Lineare Algebra I Prof. Dr. M. Rost Übungen — Blatt 12 (WS 2010/2011) Abgabetermin: Donnerstag, 27. Januar http://www.math.uni-bielefeld.de/~rost/la1 Erinnerungen, Ergänzungen und Vorgriffe zur Vorlesung: Quotientengruppen Quotientengruppen treten sehr häufig auf. Es handelt sich dabei um eine Verfeinerung des Begriffes der Quotientenmenge nach einer Äquivalenzrelation. Wir sind hier vor allem an Quotienten von Vektorräumen interessiert. Kurze Erinnerung an Äquivalenzrelationen und Z/n Ist M eine Menge und ∼ eine Äquivalenzrelation auf M, so bezeichnet M/∼ die Quotientenmenge von ∼. Dies ist die Menge M/∼ = { [x] | x ∈ M } aller Äquivalenzklassen [x] = { y | y ∼ x } von Elementen aus M. Einfaches Beispiel: Auf der Menge Z der ganzen Zahlen sei die Äquivalenzrelation k definiert durch akb :⇐⇒ a und b haben die gleiche Parität Hier gibt es nur zwei Äquivalenzklassen, nämlich Z/k = {g, u} wobei g = 2Z u = 1 + 2Z die Mengen der geraden bzw. ungeraden Zahlen sind. Dieses Beispiel kennen Sie schon, es natürlich Z/k = Z/2 die Menge der Reste bei der Division durch 2. 2 In diesem Beispiel ist die gegebene Menge Z eine Gruppe, deren Addition sich auf die Quotientenmenge überträgt: g + g = g, g + u = u und u + u = g. Die Quotientenmenge ist also selbst wieder eine Gruppe. Tatsächlich überträgt sich auch die Multiplikation in Z auf die Quotientenmenge: g · g = g, g · u = g und u · u = u. Die Quotientenmenge ist wie Z ein Ring. Auch dieses Phänomen kennen Sie bereits: Die Menge Z/n = { r̄ | 0 ≤ r < n } der Reste bei der Division durch einen gegebenen Modulus n bildet selbst wieder einen Ring mit der bekannten Addition und Multiplikation. Quotientengruppen (abelscher Fall) Es sei (G, +) eine abelsche Gruppe mit additiv geschriebener Verknüpfung und es sei U ⊂ G eine Untergruppe. Die Untergruppe U definiert eine Äquivalenzrelation ∼U auf G durch x ∼U y :⇐⇒ x−y ∈U Die Reflexivität, Symmetrie und Transitivität dieser Relation rechnet man leicht nach. Die Äquivalenzklasse eines Elementes a ∈ G ist [x] = { y ∈ G | y − x ∈ U } und dies ist einfach die sog. Nebenklasse [x] = x + U = { x + u ∈ G | u ∈ U } von a. Die Quotientenmenge nach dieser Relation wird mit G/U bezeichnet. Es ist also G/U = { [x] | x ∈ G } = { x + U | x ∈ G } Es stellt sich nun heraus, daß sich wie im Beispiel Z/n die Addition von G auf den Quotienten G/U überträgt. Dabei gilt 0G/U = [0G ] −[x] = [−x] [x] + [y] = [x + y] G/U ist damit selbst eine Gruppe. Sie heißt die Quotientengruppe von G nach U. (Die Details zur Wohldefiniertheit dieser Operationen wurden in der Vorlesung besprochen). 3 Bekanntes Beispiel: G = Z und U = nZ. Hier ist die Bedingung x − y ∈ nZ äquivalent zu: “x und y lassen bei Division durch n den gleichen Rest”. Die Äquivalenzklassen sind also dieselben wie beim Rechnen modulo n. Es gilt Z/nZ = Z/n (Hier steht links der abstrakte Gruppenquotient und rechts steht die konkrete Menge der Reste modulo n.) Beispiel: Es sei G = Z × Z und U die Untergruppe U = {0} × Z = { (0, a) | a ∈ Z } Wie kann man die Quotientengruppe G/U = (Z × Z)/({0} × Z) explizit beschreiben? Zur Antwort überlegt man sich, wann zwei Elemente (a, b) und (a′ , b′ ) ∈ G in der gleichen Äquivalenzklasse liegen. Dies ist der Fall genau dann wenn (a′ , b′ ) − (a, b) ∈ U, also wenn (a′ , b′ ) − (a, b) = (a′ − a, b′ − b) ∈ {0} × Z d.h. wenn a′ − a = 0 oder a′ = a. Die Äquivalenzklasse von (a, b) wird also vollständig durch die erste Komponente