Im Kampf gegen das Fett Band oder Bypass? Mitarbeit ist entscheidend. Vor zwei Jahren führte Dr. Elisabeth König, damals noch in Hohenems, zum ersten Mal die Magen-Darm-Bypass-Operation durch. Heute ist die Chirurgin am Landeskrankenhaus Bregenz und betreibt zudem zusammen mit ihrem Ehemann eine Privatordination in Dornbirn. Im Interview spricht sie über verschiedene Techniken der Adipositas-Chirurgie, das „3-SäulenGerüst“ sowie die Mitarbeit des Patienten – die wichtigste Voraussetzung im Kampf gegen die Fettleibigkeit. Frau Dr. König, Sie haben sich auf die Adipositas- bzw. Fettleibigkeits-Chirurgie spezialisiert. Gibt es für fettleibige Menschen keinen anderen Ausweg, als sich „unters Messer zu legen“? Patienten, die zu mir kommen, haben in den meisten Fällen schon etliche Diäten hinter sich. Sie haben versucht durch Sport, Medikamente oder Psychotherapie abzunehmen. Geklappt hat es nicht und irgendwann kommen diese Menschen an einen Punkt, an dem sie einfach nicht mehr weiter wissen. Natürlich werden vorab Gespräche geführt, aber das ist im Grunde bei jedem Arztgespräch der Fall – oder zumindest sollte das der Fall sein. Denn ohne zu wissen, was für eine Geschichte der Patient mit sich bringt, geht es nicht. Ab welchem Gewicht werden operative Maßnahmen vorgenommen? Das heißt: Kann da jeder kommen, der einfach nur unglücklich mit seiner Figur ist? Gibt es gewisse Kriterien? Zuerst einmal muss man sagen, dass Fettleibigkeit bzw. Adipositas kein reines kosmetisches Problem ist. Es ist auch keine Frage der Selbstbeherrschung. Vielmehr ist es eine Krankheit und vor allem eine ernste Bedrohung für die Gesundheit des Patienten. Der Ausgang ist eine Essstörung, also die Fettbzw. Esssucht. Operative Maßnahmen werden erst ab einem Body-Mass-Index (BMI) von über 40 vorgenommen. Übrigens übernimmt die Krankenkasse auch erst dann die Kosten für den chirurgischen Eingriff. Abgesehen vom BMI gibt es auch auf der psychischen Ebene Kriterien, denn nicht alle Patienten sind für einen derartigen chirurgischen Eingriff geeignet. Das bedeutet also, dass der Patient von einem Psychiater im Vorfeld „freigegeben“ werden muss. Das Wichtigste bei unserer Arbeit ist im Grunde die Compliance des Patienten. Was meinen Sie mit Compliance? Als Compliance bezeichnet man die Mitarbeit bzw. die Kooperation des Patienten bei einer medizinischen Behandlung. Er muss bereit sein, seine Ernährung, seine Einstellung zum Essen, sein Leben zu ändern. Er muss bereit sein, die Sucht zu bekämpfen. Er muss bereit sein gewisse Verhaltensregeln einzuhalten. Ohne diese Compliance macht die ganze Operation keinen Sinn. Und bevor das nicht im Vorfeld bestätigt wird, operieren wir nicht. Welche chirurgischen Maßnahmen gibt es? In Europa gab es viele Jahre lang nur das Magenband bzw. den Magenring. In den USA hingegen gab es nur die Magen-Darm-Bypass-Operation und kein Band. Der Grund lag in den unterschiedlichen Zulassungen: In Europa bekamen wir keine Zulassung für den Bypass und in den USA fehlte die Zulassung für das Band. Vor einigen Jahren hat sich das geändert, seither führen wir hier vermehrt die Bypass-Operation durch, in den USA hingegen wird zunehmend das Band eingesetzt. Wir verfügen somit für beide Varianten über zahlreiche Erkenntnisse und Erfahrungen. Das ist auch wichtig, denn es handelt sich ja um wesentliche Eingriffe in den Körper. Was unterscheidet nun das Magenband vom Magen-Darm-Bypass? Nun, das Magenband und die Bypass-Operation sind zweierlei Paar Schuhe, das sind zwei völlig verschiedene Techniken. Das Magenband wird beim Übergang von der Speiseröhre in den Magen eingesetzt, wodurch die Nahrungszufuhr begrenzt wird. Das Band ist zwar technisch einfacher, als die Magen-Darm-Bypass-Technik, kann jedoch im Verlauf hohe Komplikationen mit sich bringen. Das Band kann nach unten verrutschen, wodurch ein Teil des Magens in Richtung Speiseröhre rutscht, das nennt man „slipping“. Das Band kann aber auch kaputt gehen. Zudem kann die Speiseröhre angegriffen werden und einen dauerhaften Schaden davontragen. Es kann also wirklich zu unzähligen Komplikationen kommen. Es muss nicht, aber es kann! Und das müssen die Patienten im Vorfeld wissen! Was passiert, wenn man das Magenband wieder herausnimmt? Ist das überhaupt möglich? Natürlich ist das möglich, denn die Anatomie