Musterlösungen zur 9. Serie 1. Aufgabe Geben Sie Zahlen a, b ∈ R an, so daß die Funktion f : R → R, die definiert ist durch 2 für x < 0 x +1 ax + b für x ∈ [0, 1] f (x) := 2 (x − 1) für x > 1, stetig ist. Lösung Offenbar ist die Funktion f stetig in jedem Punkt x ∈ / {0, 1}. Die Funktion ist in x = 0 bzw. in x = 1 stetig genau dann, wenn lim x2 + 1 = lim ax + b (1) lim ax + b = lim(x − 1)2 (2) x↑0 x↓0 bzw. x↑1 x↓0 ist. Aus limx↑0 x2 + 1 = 1 und limx↓0 ax + b = a folgt, dass (1) genau dann erfüllt ist, wenn a = 1 ist. Analog folgt aus limx↑1 ax + b = a + b und limx↓1 (x − 1)2 = 0, dass (2) genau dann erfüllt ist, wenn a + b = 0 ist. Also: a = 1, b = −1. 2. Aufgabe Beweisen Sie, daß mit beliebigen zwei stetigen Funktionen f, g : [0, 1] → R auch die Funktion x ∈ [0, 1] 7→ max{f (x), g(x)} ∈ R (3) stetig ist. Erster Lösungsweg Für alle x ∈ R gilt max{f (x), g(x)} = 1 1 (f (x) + g(x)) + |f (x) − g(x)| . 2 2 (4) Weil die Funktionen f und g stetig sind, sind auch die Funktionen f + g und f − g stetig. Weil die Betragsfunktion stetig ist, ist auch die Funktion x ∈ R 7→ |f (x) − g(x)| ∈ R stetig. Also, wegen (4), ist die Funktion (3) stetig. Zweiter Lösungsweg Es seien x0 ∈ [0, 1] und > 0 beliebig fixiert. Weil f und g stetig sind, existiert ein δ > 0, so dass für alle x ∈ [0, 1] mit |x − x0 | < δ gilt |f (x) − f (x0 )| < und |g(x) − g(x0 )| < . (5) Zunächt betrachten wir den Fall, dass f (x0 ) = g(x0 ) ist. Dann folgt aus (5), dass für alle x ∈ [0, 1] mit |x − x0 | < δ gilt |f (x) − f (x0 )| falls f (x) ≥ g(x) < . | max{f (x), g(x)} − max{f (x0 ), g(x0 )}| = |g(x) − g(x0 )| falls f (x) ≤ g(x) 1 Es sei nun f (x0 ) 6= g(x0 ), z.B. f (x0 ) < g(x0 ). Wegen der Stetigkeit von f und g kann dann das δ so klein gewählt werden, dass gilt f (x) < g(x) für alle x ∈ [0, 1] mit |x − x0 | < δ. Daraus folgt wegen (5) | max{f (x), g(x)}−max{f (x0 ), g(x0 )}| = |f (x)−f (x0 )| < für alle x ∈ [0, 1] mit |x−x0 | < δ. 3. Aufgabe Untersuchen Sie die folgenden Funktionen f : [0, ∞) → R auf gleichmäßige Stetigkeit: √ (a) f (x) = x x2 (b) f (x) = x+1 x3 (c) f (x) = x+1 Lösung (a) Es seien x, y ≥ 0, z.B. x ≥ y. Dann gilt p 2 √ √ √ √ √ x ≤ y + (x − y) + 2 x(x − y) = y + x − y , also 0 ≤ x − y ≤ x − y. Also ist 0≤ √ x− √ y < , falls 0 ≤ x − y < δ := 2 . Also ist die Quadratwurzelfunktion auf [0, ∞) gleichmässig stetig. (b) Für x, y ∈ [0, ∞) gilt 2 x y 2 x2 − y 2 + x2 y − xy 2 (x − y)(x + y + xy) x + 1 − y + 1 = (x + 1)(y + 1) = (x + 1)(y + 1) = x y xy = |x − y| + + ≤ (x + 1)(y + 1) (x + 1)(y + 1) (x + 1)(y + 1) x y xy ≤ |x − y| + + ≤ 3|x − y|, x + 1 y + 1 (x + 1)(y + 1) (6) xy weil 0 ≤ x ≤ 2x ≤ x2 + 1, also x2x+1 ≤ 1 und analog y2y+1 ≤ 1 und (x+1)(y+1) ≤ 1. Also folgt für alle x, y ∈ [0, ∞) 2 2 x y x + 1 − y + 1 < , falls |x − y| < δ := 3 , d.h. die Funktion ist gleichmäßig stetig. 