike nieder, die jeweils unter dem Titel des Despotes regierten. Es entstanden jedoch separatistische
Tendenzen, die für Makedonien katastrophale Folgen haben sollten. 1303 trennte sich JolanteIrene, die zweite Ehefrau von Andronikos II., von ihrem Ehemann und ließ sich in Thessalonike nieder. Jolante, Tochter des Markgrafen von Montferrat, hatte bei ihrer Heirat mit
Andronikos II. (1284) von ihrem Vater den hohen Titel der Königin von Thessalonike bekommen. Später verlangte sie nun vom Kaiser, das Territorium - bis auf Konstantinopel - laut
westlichen Vorbildern unter ihren drei gemeinsamen Söhnen zu verteilen, eine Forderung, die
der Kaiser ablehnte, da dies dem Dogma des einen und einheitlichen Kaiserreichs widersprach. Jolante war verärgert und begab sich nach Thessalonike, wo sie bis zu ihrem Tod
verblieb (sie verstarb 1317 in Drama). 1305 starb in Thessalonike ihr Sohn, der Despotes Ioannes, dem die Verwaltung der Stadt oblag 52.
In den folgenden Jahren erlitt Makedonien riesige Verwüstungen durch die katalanische
Kompanie. Der Kaiser hatte katalanische Söldner eingestellt, um die Türken in Kleinasien zu
bekämpfen. Als er ihren Sold jedoch nicht mehr bezahlen konnte, zogen sie plündernd durch
die kleinasiatischen Provinzen und Thrakien. 1307 siedelten sie sich auf der Chalkidike an
und unternahmen Raubzüge gegen die Klöster des heiligen Berges Athos und in den umliegenden Regionen. Von den 180 im 11. Jahrhundert existierenden Klöstern überlebten nur 25
das 14. Jahrhundert. 1308 griffen die Katalaner Thessalonike an, konnten die Stadt jedoch
wegen ihrer starken Befestigungsanlagen nicht einnehmen. Darauf hin wandten sie sich nach
Südgriechenland und eroberten Athen53.
Katastrophale Auswirkungen auf den makedonischen Raum und das Kaiserreich im
Allgemeinen hatten jedoch auch die Bürgerkriege, die 1320 und 1341 ausbrachen, an denen
sich Serben, Bulgaren und Türken beteiligten und die dazu beitrugen, dass sich die Osmanen
in Europa niederlassen konnten.
3.1. Der Krieg der beiden Andronikos (1321-1328) und die Herrschaft von
Andronikos III. (1328-1341)
Im Oktober 1320 verstarb in Thessalonike überraschend Michael IX., Sohn und Mitkaiser von
Andronikos II., als er vom Tod seiner Tochter, Königin Anna, im Epirus und von der Ermordung seines jüngsten Sohnes Manuel in Konstantinopel erfuhr. Verantwortlich für die
Ermordung Manuels galt sein älterer Bruder Andronikos, der bereits 1316 zum Mitkaiser proklamiert worden war. Andronikos II., beunruhigt über das unstete Leben seines Enkels,
entzog ihm die Thronfolgerrechte und stellte sich darauf ein, den außerehelichen Sohn seines
Sohnes, des Despotes Konstantin, zu seinem Nachfolger zu bestimmen. Die Reaktion des
jungen, von reichen Freunden und mächtigen Würdenträgern umgebenen Andronikos auf die
Pläne seines Großvaters war unmittelbar und es brach ein Bürgerkrieg aus, der sieben Jahre
dauerte und als Krieg der beiden Andronikoi bekannt ist. Anfänglich konnte der kriegerische
Konflikt zwar noch vermieden werden, als mit dem Vertrag von Region am 6. Juni 1321 die
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Nachfolge für den Enkel sicher gestellt wurde, der die Verwaltung der Regionen von Selymbria bis Christupolis mit Sitz in Adrianopel übernahm. Andronikos II. behielt die Regionen
von Konstantinopel bis Selymbria und von Christupolis bis Dyrrhachion. Kurze Zeit später
kam es jedoch zu gewalttätigen Zwischenfällen in Thessalonike, als Maria-Rita, die Mutter
von Andronikos III., die höchst wahrscheinlich im Kloster Hagia Theodora Nonne war, mit
Gewalt nach Konstantinopel überführt wurde. Es brach ein Aufstand aus und die Thessaloniker ersuchten den jungen Andronikos um die Eroberung der Stadt. Mit einer neuen
Vereinbarung zwischen Großvater und Enkel verblieben Verwaltung und Wirtschaft des Staates weiterhin in den Händen von Andronikos II., während seinem Enkel erlaubt wurde, über
ein Söldnerheer zu verfügen und ihm Steuerbefreiung und eine jährliche Subvention gewährt
wurde. Darauf folgte eine Periode der Zusammenarbeit und des Friedens. Im Dezember 1327
zog Andronikos III. jedoch auf Einladung der Thessaloniker in Thessalonike ein und eroberte
anschließend Edessa, Kastoria und Berrhoia. Am 24. Mai 1328 wurde er Herrscher von Konstantinopel. Der betagte Andronikos II. dankte ab und zog sich zwei Jahre später ins LibsKloster zurück, wo er 1334 als Mönch Antonios verstarb.
