Grundlagen der Stochastik Inhalt: 1. Die Ereignismenge 2. Die

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Universität Basel
Wirtschaftswissenschaftliches Zentrum
Grundlagen der Stochastik
Dr. Thomas Zehrt
Inhalt:
1. Die Ereignismenge
2. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung
3. Eigenschaften einer Wahrscheinlichkeitsverteilung
4. Die Laplacesche Gleichverteilung
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Teil 1
Die Ereignismenge
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Zufallsexperiment
;
Ω die Menge aller möglichen
Ausgänge des Experimentes
und
P : Ω −→ [0, 1] eine
Wahrscheinlichkeitsverteilung
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Zufallsexperiment:
ein (theoretisch beliebig oft wiederholbarer) Vorgang, dessen Endzustand oder
Ergebnis vom ,,Zufall” abhängt.
Die Menge aller überhaupt möglichen Ergebnisse sei soweit bekannt, dass wir jedem Ergebnis ein Element ω einer (mathematischen) Menge Ω, der sogenannten
Ergebnismenge, zuordnen können.
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Beispiele:
1. Werfen einer Münze:
Ω = {Kopf , Zahl}.
2. Werfen eines Würfels:
Ω = {1, 2, 3, 4, 5, 6}.
3. Überprüfung von n Geräten, ob sie defekt (=0) oder intakt (=1) sind:
Ω = {ω = (ω1, . . . , ωn) : ωi ∈ {0, 1}
für i = 1, . . . , n} .
4. n-maliges Werfen eines Würfels:
Ω = {ω = (ω1, . . . , ωn) : ωi ∈ {1, . . . , 6}
für i = 1, . . . , n} .
5. Wert einer Aktie (heute um 19:00 Uhr):
Ω = [0, ∞).
Zulässig:
Ω ,,grösser als nötig” zu wählen!!
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Teilmengen A ⊂ Ω heissen Ereignisse.
Wir wollen sagen, dass das Ereignis A
eingetroffen ist, wenn ein Ergebnis ω mit
ω ∈ A aufgetreten ist.
Beispiele:
1. Das Ereignis ,,gerade Augenzahl” beim
Werfen eines Würfels ist A = {2, 4, 6}
und A ist eingetroffen, wenn eine 2, 4
oder 6 gewürfelt wurde.
2. Das Ereignis ,,höchstens drei der n geprüften Geräte sind defekt” ist:
A = { (ω1, . . . , ωn) : ωi ∈ {0, 1}
für i = 1, . . . , n und
ω1 + . . . + ωn ≤ 3 }
3. Das Ereignis ,,die Aktie ist wertlos oder
kostet zwischen 20.- und 50.- SFr.” ist
A = {0} ∪ [20, 50].
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Operationen mit Ereignismengen:
Darstellung Ereignis Erkärung
A∩B
A und B Alle Elemente aus Ω,
die zu A und B gehören.
A∪B
A oder B Alle Elemente aus Ω,
die zu A oder B gehören.
A−B
A\B
A ohne B Alle Elemente aus Ω,
die zu A aber nicht zu B
gehören.
Ā
nicht A
Alle Elemente aus Ω,
die nicht zu A gehören.
Ω ⊂ Ω heisst das sichere Ereignis und
∅ ⊂ Ω (die leere Menge) das unmögliche
Ereignis.
Ereignisse A und B heissen unvereinbar,
wenn A ∩ B = ∅ ist.
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Die zufälligen Ereignisse A1, A2, . . . , Am
heissen
vollständiges System oder
vollständige Zerlegung
von Ω genau dann, wenn
• A1 ∪ A2 ∪ . . . ∪ Am = Ω und
• Ai ∩ Aj = ∅ für alle i 6= j.
Beispiel:
Einmaliger Würfelwurf
• die Elementarereignisse
ω1 = 1, . . . , ω6 = 6 bilden stets eine
vollständige Zerlegung,
• A1 = {1, 2, 3} und A2 = {4, 5, 6}
• A1 = {1} und A2 = {2, 3, 4, 5, 6}
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Teil 2
Die Wahrscheinlichkeitsverteilung
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Jeder Teilmenge A ⊂ Ω muss ein charakteristischer Zahlenwert zuordnen werden,
der ein Mass dafür darstellt, wie stark wir
mit dem Eintreffen dieses Ereignisses zu
rechnen haben.
Mathematisch:
Funktion
P : P(Ω) −→ [0, 1]
die jedem Ereignis A eine Zahl zwischen
0 und 1 (oder 0% und 100%) zuordnet.
Mögliche Interpretation:
Auf jedem Ereignis A ∈ Ω der Menge lastet ein Gewicht P(A).