wird dabei ja nicht verändert. Leider beobachten wir jedoch sehr oft, dass der Patient innerhalb kürzester Zeit wieder zunimmt, sobald das Magenband herausgenommen wird. Dasselbe gilt für den Magenballon, der ebenso, wie das Band, darauf abzielt, weniger Nahrung aufzunehmen. Allerdings kann man damit nur zehn bis 15 Kilos abnehmen, dann muss der Ballon entfernt werden. Die Kosten liegen zwischen 3.000 und 4.000 Euro. Wenn der Patient danach wieder in sein altes Essverhalten zurückfällt, nimmt er natürlich wieder zu. Das liegt daran, dass weder Band noch Ballon die Ursache behandeln können. Die Ursache der Adipositas ist nämlich – um es nochmals zu sagen – die Essstörung bzw. die Fettsucht. Erst wenn diese Sucht behandelt wird bzw. überwunden ist, kann der Patient auch nach Entfernen des Magenbandes sein Gewicht halten. Im Grunde gilt das aber für die gesamt Adipositas-Chirurgie: Wir können lediglich operieren. Der Patient muss im Gegenzug bereit sein seine Sucht zu bekämpfen. Daher arbeiten wir auch mit einem so genannten „3-Säulen-Gerüst“: Chirurgie, Ernährungsberatung und Psychotherapie. Leider erleben wir nur allzu oft, dass sich die Patienten selber belügen. Was meinen Sie damit? Nun, viele Patienten nehmen trotz des Magenbands nicht ab. Sie nehmen zwar weniger zu sich, dafür aber hochkalorische Produkte, z.B. kalorienreiche Schokodrinks, Cremesuppen, reichlich Schlagrahm, Sahnekuchen oder Schokotorten. Diese Speisen und Getränke „flutschen“ durch das Band hindurch. Bedeutet das, dass man mit einem Magenband nur flüssige Nahrung zu sich nehmen kann? Anfangs müssen sich Patienten mit einem Magenband mit flüssigen Lebensmitteln ernähren. Doch mit der Zeit gewöhnt sich der Körper daran, das Band dehnt sich und man kann auch wieder festere Nahrung zu sich nehmen. Natürlich immer unter der Voraussetzung, dass man die Bissen ausreichend kaut, langsam und wenig isst. Stehen sie dem Magenband also eher skeptisch gegenüber? Bevorzugen sie den Bypass? Nein, so kann man das nicht sagen. Jede Technik hat ein Für und ein Wider. Das Band ist technisch einfacher, jedoch, wie gesagt, kann es im Verlauf zu Komplikationen kommen. Bei der BypassVariante handelt es sich um eine sehr schwierige Operation, nicht zuletzt weil es sich um dicke Patienten handelt, bei denen viel Fett vorhanden. Wie läuft so eine Magen-Darm-Bypass-Operation ab? Was passiert da? Um es einfach auszudrücken: Bei der Bypass-Operation wird ein Teil des Magens abgetrennt. Das Ziel ist, den größten Teil des Magens und einen Teil des Dünndarms zu umgehen. Dadurch wird der Stoffwechsel eingeschränkt, das eigentlich Ziel dieser Technik: die Einschränkung der Verstoffwechselung der zugeführten Nahrung. Die Operation ist, wie gesagt, sehr kompliziert, vor allem weil hier, im Gegensatz zum Magenband, die Anatomie verändert wird. Durch komplizierte Umgehungskreisläufe ist die Wahrscheinlichkeit der Heilungsproblematik größer. 1% der Menschen stirbt – das ist viel! Und daher müssen die Patienten auch hier im Vorfeld wissen, auf was sie sich da einlassen. Und warum ist diese Bypass-Methode dann dennoch empfehlenswert? Weil sie durch die verkürzte Aufnahmestrecke der Nahrung sehr effektiv ist. Der Patient kann „normal“, wenn auch weniger essen. Trotzdem: Er muss ein Leben lang Vitamine zu sich nehmen, seine Ernährung und sein Leben komplett umstellen. Und eines ist bei dieser Methode auch noch zu sagen: Irgendwann muss der Patient aufhören abzunehmen. Das klingt ja fast schon paradox? Stimmt, aber man muss sich das so vorstellen: Der Patient hat 150 Kilo, bekommt einen MagenDarm-Bypass und nimmt damit 100 Kilo ab. Danach muss aber Schluss sein und er muss wieder anfangen normal zu essen. Für den Patienten klingt das zwar „wunderbar“, so in der Art: „Zuerst nehme ich ab und dann muss ich sogar wieder essen, um mein Gewicht zu halten!“ Aber so leicht ist das nicht. Die Gefahr, dass man dann wieder zunimmt, ist doch recht groß. Also müssen auch Patienten mit einem Magen-Darm-Bypass ihre Ernährung umstellen? Nicht nur das, sie müssen, genauso wie Magenband-Patienten, ihre Esssucht in den Griff bekommen. Ich kann es nicht oft genug sagen: Die Compliance ist das allerwichtigste. Die Bereitschaft die Ernährung umzustellen, therapeutische Anweisungen zu befolgen und das gesamte Leben zu verändern.