Gleich nach seiner Thronbesteigung versuchte Andronikos III., die Verteidigung Makedoniens zu stärken, indem er neue Festungen gründete: im Axios-Tal (in der Nähe von
Kilkis) Gynaikokastron, im Strymon-Tal Siderokastron und in der Nähe der StrymonMündung Amphipolis. Nachdem Stephan Urosch III. von serbischen Adligen gestürzt worden
war und dessen Sohn Stephan Du.an (1331-1355) den Thron bestiegen hatte, wurden die Serben zum gefährlichsten Feind von Byzanz auf dem Balkan, denn ihr Ziel war die Plünderung
und Eroberung der byzantinischen Territorien. Dank der Mitwirkung des erfahrenen Generals
Syrgiannes Palaiologos, der Gouverneur von Thessalonike gewesen war und während des
Bürgerkriegs der beiden Andronikoi eine zweideutige Rolle gespielt hatte, eroberten die serbischen Streitkräfte 1334 Ochrid, Strumitsa und Kastoria und bedrohten auch Thessalonike.
Andronikos III. begab sich von Didymoteichon nach Rentina, während sein Freund Ioannes
Kantakuzenos türkische Piratenschiffe, die die Chalkidike verwüsteten, zum Rückzug nötigte.
Nach der Ermordung des Syrgiannes durch Häscher des Andronikos und da der Staat der Serben von einer Invasion durch die Ungarn bedroht war, traf sich Du.an mit dem Kaiser am
Fluss Gallikos. Hier schlossen sie einen Frieden unter der Bedingung, dass er die von ihm eroberten Städte und Festungen zurück gab54. Von 1334 bis 1341 herrschte einigermaßen Ruhe.
Nach dem plötzlichen Tod von Andronikos III. am 15. Juni 1341 brach jedoch ein neuer, noch
zerstörerischer Bürgerkrieg aus, religiöse und soziale Gegensätze traten immer deutlicher zutage und es mischten sich Serben, Bulgaren und osmanische Türken ein und nahmen dem
Kaiserreich auch noch den letzten Schwung.
3.2. Die Bürgerkriege von 1341-1354 und die osmanische Eroberung
Auf Andronikos III. folgte sein unmündiger Sohn Ioannes V. Palaiologos unter der Vormundschaft seiner Mutter Anna. Sofort nahm der Busenfreund des Verstorbenen, Ioannes
Kantakuzenos, der Andronikos bei all seinen Kämpfen für die Eroberung der Herrschaft unterstützt hatte, die Verwaltung der Angelegenheiten in die Hand. Andronikos hatte keine
Mitglieder der Regentschaft ernannt. Dies führte zu einem Bürgerkrieg, da sowohl der Patriarch Ioannes Kalekas als auch Alexios Apokaukos die Regentschaft beanspruchten und der
Kaiserinmutter zutrugen, Ioannes Kantakuzenos hege Absichten auf den Kaiserthron. Kantakuzenos wurde zum Staatsfeind erklärt, sein Vermögen beschlagnahmt und seine Anhänger in
Konstantinopel wurden verfolgt und ins Gefängnis geworfen. Nach der Wende, die die Dinge
genommen hatten und auf Drängen seiner aus Konstantinopel geflohenen Anhänger hin ließ
sich Kantakuzenos am 26. Oktober 1341 in Didymoteichon zum Kaiser ausrufen. Viele Städte
schlossen sich Kantakuzenos an. In Adrianopel griffen jedoch Angehörige niedrigerer sozialer
ALKMINI STAVRIDOU-ZAFRAKA
139
Schichten Häuser von Adligen an und plünderten sie, was ihrer Ablehnung von Kantakuzenos, der einer der reichsten Menschen von Byzanz war und über ein riesiges Vermögen an
Ländereien vor allem in der Region Serrhai verfügte, eine soziale Dimension gab.