a beschrieben, auf die zweite Komponente b kommt es überhaupt nicht an. Dies gilt auch für die Addition: Die Addition von Äquivalenzklasse wird durch die Addition in der ersten Komponente beschrieben. Man drückt dies am besten dadurch aus, in dem man einen Isomorphismus von G/U nach Z angibt. Dazu definiert man die Abbildungen f : Z → G/U f (a) = [(a, 0)] und g : G/U → Z g([a, b]) = a Dann überlegt man sich, daß f und g Homomorphismen sind und als Abbildungen zu einander invers sind. Damit ist gezeigt, daß es einen Isomorphismus G/U ≃ Z gibt. Und G/U ist vollständig beschrieben. 4 Quotienten von Vektorräumen Es sei V ein K-Vektorraum und U ein K-Untervektorraum. V ist insbesondere eine abelsche Gruppe und U ist eine Untergruppe. Damit ist die Quotientengruppe V /U definiert. Sie besteht aus den Nebenklassen [v] = v + U v∈V Man bemerkt nun, daß V /U sogar wieder ein K-Vektorraum ist. Dazu definiert man die Skalarmultiplikation auf V /U durch λ · [v] := [λv] (λ ∈ K, v ∈ V ) Genauer: Sei ω ∈ V /U und λ ∈ K. Das Produkt λ · ω ∈ V /U ist folgendermaßen definiert. Man wählt sich aus der Äquivalenzklasse ω einen Repräsentanten v ∈ V , so daß also ω = [v]. Dann definiert man λ · ω als die Äquivalenzklasse [λv] von λv. Das Resultat ist unabhäging von der Wahl des Repräsentanten v. Ist nämlich v ′ ein anderer Repräsentant, also ω = [v ′ ], so gilt nach Definition v′ − v ∈ U Damit gilt λv ′ − λv = λ(v ′ − v) ∈ U (eben weil U ein K-Untervektorraum ist) und damit [λv ′ ] = [λv] Verallgemeinerungen Für Neugierige sei hier ein kurzer Ausblick in die Vorlesung Algebra gemacht. Es sei R ein kommutativer Ring und I ⊂ R eine Untergruppe mit R·I ⊂I Eine Untergruppe mit dieser Eigenschaft heißt ein Ideal von R. Die Quotientengruppe R/I nach einem Ideal ist selbst wieder ein Ring. (Beispiel: Z/nZ). Es sei (G, ·) eine Gruppe (abelsch ist nicht vorausgsetzt) und U ⊂ G eine Untergruppe. In diesem Fall definiert man zwei Äquivalenzrelationen: g ∼ h falls h−1 g ∈ U bzw. gh−1 ∈ U. Die zugehörigen Quotientenmengen werden mit G/U bzw. U\G bezeichnet. Dies sind i.A. keine Gruppen, es sei denn es gilt gUg −1 ⊂ U für g ∈ G. Untergruppen mit dieser Eigenschaft heißen Normalteiler. In diesem Fall stimmen die beiden Äquivalenzrelationen überein und G/U = U\G ist eine Gruppe. (Ist G abelsch, so sind alle Untergruppen Normalteiler.) 5 Aufgabe 1. Man prüfe, ob folgende Matrizen A, B ∈ M2 (R) diagonalisierbar über R oder C sind. Ist A diagonalisierbar über R, gebe man eine Matrix S an mit S −1 AS bzw. S −1 BS diagonal. 2 −2 A= (1) 2 2 1 3 B= (2) 2 5 Aufgabe 2. Es sei V = R2 und U = (2, 3)R = { (2a, 3a) | a ∈ R } Man zeige, daß jede der beiden Abbildungen f, f ′ : R → V /U f (a) = [(a, 0)] f ′ (a) = [(0, a)] ein Isomorphismus von R-Vektorräumen ist. Hinweis. Am besten gibt man die inversen Abbildungen direkt an und rechnet nach, daß es sich dabei um inverse Abbildungen handelt. Aufgabe 3. Es sei V ein endlichdimensionaler K-Vektorraum und U ein Untervektorraum. Man zeige dim V /U = dim V − dim U Hinweis. Man ergänze eine Basis von U zu einer Basis von V und gebe eine Basis von V /U an. Aufgabe 4. Es seien n, m > 0 und G = Z/nmZ. Ferner sei U ⊂ G die Untergruppe U = { nk mod nm | k ∈ Z } Man zeige, daß es Gruppenisomorphien wie folgt gibt. (a) U ≃ Z/mZ (b) G/U ≃ Z/nZ Hinweis. Auch hier bietet sich an, explizite Abbildungen zu definieren und nachzurechnen, daß es sich um (zu einander inverse) Homomorphismen handelt.