Mexiko 2020: Tequila Sunrise - Ein mittelfristiger Wachstumsausblick

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Aktuelle Themen 344
Mexiko 2020: Tequila Sunrise
Themen international
16. Februar 2006
Ein mittelfristiger Wachstumsausblick
Mexiko hat sich seit der Tequila-Krise in den Jahren 1994/95 beeindruckend entwickelt. Sowohl in Bezug auf die Qualität der Wirtschaftspolitik
als auch hinsichtlich der Offenheit der Wirtschaft gilt das Land inzwischen als einer
der Spitzenreiter unter den Schwellenländern. Mexiko ist weltweit der drittgrößte
Empfänger von ausländischen Direktinvestitionen.
Mexiko weist für die kommenden 15 Jahre ein beachtliches Wachstumspotenzial auf. Dies ist das Ergebnis des langfristigen Wachstumsmodells
Formel-G von DB Research. Die Wachstumsaussichten sind zwar weniger spektakulär als in anderen Schwellenländern wie z.B. Indien, China und Malaysia, werden aber dennoch zu einer spürbaren mittelfristigen Verbesserung der Lebensstandards in Mexiko führen.
Die mexikanische Wirtschaft ist mit starkem Konkurrenzdruck aus
Asien, vor allem aus China, konfrontiert. Dies gilt insbesondere für Mexikos
wichtigsten Exportmarkt, die USA. Unseres Erachtens hat Mexiko jedoch gute
Chancen, sich in diesem Wettbewerb zu behaupten, da die Wirtschaft widerstandsfähig ist und über den großen Wettbewerbsvorteil der Nähe zu den USA
verfügt. Mexiko sollte sich jedoch nicht auf dieser Position ausruhen. Im Gegenteil,
die Regierung sollte mehr in Ausbildung investieren und die Liberalisierung verschiedener Infrastruktursektoren in Angriff nehmen. Ein Ausbleiben dieser Maßnahmen könnte ernsthafte negative Folgen für die Wachstumsaussichten haben.
Die mexikanische Wirtschaft hat eine gute Chance sich zu Produkten
mit höherem technologischen Gehalt weiterzuentwickeln. Insbesondere
im Elektronik- und Automobilsektor ist der Ausblick vielversprechend. Das stärkste
Wachstum wird jedoch im Dienstleistungssektor – insbesondere bei Finanzdienstleistungen und im Immobilienbereich – erwartet.
Autor
Silja Voss
+49 69 910-31753
[email protected]
Editor
Maria L. Lanzeni
Publikationsassistenz
Bettina Giesel
Deutsche Bank Research
Frankfurt am Main
Deutschland
Internet: www.dbresearch.de
E-Mail: [email protected]
Fax: +49 69 910-31877
DB Research Management
Norbert Walter
Aktuelle Themen 344
Einführung
Mexiko: Entwicklung hin
zur dienstleistungsorientierten Volkswirtschaft
% des BIP
80
70
60
50
40
30
20
10
0
65 69 73 77 81 85 89 93 97 01
Landwirtschaft
Industrie
Dienstleistungen
1
Quelle: WDI
Seit der „Tequila-Krise“ von 1994/95 ist die mexikanische Volkswirtschaft deutlich widerstandsfähiger geworden. Die Inflationsraten
sind gesunken, die Zahlungsbilanzposition ist robuster geworden,
die Staatsverschuldung ist zurückgegangen und inzwischen günstiger strukturiert, und der Bankensektor steht auf einer sichereren
Grundlage. Der mexikanische Staat hat seit dem Jahr 2000 ein Investment-Grade-Rating.
Mit durchschnittlich 3,6% war das Wachstum in den Jahren 2004/05
durchaus robust. In den vergangenen 20 Jahren ist Mexiko jedoch
weniger stark gewachsen als viele andere Schwellenländer, so dass
sich das Pro-Kopf-Einkommen nur moderat auf USD 8.500 im Jahr
2005 erhöht hat (Kaufkraftparität von 1995, siehe Grafik 2).
Moderater Anstieg des
Pro-Kopf-Einkommens
BIP pro Kopf, in USD Tsd.,
Kaufkraftparität
16
14
12
10
8
6
4
2
0
1975 1980 1985 1990 1995 2000
Chile
Mexiko
Die mexikanische Volkswirtschaft – die zweitgrößte in Lateinamerika
nach der brasilianischen – hat sich in den vergangenen Jahrzehnten
grundlegend gewandelt. Die Liberalisierung des Handels seit den
80er Jahren führte zu einem raschen Wachstum im verarbeitenden
Gewerbe, als ausländische Unternehmen in Mexiko Fabriken bauten, um von den relativ geringeren Arbeitskosten sowie der geografischen Nähe Mexikos zu den USA zu profitieren. Der Dienstleistungssektor, besonders der Bankensektor, ist seit Beginn der 90er
Jahre, nicht zuletzt aufgrund einer Reihe von Privatisierungen, kräftig gewachsen (siehe Grafik 1).
Korea
China
Quellen: Weltbank, DB Research
2
Demografische Dividende
160
140
In der vorliegenden Studie befassen wir uns auf der Grundlage des
von DB Research entwickelten Modells Formel-G mit dem Wachstumspotenzial Mexikos in den kommenden 15 Jahren. Wir kommen
zu dem Ergebnis, dass Mexiko in den kommenden 15 Jahren eine
durchschnittliche Wachstumsrate von 3% p.a. verzeichnen wird.
Diese Rate liegt zwar unter den erwarteten Wachstumsraten der
„Stars“ Indien, Malaysia und China, ist aber solide genug, um das
Pro-Kopf-Einkommen bis zum Jahr 2020 um 30% auf rund
USD 11.000 (in Kaufkraftparität) zu steigern.
Wir stellen außerdem zwei Alternativszenarien – ein Positiv- und ein
Negativszenario – vor und untersuchen abschließend die Aussichten für die wichtigsten Wirtschaftssektoren Mexikos in den kommenden 15 Jahren.
Was sind die wichtigsten Wachstumskräfte in Mexiko?
120
100
80
1
Mexiko hat derzeit 106 Millionen Einwohner , womit es das zweitgrößte Land Lateinamerikas nach Brasilien (186 Millionen) und das
elftgrößte der Welt ist. Unseren Schätzungen zufolge dürfte die Einwohnerzahl bis 2020 durchschnittlich um 1,4% p.a. auf 130 Millionen ansteigen. Damit verzeichnet das Land das drittstärkste Bevölkerungswachstum von den 34 Industrie- und Schwellenländern, die
in Formel-G analysiert wurden.
60
40
20
0
1990
2005
2020
2035
2050
Bevölkerung in Millionen
Altersquotient in %
Quelle: UN
Mexiko profitiert von einer demografische Dividende
3
Aufgrund der negativen Nettomigration (jährlich verlassen netto 4,5
2
von 1.000 Mexikanern das Land) und der zunehmenden Erwerbstä1
2
2
Schätzung vom Juli 2005. CIA World Factbook.
CIA World Factbook.
16. Februar 2006
Mexiko 2020: Tequila Sunrise
Formel-G – Prognosemodell von DB
Research für langfristiges Wachstum*
Bevölkerungswachstum, Investitionen, Humankapital und Offenheit einer Volkswirtschaft sind
die vier wichtigsten Einflussfaktoren in unserem Modell für langfristiges BIP-Wachstum
Formel-G (Foresight Model for Evaluating
Long-term Growth). Dieses Analysemodell basiert auf der neoklassischen Produktionsfunktion, die durch die Berücksichtigung des Humankapitals als Maßstab für die Qualität der
eingesetzten Arbeitskraft und der Handelsoffenheit zur Erfassung der institutionellen
Effizienz erweitert wurde. Diese beiden Variablen ermöglichen es uns, technologischen
Fortschritt ausdrücklich und umfassend in das
Modell einzubauen.
Bei der Schätzung eines verlässlichen Modells
für Mexikos langfristiges Wachstum berücksichtigen wir die Entwicklung in anderen Ländern, beziehen aber gleichzeitig landesspezifische Konjunkturzyklen ein. Mit Hilfe einer
Panelschätzung mit dem „Pooled Mean
Group“ Verfahren werden die Zusammenhänge zwischen dem realen BIP pro Kopf
und den vier Einflussfaktoren quantifiziert. Das
Modell für 12 Schwellenländer deutet darauf
hin, dass eine Erhöhung der Investitionen um
10% langfristig zu einer Steigerung des BIP
um 13% führt. Bei einer Erhöhung des Humankapitals (durchschnittliche Zahl der Ausbildungsjahre pro Kopf für die Bevölkerung im
arbeitsfähigen Alter) kommt es zu einer Steigerung des BIP um 9%, und bei einer Erhöhung der Offenheit (Anteil des Handels bereinigt um Bevölkerungszahl und unterschiedliches Preisniveau) steigert sich das BIP um
7%.