Der Krieg nahm in Thessalonike unkontrollierte Dimensionen an, als Theodoros Synadenos, der Statthalter der Stadt, im Frühjahr 1342, Kantakuzenos aufforderte, die Stadt
einzunehmen. Die Einwohner rebellierten und unter der Führung der Zeloten, die vor allem
aus Menschen aus dem Volk sowie der Zunft der Seeleute stammten, wandten sie sich wutentbrannt gegen die Reichen und ließen sich zu Blutbädern und Plünderungen hinreißen.
Thessalonike zeigte das Bild einer von Feinden zerstörten Stadt. Die Zeloten übernahmen die
Macht, während Kantakuzenos eine Vereinbarung traf mit Stephan Du.an, der versuchte, von
dieser Situation zu profitieren und seine Herrschaft in Makedonien auszudehnen. Ausgehend
von Serbien versuchte Kantakuzenos Serrhai zu erobern und weiter nach Thrakien zu marschieren. Er war jedoch gezwungen, nach Serbien zurück zu kehren, da sich
Regierungstruppen sowie eine Flotte nach Thessalonike wandten. 1343 eroberte er Berrhoia,
Serbia und Platamon, und in Thessalonike landeten Schiffe seines Verbündeten Umur, des
seldschukischen Emirs von Ajdin. Ein Teil der türkischen Flotte ankerte im Hafen von Pydna
in der Region Pieria und die Türken plünderten die Gebiete außerhalb von Berrhoia. Thessalonike konnte jedoch nicht erobert werden, solange die Zeloten an der Macht waren.
Kantakuzenos kehrte nach Thrakien zurück, doch Du.an eroberte Edessa, Kastoria und Florina und im September 1345 auch Serrhai, wo er zum «Kaiser der Serben und Griechen»
ausgerufen und im Frühjahr 1346 in Skopja gekrönt wurde55.
Die Lage in Thessalonike entwickelte sich überstürzt und dramatisch. Der Statthalter
Ioannes Apokaukos hatte die Ermordung des Oberhaupts der Zeloten angeordnet und viele
ihrer Anführer in die Verbannung geschickt. Als die Nachricht von der Ermordung seines Vaters Alexios Apokaukos die Stadt Konstantinopel erreichte, war er bereit, Kantakuzenos
Thessaloniki zu übergeben. Es brach jedoch eine Gegenbewegung unter dem bis damals gemäßigten Zelotenführer Andreas Palaiologos aus. Apokaukos und alle Adligen, die auf der
Akropolis Zuflucht gesucht hatten, wurden von den Mauern gestoßen und die Stadt war den
Plünderungen und der Zerstörung durch die aufgebrachte Bevölkerung ausgesetzt. Die Zeloten wurden die Herrscher Thessalonikes und regierten sie autonom von 1345 bis 1347, selbst
noch nach dem Einmarsch von Kantakuzenos in Konstantinopel und seiner Versöhnung mit
Ioannes V. Palaiologos, der sich mit dessen Tochter Helene vermählt hatte. Zwei Mal verwehrten sie dem neuen Metropoliten Gregorios Palamas, dem wichtigsten Vertreter der
Hesychasten-Bewegung, sogar den Zutritt zur Stadt und baten die Serben um Beistand. Diese
Handlung wurde von den Thessalonikern als Verrat aufgefasst. Sie wandten sich 1349 gegen
die Zeloten und empfingen Kantakuzenos, der 1350 mit Ioannes V. in die Stadt zog, jubelnd
als Kaiser56.
So wurde zwar der Regierung der Zeloten ein Ende gesetzt, nicht aber dem Bürgerkrieg.
