Aktuell Naturschutz und Landschaftsplanung 45 (6), 2013, 194-196, ISSN 0940-6808 In verschiedenen bundesweiten Projekten wird Citizen Science angewendet. Nachfolgend einige aktuelle Beispiele kleiner wie großer, neuer wie lange etablierter Projekte – ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit. ff Mückenatlas Der bundesweite Mückenatlas – www.mueckenatlas.de - zur Kartierung von Stechmücken ist weiter online. Interessierte Bürgerinnen und Bürger können auch diesen Sommer wieder Stechmücken einfangen und an die Wissenschaftler des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V. und des Friedrich-LoefflerInstituts, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI), einsenden. Um die Verbreitung der Mückenarten in Deutschland flächendeckend erfassen zu können, haben die Wissenschaftler des ZALF und des FLI im vergangenen Jahr das Projekt ins Leben gerufen. Das Forscherteam benötigt weiterhin Einsendungen aus allen Teilen Deutschlands. Die Stechmücken sollen unbeschädigt eingefangen, tiefgefroren und anschließend an das ZALF geschickt werden. Die Forscher fanden 2012 dank der über 6 000 eingesendeten Mücken aus ganz Deutschland die Asiatische Buschmücke (Aedes japonicus), die sich im Raum Köln und Koblenz bereits in größeren Populationen etablieren konnte. Sie kann das West-Nil-Virus und weitere für den Menschen infektiöse Enzephalitis-Viren übertragen. Weltweit gibt es rund 3 500 Stechmückenarten, 50 davon wurden in Deutschland nachgewiesen. Da sie wissenschaftlich lange vernachlässigt wurden, fehlt grundlegendes Wissen über ihre regionale Verbreitung. Faktoren wie Globalisierung und Klimaveränderungen begünstigen die Einschleppung und Ansiedlung nicht-einheimischer Stechmückenarten, von denen einige Krankheitserreger übertragen 194 Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart Kurz berichtet Bürger fangen Mücken, zählen Sterne, Vögel und Falter im Dienste der Wissenschaft Beispiele für aktuelle Citizen-Science-Projekte in Deutschland Zusammengestellt von Eckhard Jedicke können. So traten in Südeuropa in den letzten Jahren erstmalig lokal verursachte, durch die neu angesiedelte asiatische Tigermücke vermittelte Infektionen mit dem Dengue-Virus und dem Chikungunya-Virus auf. (Quelle: Pressemitteilung des ZALF vom 08.05.2013, http://idw-online.de/de/news 532461) ff Lichtverschmutzungs-App Wissenschaftler des Projektes „Verlust der Nacht“ haben eine App für Android-Smartphones entwickelt, mit deren Hilfe die Anzahl der Sterne am Himmel gezählt werden können. Diese Daten wollen Wissenschaftler nutzen, um die weltweite Lichtverschmutzung besser zu verstehen. „In natürlichen Gegenden kann man mit dem bloßen Auge Tausende von Sternen sehen“, sagt Dr. Christopher Kyba von der Freien Universität Berlin und vom LeibnizInstitut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). „Am Nachthimmel von Berlin sind es immer noch einige Hundert, aber in den meisten Großstädten ist die Situation viel schlimmer.“ Die Smartphone-App soll dabei helfen, weltweit die Himmelshelligkeit zu beschreiben, den sogenannten Skyglow. Sie baut auf das Citizen Science Projekt „GLOBE at Night“ auf, in dem Menschen auf der ganzen Welt die Himmelshelligkeit bestimmen und als Kriterium dafür die Sicht- barkeit der Sterne heranziehen. Daraus entstehen Karten, die die Helligkeitsverteilung und ihre Entwicklung über die Jahre zeigen. Die Daten stehen aber auch anderen Wissenschaftlern zur Verfügung, um mögliche Zusammenhänge mit Gesundheit, Biodiversität, Energieverbrauch und vielen anderen Faktoren zu untersuchen. Die App leitet den Nutzer zu bestimmten Sternen und fragt ihn nach deren Sichtbarkeit. Durch Bestimmung des lichtschwächsten Sternes können die Wissenschaftler ermitteln, wie hell der Himmel an diesem Ort ist. „Das Leben auf der Erde ist evolutiv angepasst an den Wechsel zwischen hellen Tagen und dunklen Nächten“, sagt Dr. Annette Krop-Benesch vom IGB. „Die Erhellung der Atmosphäre durch künstliches Licht bei Nacht kann weitreichende Auswirkungen auf die Ökosysteme weltweit und möglicherweise auch unsere Gesundheit haben. Bisher wissen wir aber viel zu wenig über die nächtliche Helligkeit in den unterschiedlichen Lebensräumen.