4-9 Funktionen Am Ende von 4.3 wurde betont, dass die

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4-9
Funktionen
Am Ende von 4.3 wurde betont, dass die Verwendung der Differentialrechnung
zur Bestimmung der Extremstelle einer quadratischen Funktion zwar praktisch, aber
nicht notwendig ist: Immer reicht es aus, die Scheitelpunktsform anzugeben.
Beispiel: Rechtecke mit festgelegtem Umfang. Wir betrachten alle Rechtecke mit vorgegebenem Umfang U und fragen, wann der Flächeninhalt maximal ist∗ .
Satz. Die Länge U sei vorgegeben. Ist R ein Rechteck mit Umfang U , das kein
Quadrat ist, so ist der Flächeninhalt von R echt kleiner als der Flächeninhalt des
Quadrats mit Seitenlänge U/4 (das natürlich ebenfalls den Umfang U hat).
Sei x eine Seitenlänge von R, dann ist die zweite Seitenlänge gleich U/2 − x, und
demnach ist der Flächeninhalt von R gleich
F (x) = x( U2 − x) = −x2 +
U
x.
2
Dies ist eine quadratische Funktion in x.
Um F (x) zu maximieren, kann man die Differential-Rechnung in Anspruch nehmen: Es ist F ′ (x) = −2x + U/2. Aus 0 = −2x + U/2 folgt x = U/4. Dann ist aber
auch die zweite Seitenlänge U/2 − U/4 = U/4, also handelt es sich um ein Quadrat.
Man kann das Miminum von F (x) auch finden, indem man einfach die Scheitelpunktsform dieser quadratischen Funktion bestimmt: Die x-Koordinate des Scheitelb
punkts von F (x) = cx2 + bx mit c = −1 und b = U/2 ist − 2c
= U/4.
Noch elementarer ist folgender algebraische Zugang: Das
Rechteck mit den Seitenlängen x und U/2 − x hat den
Flächeninhalt x(U/2 − x). Es gilt immer:
x(U/2 − x) ≤ (U/4)2 ,
denn (U/4)2 − x(U/2 − x) = (U/4 − x)2 ≥ 0. Dies zeigt,
dass unter allen Rechtecken mit Umfang U das Quadrat
den größtmöglichen Flächeninhalt hat. Und man sieht auch,
dass das Quadrat das einzige Rechteck mit größtmöglichem
Flächeninhalt ist: Aus x(U/2 − x) = (U/4)2 folgt nämlich
(U/4 − x)2 = 0, also U/4 = x.
Die Behauptung kann auch rein geometrisch bewiesen werden — dies ist ein Zugang der schon für Grundschüler nachvollziehbar ist: Betrachte ein Rechteck R mit Seitenlängen
x und U/2 − x. Wir nehmen an x > U/4, etwa x = U/4 + b
∗
Eine ausführliche Diskussion findet man im Kapitel 6 des Buchs von DanckwertsVogel: Analysis verständlich unterrichten.
Leitfaden
4-10
mit b > 0. Wegen 0 < U/2−x = U/2−U/4−b = U/4−d ist
b < U/4. Wir zeichnen das Quadrat mit Seitenlänge U/4.
b
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U/4
b
b
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U/4
Links ist gestrichelt und schraffiert auch das Rechteck R zu
sehen; das überstehenden Rechteck mit den Kantenlängen
d und U/4−d haben wir im rechten Bild noch oben verschoben: Dabei wird das Quadrat nicht vollständig ausgefüllt,
sonderns es bleibt ein kleines Quadrat mit Kantenlänge d
frei.
Insgesamt zeigt sich, dass dieser durchaus bombastisch klingende Satz nur eine
Explikation der dritten binomischen Formel
(a + b)(a − b) = a2 − b2 > a2
(mit a = U/4) darstellt.
Da Optimierungsfragen ganz typische Themenstellungen für
den Einsatz von Mathematik im Alltag sind, empfiehlt es
sich, wenn schon in frühen Jahren (SI oder sogar Grundschule) derartige Minimierungs- oder Maximierungsfragen
diskutiert werden. Erfolgt dies erst im Rahmen der Infinitesimalrechnung der Oberstufe, so wird fälschlicherweise
der Eindruck erweckt, mit Hilfe der Infinitesimalrechnung
würden Probleme gelöst, die es vorher gar nicht gab!