Der in Thessalonike verbliebene Ioannes V. fühlte sich in die Provinz abgeschoben und nahm
Kontakte auf mit Du.an. Das Abkommen wurde jedoch von seiner Mutter Anna Palaiologina,
die eiligst aus Konstantinopel hergereist war, vereitelt. Im Herbst 1352 kam es in Thrakien zu
einem Zusammenstoß zwischen Ioannes V. und Matthaios, dem Sohn von Kantakuzenos. Er
wurde jedoch in der Nähe von Didymoteichon geschlagen. Nach seinem Misserfolg bei der
Eroberung Konstantinopels kehrte er in das von seiner Mutter Anna Palaiologina verwaltete
Thessalonike zurück. Im Februar 1354 krönte Kantakuzenos seinen Sohn Matthaios zum Kaiser und verbot die Erwähnung von Ioannes V. bei den Beifallspenden. Im März des selben
Jahres eroberten seine osmanischen Verbündeten das wegen wiederholter Erdbeben verlassene Kallipolis, die wegen ihrer strategischen Lage bedeutendste Stadt am Hellespont. Damit
stand den Osmanen das Tor für ihre Ausbreitung in Europa offen.
140
MAKEDONIEN VON 1025 BIS 1430
Im November 1354 zog Ioannes V., unterstützt vom Genuesen Francesco Gattiluzi aus
Genua, heimlich in Konstantinopel ein und wurde zum Herrscher der Stadt. Wenige Tage später dankte Ioannes VI. Kantakuzenos ab und zog sich in ein Kloster zurück, wo er noch
weitere dreißig Jahre als Mönch Joasaph lebte57.
Nach Stephan Du.ans Tod im Dezember 1355 und der Zerstückelung des serbischen
Staates war eine Zusammenarbeit zwischen Griechen, Bulgaren und Serben gegen den gemeinsamen Feind, die Osmanen, nicht mehr möglich, und nach der Niederlage der Serben bei
0ernomen (dem heutigen Ormenio) am Ebros im September 1371 wurden Serben und Bulgaren zu tributpflichtigen Untertanen des Sultans.
Einzig in Thessalonike regte sich noch Widerstand. Der Verwalter der Stadt, der jüngste
Sohn von Ioannes V., der Despotes Manuel Palaiologos, eroberte im November 1371 Serrhai
zurück und organisierte die Verteidigung gegen die Türken. Er enteignete Ländereien des heiligen Berges Athos und verteilte sie an die Soldaten. Dennoch ließen sich die Türken nicht am
Vormarsch hindern. 1383 eroberten sie Serrhai und belagerten Thessalonike. Vier Jahre lang
war die Stadt von ihrer Umwelt abgeschnitten. Doch die Furcht vor der Niederlage der durch
Drangsale und Hunger extrem strapazierten Thessaloniker zwangen Manuel, die Stadt zu verlassen und in Brussa Zuflucht zu suchen, wo er erniedrigt am Hof des Sultans empfangen
wurde. 1387 ergab sich Thessalonike nach einem Abkommen den Türken und wurde tributpflichtige Untertanin. Manuel schrieb später verbittert an Kabasilas: «In deiner Heimat
bekämpfte ich ständig die Feinde des Glaubens. Und die, für die ich Tag und Nacht bereit
gewesen wäre, mein Leben zu geben … trafen Absprachen mit den Feinden»58. Als Ioannes
V. 1391 starb, floh Manuel aus Brussa und wurde in Konstantinopel zum Kaiser gekrönt
(1391-1425). Im selben Jahr eroberte Bayezid I. Thessalonike, doch nach seiner Niederlage in
der Schlacht bei Ankara durch Tamerlan bzw. Timur Lenk (1402) fiel die Stadt wieder an die
Byzantiner. Von 1403 bis 1423 wurde sie hintereinander von Mitgliedern der Kaiserfamilie
regiert bis Andronikos Palaiologos, ein Sohn von Kaiser Manuel II., Thessalonike angesichts
der türkischen Gefahr an die Venezianer abtrat unter der Bedingung, dass diese die Privilegien der Gemeinde und der Kirche respektierten. Doch auch die Venezianer konnten die Stadt
nicht behalten. Am 29. März 1430 fiel die vielbesungene Stadt Thessalonike in die Hände der
Türken59.
ALKMINI STAVRIDOU-ZAFRAKA
141
Anmerkungen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Ioannes Skylitzes, 412.67-76.