Die Modellprognosen für die vier Wachstumsfaktoren werden mit Hilfe eines dreistufigen Ansatzes ermittelt. Zunächst wird
die Entwicklung in den vergangenen 20 Jahren extrapoliert. Dies gilt allerdings nicht für
das Bevölkerungswachstum; für diese Variable verwenden wir die Prognosen der UN. In
der zweiten Stufe werden Informationen über
das absolute Niveau der Einflussfaktoren und
ihre Entwicklung in anderen Ländern einbezogen, um die möglicherweise übertriebenen
Ergebnisse der ersten Stufe abzumildern. Die
dritte und wichtigste Stufe besteht darin, strukturelle Brüche mit Hilfe einer breit angelegten,
landesspezifischen Beurteilung von sechs
Trendclustern – Trends in Politik, Gesellschaft,
Wirtschaft und Technologie – zu erfassen.So
geht DBR davon aus, dass das Trendcluster
“Ausdehnung des Lebens“ in Mexiko ansteigen wird, wovon das Bevölkerungswachstum
und das Humankapital profitieren sollten.
Auf dieser Grundlage prognostizieren wir für
den Zeitraum 2006 – 2020 ein Bevölkerungswachstum von 1,3% pro Jahr, eine Investitionsquote von 25% des BIP im Jahr 2020, eine
Erhöhung des Humankapitals um 11% auf 9,3
Jahre Ausbildung und einen Anstieg der Offenheit um 1,2 Punkte. Daraus ergibt sich für
die Jahre 2006–2020 ein durchschnittliches
BIP-Wachstum von 1,8% pro Kopf und Jahr
und ein gesamtes BIP-Wachstum von
34,1%. Die unten dargestellten Szenarien
wurden ebenfalls mit Hilfe von Formel-G berechnet.
tigkeit der Frauen dürfte sich das Bevölkerungswachstum etwas
verlangsamen; die steigende Lebenserwartung, die zum Teil auf die
3
Expansion des Gesundheitswesens zurückzuführen ist, sollte sich
dagegen spürbar positiv auf die Einwohnerzahl auswirken.
Die zugrunde liegende demografische Entwicklung ist ebenfalls
günstig. Mexikos Bevölkerung ist noch relativ jung; ein Drittel der
Mexikaner ist unter 15 Jahre alt und nicht mehr als 5% sind über 65.
Der Altersmedian liegt bei lediglich 25 Jahren. Bis 2020 dürfte der
Medianwert auf nicht mehr als 31 Jahre ansteigen, und nur 8% der
Bevölkerung werden zu diesem Zeitpunkt über 65 Jahre alt sein.
Dementsprechend wird ein beträchtlicher Teil der mexikanischen
Bevölkerung in den kommenden 15 Jahren im erwerbsfähigen Alter
sein, was zu einem Anstieg des Arbeitskräfteangebots führt und das
Wirtschaftswachstum begünstigt. Von 2006 bis 2020 wird sich das
Arbeitskräftereservoir in Mexiko um rund 17 Millionen Menschen,
d.h. durchschnittlich um über 1 Million pro Jahr, erhöhen.
In diesem Zeitraum wird der Anteil der 15–64 Jahre alten Mexikaner
im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ansteigen, und der Altersquotient (d.h. die Anzahl von abhängigen Personen, die unter 15 oder
über 64 Jahre alt sind, im Vergleich zur Anzahl der Personen im
erwerbsfähigen Alter) wird entsprechend sinken (siehe Grafik 3).
Mexiko wird bis in die 2030er Jahre hinein von dieser „demografischen Dividende“ profitieren können.
Wachstumssteigerung erfordert höhere Investitionen in
Infrastruktur und Deregulierung
Mexikos Investitionsquote hat sich seit dem Einbruch nach der Tequila-Krise wieder erholt, liegt jedoch mit 20% des BIP niedriger als
in den schneller wachsenden Schwellenländern (siehe Grafik 4).
Der Rückgang der staatlichen Investitionen wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten durch einen Anstieg der privaten Investitionen
kompensiert (siehe Grafik 5), insgesamt blieb die Investitionsquote
jedoch weitgehend unverändert.
Besonders Infrastrukturinvestitionen sind dringend erforderlich. Mexikos physische Infrastruktur ist unterentwickelt, und die vorhandene
Infrastruktur ist von geringer Qualität. Nach Angaben des World
Economic Forum (WEF) verfügt Mexiko zwar über eine bessere
Infrastruktur als Indien und China, ist jedoch schlechter ausgestattet
als der Schwellenländerdurchschnitt (vgl. Grafik 6). Nur 33% des
4
330.000 km umfassenden Straßennetzes sind befestigt und weni5
ger als 25% sind in gutem Zustand . Schienentransporte sind seit
der Privatisierung Ende der 90er Jahre zwar produktiver geworden,
ihre Effizienz wird jedoch durch Streitigkeiten zwischen den privaten
6
Betreibern gemindert . Die Häfen sind ebenfalls unterentwickelt und
ineffizient. Der Transport eines Containers von Mexiko in die USA ist
teurer als ein entsprechender Transport von Costa Rica oder Hon7
duras aus .
Auch in den Bereichen Elektrizitätsversorgung und Telekommunikation zeigen sich Infrastrukturmängel, die sich in deutlich höheren
Preisen als in anderen Ländern niederschlagen. Die Strompreise
sind in Mexiko zwar in den letzten Jahren gefallen, liegen jedoch
weiterhin deutlich über dem OECD-Durchschnitt. Darüber hinaus
3
* Vgl. Bergheim (2005).
4
5
6
7
16. Februar 2006
Vgl. Bergheim (2006).
Weltbank (2005).
Fay (2005).
OECD (2005).
OECD (2005).
3
Aktuelle Themen 344
kommt es aufgrund mangelnder Investitionen in das Leitungs- und
Versorgungsnetz immer wieder zu Stromausfällen. Geschäftskunden
müssen in Mexiko im Vergleich zu den 29 anderen OECD-Ländern
die zweithöchsten Telefonkosten einkalkulieren (nach Polen).
Investitionen weiterhin
zu gering
% des BIP, 2004
40
Staatliche Infrastrukturinvestitionen fallen wegen der geringen Einnahmenbasis der Regierung relativ gering aus. Die Steuereinnahmen entsprechen lediglich 12% des BIP – eine der niedrigsten Quoten in ganz Lateinamerika. Bisher hat die Regierung mit ihren Versuchen, die Steuereinnahmen durch fiskalpolitische Reformen zu
erhöhen, nur wenig Erfolg gehabt. Gleichzeitig sind private Investitionen in Schlüsselsektoren, wie z.B. Stromversorgung oder Erdölund Erdgasförderung, nicht gestattet.
30
20
10
Brasilien
Mexiko
Chile
Indien
Malaysia
China
0
4
Quelle: DB Research
Private Investitionen
wachsen schneller als
staatliche
Bemühungen um eine Öffnung des Elektrizitätssektors für private
Investitionen und um eine Stärkung des Wettbewerbs im Telekommunikationssektor waren bisher erfolglos; wir sehen jedoch eine
Chance, dass diese Reformen in den kommenden Jahren verwirklicht werden. Die Öffnung des Erdöl- und Erdgassektors dürfte
schwieriger sein, da diese Frage ein sensibles politisches Thema ist;
auch sie dürfte jedoch irgendwann angegangen werden. Eine raschere Privatisierung und Deregulierung der mexikanischen Wirtschaft würde voraussichtlich zu höheren Investitionen und einem
günstigeren unternehmerischen Umfeld führen und so die langfristigen Wachstumsaussichten verbessern.
% des realen BIP
20
15
10
5
0
1980 1985 1990 1995 2000 2005
Staatliche Investitionen
Private Investitionen
(ohne Lageraufbau)
Quelle: OECD
Zudem werden die Investitionen durch den mangelnden Wettbewerb
in einigen Sektoren gedämpft. Faktisch bestehen in einigen privatisierten Sektoren, wie dem Schienentransport, dem Telekommunikationswesen und der Zementproduktion, Eintrittsbarrieren. Nach einem OECD-Maßstab für die Regulierung der Produktmärkte ist Me8
xiko das drittrestriktivste Land .
5
Schwache Infrastruktur
Index von 1-7, 7 = am besten entwickelt
Singapur
Malaysia
Taiwan
Die private Investitionstätigkeit wird auch durch schwerfällige Verwaltungsverfahren, mangelnde Flexibilität am Arbeitsmarkt und geringe Rechtssicherheit gehemmt. Im “Ease of Doing Business Index”
der Weltbank rangiert Mexiko auf Platz 73 (von 155 Ländern). Damit
liegt es zwar vor China (91) und Brasilien (119), aber deutlich hinter
Malaysia (21) und Chile (25). Insbesondere im Fall kleiner und mittelständischer Unternehmen wird die Investitionstätigkeit auch dadurch gehemmt, dass nicht genügend Kredite zur Verfügung stehen.
Im Subindex “Ease of access to loans” (Verfügbarkeit von Krediten)
des Growth Competitiveness Index liegt Mexiko nur auf Platz 80
(von 117 Ländern). Allerdings gibt die jüngste Zunahme von Finanzierungs- und Kapitalmarktinstrumenten Anlass zu der Annahme,
dass sich die Finanzierungsbedingungen künftig verbessern dürften.
