`Auslösen einer Lawine` [MS WORD 16 KB]

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An den Präsidenten des Südtiroler Landtages
Mauro Minniti
Bozen, am 5. Oktober 2011
Schriftliche Anfrage
Lawinenabgänge durch Freizeitaktivitäten / Verfassungsmäßigkeit der abstrakten
Gefährdungsdelikte
Das Auslösen einer Lawine durch fahrlässige Handlungen wird laut italienischem Strafgesetzbuch
auch dann bestraft, wenn durch den Abgang der Lawine keine Personen und/oder Güter verletzt
beziehungsweise beschädigt wurden. Gleichsam wird das fahrlässige Auslösen einer Lawine auch
dann bestraft, wenn durch den Abgang der Lawine keine konkrete Gefährdung von Personen und
Gütern bestanden hat. Die Gefährdung durch Lawinenabgänge wird demnach per Gesetz
angenommen und muss vom Staatsanwalt nicht nachgewiesen werden, er ist in diesem Sinne von
der Beweislast entbunden.
Dieses evidente Ungleichgewicht zwischen den beiden Prozessparteien wird dadurch verstärkt, dass
dem Angeklagten keine Rechtsmittel zugestanden werden, um gegebenenfalls den Gegenbeweis
anzutreten, wonach seine Handlung eben keine Gefahr dargestellt habe und damit für das Strafrecht
irrelevant sein müsste.
Die rechtsstaatliche Konsequenz, die von diesem abstrakten Gefährdungsdelikt ausgeht, ist, dass
Personen für eine Handlung in einne Strafprozess verwickelt werden, obwohl kein rechtlich
schützenswertes Gut (Personen und/oder Güter) konkret gefährdet war.
Unter Juristen, Medien und alpinen Verbänden wird die Anklage von Personen für das reine
Auslösen einer Lawine jeden Winter neu diskutiert, weil man sich bewusst geworden ist, was das
für den Alpinismus und die Freizeitaktivitäten in Südtirol bzw. Italien bedeuten kann: Die
Eigenverantwortlichkeit im alpinen Gelände ist bedeutend geschwächt und das Freiheitsgefühl am
Berg wird zunichte gemacht.
„Mehr Angst vorm Staat als vorm Berg“ ist in dieser Hinsicht eine stimmige Verallgemeinerung
unter Alpinisten, die den wahren Kern aber am besten trifft.
Auch die Touristiker und die Outdoor-Winterindustrie sind auf dieses Thema mittlerweile
sensibilisiert. Während die Werbeplakate im Winter meist SportlerInnen im freien Gelände zeigen,
ist die Realität eine andere: Genau diese beworbenen Handlungen können in Italien ohne
besonderen Grund schnell zu verheerenden strafrechtlichen Konsequenzen führen.
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Angesichts der stetigen, und wünschenswerten, Zunahme der Freizeitaktivitäten am Berg wird auch
die Wahrscheinlichkeit von Lawinenabgängen und den damit verbundenen gesetzlichen
Konsequenzen Jahr für Jahr ansteigen.
An den Präsidenten des Südtiroler Landtages
und an das zuständige Mitglied in der Südtiroler Landesregierung
ergehen deshalb folgende Fragen:
1. Teilt der Landtagspräsident bzw. das zuständige Mitglied der Landesregierung die
Auffassung, dass das Gefährdungsdelikt der fahrlässigen Auslösung einer Lawine in jenem Teil
verfassungswidrig ist, in dem die Gefährdung schützenswerter Rechtsgüter durch eine gesetzliche
Abstraktion unwiderlegbar angenommen wird?
2. Wie viele Anklagen wurden in Südtirol in den vergangenen 20 Jahren nach den Artt. 426
und 450 StGB erhoben?
Abg. Arnold Schuler
Abg. Josef Noggler
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