Ibid., 411.51-412.3.
Ibid., 413.21.
Ibid., 413.22
Ibid., 476.55
Michael Attaleiates, 83.10-85.22
Fortsetzung von Ioannes Skylitzes, 182.15-183.28
Vgl. G. Theocharides, Istoria tis Makedonias kata tous mesous chronous 285-1354,
[Geschichte Makedoniens während des Mittelalters 285-1354], Thessalonike 1980, S. 281
ff. und $. Karayannopoulos, Istoria tou Byzantinou Kratous [Geschichte des byzantinischen Staates], Bd. 2, S. 588 ff.
9. Nikephoros Bryennios, 129.10. Vgl. Karayannopoulos, op. cit., Bd. 2, S. 590.
10 . Theodoros Skoutariotes, in %. Sathas (Hrsg), Mesaionike Bibliotheke [Bibliothek des Mittelalters], 7 (1894), 185.
11. Alexias, 121.29-34, 146.59 ff. (=Leib. I.144, II.10.8 ff.).
12. Ibid., 143.7 ff. (=Leib II.10.8 ff.).
13. Ibid., 153.69, 161.28 (=Leib II.22.6-24.1, 24.1-32.23).
14. Ibid., 176.51-180.73 (=Leib II.51.18-56.23).
15. Ibid., 361.70-72 (=Leib I$$.56.1-4).
16. Karayannopoulos, op. cit., Bd. 3, S. 80-81.
17. Alexias, 413.90-422.30 (=Leib I$$.125.10-138.13).
18. Vgl. V. Nerantzi-Varmazi, „Plerofories tou Theophylaktou Achridas kai tou Demetriou
Chomatianou gia ton dytikomakedoniko choro“ [Informationen des Theophylaktos von
Ochrid und des Demetrios Chomatianos zum westmakedonischen Raum], Internationales
Symposium Byzantine Makedonia [Byzantinisches Makedonien], S. 231-238.
19. Eustathios von Thessalonike, 74.10, 68.24, 76.19-78.15.
20. Ibid., 88.23 ff., 90.1 ff.
21. Ibid., 100.12 ff., 146.2-10.
22. Niketas Choniates, 368.47 ff., 371.23 ff. Karayannopoulos, op. cit., Bd. 3, S. 288 ff.
23. Niketas Choniates, 546.72 ff. Karayannopoulos, op. cit., Bd. 3, S. 348 ff.
24. Niketas Choniates, 599.39-40. Theocharides, op. cit., S. 310 ff.
25. Vgl. ). Hendrickx, Oi politikoi kai stratiotikoi thesmoi tis Latinikis avtokratorias tis Konstantinoupoleos kata tous protous chronous tis yparxeos tis [Die politischen und
militärischen Institutionen des Lateinischen Kaiserreichs von Konstantinopel in den ersten Jahren seines Bestehens], Thessalonike 1970, S. 54-57.
26. Niketas Choniates, 600.50-57.
27. Die Hagia Sophia-Kirche war seit ihrer Gründung die Bischofskirche und nicht die Rotonda, wie G. Theocharides behauptet hatte. Vgl. Alkmene Stavridou-Zafraka, „I Hagia
Sofia os metropolitikos naos kai to episkopeio“ [Die Hagia Sophia-Kirche als Bischofskirche und Metropolitenpalast], in Afieroma sti mneme tou Sotiri Kissa [Gedenkschrift
für Sotiris Kissas], Thessalonike 2001, S. 549-560.
28. Theocharides, op. cit., S. 314-315.
29. Niketas Choniates, 615-617, Georgios Akropolites, 22.26-28.
30. Niketas Choniates, 619.44-620.70.
31. Georgios Akropolites, 23.16-19.
32. Niketas Choniates, 620.71-83, Georgios Akropolites, 23.1-16.
33. Georgios Akropolites, 23.19-24.4.
34. Theocharides, op. cit., S. 320-322.
35. Demetrios Chomatenos, Nr.106.144-152.
36. Georgios Akropolites, 24.12-26.9. D. Nicol, The Despotate of Epiros, Oxford 1957, S. 4859.
37. J. Longnon, „La reprise de Salonique par les Grecs en 1224“, Actes du VIe Congrès International d’ Études Byzantines I, Paris 1950, S. 141-146.
