Das neue Sorgerecht Am 1. Juli 2014 ist das neue Recht der

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Das neue Sorgerecht
Am 1. Juli 2014 ist das neue Recht der elterlichen Sorge in Kraft getreten. B ereits seit über dreissig Jahren ist das Sorgerecht bei Juristen, aber auch in der
Politik ein Thema. Diskutiert wurde und wird darüber, wann und unter welchen
Voraussetzungen Eltern das Sorgerecht gemeinsam ausüben sollten.
In der Schweiz wurde nach bisherigem Recht das Sorgerecht der Mutter oder
dem Vater zugeteilt. Mehrheitlich waren die Mütter allein sorgeberechtigt. Väter
hatten in der Regel lediglich ein Besuchsrecht.
Im Kanton Zug ist das Kantonsgericht als erste Instanz für sämtliche Scheidu ngen zuständig. In den letzten Jahren wurden am Kantonsgericht im Schnitt 250
Scheidungen pro Jahr beurteilt. Davon waren rund 200 Scheidungen auf gemeinsames Begehren. In rund 80 % der Scheidungsurteile wurde die alleinige
Sorge der Mutter zugeteilt und für die Väter ein Besuchs- und Ferienrecht geregelt. Dieses Besuchs- und Ferienrecht umfasste in den meisten Fällen eine Betreuung der Kinder in zweiwöchigen Abständen von Freitag bis Sonntag sowie
zwei Wochen Ferien im Jahr.
Dass Eltern überhaupt die elterliche Sorge gemeinsam ausüben können, ist im
Schweizerischen Zivilgesetzbuch erst seit dem Jahr 2000 vorgesehen. Nur auf
gemeinsamen Antrag der Eltern war es bisher möglich, die gemeinsame elterliche Sorge inne zu haben – bzw. bei einer Scheidung beizubehalten.
Hauptkritikpunkte am bisher geltenden Recht waren die Missachtung des Kindeswohls sowie die Diskriminierung der Väter.
Neu stehen seit dem 1. Juli 2014 alle Kinder, solange sie minderjährig sind, unter dem gemeinsamen Sorgerecht von Vater und Mutter. Die gemeinsame elterliche Sorge ist zum Regelfall geworden. Davon darf nur in Ausnahmefällen abgewichen werden.
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Die gemeinsame elterliche Sorge gilt unabhängig vom Zivilstand der Eltern. Es
bestehen nur insofern Unterschiede, als bei verheirateten Eltern die gemeins ame elterliche Sorge per se und ohne weitere Voraussetzungen gilt.
Sind die Eltern unverheiratet, steht die elterliche Sorge immer zuerst der Mutter
alleine zu. Wollen die Eltern das gemeinsame Sorgerecht, müssen sie zwei Voraussetzungen erfüllen:
Zum einen muss der Vater das Kind anerkannt haben.
Zudem müssen die Eltern im Zeitpunkt der Anerkennung gegenüber dem Zivi lstandsamt eine Erklärung abgeben, wonach sie bereit sind, die Verantwortung
für das Kind zu übernehmen. Einigkeit muss auch bezüglich der Betreuungsa nteile und des Unterhaltsbeitrages bestehen. Nach dieser Erklärung gegenüber
dem Zivilstandsamt steht die elterliche Sorge beiden Elternteilen zu.
Weigert sich ein Elternteil, die Erklärung zum gemeinsamen Sorgerecht abzugeben, kann der andere Elternteil die Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des
Kindes anrufen. Im Kanton Zug wäre das die KESB. Dieser Antrag wird in der
Regel vom nicht sorgeberechtigten Vater gestellt werden. Die KESB muss dann
die gemeinsame Sorge verfügen, "sofern nicht zur Wahrung der Kindeswohls an
der alleinigen Sorge der Mutter festzuhalten oder die alleinige Sorge dem Vater
zu übertragen ist".
Aber was bedeutet eigentlich gemeinsame elterliche Sorge?
Unbefangen betrachtet meint der Begriff der elterlichen Sorge einerseits B esorgnis und andererseits Fürsorge. Er suggeriert damit Nähe, Alltag und Bezogenheit. Elterliche Sorge hat aber im Recht wenig mit diesen Begriffen zu tun,
sondern vielmehr mit Entscheidungsbefugnis. Entsprechend hält die Botsch aft
zur Gesetzesrevision fest, gemeinsame elterliche Sorge bedeute "dass die Eltern alles, was das Kind betrifft, im Prinzip gemeinsam regeln". Mit anderen
Worten leiten die Eltern mit Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung.