“ „Mit der App können interessierte Menschen auf der ganzen Welt Daten für die Forschung über Skyglow sammeln, ohne teure Messgeräte zu benötigen“, erklärt Fabian Kohler vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, das das Projekt finanziell unterstützt. So kann jeder Smartphone-Besitzer zum Erfolg des Projekts beitragen. Man kann aber auch die Helligkeit am eignen Wohnort mit anderen Orten vergleichen. Nebenbei lernt der Nutzer den Sternenhimmel kennen und bekommt ein Gefühl dafür, wie viele Sterne er an einem dunkleren Ort noch sehen könnte. Die App wurde zusammen mit der Firma Cosalux (Offenbach am Main) basierend auf Google Sky Map entwickelt. Eine App für Apple-Geräte ist in Planung. Die App „Verlust der Nacht“ kann kostenlos heruntergeladen werden: https://play.google.com/store /apps/details?id=com.cosalux. welovestars. (Quelle: Pressemitteilung Forschungsverbund Berlin, 29.04.2013, www.fv-berlin. de) ff Stunde der Garten- bzw. Wintervögel Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) organisiert gemeinsam mit dem Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) seit 2005 bundesweit die „Stunde der Gartenvögel“ und seit 2011 die „Stunde der Wintervögel“. An meist drei Tagen im Mai bzw. Januar ist die Bevölkerung aufgerufen, im eigenen Garten oder örtlichen Park eine Stunde lang sämtliche Vögel zu erfassen. Gemeldet wird die je Art zu einem Zeitpunkt gemeinsam beobachtete höchste Individuenzahl. Die Meldung kann auf vier Wegen erfolgen: mit Meldebogen per Briefpost, über ein Online-Formular, mit Hilfe einer Smartphone-App oder per Telefon. Für die Meldung per Smartphone steht mit dem NABUVogelführer eine App für Android, Windows Phone 7 und iPhone, iPod bzw. iPad zur Verfügung, die auch Bestimmungshilfe bietet. An der „Stunde der Gartenvögel“ beteiligten sich 2012 mehr als 42 000 Menschen und meldeten rund 975 000 Vögel aus über 200 Arten; die Aktion 2013 war bei Redaktionsschluss noch nicht abgeschlossen. Die „Stunde der Winter- Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart vögel“ 2013 ergab 93 000 Teilnehmer und mehr als 2,7 Mio. Vögel – laut NABU Deutschlands größte wissenschaftliche Mitmachaktion. Weitere Informationen sowie Ergebnisse: www.nabu. de/aktionenundprojekte/. ff Tagfalter-Monitoring Anspruchsvoller hinsichtlich des Arbeitsaufwands ist das bundesweite Monitoring von tagaktiven Schmetterlingen, das 2005 startete, in Nordrhein-Westfalen bereits 2001: Von April bis September wird ein festgelegter Transekt von 0,5 bis 1.5 km Länge, aufgeteilt in 50-m-Abschnitte, wöchentlich abgegangen. Zählungen bei ungünstiger Witterung fallen aus (< 13 °C bzw. bei stärkerer Bewölkung < 17 °C, Windstärke > 4). Gezählt werden alle Tagfalter bis 2,5 m links und rechts des Weges sowie 5 m davor und darüber. Für 50 m Zählstrecke wendet man ca. 5 min Zeit auf. Die Erfassungsmethode entspricht der in anderen Ländern, damit die Daten sich später europaweit ergänzen bzw. miteinander verglichen werden können. Die Initiative ging vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) aus, das die bundesweite Koordination übernommen hat. Das UFZ verschickt die Erfassungs-Anleitungen und weitere Informationen und übernimmt zentral die Sammlung und Auswertung der Daten (mit Ausnahme von NRW, das eigenständig koordiniert wird). Wie bei den schön älteren Monitorings in Großbritannien und den Niederlanden ist es das Hauptziel, langfristige Bestandsentwicklungen für einzelne Arten aufzuzeigen und die bei vielen Arten beobachteten, bisher aber nicht quantifizierbaren Rückgänge zu belegen. Den Tagfaltern kommt eine