Mexiko bleibt gefragter Empfänger von ausländischen
Direktinvestitionen
Korea
Südafrika
Tschechien
Chile
Argentinien
Mexiko
China
Indien
Brasilien
0
1
2
3
4
5
6
7
Quelle: WEF 2005
6
Trotz dieser Hemmnisse für die Investitionstätigkeit und trotz des
zunehmenden Wettbewerbs seitens anderer – insbesondere asiatischer – Niedriglohnländer verzeichnet Mexiko (neben Brasilien)
weiterhin die drittgrößten Zuflüsse an ausländischen Direktinvestitionen nach China und Hong Kong (siehe Grafik 8). Darüber hinaus
verfügt Mexiko über den größten Bestand an ausländischen Direktinvestitionen in Lateinamerika und den drittgrößten weltweit (vgl.
Grafik 8). Über 25.700 ausländische Unternehmen unterhalten in
Mexiko Tochterunternehmen. Dies ist die fünftgrößte Anzahl weltweit
nach China (215.000), Rumänien, der Tschechischen Republik und
8
4
OECD (2005).
16. Februar 2006
Mexiko 2020: Tequila Sunrise
9
Ungarn . Ausländische Direktinvestitionen entsprechen 12% der
gesamten Bruttoanlageinvestitionen in Mexiko und sind insofern von
großer Bedeutung für die Investitionstätigkeit und das Wachstum
10
insgesamt .
Zuflüsse von Direktinvestitionen weiterhin hoch...
Zuflüsse an ausländischen Direktinvestitionen, 2005, Mrd. USD
70
Mexiko
Brasilien
China
Indien
Hongkong
60
50
40
30
20
10
0
-10
81 84 87 90 93 96 99 02 05
7
Quelle: UNCTAD
… und Bestand solide
Bestand an ausländischen Direktinvestitionen, 2005, Mrd. USD
600
Mexiko
Brasilien
China
Indien
Hongkong
500
400
300
200
100
0
81 84 87 90 93 96 99 02 05
8
Quellen: UNCTAD, DB Research
Mangel an Facharbeitskräften*
Während der größte Teil der Direktinvestitionen aus den USA
stammt, zieht Mexiko inzwischen zunehmend Investitionen aus Europa (insbesondere Spanien) und in jüngster Zeit auch aus Japan
an. Ausländische Direktinvestitionen aus dem letztgenannten Land
(insbesondere im Automobilsektor) erhielten durch ein im April 2005
unterzeichnetes Freihandelsabkommen einen Schub. Was die einzelnen Sektoren betrifft, so flossen die Direktinvestitionen in den
vergangenen Jahren vor allem in Finanzdienstleistungen, den Automobilsektor und die Elektronikbranche. Ausländische Investitionen
im mexikanischen Bankensektor stiegen nach der Abschaffung der
verbliebenen Marktanteilsbeschränkungen für ausländische Beteiligungen an einheimischen Banken im Jahr 1999 deutlich an.
Mexiko ist einer von der UN durchgeführten Umfrage unter internationalen Konzernen zufolge weiterhin der sechstattraktivste Standort
11
weltweit . Die anhaltend kräftigen ausländischen Direktinvestitionen
stützen unsere Prognose, dass die Investitionsquote bis 2020 von
derzeit 20% des BIP auf 25% ansteigen wird.
Mexiko muss weiterhin in Humankapital investieren
Das Humankapital – d.h. die Qualität der Arbeitskräfte – ist ein
Schlüsselfaktor für technologischen Fortschritt, der auf lange Sicht
zu höherem Einkommen führt. Mexiko hat seine Investitionen in
Humankapital, d.h. in Bildung, in den vergangenen Jahrzehnten
deutlich erhöht. Die Anzahl der Schüler und Studenten hat sich seit
1960 verfünffacht, und insgesamt werden nunmehr 30 Millionen
Schüler und Studenten (30% der Bevölkerung) in mexikanischen
Schulen und Universitäten unterrichtet. Das ist die zweitgrößte Zahl
12
in der OECD nach den USA . Die Analphabetenquote ist von über
13
33% der Bevölkerung im Jahr 1960 auf derzeit 8,5% gesunken .
Allerdings werden Mexikaner vergleichsweise weniger lang ausgebildet, und die Qualität der schulischen Bildung ist relativ niedrig. Mit
durchschnittlich 8,7 Ausbildungsjahren pro Kopf in der Altersgruppe
von 25–64 Jahren – diese Zahl gibt den besten Aufschluss über das
gesamte vorhandene Humankapital eines Landes – liegt Mexiko
unter den OECD-Ländern auf dem zweitletzten Platz.
Dänemark
Indien
Singapur
Philippinen
USA
Die Bildungsgrundlagen, die sich an der Alphabetisierungsquote und
Indikatoren für die Grundschulbildung ablesen lassen, sind relativ
solide, bei der weiterführenden Bildung und insbesondere im universitären Bereich besteht jedoch Nachholbedarf. 2002/03 waren
lediglich 21% der Mexikaner in einer Universität eingeschrieben, im
Vergleich zu 71% der US-Amerikaner, 56% der Argentinier und 42%
14
der Chilenen . Dies schlägt sich auch in der Verfügbarkeit von
Facharbeitskräften nieder, die zwar größer ist als in Brasilien und
China, aber geringer als in anderen Schwellenländern wie z.B. In15
dien und Korea (siehe Grafik 9) . Eine vor kurzem durchgeführte
Deutschland
Malaysia
Kolumbien
Argentinien
Chile
Türkei
Südkorea
Thailand
Mexiko
Brasilien
China
9
Südafrika
10
0
2
4
6
8
10
* Daten auf der Grundlage der jährlichen Meinungsumfrage des IMD unter leitenden Managern. Hoher Wert
= hohe Verfügbarkeit an Facharbeitskräften.
Quellen: IMD Yearbook, 2004
16. Februar 2006
11
12
13
14
15
9
UNCTAD (2005).
UNCTAD (2005).
UNCTAD (2005).
OECD (2005).
OECD (2005).
Weltbank (2004).
Das gute Abschneiden Indiens überrascht angesichts der geringen Quote für die
Hochschulausbildung (11%, d.h. noch niedriger als in Mexiko); das Land profitiert
jedoch von seiner enormen Einwohnerzahl.
5
Aktuelle Themen 344
Umfrage der mexikanischen Zentralbank zeigte jedoch, dass die
Unternehmen mit der Qualität der Arbeitskräfte noch recht zufrieden
sind. Auf die Frage nach Faktoren, die sich auf ihre Wettbewerbsfähigkeit auswirken, verteilten ausländische Unternehmen in Mexiko
relativ gute Noten für das „Reservoir an Ingenieuren, Managern und
technischen Fachkräften“ sowie die „Arbeitsdisziplin und Lernbereit16
schaft weniger gut ausgebildeter Beschäftigter“ .
Noch hat Mexico einen
Technologievorsprung
Rang 2001
Rang 1995
20
Südkorea
24
Südkorea
52
Brasilien
53
Mexiko
54
Mexiko
54
Brasilien
58
China
63
China
66
Indien
69
Indien
10
Quelle: UNCTAD Technology Activity Index
Arbeitsproduktivität steigt
nur langsam an
Index, 1993 = 100
280
260
240
220
200
180
160
140
120
100
Mexiko
USA
Deutschland
Südkorea
1995
1997
1999
2001
2003
Quelle: INEGI
11
Bei der Innovationstätigkeit hinkt Mexiko jedoch hinterher, wie sich
in der im Vergleich zu anderen Ländern geringeren Anzahl an Patentanträgen zeigt. Dies ist nicht nur auf Mängel des Humankapitals,
sondern auch auf geringe Ausgaben für Forschung und Entwicklung
zurückzuführen (0,4% des BIP im Vergleich zu 1,2% des BIP in Chi17
na bzw. 2,6% des BIP in Korea ). Mexiko ist zwar in Bezug auf die
technologische Entwicklung noch recht gut positioniert, die Aktivitäten in diesem Sektor müssen jedoch weiter gestärkt werden, damit
das Land mit Ländern wie China oder Indien konkurrieren kann, wo
die Technologisierung in raschem Tempo fortschreitet (siehe Tabelle
10).
Mexikos Arbeitsproduktivität ist im vergangenen Jahrzehnt ebenso
schnell gewachsen wie jene in den USA und schneller als die deutsche. Sie ist jedoch sehr viel langsamer gewachsen als die anderer
Schwellenländer, wie z.B. Korea (siehe Grafik 11). Mit Hilfe von weiteren Investitionen in das Humankapital sollte es Mexiko möglich
sein, zu dynamischeren Volkswirtschaften aufzuschließen, mit denen es an den internationalen Exportmärkten im Wettbewerb steht.