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Sie treffen unter Berücksichtigung der Handlungsfähigkeit des Kindes die nötigen Entscheidungen und zwar im Prinzip gemeinsam.
Die Grundsätze hinsichtlich Gehorsam und Freiheiten des Kindes bzw. Rücksichtnahme auf dessen Meinung, der Einwilligung der Eltern für das Verlassen
der häuslichen Gemeinschaft durch das Kind sowie die Vergabe des Vornamens
des Kindes durch die Eltern bleiben unverändert bestehen.
Wie die Betreuung der Eltern im Detail geregelt sein soll, wird im Gesetz nicht
festgelegt und wäre auch nicht sinnvoll. Die Eltern sollen flexibel sein und ein
Betreuungsmodell wählen, das dem Wohl des Kindes enspricht und für sie als
Eltern praktikabel ist. Gemeinsame elterliche Sorge bedeutet also nicht, dass
die Eltern verpflichet sind, das Kind hälftig zu betreuen.
Hingegen ist gesetzlich statuiert, dass derjenige Elternteil, der das Kind betreut,
allein entscheiden kann, wenn eine Angelegenheit alltäglich oder dringend ist.
Er entscheidet auch dann, wenn der andere Elternteil nicht mit vernünftigem
Aufwand zu erreichen ist, was heute mit den modernen Kommunikationsmitteln
wohl selten der Fall sein dürfte.
Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, genau aufzuzählen, welches
alltägliche Angelegenheiten und welche Angelegenheiten dringender Natur sind.
Ob eine alltägliche oder dringliche Angelegenheit zu entscheiden ist, muss nach
objektiven Kriterien beurteilt werden. Darum spielt es keine Rolle, was ein E lternteil subjektiv für wichtig erachtet. Bei alltäglichen Entscheiden denkt man
z.B. an die Ernährung, die Bekleidung oder die Freizeitgestaltung. Nicht alltäglich oder dringlich sind Entscheide, die z.B. den Wechsel der Schule oder der
Konfession betreffen.
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Bei der Beurteilung der Frage der Dringlichkeit stellt sich immer die Frage, wie
lange der andere Elternteil nicht erreicht werden kann bzw. ob mit dem En tscheid solange zugewartet werden kann, ohne dass dem Kind ein Schaden
droht.
In den parlamentarischen Beratungen wurde immer wieder versucht, festzulegen, was als alltägliche Angelegenheit zu betrachten ist. Dabei kann es sich
aber nur um eine beispielhafte Aufzählung handeln. Denkt man an die Kinderbelange, so sind für die gleichen Themen wie die Schule, die Gesundheit oder die
Ernährung, oftmals Entscheide zu treffen, welche alltäglicher Natur sind, oder
aber von grundsätzlicher Bedeutung.
Im Einzelfall kann die Unterscheidung zur einen oder anderen Kategorie nicht
immer leicht fallen. Deshalb wird sich jedes Elternpaar absprechen müssen. Mit
Blick auf die Schwierigkeiten, alltägliche und nicht alltägliche Entscheidungen
voneinander abzugrenzen, kann es hilfreich sein, wenn Eltern eine Vereinbarung erarbeiten. Darin können die Eltern selbst festlegen, über welche Fragen
ein Elternteil alleine entscheiden kann und wann sie gemeinsam entscheiden
müssen. Dies schafft klare Verhältnisse. Im Übrigen ist zu hoffen, dass die Praxis für die Abgrenzung zwischen alltäglichen und nicht alltäglichen Entsche idungen mit der Zeit auch konkrete Fallgruppen bilden wird.
Der Gesetzgeber hat auch bewusst darauf verzichtet, dem einen Elternteil bei
Uneinigkeit einen Stichentscheid zuzubilligen. Dies würde sonst das W esen der
gemeinsamen elterlichen Sorge in seinem Kern gerade wieder aushöhlen.
Die Eltern müssen ihre Probleme auf der Paarebene zum Wohle des Kindes von
denjenigen Fragestellungen trennen, die das Kind betreffen. Das heisst sie
müssen ihre Kommunikationsfähigkeit und -willigkeit, aber auch ihre Kooperationsfähigkeit und -willigkeit und schliesslich ihre Kompromissbereitschaft bezüglich der Kinder beweisen. Das dürfte nicht immer einfach sein und überfordert
Eltern mitunter auch.
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Können sich die Eltern über eine Frage, hinsichtlich welcher Einigkeit bestehen
müsste, schliesslich nicht einigen, kommt es zu einer behördlichen Intervention.