4.4. Gleichmäßig beschleunigte (konstant beschleunigte) Bewegungen:
Zusätze.
(a) Wenn man von einer konstant beschleunigten Bewegung f (t) spricht, so handelt es sich nach Definition um eine zweimal differenzierbare Funktion f (t) mit f ′′ (t)
konstant (= “konstante Beschleunigung”). Es wird sich häufig als sinnvoll erweisen,
Funktionen durch Eigenschaften der Ableitung zu charakterisieren. Erste Beispiele:
• Eine differenzierbare Funktion ist genau dann konstant, wenn ihre Ableitung
Null ist.
• Eine differenzierbare Funktion ist genau dann linear, wenn ihre Ableitung konstant ist.
• Eine differenzierbare Funktion ist genau dann quadratisch, wenn ihre Ableitung
linear ist.
4-11
Funktionen
Man kann diese Charakterisierungen iterieren:
• Eine zweimal differenzierbare Funktion ist genau dann linear, wenn ihre zweite
Ableitung Null ist.
• Eine zweimal differenzierbare Funktion ist genau dann quadratisch, wenn ihre
zweite Ableitung kanstant ist. Dies ist gerade der Rahmen, in den der Begriff einer
konstant beschleunigten Bewegung gehört.
Und weiter:
• Eine dreimal differenzierbare Funktion ist genau dann quadratisch, wenn ihre
dritte Ableitung Null ist.
Die Charakterisierung differenzierbarer Funktionen durch
die Vorgabe der Ableitung ist ein Teil der Integrationstheorie!
(b) Bremsen. Hier ist der Graph, der den Bremsweg s in Abhängigkeit von der
Geschwindigkeit v notiert (man betrachtet hier eine Vollbremsung):
s........
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g(v) = cv 2
v
Warum ist auch hier der Funktionsgraph parabelförmig? Sei f (t) die zugehörige ZeitWeg-Funktion, und f ′ (t) deren Ableitung. Da wir voraussetzen, dass f (t) eine konstant
beschleunigte Bewegung ist, ist f ′ (t) linear (mit von Null verschiedener Steigung). Die
Funktion g ist die Hintereinanderschaltung der Umkehrfunktion von f ′ (die Umkehrfunktion (f ′ )−1 ordnet der jeweiligen Geschwindigkeit den zugehörigen Zeitpunkt zu),
gefolgt von der Funktion f (dem Zeitpunkt wird der Ort zugeordnet). Die Hintereinanderschaltung einer linearen Funktion und einer quadratischen Funktion ist eine
quadratische Funktion!
Beweis: Ist
(f ′ )−1 (v) = α + βv
und
f (t) = a + bx + cx2 ,
so ist
g(v) = f ((f ′ )−1 (v))
= f (α + βv)
= a + b(α + βv) + c(α + βv)2
= (a + bα + c2 α2 ) + (b + 2αβ)v + β 2 v 2 .
Leitfaden
4-12
Die Tatsache, dass der Bremsweg quadratisch von der Geschwindigkeit abhängt,
ist eine ganz wichtige Einsicht! Dies bedeutet: Bei doppelter Geschwindigkeit ist der
Bremsweg viermal so lang, bei dreifacher Geschwindigkeit neunmal so lang.
Betrachtet man einen derartigen Bremsvorgang, so muss man zusätzlich noch
die Reaktionszeit berücksichtigen. Die Reaktionszeit ist von der Geschwindigkeit unabhängig (üblicherweise rechnet man mit b = 3/10 sec); der Weg, der in dieser Zeit
zurückgelegt wird, ist proportional zur Geschwindigkeit. Insgesamt sieht man: der Anhalteweg ist die Summe des Reaktionswegs und des Bremswegs. Bei der Geschwindigkeit v ist der Reaktionsweg bv, der Bremsweg cv 2 (hier ist c eine Konstante, die vom
jeweiligen Fahrzeug abhängt). insgesamt erhält man also:
s(v) = bv + cv 2 ,
also eine typische quadratische Funktion.