Alles in allem kann man sagen, dass die Grundlagen für eine Verbesserung des Humankapitals gelegt wurden, es jedoch noch einige
Zeit dauern wird, bis sie Früchte tragen. Kürzlich durchgeführte
Maßnahmen wie die Ausweitung der Pflichtschulzeit auf die Vor18
schule und die ersten Jahrgänge der weiterführenden Schulen
sowie die Ausdehnung von Stipendien für Kinder aus armen Famili19
en im Rahmen des erfolgreichen Oportunidades-Programms geben jedoch Anlass für Optimismus.
Mexikos Öffnung wird das Wachstum weiter unterstützen
Volkswirtschaften, die sich öffnen, wachsen tendenziell stärker, da
sie von Wissens- und Technologietransfer und stärkeren Anreizen
20
zur Verbesserung von Institutionen profitieren .
Mexikos Außenwirtschaftspolitik ist eine der liberalsten weltweit.
Neben dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA)
mit den USA und Kanada hat Mexiko Freihandelsabkommen mit
zahlreichen anderen Ländern, unter anderem der EU und Japan,
unterzeichnet. Darüber hinaus verfügt Mexiko über den einzigartigen strukturellen Vorteil, ein Nachbarland der größten Volkswirtschaft der Welt – der USA – zu sein. Dorthin gehen 85% der mexikanischen Exporte.
Der von DB Research verwendete Maßstab für die Handelsoffenheit
(Exporte plus Importe im Verhältnis zum BIP nach Kaufkraftparität,
bereinigt um die Bevölkerungszahl) zeigt, dass sich Mexiko in den
16
17
18
19
20
6
Banco de México (2005a).
OECD (2005).
Seit dem Schuljahr 2004 ist die Vorschule Pflicht. Ab 2006 sollen zwei Jahre
Vorschule und ab 2008 3 Jahre Pflicht sein.
Oportunidades wird von Entwicklungsorganisationen für seine Wirksamkeit gelobt
und dient anderen Ländern als Modell, OECD (2005).
Vgl. Neuhaus (2005).
16. Februar 2006
Mexiko 2020: Tequila Sunrise
Öffnungsprozess hat sich
verlangsamt
1,0
Beitritt Chinas zur WTO
0,5
0,0
NAFTA
-0,5
-1,0
GATT
-1,5
19601966197219781984199019962002
Quelle: WDI 2005, DB Research
12
Verarbeitendes Gewerbe
gewinnt an Bedeutung
Exporte nach Sektoren,
% der Gesamtexporte
100%
80%
60%
40%
20%
0%
1987
2005
Verarbeitendes Gewerbe
Erdöl
Landwirtschaft
Sonstiges
Quelle: EIU
13
Mrd. USD pro Quartal
6
5
4
3
2
1
0
98
00
02
04
Quelle: Banco de Mexico
Dennoch dürften einige ermutigende Trends dazu führen, dass sich
die mexikanische Volkswirtschaft weiter öffnet. Aufgrund eines zunehmend höheren Technologiegehalts der exportierten Güter des
verarbeitenden Gewerbes (die den größten Anteil an den Gesamtexporten haben; siehe Grafik 13) sollte das Handelsvolumen weiter
zunehmen. Die zunehmende Bedeutung von wissensintensiven
Dienstleistungen z.B. im Banken- und Versicherungssektor sowie im
Telekommunikationssektor dürfte zu einem Anstieg von Dienstleistungsexporten führen. Zudem dürfte sich die Offenheit der Arbeitsmärkte (Migration) auch künftig insofern günstig auf die mexikanische Wirtschaft auswirken, als mexikanische Gastarbeiter im Ausland Geld in ihr Heimatland überweisen. Diese Gastarbeiterüberweisungen sind in den vergangenen Jahren kräftig angestiegen (siehe
Grafik 14). Mexiko erhält die höchsten Gastarbeiterüberweisungen
in Lateinamerika und die dritthöchsten weltweit (nach Indien und
21
China) . Zuletzt waren diese Zuflüsse höher als die Zuflüsse an
ausländischen Direktinvestitionen (USD 20 Mrd. ggü. USD 18 Mrd.
im Jahr 2005). Die Überweisungen von Mexikanern im Ausland dürften beträchtliche Auswirkungen auf die Binnennachfrage und damit
22
auch das Wachstum haben, da sie zu 80% in den Konsum fließen .
Mexiko und China: Sicherung der Wettbewerbsposition erfordert Reformen
Gastarbeiterüberweisungen steigen
96
vergangenen zwei Jahrzehnten in rasantem Tempo für die internationalen Märkte geöffnet hat (siehe Grafik 12). Von den mit Hilfe von
Formel-G analysierten Ländern verzeichnete Mexiko seit 1980 den
zweitgrößten Zuwachs an Offenheit (nach der Türkei). Wie die Grafik zeigt, begann Mexikos rasche Öffnung bereits Mitte der 80er
Jahre und ist damit nicht nur auf das NAFTA-Abkommen zurückzuführen. Der Öffnungsprozess stagniert jedoch seit dem Jahr 2000.
Dies mag unter anderem auf die Rezession in den USA in den Jahren 2002/03 zurückzuführen sein, aber auch darauf, dass sich Mexikos Wettbewerbsfähigkeit nach der Aufnahme Chinas in die WTO
Ende 2001 zunehmend verschlechtert hat. Insofern wird sich die
Öffnung Mexikos möglicherweise nicht im selben Tempo fortsetzen
wie in den 80er und 90er Jahren.
14
Die Konkurrenz aus Asien, insbesondere China, hat dazu beigetragen, dass Mexikos Wachstum in den letzten Jahren etwas schwächer ausgefallen ist, und gilt als Herausforderung für Mexikos Entwicklung. Auch wenn Mexikos Export und Wachstumsraten in den
vergangenen Jahren durch die Konkurrenz aus Asien in Mitleidenschaft gezogen wurden, verfügt das Land jedoch unseres Erachtens
weiterhin über beträchtliche Wettbewerbsvorteile. Außerdem gehen
wir davon aus, dass die zunehmende Spezialisierung der mexikanischen Industrie von arbeitsintensiven Produkten hin zu Produkten
mit höherem technologischem Gehalt fortschreiten wird.
Mexiko hat in den USA in den vergangenen Jahren Marktanteile an
China verloren (siehe Grafik 15), insbesondere bei Produkten wie
Textilien und Bekleidung, Fernsehgeräten, Videoausrüstung, Computern, Computerteilen und Autoteilen. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass Unternehmen ihre Fabriken in Mexiko geschlossen und nach China verlagert haben. Auch andere asiatische Länder wie z.B. Korea (bei Autos) und Indien (bei Textilien und Beklei21
22
16. Februar 2006
Weltbank (2005a).
Weltbank (2005a).
7
Aktuelle Themen 344
dung) sind Wettbewerber Mexikos geworden. Schätzungen der mexikanischen Zentralbank zufolge hat Mexiko in den Jahren 2001 –
2005 Marktanteile im Umfang von USD 27 Mrd. bzw. 15% der Nicht23
Öl-Exporte verloren .
Mexiko spürt die
Konkurrenz aus China
Anteil an US-Importen in %,
gleit. 12M-Durchschnitt
16
14
12
Mexiko
10
8
China
6
4
94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05
Quelle IMF DOTS
15
Einige Wettbewerbsvorteile bleiben
Datenvergleich Mexiko - China
Stundenlöhne im verarbeitenden Gewerbe in
USD
Stromkosten, USDCents/kWh
Mobiltelefonkosten, USD
pro 3 Min.
Rechtssicherheit (höherer
Wert = höhere Sicherheit)
Produktivität der Industrie
(Rang)
Anteil der Bevölkerung mit
weiterführender
Schulbildung
Kosten des Transports
eines Containers in die
USA
Mexiko
China
2,13
0,66
17,14
5,07
0,83
0,22
45,9
40,6
49
55
24,6
16,8
1.750
4.300
Quelle: OECD (2005)
16
Chinas wichtigster Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Ländern,
einschließlich Mexiko, sind die im Vergleich niedrigeren Produktionskosten. Einer anderen Zentralbankumfrage zufolge waren die
niedrigeren Produktionskosten (insbesondere für Arbeitskräfte),
neben dem größeren Binnenmarkt und stärkeren Anreizen für ausländische Direktinvestitionen, der wichtigste Grund für Unternehmen
24
in China statt in Mexiko zu investieren . Die Arbeitskosten betragen
in Mexiko zwar nur einen Bruchteil jener in den USA (ca. 20%), liegen jedoch immer noch sehr viel höher als in China (siehe Tabelle
16). Darüber hinaus sind zahlreiche sonstige Produktionskosten –
z.B. für Finanzierung, Strom, Telekommunikation, Wasserversorgung und Transport – in Mexiko deutlich höher als in konkurrieren25
den Ländern . Strom- und Mobiltelefonkosten z.B. sind in Mexiko
jeweils mehr als drei Mal so hoch wie in China.
Dennoch verfügt Mexiko weiterhin über einige Wettbewerbsvorteile.