Indikatorfunktion zu; die erhobenen Daten lassen erkennen, wie sich Veränderungen in der Landschaft auf Lebensgemeinschaften auswirken. Daraus können Aktuell Naturschutz und Landschaftsplanung 45 (6), 2013, 194-196, ISSN 0940-6808 Empfehlungen für Landnutzungs-Strategien abgeleitet werden. Ebenso eignen sich die Daten für die Erfolgskontrolle von Schutz- und Pflegemaßnahmen auf lokaler oder regionaler Ebene. Außerdem können die Monitoringdaten mit einer Vielzahl anderer biotischer und abiotischer Daten verschnitten werden und geben dann z.B. Auskunft zum Einfluss des Klimawandels auf die Verbreitung von Arten. Dass die Bestandsaufnahmen gleichzeitig der Erfüllung von Berichtspflichten dienen (FFH, CBD etc.), zeigt, wie wichtig das Projekt auch im interna­ tionalen Kontext ist. Das gezielte Monitoring seltener/gefährdeter Arten wird künftig ein weiterführender Aspekt des Projekts sein und kann gezielt mit Art-Transekten oder der Kartierung ausgewählter Biotope verfolgt werden. In den ersten Jahren wird aber das Standard-Monitoring Priorität haben. In vergleichsweise kurzer Zeit ist es gelungen, ein Netzwerk mit Falterexperten, sogenannten Regionalkoordinatoren, in Deutschland aufzubauen. Diese Fachleute mit Erfahrung in der Erfassung von Schmetterlingen, deren Bestimmung und Ökologie haben sich bereit erklärt, ehrenamtlich Transekt-Zähler in ihrer Region zu unterstützen. Sie helfen bei der Einrichtung der Transekte, geben Hilfestellung bei der Bestimmung von Arten und übernehmen zum Teil auch noch die regionale Öffentlichkeitsarbeit. Die Transekt-Zähler haben ca. 400 festgelegte Strecken in allen Landesteilen übernommen. Hinzu kommen die Transekte, die bereits seit 2001 in NRW bearbeitet werden. Weitere Informationen und Ergebnisse: www.tagfaltermonitoring.de. Thema eines Beitrags im vorletzten Heft von Naturschutz und Landschaftsplanung (45 (4), Seiten 101-107). Das Projekt ARDINI entwickelte eine Libellen- und Vogel-App und das WebGIS-Portal eMapper. Unabhängig vom Betriebssystem des Smartphones können so Vorkommensdaten an die Landesbehörde in Niedersachsen gemeldet werden. Die App bietet Unterstützung bei der Artbestimmung (Informationen: http://mapserver.unioldenburg.de/ardini/). Ein ähnliches Konzept verfolgt der Artenfinder in Rheinland-Pfalz und NordrheinWestfalen. Eine kostenlose App für Android und Apple iOS erlaubt die mobile Dateneingabe – möglich bleibt auch die Eingabe via Web am PC. Eine Liste mit allen gesetzlich geschützten Arten hilft zudem bei der Bestimmung der ge­ fundenen Tiere und Pflanzen (www.artenfinder.de). In Rheinland-Pfalz wurde der Artenfinder seit 2011 gemeinsam durch Umweltministerium und die Naturschutzverbände BUND, NABU und POLLICHIA entwickelt. Eine Koordinierungsstelle für Artendaten unter Federführung der POLLICHIA, des rheinlandpfälzischen Vereins für Naturforschung und Landespflege, wertet die gemeldeten Daten aus und veranlasst, dass ein Arbeitskreis aus Experten verschiedener Tier- und Pflanzengruppen diese Angaben auf Plausibilität überprüft, bevor die Meldung in die amtlichen Datenbestände aufgenommen wird. Nordrhein-Westfalen nutzt dasselbe System, das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) stellte auf der CEBIT 2012 in Hannover eine darauf fußende Alleenfinder-App vor (www. artenfinder.nrw.de). ff Digitale Artenerfassung via App Mobile Lösungen für die digitale Erfassung von Artvorkommen in Niedersachsen waren ff Vogeldaten bei ornitho.de Als Datensammlung von Gelegenheitsbeobachtungen, also all jenen Beobachtungen außerhalb der systematischen Erfassungsprogramme, versteht sich das Portal ornitho. de. Es entstand aus ornitho.ch, ab 2003 im Raum Genf, ab 2007 für die gesamtes Schweiz zur Verfügung stehend. Heute bestehen Ornitho-Portale auch in Frankreich, Italien, Katalonien und Luxemburg. International vernetzt sind diese nationalen Portale über www. worldbirds.org bei