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Eine solche Funktion P heisst
Wahrscheinlichkeitsverteilung
und wir erwarten, dass P die folgenden
drei grundlegenden Eigenschaften hat:
1. P(Ω) = 1 (P ist normiert);
2. für alle A ⊂ Ω gilt P(A) ≥ 0 und
3. sind A1, A2, . . . paarweise disjunkte Mengen (paarweise unvereinbare Ereignisse), so ist


∞
∞
X
[
P(Ai) (P ist additiv).
P  Ai =
i=1
i=1
Das Paar (Ω, P) ist ein
Wahrscheinlichkeitsraum.
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Relative Häufigkeit /Wahrscheinlichkeit
• Der Ausgang eines einzelnen Zufallsexperimentes ist völlig offen.
• Führt man ein Experiment sehr oft aus
(n-mal), und zählt dabei, wie oft ein
bestimmtes Ereignis A eintritt (k-mal),
so beobachtet man immer, dass die relative Häufigkeit f(A) von A mit wachsendem n gegen einen festen Wert p ∈
[0, 1] strebt:
k
f (A) = −→ p ∈ [0, 1].
n
Dabei ist der Grenzwert nicht im mathematischen Sinne zu verstehen, sondern rein empirisch zu deuten.
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Teil 3
Weitere Eigenschaften einer
Wahrscheinlichkeitsverteilung
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Für alle A, B, A1, . . . , An ⊂ Ω gilt:
P(Ā)
= 1 − P(A)
A⊂B
⇒ P(A) ≤ P(B)
P(A − B) = P(A) − P(A ∩ B)
Pn
n
P(∪i=1Ai) ≤
i=1 P(Ai)
P(A ∪ B) = P(A) + P(B) − P(A ∩ B)
P(B)
=
Pn
i=1 P(B ∩ Ai)
falls die Mengen Ai
eine vollständige Zerlegung von Ω bilden
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Beweis für P(Ā) = 1 − P(A)
Für jede Teilmenge A ⊂ Ω gilt
A ∪ Ā = Ω und
A ∩ Ā = ∅.
Mit den Eigenschaften 1 und 3 aus der Definition
folgt
P(Ω) = 1
= P(A) + P(Ā)
und somit die Behauptung.
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Beweis für A ⊂ B ⇒ P(A) ≤ P(B)
Da A ⊂ B gilt, ist B = A ∪ (B − A) und diese
Vereinigung ist disjunkt. Damit folgt mit Eigenschaften 3 und 2 aus der Definition:
P(B) = P(A ∪ (B − A))
= P(A) + P(B
| {z− A)} ≥ P(A).
≥0
2
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Beweis für P(A − B) = P(A) − P(A ∩ B)
Die Menge A kann auf die folgende Weise als disjunkte Vereinigung geschrieben werden:
A = (A ∩ B̄) ∪ (A ∩ B)
= (A − B) ∪ (A ∩ B).
Mit der Eigenschaft 3 aus der Definition folgt somit
P(A) = P((A − B) ∪ (A ∩ B))
= P(A − B) + P(A ∩ B)
und damit die Behauptung.
2
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Pn
n
Beweis für P(∪i=1Ai) ≤ i=1 P(Ai)
Diese Regel folgt durch Induktion aus der Eigenschaft 3 aus der Definition.
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Beweis für P(A∪B) = P(A)+P(B)−P(A∩B)
Wir nutzen die folgenden Darstellungen der Mengen A, B und A ∪ B als disjunkte Vereinigung:
A = (A − B) ∪ (A ∩ B)
B = (B − A) ∪ (A ∩ B)
A ∪ B = (A − B) ∪ (B − A) ∪ (A ∩ B).
Mit Eigenschaft 3 folgt nun einerseits
P(A) = P(A − B) + P(A ∩ B)
P(B) = P(B − A) + P(A ∩ B) also
P(A) + P(B) = P(A − B) + P(B − A)
+2 P(A ∩ B);
und andererseits
P(A ∪ B) = P(A − B) + P(B − A)
+P(A ∩ B)
und damit folgt die Behauptung.
2
20
Aufgabe 1:
Seien A, B, C ⊂ Ω beliebige Ereignisse. Zeigen
Sie das die folgende Formel gilt:
P (A ∪ B ∪ C)
= P (A) + P (B) + P (C)
−P (A ∩ B) − P (A ∩ C) − P (B ∩ C)
+P (A ∩ B ∩ C)
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Teil 4
Die Laplacesche Gleichverteilung
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Zufallsexperimente mit der Eigenschaft,
dass alle Ausgänge ,,gleichwahrscheinlich”
sind, heissen Laplace-Experimente.
Sinnvoll:
1
P(ω) =
|Ω|
für alle Ergebnisse ω ∈ Ω (d.h. auf jedem
Element der Menge Ω lastet das gleiche
Gewicht).