Zum einen liegt das Land sehr viel näher an den USA als China,
was zu erheblich niedrigeren Transportkosten führt. Dies ist insbesondere bei Schwertransporten wie z.B. großen Maschinen und Lkw
von Bedeutung; in diesen Bereichen dürfte Mexiko daher auch weiterhin gut abschneiden. Zudem verfügt Mexiko gegenüber seinen
Konkurrenten über den Vorteil eines gut ausgebauten Netzes an
26
Zulieferbetrieben im Land (z.B. in der Autoindustrie) . Im Vergleich
zu China ist Mexiko darüber hinaus im Hinblick auf das Rechtssystem, die Qualität des Humankapitals und die Produktivität im Vorteil.
Die mexikanische Regierung hat in den vergangenen beiden Jahren
versucht, die Attraktivität des Landes als Produktionsstandort durch
die Gründung einer Reihe von Gewerbeparks wie z.B. den vor kurzem eröffneten High-Tech-Park „Silicon Border“ in Mexicali zu erhöhen. Branchenexperten zufolge haben sich bereits mehrere neue
Unternehmen in diesen Parks angesiedelt, und die Abwanderung
nach China hat sich verlangsamt. Die Tatsache, dass es sich bei
den neuen Unternehmen tendenziell eher um Produktions- und nicht
27
um reine Montagewerke handelt, ist ebenfalls ermutigend .
Der zunehmende Wettbewerbsdruck aus Asien hat in den vergangenen Jahren zu Änderungen in der Struktur des mexikanischen
verarbeitenden Gewerbes geführt. Der Anteil arbeitsintensiver Sektoren wie Bekleidung, Schuhe und Spielzeug ist zurückgegangen,
wohingegen kapitalintensive Sektoren wie Maschinenbau und
Elektronik (insbesondere Telekommunikationsausrüstung) weiterhin
relativ gut abschneiden. Wir erwarten, dass sich diese Entwicklung
fortsetzt und dass Mexiko zunehmend Produkte mit größerem technologischem Gehalt herstellen wird. Dadurch dürfte das Land weiterhin seinen Wettbewerbsvorteil der geografischen Nähe zum USMarkt ausnutzen können. Darüber hinaus bietet auch Asien Chancen für Mexiko. Bisher geht nur ein geringer Anteil der mexikanischen Exporte nach Asien. Eine Verbesserung der Transport- und
Hafeninfrastruktur in Mexiko könnte zu einem Ausbau des Handels
23
24
25
26
27
8
Banco de México (2005).
Banco de México (2005a).
Banco de México (2005a).
Banco de México (2005a).
BFAI (2005).
16. Februar 2006
Mexiko 2020: Tequila Sunrise
mit Asien führen; das Land könnte sogar ein Umschlagplatz für den
Handel zwischen Asien und den USA werden.
Mexiko 2020: Wohin geht die Reise?
Alternative Pfade bis 2020
BIP pro Kopf, USD, Kaufkraftparität
16.000
14.000
12.000
10.000
8.000
6.000
4.000
2.000
0
1975 1983 1991 1999 2007 2015
Basisszenario
Negativszenario
Positivszenario
Quelle: Deutsche Bank Research
17
Wachsende Mittelschicht
% der Gesamtbevölkerung
1950
1956
1958
1963
1968
1977
1984
1989
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
Quelle: HSBC (2005)
18
Insgesamt ist unser Ausblick für Mexikos wirtschaftliche Entwicklung
in den kommenden 15 Jahren moderat optimistisch. In unserem
Basisszenario gehen wir davon aus, dass das Wachstum vor allem
durch die günstige demografische Entwicklung, einen stetigen Anstieg der Investitionsquote und eine anhaltende Öffnung der mexikanischen Volkswirtschaft getragen wird. Allerdings wird Mexiko in
Bezug auf die Entwicklung seines Humankapitals weiterhin hinter
anderen Ländern zurückbleiben. Die allmähliche Deregulierung
verschiedener Infrastruktursektoren wird zu einem Anstieg der Investitionen führen. Während der Stromsektor vermutlich in den
kommenden 10 Jahren für private Investitionen geöffnet wird, dürfte
dies im Erdöl- und Erdgassektor mehr Zeit in Anspruch nehmen.
Auch im Telekommunikationssektor erwarten wir eine Verstärkung
des Wettbewerbs in den kommenden Jahren. Aufgrund dieser
Trends sollte das reale BIP-Wachstum in den nächsten 15 Jahren
durchschnittlich 3% p.a. betragen. Dementsprechend sollte die
Volkswirtschaft insgesamt im Jahr 2020 ein Volumen von USD 1,5
Billionen haben; das BIP pro Kopf dürfte in Kaufkraftparität auf ca.
USD 11.100 ansteigen.
Positivszenario: Aufholen gegenüber Asien
In diesem Szenario verabschiedet die Regierung wichtige Strukturreformen rascher als im Basisszenario angenommen. Die Reformen
im Bildungswesen werden beschleunigt, im Energiesektor werden
private Investitionen innerhalb der nächsten fünf Jahre gestattet
(Strom und möglicherweise auch Erdöl und Erdgas), der Arbeitsmarkt wird liberalisiert, und Steuerreformen führen zu einem Anstieg
der Staatseinnahmen. Die Regierung investiert mehr in die physische und technologische Infrastruktur sowie in das Humankapital.
Dies kurbelt auch die in- und ausländischen privaten Investitionen
an. Nach der Liberalisierung des Erdölsektors steigt die Ölförderung
an, wodurch weitere ausländische Investitionen angezogen werden.
In diesem Szenario wächst die Wirtschaft in den kommenden 15
Jahren um durchschnittlich 5% p.a. Damit würde Mexiko nur knapp
hinter den für die Stars des Formel-G-Modells (Indien, Malaysia und
China) erwarteten Wachstumsraten zurückbleiben. Das BIP pro
Kopf würde bis 2020 auf USD 15.000 (in Kaufkraftparität) ansteigen,
was mit dem für Malaysia erwarteten Niveau vergleichbar ist.
Negativszenario: Stagnierendes Realeinkommen
In einem pessimistischeren Szenario werden kaum Fortschritte bei
den Strukturreformen (Fiskalpolitik, Arbeitsmarkt und Energiesektor)
gemacht. Die Infrastruktursektoren werden nicht für private Investitionen geöffnet, was zu einer weiteren Verschlechterung der Versorgung führt. Der Wettbewerb mit China wird dadurch erschwert, und
es kommt zu einer Kontraktion im verarbeitenden Gewerbe. Die
Erdölproduktion stagniert aufgrund mangelnder Investitionen, und
die ausländischen Direktinvestitionen gehen zurück. In diesem Szenario beträgt das Wachstum in den Jahren 2006–2020 durchschnittlich lediglich 1,5%, so dass sich das BIP pro Kopf nur leicht auf USD
8.700 (in Kaufkraftparität) erhöht.
16. Februar 2006
9
Aktuelle Themen 344
Ausblick für ausgewählte Sektoren
Kreditvergabe zeigt wieder
nach oben...
Forderungen der Banken gegenüber dem
privaten Sektor, % des BIP, 2005
40
35
30
25
20
15
10
1990 1993 1996 1999 2002 2005
Quelle: IFS
19
… ist aber vergleichsweise
immer noch niedrig
Forderungen der Banken gegenüber dem
privaten Sektor, % des BIP, 2005
120
100
Finanzindustrie: Das Zeitalter der Kreditvergabe hat
begonnen
80
60
40
20
Malaysia
Chile
Indien
Brasilien
Russland
Mexiko
0
Quellen: IFS, DB Research
20
Boom bei Verbraucherkrediten
Volumen an Verbraucherkrediten,
Mrd. MXN
300
250
200
150
100
50
0
96
98
00
02
04
Quelle: Banxico
Was die einzelnen Wirtschaftssektoren betrifft, so gehen wir davon
aus, dass der Dienstleistungssektor in den kommenden Jahren kräftig expandieren wird. Dies gilt insbesondere für Finanzdienstleistungen und Immobilien. Je reicher eine Volkswirtschaft wird, desto geringer wird der Konsum an Lebensmitteln (Engels Gesetz), während
der Konsum von anderen Gütern und Dienstleistungen im Verhältnis
zunimmt. Die Automobil- und Immobiliensektoren werden zusätzlich
von der besseren Verfügbarkeit von Krediten profitieren. Der entsprechende, weitere Anstieg der Hypothekenfinanzierungen dürfte
sich wiederum positiv auf das Wachstum im Finanzsektor auswirken. Im verarbeitenden Gewerbe erwarten wir eine fortgesetzte
Spezialisierung auf Produkte mit mittlerem und höherem technologischen Gehalt, insbesondere im Elektroniksektor und in der Automobilindustrie. Das verarbeitende Gewerbe dürfte auch künftig von der
geografischen Nähe zum US-Markt profitieren. Infrastruktursektoren
(einschließlich die Erdöl- und Erdgasindustrie) könnten von einer
Öffnung für private Investitionen einen Schub erhalten. Der Textilund Bekleidungssektor dürfte dagegen mittelfristig Marktanteile an
die zu niedrigeren Kosten produzierenden Wettbewerber aus Asien
verlieren.