2 (c) Wir zeigen, dass die Funktion nicht gleichmäßig stetig ist, d.h. dass eine Folge x1 , x2 , . . . ∈ [0, ∞) existiert, so dass 3 x3n y 1 n − xn + 1 yn + 1 ≥ 1 für alle n ∈ N und yn := xn + n . In der Tat, wegen (7) gilt x3n yn3 2 xn yn 2 yn2 x2n 2 2 xn + 1 − y n + 1 = xn xn + 1 − y n y n + 1 = xn − y n − xn + 1 − y n + 1 ≥ 2 2 x2n 2 y n 2 ≥ xn − yn2 − 3 |xn − yn | = |xn − yn | |xn + yn − 3| = − ≥ xn − yn − xn + 1 yn + 1 1 1 1 1 2xn + − 3 ≥ 1, = 2xn + − 3 ≥ n n n n wenn man z.B. wählt xn := n+3 . 2 4. Aufgabe Beweisen Sie oder widerlegen Sie (durch Angabe eines Gegenbeispiels), daß für alle stetigen Funktionen f : [0, ∞) → R die folgenden Behauptungen gelten: (a) Wenn f gleichmäßig stetig ist, so existiert limx→∞ f (x) als eigentlicher Grenzwert. (b) Wenn limx→∞ f (x) als eigentlicher Grenzwert existiert, so ist f gleichmäßig stetig. Lösung (a) Die Behauptung ist falsch. Z.B. die Funktion f (x) = x ist offenbar gleichmäßig stetig, aber limx→∞ f (x) existiert nicht als eigentlicher Grenzwert. (b) Wir zeigen, dass die Behauptung wahr ist: Es sei das Gegenteil der Fall, d.h. limx→∞ f (x) existiere als eigentlicher Grenzwert, aber die Funktion f sei nicht gleichmäßig stetig. Dann existieren ein > 0 und Folgen (xn ) und (yn ) nichtnegativer Zahlen mit lim |xn − yn | = 0 (7) n→∞ und |f (xn ) − f (yn )| ≥ für alle n ∈ N. (8) Wenn beide Folgen unbeschränkt sind, gilt limx→∞ f (x) = limn→∞ f (xn ) = limn→∞ f (yn ), und das ist ein Widerspruch zu (8). Wenn eine Folge beschränkt ist und die andere unbeschränkt, erhalten wir einen Widerspruch zu (7). Wenn beide Folgen beschränkt sind, so existieren nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß konvergente Teilfolgen ∞ ∞ xnj j=1 und ynjk . k=1 Wegen (7) folgt lim xnjk = lim ynjk . k→∞ k→∞ 3 Die Stetigkeit von f und g ergibt deshalb lim f xnjk = lim f ynjk , k→∞ k→∞ und das ist ein Widerspruch zu (8). Zusatzaufgabe Beweisen Sie, daß jede injektive stetige Funktion f : R → R streng monoton ist. Lösung Zunächst beweisen wir die folgende Behauptung: Wenn eine Funktion f : R → R nicht streng monoton ist, so existieren x, y, z ∈ R mit x < y < z, so dass f (x) < f (y) und f (y) > f (z) (9) f (x) > f (y) und f (y) < f (z) (10) oder gilt. In der Tat: Angenommen, für alle x, y, z ∈ R mit x < y < z würde gelten f (x) ≥ f (y) oder f (y) ≤ f (z) (11) f (x) ≤ f (y) oder f (y) ≥ f (z). (12) und Wegen der vorausgesetzten Injektivität folgt aus x < y < z, dass f (x) 6= f (y) und f (y) 6= f (z) ist. Also, wenn in (11) f (x) ≥ f (y) gelten würde, so würde folgen f (x) > f (y) und dann aus (12) f (y) > f (z). Wenn in (11) f (y) ≤ f (z) gelten würde, so würde analog folgen f (x) < f (y). Also: f wäre entweder streng monoton wachsend oder streng monoton fallend. Damit ist die Behauptung bewiesen. Nun beweisen wir die Behauptung der Aufgabe. Nehmen wir das Gegenteil an, d.h. f sei injektiv und stetig, aber nicht streng monoton. Dann existieren nach der obigen Behauptung x, y, z ∈ R mit x < y < z, so dass (9) oder (10) erfüllt sind. Es gelte z.B. (9). Dann existieren nach dem Zwischenwertsatz ξ ∈ ]x, y[ und η ∈ ]y, z[ mit f (ξ) = f (η) = f (y) − max{f (x), f (z)} . 2 Das ist ein Widerspruch zur Injektivität. Analog führt der Fall (10) zum Widerspruch. 4