142
MAKEDONIEN VON 1025 BIS 1430
38. Georgios Akropolites, 33.15-34.16. Zum Datum der Akklamation und Krönung siehe
Alkmene Stavridou-Zafraka, „Symvoli sto zitima tis anagorevsis tou Theodorou Douka“
[Beitrag zum Thema der Akklamation von Theodoros Dukas], in Afieroma ston Emmanouel Kriara [Festschrift für Emmanouel Kriaras], Kentro Byzantinon Erevnon [Zentrum
für Byzantinische Studien], Thessalonike 1988, S. 37-62. Eleni Bei-Seferli, „1 chronos
stepseos tou Theodorou Douka“ [Der Zeitpunkt der Krönung von Theodoros Dukas], BNJ,
21 (1971/76), 272-279.
39. Siehe Alkmene Stavridou-Zafraka, Nikaia kai Epeiros ton 13o aiona. Ideologike antiparathese stin prospatheia tous na anaktesoun tin avtokratoria [Nikaia und Epirus im 13.
Jh. Ideologische Auseinandersetzung im Rahmen ihres Strebens nach Wiedergewinnung
des Kaiserreiches], Thessalonike 1990, F. Bredenkamp, The Byzantine Empire of Thessalonike (1224-1242), Thessalonike 1996.
40. G. Prinzing, Studien I, II.
41. A. Karpozilos, “The Ecclesiastical Controversy between the Kingdom of Nicaea and the
Principality of Epiros (1217-1233)”, Byzantina Keimena kai Meletai, 7, Thessalonike
1973.
42. Demetrios Chomatenos, Nr. 8 und 146. Alkmene Stavridou-Zafraka, „I archiepiskope
Achridos kai i avtokratoria tis Thessalonikes“ [Das Erzbistum von Ochrid und das Kaiserreich Thessalonike], Christianike Makedonia [Christliches Makedonien], S. 407-421.
43. Sp. Troianos, Oi piges tou Byzantinou Dikaiou [Die Quellen des byzantinischen Rechts],
Athen & Komotene 1986, S. 172.
44. Georgios Akropolites, 38.21-43.19. Theocharides, op. cit., S. 328 ff., Stavridou-Zafraka,
Nikaia und Epirus, S. 67-84.
45. Georgios Akropolites 43.19 ff., 60.10-62.16.
46. Ibid., 65.4-67.25, 70.13 ff.,79.16-84.22. Theocharides, op. cit., S. 332-344. StavridouZafraka, Nikaia und Epirus, S. 84-87.
47. Georgios Akropolites, 88.15-92.14, 107 ff.
48. Ibid., 132 ff., 139 ff., 150 ff.
49. Ibid., 167-170. Georgios Pachymeres (Hrsg. J. Failler), $.117-121.
50. Georgios Akropolites, 181-185. Georgios Pachymeres, $.233.24 ff.
51. Siehe Theocharides, op. cit., S. 370.
52. Nikephoros Gregoras, $ 233-235. H. Constantinidi-Bibicou, „Yolande de Montferrat, impératrice de Byzance“, L’ Hellénisme contemporain, 4,6 (1950), 425-442.
53. K. Setton, Catalan Domination of Athens (1311-1388), Cambridge, Massachusetts, 1948,
S. 286. A. Laiou, Constantinople and the Latins. The Foreign Policy of Andronicus II
(1282-1328), Cambridge, Massachusetts, S. 220-226.
54. F. Ostrogorsky, Istoria [Geschichte], Bd. 3, S. 191 ff. Theocharides, op. cit., S. 374 ff.,
383 ff.
55. Theocharides, op. cit., S. 386-389, 393-399.
56. Ibid., S. 403-405.
57. Ibid., S. 405-413.
58. Manuel II. Epistole [Brief] 67 (Hrsg. G. T. Dennis), S. 187. G. T. Dennis, The Reign of
Manuel II Palaeologus in Thessaloniki 1382-1387, Rom 1960, S. 77 ff.
59. Die Eroberung beschreibt Ioannes Anagnostes, Diegesis peri tis televtaias aloseos tis
Thessalonikes [Erzählung über die letzte Eroberung Thessalonikes], Hrsg. G. Tsaras,
Thessalonike 1958.
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