Das heisst ein Elternteil wird in einem solchen Fall die KESB einschalten. Für
eine Intervention durch die KESB bedarf es aber einer rechtlichen Grundlage.
Eine solche besteht allerdings nur in bestimmten Fällen. Zu denken ist an Kindesschutzmassnahmen. Voraussetzung für eine solche Massnahme ist eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls. Aus der Uneinigkeit der Eltern allein resultiert allerdings nicht zwingend eine erhebliche Kindeswohlgefährdung.
In einfachen Fällen, in welchen keine vertieften Abklärungen vorgenommen
werden müssen, kann die KESB den Eltern eine behördliche Weisung erteilen.
Diese kann darin bestehen, die Eltern zu einer Mediation zu verpflichten oder
sich in Bezug auf das Kind in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten (z.B.
das Kind in einer bestimmten Schule anzumelden).
Sind vertiefte Abklärungen zu treffen, kann die Errichtung einer Beistandschaft
Sinn machen. Wird eine Beistandschaft errichtet, ist der Beistandsperson der
Auftrag zu erteilen, über die strittige Frage zu befinden.
Schliesslich besteht für die KESB die Möglichkeit, die Entscheidbefugnis des e inen Elternteils einzuschränken und sie ausschliesslich dem andern Elternteil zu
übertragen. Dieses Vorgehen dürfte insbesondere dann angezeigt sein, wenn
wiederholt Entscheide über eine Angelegenheit anstehen, über welche sich die
Inhaber der elterlichen Sorge einigen müssten.
Eine behördliche Intervention sollte ultima ratio sein.
Das Konzept der elterlichen Sorge besagt, dass die zu treffenden Entscheide
durch die Eltern gefällt werden müssen und nicht durch eine Behörde.
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Besteht offensichtlich keine rechtliche Grundlage für eine behördliche Interve ntion, sollte ein entsprechendes Verfahren möglichst schnell abgeschlossen werden. Den Eltern darf nicht eine Plattform für die Austragung ihrer Konflikte geboten werden. In der Praxis wird es wichtig sein, dass sich Behörden vom einen
oder anderen Elternteil nicht unter Druck setzen lassen. Die Einschätzungen
und Berichte eines Elternteils sind immer sehr subjektiv und oftmals nicht mit
dem Kindeswohl vereinbar. Bedarf es wiederholter behördlicher Interventionen
bei wichtigen Fragen im Leben des Kindes, so stellt sich die Frage, ob dem einen oder anderen, oder dann beiden die elterliche Sorge zu entziehen ist.
Die umstrittenste und am meisten diskutierte Bestimmung im revidierten Recht
betrifft den Aufenthaltsort des Kindes.
Nach der bisherigen Rechtsprechung konnte der Inhaber der Obhut den Aufenthaltsort eines Kindes auch ins Ausland verlegen, ohne dass der andere Elternteil dafür seine Zustimmung erteilen musste. Auch eine behördliche Genehm igung war nicht notwendig.
Neu ist im Gesetz festgelegt, dass die elterliche Sorge das Recht mit einschliesst, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen. Zwei Konstellationen
sind dabei zu unterschieden: die Bestimmung des Aufenthaltsort bei der alleinigen Sorge und bei der gemeinsamen elterlichen Sorge:
Besteht die alleinige elterliche Sorge und will der allein sorgeberechtigte Elternteil den Aufenthaltsort des Kindes ändern, so muss er den anderen Elternteil
rechtzeitig darüber informieren. Diese Informationspflicht gilt unabhängig davon,
wie weit weg der neue Aufenthaltsort des Kindes sein wird. Was rechtzeitig
heisst, ist noch unklar und wird sicher auch die Gerichte beschäftigen.
Anders verhält es sich, wenn die Eltern die Sorge gemeinsam ausüben. Die beiden Inhaber der elterlichen Sorge müssen sich grundsätzlich über einen Wechsel des Aufenthaltsortes des Kindes einigen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes
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ist dies der Fall, wenn der neue Aufenthaltsort im Ausland und nicht in der
Schweiz liegt.
Soll der neue Aufenthaltsort im Ausland liegen, spielt es keine Rolle, ob dieserOrt über Hunderte oder Tausende oder nur wenige Kilometer vom alten Ort weit
weg ist. Das Gesetz unterscheidet nicht, ob der Aufenthaltsort des Kindes von
Basel nach Lörrach oder Kapstadt, oder von Kreuzlingen nach Konstanz oder
London verlegt wird. Dies ist schlicht eine gesetzgeberische Fehlleistung, welche die Gerichte hoffentlich zu korrigieren wissen.