4.5. Zusatz: Vektorwertige Funktionen. Die Lage eines Punkts im Raum wird
(nach Wahl eines Koordinatensystems) durch drei reelle Zahlen beschrieben, also durch
(x, y, z) oder auch (r1 , r2 , r3 ). Dient dieses Zahlentripel dazu, die Lage eines Punkts
(etwa des Schwerpunkts eines Körpers) zum Zeitpunkt t zu beschreiben, so kann man
dies dadurch betonen, dass man etwa (x(t), y(t), z(t)) schreibt. Bewegt sich der Punkt,
so erhält man auf diese Weise drei Funktionen in Abhängigkeit von t mit Werten in R,
also f1 (t), f2 (t), f3 (t) : I → R (dabei ist I ein Zeitintervall, f1 (t) ist die x-Koordinate
des Punkts zum Zeitpunkt t, entsprechend ist f2 (t) die y-Koordinate und f3 (t) die
z-Koordinate. Da man hier jedem Zeitpunkt t ∈ I den “Vektor” (f1 (t), f2 (t), f3 (t))
zuordnet, spricht man von einer vektorwertigen Funktion f (t) = (f1 (t), f2 (t), f3 (t)).
Die Wurf-Parabel. Wird ein Gegenstand geworfen, so erhält er einen Impuls in
eine Richtung. Ohne Einwirken anderer Kräfte würde er sich geradlinig weiterbewegen:
eine derartige Bewegung wird folgendermaßen beschrieben: f (t) = (f1 (t), f2 (t), f3 (t)),
dabei sind f1 (t), f2 (t), f3 (t) lineare Funktionen; also von der Form fi (t) = ai + bi t mit
festen Zahlen ai , bi . Wir sehen: zum Zeitpunkt t = 0 befindet sich der Körper an der
Stelle (a1 , a2 , a3 ), zum Zeitpunkt 1 an der Stelle (a1 +b1 , a2 +b2 , a3 +b3 ), zum Zeitpunkt
2 an der Stelle (a1 + 2b1 , a2 + 2b2 , a3 + 2b3 ) und so weiter. Die Geschwindigkeit ist hier
durch die drei Komponenten b1 , b2 , b3 in den Koordinaten-Richtungen gegeben, dies
liefert einen Vektor, den Geschwindigkeitsvektor (b1 , b2 , b3 ).
Die Erdanziehungskraft liefert eine Beschleunigung in Richtung der 3.Koordinate, also haben wir zur Funktion f (t) die Funktion g(t) = (0, 0, − 2g t2 ) zu addieren,
insgesamt gilt also:
g
f (t) + g(t) = (a1 + b1 t, a2 + b2 t, a3 + b3 t − t2 ).
2
Wir nehmen an, dass f2 (t) = 0 für alle t gilt, d.h. dass wir als Wurfrichtung eine
Richtung in der x-z-Ebene gewählt haben (durch Drehen des Koordinatensystems lässt
4-13
Funktionen
sich dies immer erreichen), und zeichnen die Bildkurve aller Punkte
z
(a1 + b1 t, a3 + b3 t − g2 t2 )
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x
(a) Ist b1 6= 0, so ist dies eine Parabel, die nach unten geöffnet ist. Dabei gilt:
Die z-Koordinate lässt sich in Abhängigkeit von der x-Koordinate folgendermaßen
beschreiben:
z(x) = u + v · x + w · x2
mit Konstanten u, v, w. Beweis: x = a1 + b1 t liefert t =
Koordinate
a1
1
b1 x − b1 .
Also gilt für die dritte
z = a3 + b3 t − g2 t2
2
= a3 + b3 b11 x − ab11 − g2 b11 x − ab11
ga21
g
b3 a1
= a3 − b1 + − 2b2 x + − 2b2 x2 = u + vx + wx2
1
1
(mit u = a3 − b3ba1 1 , v = . . . , w = . . . ); wichtig ist hier nur, dass wir z in der Form
u + vx + wx2 schreiben können, nicht dagegen, wie u, v, w gegeben sind.
(b) Kennen wir drei Punkte auf einer nach unten geöffneten Parabel, so können
wir einen quadratischen Term u + vx + wx2 angeben, der diese Parabel beschreibt!