Für beliebige Ereignisse A ⊂ Ω gilt
P(A) =
X
ω∈A
P(ω) =
X
ω∈A
1
|A|
=
|Ω| |Ω|
Anzahl günstiger Ergebnisse
=
Anzahl möglicher Ergebnisse
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Beispiele:
1. Würfeln: Ω = {1, 2, 3, 4, 5, 6}, P(i) = 16
für alle i = 1, . . . , 6 und somit A = {2, 4, 6},
P(A) = 63 = 12
2. Wir werfen zwei gleiche Münzen. Es
gibt drei mögliche Ausgänge:
ω1 = {Kopf , Zahl}
ω2 = {Kopf , Kopf }
ω3 = {Zahl, Zahl}
also Ω = {ω1, ω2, ω3} und es besteht doch
kein Grund, einen dieser Ausgänge zu
bevorzugen??! Somit gilt:
1
P(ω1) = P(ω2) = P(ω3) =
!?
3
Experiment: (für zu Hause!!) Machen
Sie das Experiment 100 mal und bestimmen Sie die relativen Häufigkeiten
der drei möglichen Ausgänge.
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Aufgabe 2:
Problem von Chevalier de Méré
Man bestimme die Wahrscheinlichkeit dafür,
1. bei 4 Würfen mit einem Laplacewürfel mindestens einmal eine 6 zu erzielen und
2. bei 24 Würfen mit zwei Laplacewürfel mindestens einmal einen Sechserpasch (6, 6) zu
erzielen.
Chevalier de Méré glaubte beide Wahrscheinlichkeiten als 4/6 = 2/3 und 24/36 = 2/3 bestimmt zu haben.
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Aufgabe 3:
Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeit dafür, bei
n Würfen mit einem Laplacewürfel mindestens
einmal eine 6 zu erzielen. Für welche n ist die
Wahrscheinlichkeit mindestens eine 6 zu erzielen grösser als 0.5?
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Achtung:
Die Intuition täuscht (manchmal)!!
Würden Sie das folgende Spiel gegen mich
spielen?
Wir nehmen ein beliebiges Buch (z.B.
die Bibel) und wählen darin zufällig
eine Zahl aus (etwa die dritte von unten auf der 70-sten Seite).
Ich gewinne 10.− wenn die erste Ziffer dieser Zahl 1, 2 oder 3 ist und Sie
gewinnen, wenn diese Ziffer 4, 5, 6,
7, 8 oder 9 ist.
Es sollte (Gleichverteilung!?) gelten:
P(erste Ziffer ist 1, 2 oder 3)
1 1 1
= + +
9 9 9
< P(erste Ziffer ist 3, 4, . . . , 9)
1 1 1 1 1 1
= + + + + +
9 9 9 9 9 9
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Sie sollten das Spiel nicht spielen!!
Benfordsches Gesetz
(Frank Benford, 1883-1948):
Ist d die erste Ziffer einer Dezimalzahl,
so tritt sie in empirischen Datensätzen
(,,natürlich enstandene”) mit der folgenden Wahrscheinlichkeit auf:
1
P(erste Ziffer ist d ) = log10 1 +
d
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Tabelle der Wahrcheinlichkeiten
d P( erste Ziffer ist d )
1
0.301 = 30.1 %
2
0.176 = 17.6 %
3
0.125 = 12.5 %
4
0.097 =
9.7 %
5
0.079 =
7.9 %
6
0.067 =
6.7 %
7
0.058 =
5.8 %
8
0.051 =
5.1 %
9
0.046 =
4.6 %
29
Beweis des Benfordschen Gesetzes
Sei X eine Zahl. Dann ist die erste Ziffer dieser
Zahl gleich d = 1, 2, . . . oder 9 falls
d · 10n ≤ X < (d + 1) · 10n
gilt. Daraus folgt durch Anwendung des dekadischen Logaritmus log = log10:
log(d · 10n) ≤ log(X) < log((d + 1) · 10n)
⇐⇒ log(d) + n ≤ log(X) < log(d + 1) + n
Beachte:
Da d = 1, 2, . . . oder 9 ist, gilt:
0 ≤ log(d) < 1 und 0 < log(d + 1) ≤ 1.
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Die Ungleichung
log(d) + n ≤ log(X) < log(d + 1) + n
ist nun genau dann erfüllt, wenn die erste Nachkommastelle von log(X) (nennen wir sie Z), zwischen log(d) und log(d + 1) liegt:
log(d) ≤ Z < log(d + 1)
Annahme:
Die Wahrscheinlichkeit, dass Z in ein bestimmtes Intervall [ log(d), log(d+1) ) fällt, ist proportional zur Länge des Intervalls d.h.
0
log(1)
1
log(2)
log(5)
log(9)
P (erste Ziffer von X ist d)
= P (log(d) ≤ Z < log(d + 1))
= log(d
log(d)
+ 1) −
1
= log 1 +
d
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