Keine Zustimmung des anderen Elternteils ist erforderlich, wenn der Aufenthaltsort innerhalb der Schweiz verlegt wird. Dies kann unbefriedigend sein, da
die Kommunikation und der persönliche Kontakt bei einem Wechsel des Aufenthaltsortes von Basel nach Lörrach oder Konstanz besser aufrechterhalten bleiben kann als bei einem Wechsel von Basel nach Locarno oder Genf.
Nebst der Verlegung des Aufenthaltes ins Ausland, bedarf es auch dann einer
Zustimmung des anderen Elternteils, wenn der Wechsel des Aufenthaltsortes
erhebliche Auswirkungen auf die Ausübung der elterlichen Sorge und die B etreuung des Kindes hat.
Leben die Eltern nicht in der gleichen Gemeinde und verlängert sich wegen des
Umzugs der Reiseweg nur geringfügig oder wird sogar kürzer, liegt keine erhe bliche Auswirkung vor. Wann die Auswirkungen erheblich sind, wird sich in der
Praxis heraus bilden müssen. Dabei sind nicht nur die Distanz zwischen dem a lten und dem neuen Ort zu berücksichtigen. Auch weitere Faktoren wie das Alter
von Kind und Elternteil, Gesundheit von Kind und Elternteil, Verkehrsmittel und verbindungen müssen berücksichtigt werden. So kann die gleiche Distanzänd erung im einen Fall erheblich, im anderen unerheblich sein.
Aber was geschieht, wenn ein Elternteil die Zustimmung zur Verlegung des Aufenthaltsortes verweigert?
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In einem solchen Fall bedarf der andere Elternteil einer behördlichen Entscheidung. Dieser Entscheid hat sich hauptsächlich am Kindeswohl zu orientieren. Es
kann einem Elternteil die Verlegung des Aufenthaltsorts des Kindes erlaubt
werden, allenfalls auch unter Auflagen oder einer Neuregelung der Betreuung.
Möglich ist aber auch, dass das Gericht einen Wechsel verbietet.
Um Streitigkeiten in Bezug auf den Wechsel des Aufenthaltsortes zu vermeiden,
können die Eltern auch in Bezug auf den Aufenthaltsort des Kindes eine Vereinbarung schliessen. Diese hat dann klar festzulegen, ob und falls ja welcher E lternteil alleine über den Wechsel des Aufenthaltsortes des Kindes entscheiden
darf.
Verlegt ein Inhaber der gemeinsamen elterlichen Sorge trotz Zustimmungserfordernis eigenmächtig den Aufenthaltsort des Kindes, können hieraus unterschiedliche Folgen resultieren. Liegt der neue Aufenthaltsort eines Kindes in der
Schweiz, sind grundsätzlich keine unmittelbaren zivil- oder öffentlichrechtlichen
Sanktionen vorgesehen. Immerhin können sich daraus strafrechtliche Sanktionen ergeben. Die Praxis hat aber gezeigt, dass solche Sanktionen nicht sonderlich abschreckend wirken und der fehlbare Elternteil oftmals diese Sanktionen in
Kauf nimmt, um das Kind zu behalten.
Sofern der neue Aufenthaltsort des Kindes im Ausland liegt, kann der andere Elternteil unter Umständen die Rückführung des Kindes in die Schweiz erwirken.
Das neue Recht gilt nicht nur für werdende Eltern oder für Ehepaare, welche die
Scheidung wünschen. Das Gesetz hat auch eine gewisse Rückwirkung. Sind
sich die Eltern einig, unabhängig davon, ob sie geschieden oder unverheiratet
sind, kann die gemeinsame elterliche Sorge jederzeit von der KESB verfügt
werden.
Besteht Uneinigkeit, kann derjenige, dem die elterliche Sorge nicht zusteht, binnen Jahresfrist, also bis zum 30. Juni 2015, einen Antrag stellen, die elterliche
Sorge sei gemeinsam festzusetzen.
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Bei unverheirateten Eltern ist für diesen Antrag die KESB zuständig.
Sind die Eltern geschieden, muss derjenige, dem bei der Scheidung die elterliche Sorge entzogen worden ist, beim Gericht einen entsprechenden Antrag ste llen. Nebst der Jahresfrist ist auch zu beachten, dass die Scheidung weniger als
fünf Jahre zurückliegt.
Das Kantonsgericht ist vor der Gesetzrevision davon ausgegangen, dass ab 1.
Juli ein grosser Ansturm von Vätern die gemeinsame elterliche Sorge einfordern
würde. Dieser Ansturm ist bisher aber ausgeblieben. Bis heute sind lediglich 2
Gesuche von Vätern eingegangen, die das gemeinsame Sorgerecht wünschen.