21
Der mexikanische Finanzsektor hat seit der Tequila-Krise von
1994/95 beträchtlich expandiert und an Stabilität gewonnen. Nach
einer ersten Welle von Privatisierungen und ausländischen Übernahmen im Jahr 1992 fand eine zweite Konsolidierungswelle 1999
statt, nachdem die verbleibenden Beschränkungen für Beteiligungen
ausländischer Institute an mexikanischen Banken im Dezember
1998 abgeschafft worden waren. Heute befindet sich der mexikanische Bankensektor zu 85% im Eigentum ausländischer Banken.
Auch Bankenregulierung und -aufsicht haben sich im vergangenen
Jahrzehnt ebenso wie das Risikomanagement der Banken deutlich
verbessert.
Darüber hinaus ist die Kreditvergabe der Banken an den privaten
Sektor zwar im Vergleich zu anderen Ländern immer noch gering
(siehe Grafik 20), steigt jedoch endlich an (siehe Grafik 19). Dies gilt
insbesondere für Verbraucherkredite, bei denen in den vergangenen
Jahren ein kräftiges Wachstum verzeichnet wurde (siehe Grafik 21).
Dies ist insofern äußerst positiv, als der Mangel an Krediten seit der
Tequila-Krise ein ernsthaftes Wachstumshemmnis dargestellt hat.
Sinkende Zinsen (siehe Grafik 22) und die zunehmende Bereitschaft
der Banken zur Kreditvergabe haben sich positiv auf das Kreditwachstum ausgewirkt.
Wir erwarten, dass der mexikanische Finanzsektor auch weiterhin
kräftig wächst. Steigende Einkommen und die Ausweitung der Mittelschicht (siehe Grafik 18) werden diese Entwicklung unterstützen.
Außerdem hat ein großer Anteil der Bevölkerung noch keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen und die Verschuldung der privaten
Haushalte ist noch relativ gering, woraus sich insbesondere im Privatkundengeschäft ein beträchtliches Wachstumspotenzial ergibt.
Zudem ist zu erwarten, dass sich die Banken mehr und mehr um
zusätzliche Einnahmequellen bemühen werden. Dies ist zum Teil
auf den erwarteten Rückgang der Bankgebühren zurückzuführen.
Derzeit machen Gebühren 30 – 40% der gesamten Bankenerträge
aus. Außerdem ist der Handel mit Staatsanleihen – der für die mexi-
10
16. Februar 2006
Mexiko 2020: Tequila Sunrise
kanischen Banken seit der Tequila-Krise die Grundlage ihres Geschäfts darstellte – aufgrund der gesunkenen Renditen von Staatsanleihen und des heftigen Wettbewerbs im heimischen Anleihenmarkt nicht mehr so einträglich wie zuvor.
Zinsen sind zurückgegangen
% p.a.
70
60
50
40
30
20
10
0
95
97
99
01
03
05
Quelle: IFS
22
Sparquote noch niedrig,
könnte aber ansteigen
Bruttoersparnis im Inland, % des BIP
50
40
30
20
10
89
91
93
95
Indien
Chile
Mexiko
97
99
01
03
Brasilien
China
Malaysia
Quelle: Weltbank WDI
23
Das für die kommenden 15 Jahre erwartete Wachstum der mexikanischen Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter könnte darüber hinaus
zu einem allmählichen Anstieg der Ersparnis der privaten Haushalte
von einem relativ niedrigen Niveau aus führen (siehe Grafik 23);
dies ist jedenfalls nach der Lebenszyklushypothese zu erwarten.
Dementsprechend sollte auch die Nachfrage nach Anlageprodukten
ansteigen. In der letzten Zeit wurden zudem eine Reihe wichtiger
Reformmaßnahmen – z.B. des Konkursrechts im Jahr 2000 und des
Kreditsicherungsrechts im Jahr 2003 – verabschiedet, bei denen
28
zwar noch einige Feinarbeit erforderlich ist , die jedoch zu einem
Anstieg der Kreditvergabe führen sollten.
Neben den Banken sind auch Nichtbanken als Finanzintermediäre
im mexikanischen Finanzsektor von Bedeutung. Hier sind insbesondere Pensionsfonds, Versicherungsunternehmen und Hypothekenfinanzierer zu nennen. Seit der Reform des Rentensystems für den
privaten Sektor im Jahr 1997 ist das Volumen der Pensionsfonds
(der so genannten „Afores“ und „Siefores“) stark angestiegen; diese
Fonds verwalten derzeit rund USD 50 Mrd. bzw. 7% des BIP. Schätzungen von Standard & Poor’s zufolge könnte das Volumen der
mexikanischen Pensionsfonds bis 2050 auf 50% des BIP ansteigen.
Pensionsfonds könnten außerdem von einer Reform des Rentensystems für den öffentlichen Sektor profitieren, die jedoch bisher
noch nicht durchgeführt wurde. Der mexikanische Versicherungsmarkt ist einer der größten in Lateinamerika, und Mexiko ist der
größte Exporteur von Versicherungsleistungen unter den Entwick29
lungsländern . In den vergangenen Jahren konnten auch die so
genannten „Sofoles“, Spezialinstitute, die auf die Kreditvergabe in
bestimmten Bereichen (wie z.B. Hypotheken-, Auto- oder Verbraucherkredite) spezialisiert sind, ein beträchtliches Wachstum verzeichnen. Die jüngste Übernahmewelle durch in- und ausländische
Banken von auf Hypothekenfinanzierung spezialisierten Sofoles
zeigt die große Dynamik im Hypothekensektor (siehe auch den folgenden Abschnitt).
Mexiko verfügt darüber hinaus über einen zunehmend ausgereiften
Finanzmarkt. Das Land liegt im entsprechenden Unterindex des
WEF Growth Competitiveness Index auf Rang 40 von 117 Län30
dern . Sowohl der Anleihe- als auch der Aktienmarkt sind in den
vergangenen Jahren stark gewachsen, und es hat eine spürbare
Diversifizierung der Finanzinstrumente stattgefunden. Der Anleihemarkt hat in den vergangenen 5 – 10 Jahren kräftig expandiert, was
auf die Rentenreform sowie bewusste Maßnahmen der Regierung
zur Förderung einheimischer Emissionen zurückzuführen ist. Die
Einführung der so genannten certificados bursátiles – marktgängiger
Unternehmensanleihen – im Jahr 2001 hat beträchtlich zur Verbesserung der Finanzierungsbedingungen für Unternehmen beigetragen. Die Aktienmarktkapitalisierung stieg Ende 2005 auf USD 240
Mrd. bzw. 32% des BIP; damit ist die mexikanische Bolsa die zweitgrößte Wertpapierbörse in Lateinamerika (nach der Börse von Sao
Paulo). Trotz des jüngsten Wachstums bleibt es für kleine und mittelständische mexikanische Unternehmen schwierig, Aktien zu emit28
29
30
16. Februar 2006
Vgl. zu diesem Thema OECD (2005).
UNCTAD (2004).
WEF (2005).
11
Aktuelle Themen 344
tieren. Dies könnte sich jedoch durch das 2005 verabschiedete
Wertpapiermarktgesetz ändern.
Immobilienmarkt: Der Boom geht weiter
Höhere Wohnungsbauinvestitionen
% des realen BIP
5,1
4,9
4,7
4,5
4,3
4,1
3,9
3,7
3,5
1990 1993 1996 1999 2002 2005
Quelle: OECD
24
Boom bei Hypothekenkrediten
Volumen an Hypothekenkrediten,
Mrd. MXN
750
700
650
600
550
500
450
400
350
300
1997
1999
2001
2003
2005
Quelle: Banxico
25
Produktion in Tsd., p.a.
2.000
1.500
1.000
500
0
1995 1997 1999 2001 2003 2005
Pkw
Lkw
Quelle: Inegi
Wie oben beschrieben, wird die mexikanische Bevölkerung in den
kommenden 15 Jahren relativ jung bleiben; der Altersmedian wird
2020 immer noch bei lediglich 31 Jahren liegen. Hauskäufer sind in
der Regel zwischen 25 und 40 Jahren alt. Unseren Schätzungen
zufolge sollten im Zeitraum 2006 bis 2020 insgesamt rund 56 Millionen Mexikaner in diese Altersklasse fallen. Unter der Annahme,
dass die durchschnittliche Haushaltsgröße von derzeit 4 auf 3 Personen pro Haushalt sinkt, werden in den kommenden 15 Jahren
rund 20 Millionen neue Wohneinheiten gebaut, d.h. durchschnittlich
über 1 Million pro Jahr. Entsprechend dürfte die Anzahl der Wohneinheiten von 25,5 Mio. im Jahr 2004 auf rund 44 Mio. im Jahr 2020
ansteigen.
Es ist zu erwarten, dass diese Entwicklung zu einer weiteren Expansion der Hypothekenfinanzierung, die bereits in den vergangenen Jahren kräftig zugenommen hat (siehe Grafik 25), führen wird.