Beispiel: die Parabel gehe durch die Punkte (1, 1), (4, 4), (6, −4). Mit dem Ansatz
p(x) = u + vx + wx2 erhalten wir
1 = p(1) = u + v + w
4 = p(4) = u + 4v + 16w
−4 = p(5) = u + 6v + 36w
Dies ist ein Gleichungssystem mit drei Gleichungen in drei Variablen, das man auflösen
kann. Man erhält (nachrechnen!)
u = −4, v = 6, w = −1,
also handelt es sich um die Parabel: p(x) = −4 + 6x − x2 .
Zusatz zur Wurfparabel. Betrachten wir das Bild
z
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x
Leitfaden
4-14
einer quadratischen Funktion f (x) = cx2 + bx (hier ist a = 0, da f (0) = 0 gilt). Es
gilt: Die Tangentensteigung im Ursprung ist b.
Beweis: Wir interpretieren f (x) als die Summe der Funktionen cx2 (mit Tangentensteigung 0 im Ursprung) und bx (mit Tangentensteigung b).
4.6. Umkehr-Funktion: Wurzeln.
Sei f (x) eine quadratische Funktion. Sind wir an einer Umkehrfunktion interessiert, so ist dies nur möglich, wenn wir den Definitionsbereich von f einschränken; auch
die Umkehrfunktion, die wir erhalten, kann nicht auf ganz R definiert sein. Betrachten wir zum Beispiel die Funktion f (x) = cx2 mit c > 0. Die Einschränkung auf die
nicht-negativen reellen Zahlen R≥0 liefert eine Bijektion von R≥0 auf R≥0 , für diese Einschränkung ist die Umkehrfunktion g definiert, man erhält den Graphen von g
durch Spiegelung an der Winkelhalbierenden im ersten Quadranten. Aus y = cx2 folgt
√
√
x = c′ y, mit der Konstanten c′ = √1c (aus c > 0 folgt c′ > 0). Es ist also g(y) = c′ y.
Wie üblich wollen wir auch
√ für die Umkehrfunktion die unabhängige Variable mit x
bezeichnen, also g(x) = c′ x.
y......
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f (x) = cx
x
2
y......
√
g(x) = c′ x
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x
Von besonderem Interesse ist der Fall der Normalparabel,
also c = 1. Dann ist auch
√
′
c = 1 und wir erhalten als Umkehrfunktion g(x) = x, das Bilden der Quadratwurzel.
Wie schon gesagt, ist g(x) nur für reelle Zahlen x ≥ 0 definiert (aber das wissen wir
ja: wir können Quadrat-Wurzeln nur aus nicht-negativen Zahlen ziehen).
Noch ein Nachtrag zur Diskussion von konstant beschleunigten Bewegungen. In
Schulbüchern ist es durchaus üblich, neben den üblichen Zeit-Weg- und Zeit-Geschwindigkeits-Diagrammen auch Weg-Geschwindigkeits-Diagramme zu diskutieren. Man denkt
dabei zum Beispiel an eine Rennstrecke and trägt auf, an welcher Stelle welche Geschwindigkeit gefahren wird. Hier soll kurz herausgearbeitet werden, dass in einem
Weg-Geschwindigkeits-Diagramm das Anfahren mit konstanter Beschleunigung durch
einen horizontal-liegenden Parabel-Ast beschrieben wird:
y......
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x
4-15
Funktionen
Beweis: Wie wir wissen, erhalten wir im Zeit-Weg-Diagramm als Graph der Bewegungsfunktion f (t) eine Parabel, und im Zeit-Geschwindigkeitsdiagramm eine Ursprungsgerade (dies ist der Graph der Ableitung f ′ (t)).
s........
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f (t)
t
y ......
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.......
..... ′
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f (t)
t
Wollen wir wissen, zu welchem Zeitpunkt ein vorgegebener Punkt der Rennstrecke
ereicht wurde, so interessieren
wir uns für die Umkehrfunktion g =
f −1 von f . Ist
√
√
f (t) = ct2 , so ist g(x) = c′ x mit einer Konstanten c (nämlich c = 1/ c). Die gesuchte
Weg-Geschwindigkeitsfunktion ist nun nichts anderes als die Hintereinanderschaltung
√
der Funktion g mit der Funktion f ′ (t) = 2ct, also die Funktion h(x) = 2cg(x) = 2cc′ x.
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