BirdLife. Im Selbstverständnis der Verantwortlichen soll dieses – einen aktuellen Überblick über das avifaunistische Geschehen in Deutschland geben und im Verbund mit anderen ornitho-Systemen in einen europäischen Zusammenhang stellen; – avifaunistische Daten an einem Ort bündeln, in geprüfter Form für wissenschaft­ liche Auswertungen bereitstellen und im Sinne des Naturschutzes einsetzen; – an der Vogelwelt Interessierte zusammenführen, Menschen für die Avifaunistik begeistern und die Umweltbildung unterstützen. Getragen wird ornitho.de vom Dachverband Deutscher Avi­ faunisten e.V. (DDA). Als Partner fungieren die Deutsche Ornithologen-Gesellschaft e.V. (DO-G), das Bundesamt für Naturschutz (BfN), die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG-VSW), die Deutsche Avifaunistische Kommission (DAKL) und die Arbeitsgemeinschaft „Kranichschutz in Deutschland“ sowie auf Landesebene verschieden ornithologische Fachverbände. Mit Stand vom 12. Mai 2013 weist die Datenbank 4,96 Mio. Beobachtungen von 8 550 registrierten Personen aus. Informationen und Auswertungen: www.ornitho.de. Naturschutz und Landschaftsplanung stellt künftig gerne weitere solcher Citizen-Science-Projekte vor. Entsprechende Hinweise werden erbeten an die Schriftleitung, Prof. Dr. Eckhard Jedicke, E-Mail [email protected]. 195 Aktuell Naturschutz und Landschaftsplanung 45 (6), 2013, 194-196, ISSN 0940-6808 Forst-Nachhaltigkeit Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) Baden-Württemberg lädt zusammen mit Forst BW und der Universität Freiburg am 24. Oktober 2013 zu einer Veranstaltung zum Thema „Forstliche Nachhaltigkeit – messen und bewerten“ nach Freiburg ein. Informationen: FVA, Dr. Kaisu Makkonen-Spiecker, Wonnhaldestraße 4, 79100 Freiburg, Telefon (07 61) 40 18-371, E-Mail [email protected], Internet www.fva-bw.de. Artenschutz Dem Thema „Artenschutz in der Praxis – Erfahrungen mit Ersatzquartieren und der Umsiedlung von streng geschützten Arten“ widmet sich das dritte ökologische Kolloquium der Bundesanstalt für Gewässerkunde am 19. und 20. September 2013 in Koblenz. 196 Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart Termine Informationen: Bundesanstalt für Gewässerkunde, Yvonne Strunck, Postfach 20 02 53, 56002 Koblenz, Fax (02 61) 13 06-56 32, E-Mail [email protected], Internet www.bafg.de (Wissen, Veranstaltungen). Schleswig-Holstein 08.08.2013: Faktor Mensch – Bedeutung interner Potenziale für die Dorf- und Regionalentwicklung (Flintbek) 08.08.2013: Kräuterkunde (Kiel) 13.08.2013: Militärische Liegenschaften – letzte Paradiese für gefährdete Arten? (Flintbek) 19.08.2013: Nachhaltigkeit – 300 Jahre modern (Flintbek) 21.08.2013: Management von Ostseeküsten für Lebensraum- typen und Arten (Flintbek, Hohwacht) 27.08.2013: Ökokonto in der kommunalen Praxis (Flintbek) 30.08.2013: Prädatoren und Bodenbrüter – Konkurrenz oder Koexistenz? (Flintbek) Informationen: Bildungszentrum für Natur, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein, Hamburger Chaussee 25, 24220 Flintbek, Telefon (0 43 47) 704-780, Fax ‑790, E-Mail [email protected], Internet www.bnur.schleswig-holstein. de. Heiliges Meer 06. bis 09.08.2013: Crusta­ ceenkurs 09. bis 11.08.2013: Moorgeschichte und Pollenanalysen 17. und 18.08.2013: Vegeta­ tion der Seen und Weiher im NSG Heiliges Meer 27. bis 30.08.2013: Spinnen 30.08. und 01.09.2013: Heuschrecken Informationen: LWL-Museum für Naturkunde, Außenstelle Heiliges Meer, Bergstraße 1, 49509 Recke, Telefon (0 54 53) 9 96 60, E-Mail [email protected]. Leibnizkonferenz Eine umweltorientierte, moderne Stadtentwicklung ist Gegenstand der 16. Leibnizkonferenz zur Stadtökologie, veranstaltet durch das LeibnizInstitut für interdisziplinäre Studien (LIFIS) am 17. und 18. Oktober 2013 in BerlinAdlershof. Informationen: Monika Buschmann, E-Mail [email protected], Internet www.leibniz-institut.de/ page/index.php?lang=de&kat ID=33.