Das Volumen des Hypothekenmarkts dürfte sich bis 2020 mehr als
31
verdreifachen, von USD 64 Mrd. (2005) auf dann USD 216 Mrd .
Aufgrund des Booms bei den Hypothekenfinanzierungen hat sich
das Volumen der am Markt gehandelten hypothekenbesicherten
Wertpapiere in den vergangenen beiden Jahren auf rund USD 640
Mio. mehr als verzehnfacht, und es ist von einem weiteren kräftigen
32
Anstieg auszugehen . Neben dem Bankensektor dürften auch die
Baubranche sowie die Baumaterialienbranche vom Wachstum am
Immobilienmarkt profitieren.
Autoindustrie wird an Fahrt gewinnen
Automobilindustrie wächst
wieder
Gesamt
Der mexikanische Immobilienmarkt hat in den vergangenen Jahren
ein kräftiges Wachstum aufgewiesen (siehe Grafik 24) und ist einer
der vielversprechenden Wachstumssektoren für das kommende
Jahrzehnt. Das Wachstum wurde durch sinkende Zinsen, aufgrund
derer sich auch Menschen mit geringeren Einkommen Hypotheken
leisten können, sowie die bessere Verfügbarkeit von Hypothekenfinanzierungen begünstigt. Der Immobilienmarkt dürfte auch künftig
von der günstigen demografischen Entwicklung und steigenden
Einkommen, insbesondere in der wachsenden Mittelschicht, profitieren.
26
Mexiko hat eine umfangreiche Automobilindustrie und ist derzeit der
weltweit elftgrößte Automobilproduzent. Rund 20% der Exporte Mexikos im verarbeitenden Gewerbe stammen aus dem Automobilsektor. Die meisten internationalen Fahrzeughersteller, wie z.B. General
Motors (Marktanteil: 31%), DaimlerChrysler (23%), Nissan (21%),
Volkswagen (15%) und Ford (6%), haben Tochterunternehmen in
33
Mexiko . Der relativ hohe technologische Gehalt in der mexikanischen Autoindustrie schlägt sich auch darin nieder, dass die Löhne
34
über dem Durchschnittsniveau in der Industrie allgemein liegen .
Während sich der Produktionsrückgang bei den meisten internationalen Automobilkonzernen auch auf die mexikanische Autoindustrie
ausgewirkt hat, nimmt die Produktion bereits wieder zu (siehe Grafik
26), und angesichts der beträchtlichen Zuflüsse an ausländischen
31
32
33
34
12
Global Markets Research (2005).
Mander (2005).
VDA (2005).
Ibero-Amerikaverein (2005).
16. Februar 2006
Mexiko 2020: Tequila Sunrise
Autoabsatz brummt
Inländische Autoverkäufe, monatlich,
in Tsd., gleit. 12M-Durchschnitt
120
100
80
60
40
20
0
92
94
96
98
00
02
04
27
Quelle: Banxico
Direktinvestitionen in der letzten Zeit (insbesondere von Volkswagen
und Ford Motors) dürfte künftig mit einer günstigeren Entwicklung zu
rechnen sein. Die Tatsache, dass die jüngsten Investitionszuflüsse
in einer allgemein schwierigen Periode für die internationale Automobilindustrie stattfanden, deutet darauf hin, dass Mexiko als
Standort für die Automobilproduktion weiterhin attraktiv ist. Dies ist
insbesondere auf die Nähe des Landes zum riesigen US-Markt sowie die relativ geringen Produktionskosten zurückzuführen. Im Vergleich zu asiatischen Produzenten ist die geografische Nähe bei der
Lkw-Herstellung ein noch größerer Standortvorteil als bei der PkwProduktion, da die Transportkosten für Lkw aufgrund der Größe der
Fahrzeuge höher sind. Das gut ausgebaute Netzwerk an Automobilzulieferern trägt ebenfalls zur Attraktivität Mexikos als Standort für
die Automobilproduktion bei. Derzeit zählt die Branche rund 1.000
Unternehmen, von denen viele in „Maquila“-Produktionsstätten nahe
der US-Grenze fertigen. Obgleich die Automobilzulieferer, wie einige
Branchen der mexikanischen Wirtschaft, vom zunehmenden Wettbewerb mit China in den vergangenen Jahren beeinträchtigt wurden, stiegen die Exporte 2004/05 wieder kräftig an (um 10–20% gg.
Vj.). Künftig könnte die Automobilbranche auch zunehmend vom
Freihandelsabkommen mit der EU profitieren.
Während die meisten Autos (75% der Gesamtproduktion) weiterhin
für den Export hergestellt werden, weist auch der Binnenmarkt ein
beträchtliches Volumen auf (im September 2005 waren in Mexiko 23
35
Millionen Autos und Lkw angemeldet ) und wächst kräftig (siehe
Grafik 27). Im Jahr 2004 wurden in Mexiko 1,1 Mio. neue Autos
verkauft (Deutschland: 3,3 Mio.), was einem Anstieg um 12% ge36
genüber 2003 entspricht . Der Anstieg bei Autoverkäufen ist – ähnlich wie die Entwicklung am Immobilienmarkt – unter anderem auf
niedrigere Zinsen und die zunehmende Verfügbarkeit von Konsumentenkrediten zurückzuführen. Künftig dürfte das Wachstum durch
die günstige demografische Entwicklung sowie das steigende Einkommen, insbesondere in der wachsenden Mittelschicht, unterstützt
werden.
Maquiladora-Industrie noch lange nicht abzuschreiben
Teilerholung im MaquilaSektor
Beschäftigung im Maquila-Sektor,
% gg. Vj.
40
30
20
10
0
-10
-20
-30
1995 1997 1999 2001 2003 2005
(Jan.Okt.)
Bekleidung
Chemische Produkte
Elektronische Produkte
Spielwaren und Sportgeräte
Quelle: Inegi
28
Die Maquiladora-Industrie, die aus auf den Reexport spezialisierten
Montagewerken nahe der US-Grenze besteht, hat einen Anteil von
50% an den gesamten Exporten von Gütern und Dienstleistungen in
Mexiko. In diesem Sektor werden vor allem elektrische und elektronische Geräte (23%), Autoteile (22%), Textilien und Bekleidung
(13%) und elektrische und elektronische Bauteile (11%) herge37
stellt .
Der Maquila-Sektor hat in den vergangenen Jahren nach dem Abschwung in den USA in den Jahren 2001–03 und der gleichzeitig
zunehmenden Konkurrenz Chinas am US-Markt (siehe oben) einige
Turbulenzen durchgemacht. Nachdem der Export in den Jahren
1995–2000 durchschnittlich reale Wachstumsraten von 17% p.a.
verzeichnet hatte, brachen die Zuwachsraten auf lediglich 1,3% p.a.
38
in den Jahren 2001–2004 ein . Dies führte zu einer Welle von Fabrikschließungen und einem deutlichen Rückgang der Beschäftigung.
Letztere schrumpfte von 2001 bis 2003 um durchschnittlich 6% p.a.,
nachdem sie von 1995 bis 2000 um durchschnittlich jährlich 14%
angestiegen war.
35
36
37
38
16. Februar 2006
Inegi (2005).
VDA (2005).
Inegi (2005).
Inegi.
13
Aktuelle Themen 344
Bekleidungsexporte halten
der chinesischen Konkurrenz nicht stand
Mrd. USD
10
65
60
55
50
45
40
35
30
9
8
7
6
5
2000
2002
2003
2004
Mexiko (rechts)
China (links)
Quelle: WTO
29
Die Maquila-Exporte legten jedoch von Januar bis Oktober 2005
deutlich zu (+15%), und die Beschäftigung stieg 2004/05 durchschnittlich um 5% p.a. an (siehe Grafik 28). Innerhalb des MaquilaSektors scheinen die arbeitsintensiven Branchen wie Bekleidung,
Schuhe, Spielzeuge und Sportprodukte am stärksten in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein; elektrische und elektronische Geräte, Autozulieferprodukte und der Maschinenbau scheinen sich dagegen nach dem Einbruch wieder erholt zu haben. Zudem sollten
kräftigere Zuflüsse an ausländischen Direktinvestitionen in den Jahren 2004/05 das künftige Wachstum des Sektors fördern.
Wir gehen davon aus, dass der Elektroniksektor dank einer anhaltenden Spezialisierung auf Produkte mit mittlerem und hohem Technologiegehalt weiter expandieren wird; bezüglich der Aussichten für
Bekleidungshersteller sind wir jedoch weniger optimistisch. Elektronische Geräte wie Fernseher, Videorekorder und Telekommunikationsausrüstung sind Mexikos zweitwichtigster Exportsektor innerhalb
des verarbeitenden Gewerbes (6% des BIP im verarbeitenden Gewerbe). Die Produktion konzentriert sich in diesem Bereich auf Baja
California (Tijuana, Mexicali) und Guadalajara. Das gewachsene
Vertrauen ausländischer Investoren in Mexiko, das im A.T. Kearney
FDI Confidence Index für 2005 zum Ausdruck kommt, ist unter anderem auf die positive Einschätzung des mexikanischen Elektroniksektors zurückzuführen. In diesem Segment rutschte Mexiko in der
Rangliste der attraktivsten Zielorte für ausländische Direktinvestitio39
nen von Platz 21 auf Platz 4 . Die Bekleidungsexporte sind dagegen in den letzten Jahren gesunken (siehe Grafik 29), und wir rechnen mit einer weiteren Kontraktion in diesem Sektor. In einer kürzlich veröffentlichten Studie kamen wir zu dem Schluss, dass Mexiko
eines der Länder ist, die durch das Auslaufen der Textilhandelsquoten Ende 2004 und dem daraus resultierenden, heftigeren Wettbewerb von Ländern wie Indien und China am deutlichsten negativ
40
beeinflusst werden .