Aber kommen wir vom Regelfall, von der gemeinsamen elterlichen Sorge zur Alleinsorge eines Elternteils. In welchen Fällen wird nach neuem Recht die Alleinsorge eines Elternteils angeordnet?
Wird ein Trennungs- oder Scheidungsverfahren gerichtlich eingeleitet, überträgt
das Gericht nur dann einem Elternteil die Alleinsorge, "wenn dies zur Wahrung
des Kindeswohls nötig ist".
Die gemeinsame elterliche Sorge entspricht nur dann nicht dem Kindeswohl,
wenn ein Grund für die Entziehung der elterlichen Sorge vorliegt.
Der Grund für die Entziehung der elterlichen Sorge muss auch eine Gefährdung
des Kindeswohls zur Folge haben. Das revidierte Recht führt explizit die Gewalttätigkeit als Grund für die Entziehung der elterlichen Sorge auf. Es soll insbesondere die häusliche Gewalt erfasst werden.
Das Zivilgesetzbuch differenziert bewusst und zu Recht nicht danach, ob das
Kind direkt Opfer von Gewalt oder lediglich Zeuge häuslicher Gewalt wird. Eine
Entziehung der elterlichen Sorge wegen Gewaltausübung dürfte aber nur in
schwerwiegenden Fällen angeordnet werden. Oft dürfte in solchen Fällen die
Verweigerung des Besuchskontaktes, so lange die Gefahr einer erneuten Ge-
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waltausübung gegen den anderen Elternteil oder dem Kind besteht, als geei gnete Massnahme genügen.
Liegt häusliche Gewalt vor, werden aber häufig andere Gründe vorliegen, in sbesondere auch mangelnde Kooperationsfähigkeit oder Kooperationsbereitschaft der Eltern, die es rechtfertigen, auf die gemeinsame elterliche Sorge zu
verzichten.
Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zur Gesetzesrevision wurde ve rtreten, auch ein Dauerkonflikt zwischen den Eltern um das Kind könne für die
Zuteilung der alleinigen elterlichen Sorge sprechen. Diese Auffassung steht in
Übereinstimmung mit Stimmen aus der Psychologie, wonach die gemeinsame
elterliche Sorge dort ihre Grenze findet, wo "aufgrund eindeutiger und objektiver
Kriterien von einem unauflösbaren Nachscheidungskonflikt" auszugehen ist.
Unabhängig davon ob es um die Zusprechung der alleinigen oder gemeinsamen
elterlichen Sorge geht, ist das Kind anzuhören, soweit nicht das Alter oder andere wichtige Gründe dagegen sprechen. Das Bundesgericht geht im Sinne eine
Richtlinie davon aus, dass die Anhörung des Kindes in der Regel ab dem sechsten Altersjahr möglich ist. Anzuhören ist das Kind dann, wenn sich die Eltern
über die Errichtung der elterlichen Sorge uneinig sind. Es findet auch dann eine
Anhörung des Kindes statt, wenn wenn über den Wechsel des Aufenthaltsortes
des Kindes zu befinden ist.
Als Gesamtfazit erachte ich die Gesetzesrevision als sinnvoll und richtig. Es ist
zu begrüssen, dass die Diskriminierung der Väter beseitigt werden konnte. Die
Reform des Rechts zur elterlichen Sorge wird dazu führen, dass inskünftig die
meisten Kinder unter gemeinsamer elterlichen Sorge aufwachsen. Dies ist aus
Kinderoptik zu begrüssen. Aber auch für die Eltern sollte das gemeinsame Sorgerecht zufriedenstellender sein als ein alleiniges Sorgerecht. Es darf davon
ausgegangen werden, dass die Gesetzesrevision eine bessere Vater-Kind Be-
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ziehung ermöglicht. Durch einen häufigeren und intensiveren Kind -Vater Kontakt werden automatisch Mütter entlastet.
Gleichwohl ist zu hoffen, dass in den wenigen Fällen, bei welchen sich die gemeinsame elterliche Sorge zu Lasten der Kinder auswirken könnte, die Alleinsorge installiert wird. Ebenso ist zu hoffen, dass bei den offenen Fragen sowohl
von den Kindesschutzbehörden als auch von den Gerichten klare und einheitliche Leitlinien vorgegeben werden. Diese sollten sich an den Bedürfnissen der
Kinder und nicht an den Wünschen der Eltern orientieren.
Zug, 2. September 2014 / Daniela Panico Peyer
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