Öl- und Gassektor: Großes ungenutztes Potenzial
Mexiko ist der fünftgrößte
Ölproduzent weltweit
Mio. Barrel/Tag, 2004
Russland;
9,23
Saudi
Arabien;
8,75
USA;
7,66
Andere;
46,18
Iran;
3,93
China;
3,48
Mexiko;
3,83
Quelle: IEA
30
Mit einer Förderung von 3,8 Mio. Barrel pro Tag (2005) ist Mexiko
der fünftgrößte Ölproduzent der Welt (siehe Grafik 30) und der
41
neuntgrößte Nettoölexporteur . Die Bedeutung des Erdölsektors
hat zwar infolge der Expansion des verarbeitenden Gewerbes und
des Dienstleistungssektors abgenommen. Öl hat jedoch immer noch
einen Anteil von rund 10% an Mexikos Gesamtexporten, und der
staatliche Erdölkonzern Petróleos Mexicanos („Pemex“), der über
ein Monopol zur Erdöl- und Erdgaserschließung und –förderung
verfügt, erwirtschaftet ein Drittel der staatlichen Einnahmen.
Die Erdölreserven sind jedoch in den vergangenen beiden Jahrzehnten zurückgegangen (siehe Grafik 31), obwohl Experten zufolge im Golf von Mexiko beträchtliche Ölreserven vorhanden sind.
Dies ist vor allem auf mangelnde Investitionen in die Ölförderung
und die Erschließung von Ölfeldern zurückzuführen. Da die Regierung abgesehen von den so genannten Multiple Services Contracts
(MSCs; umfassende Dienstleistungsverträge), deren Umfang jedoch
begrenzt ist, keine privaten Investitionen in diesem Sektor zulässt,
ist allein Pemex für derartige Investitionen zuständig. Der Konzern
hat jedoch in den vergangenen Jahren zu wenig investiert, was nicht
zuletzt auf seine hohe Besteuerung durch die Regierung, die ange-
39
40
41
14
A.T. Kearney (2005).
Heymann (2005).
International Energy Association.
16. Februar 2006
Mexiko 2020: Tequila Sunrise
sichts geringer sonstiger Einnahmequellen von den Öleinnahmen
abhängig ist, zurückzuführen ist. Ein neues Besteuerungssystem für
Pemex, das 2005 genehmigt (aber noch nicht vom Senat verabschiedet) wurde, soll die Steuerlast des Konzerns etwas verringern
und so Ressourcen für Investitionen frei machen. Der Umfang der
zusätzlichen Investitionen dürfte jedoch begrenzt sein. Ein weiteres
Problem liegt darin, dass Pemex nicht über die für Bohrungen in
tiefem Wasser erforderliche Technologie verfügt, um Erdöl auch von
Bohrplattformen im Meer aus fördern zu können.
Schwindende Ölreserven
Nachgewiesene Reserven,
Mrd. Barrel, 2004
60
50
40
30
20
10
0
1984
1994
2003
2004
Quelle: BP
31
Ausgaben von Touristen in Mexiko,
Mrd. USD
9,4
9,2
9,0
8,8
8,6
8,4
8,2
2001
2002
Eine umfassende Deregulierung des Sektors könnte noch einige
Zeit auf sich warten lassen. Bisher hat keiner der drei Kandidaten
für die im Juli 2006 anstehenden Präsidentschaftswahlen eine weit
reichende Liberalisierung des Öl- und Gasmonopols vorgeschlagen.
Wir gehen jedoch davon aus, dass die Regierung langfristig private
Investitionen in der Branche zulassen wird. Wenn die Förderung und
damit auch die Staatseinnahmen zurückgehen, wird der Druck für
eine höhere Beteiligung des privaten Sektors zunehmen. Dies dürfte
insbesondere dann der Fall sein, wenn gleichzeitig auch die Ölpreise sinken. Wir rechnen mit einer Öffnung in rund 5–10 Jahren. In
der Zwischenzeit könnte sich Pemex zunehmend um Joint Ventures
mit ausländischen Ölkonzernen bemühen, um die OffshoreFörderung voranzutreiben.
Tourismusindustrie könnte expandieren
Tourismus wächst
2000
Daher bleibt die mexikanische Ölförderung hinter ihrem Potenzial
zurück. Sie könnte sich in den kommenden Jahren sogar verringern.
Die Förderung im riesigen Cantarell-Ölfeld – das zweitgrößte Ölfeld
der Welt, in dem 2 Mio. Barrel pro Tag bzw. 60% der Gesamtproduktion Mexikos gefördert werden – dürfte bis 2008 auf 1,4 Mio. Barrel
42
pro Tag sinken . Schätzungen von Pemex zufolge droht Mexiko bis
2015 ein Nettoölimporteur zu werden, wenn keine zusätzlichen Investitionen getätigt werden. Die Erdgasproduktion ist in den letzten
Jahren so stark zurückgegangen, dass Mexiko bereits heute trotz
umfangreicher Reserven ein Nettogasimporteur ist.
2003
Quelle: Inegi
32
Mexiko liegt bezüglich der Urlauberzahlen weltweit an achter Stelle
43
(2004: 21 Millionen ), und ist damit das beliebteste Urlaubsland in
Lateinamerika und das drittbeliebteste unter den Schwellenländern
nach China und Hongkong. UNCTAD-Daten zufolge ist Mexiko nach
China von allen Entwicklungsländern der zweitgrößte Exporteur von
44
Tourismusdienstleistungen . Die Ausgaben der Touristen sind mit
USD 424 pro Urlauber jedoch deutlich niedriger als in den meisten
anderen Ländern der Region bzw. in den meisten Ländern weltweit,
was darauf schließen lässt, dass in diesem Sektor noch Entwick45
lungspotenzial besteht . Die Reisebranche macht gegenwärtig 8%
von Mexikos BIP aus. Da derzeit noch ca. 90% der Touristen aus
den USA kommen, wäre ein Wachstum in diesem Sektor, zum Beispiel durch mehr Reisende aus anderen Ländern, insbesondere
Europa und Asien, denkbar.
42
43
44
45
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Schätzung von Pemex.
World Tourism Organisation.
UNCTAD (2004).
UNCTAD (2004).
15
Aktuelle Themen 344
Fazit
Die günstige demografische Entwicklung, die anhaltende Öffnung
der Volkswirtschaft für den Welthandel und für Investitionen und die
Aussicht auf eine allmähliche Deregulierung wichtiger Infrastruktursektoren sind die Grundlage unserer moderat optimistischen
Wachstumsprognose für die mexikanische Volkswirtschaft in den
kommenden 15 Jahren. Zahlreiche Branchen, wie der Finanzdienstleistungssektor, der Immobiliensektor und der Infrastrukturbereich,
weisen ein großes Entwicklungspotenzial auf. Für die Erschließung
dieses Potenzials ist es jedoch erforderlich, stärker in Humankapital
zu investieren, die physische Infrastruktur auszubauen und das
mikroökonomische Geschäftsklima zu verbessern.
Silja Voss (49 69 910-31753, [email protected])
16
16. Februar 2006
Mexiko 2020: Tequila Sunrise
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18
16. Februar 2006
Aktuelle Themen
Globale Wachstumszentren
Fundierte, langfristige Wachstumsprognosen stehen nach der New Economy-Euphorie und einigen Krisen in
Schwellenländern wieder im Blickpunkt. Deutsche Bank Research analysiert mit einer innovativen Verzahnung
von moderner Wachstumstheorie, neuesten Methoden der Wachstumsempirie und systematischer Trendanalyse die langfristigen Wachstumsperspektiven von 34 Ländern. Wir identifizieren Wachstumsstars, erklären
die Ursachen der Erfolge und ziehen Schlussfolgerungen für Unternehmen, Anleger und Politiker.
Dynamische Branchen begünstigen globale Wachstumszentren
Nr. 332 ...........................................................................................................................................26. August 2005
Vorsprung durch Öffnung
Integration in die Weltwirtschaft lässt Wachstumsrate steigen
Nr. 325 ...................................................................................................................................................6. Juli 2005
Humankapital wichtigster Wachstumstreiber
Erfolgsmodelle für 2020
Nr. 324 ................................................................................................................................................14. Juni 2005
Globale Wachstumszentren 2020
„Formel-G“ für 34 Volkswirtschaften
Nr. 313 ........................................................................................................................................... 9. Februar 2005
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