Die Bedeutung des Friedens und der Gewaltfreiheit im aktuellen

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Die Bedeutung des Friedens und der Gewaltfreiheit im
gegenwärtigen Moment. Der Weltweite Marsch.
Silo
Berlin, den 11.11.2009
Ein Marsch geht um in der Welt – der Marsch für Frieden
und Gewaltfreiheit.
Über dieses Thema werde ich vor diesem Forum eine kurze
Ansprache halten. Ich tue dies in meiner Rolle als
Begründer des Universalistischen Humanismus, der diesen
Marsch inspiriert hat. Der Marsch hat den Anstoß zu
verschiedenen Initiativen und Aktivitäten gegeben, unter
anderem zu der symbolischen Tour eines begeisterten
Teams, das drei Monate lang verschiedene Länder
durchqueren wird. Diese Tour begann am 2. Oktober in
Wellington, Neuseeland, und wird am 2. Januar 2010 am
Fuße des Berges Aconcagua in Punta de Vacas, zwischen
Argentinien und Chile, enden.
Erstmals präsentiert wurde der Marsch am 15. November
2008 – also vor knapp einem Jahr – beim Symposium des
Weltzentrums für Humanistische Studien im "Punta-deVacas-Park zum Studium und zur Reflexion", und zwar mit
der klaren Absicht, ein Bewusstsein für die gefährliche
Situation zu schaffen, in der sich die Welt befindet – eine
Situation, die durch die erhöhte Wahrscheinlichkeit eines
nuklearen Konflikts, durch die Aufrüstung und die
gewaltsamen militärischen Besetzungen fremder Gebiete
gekennzeichnet ist.
Dieser Vorschlag gesellschaftlicher Mobilisierung wird von
der Humanistischen Bewegung und ihren Organismen
vorangetrieben. Innerhalb weniger Monate haben sich
tausende Personen, pazifistische und gewaltfreie
Organisationen, verschiedenste Institutionen, die sich für
die Menschenrechte einsetzen sowie Persönlichkeiten aus
Wissenschaft, Kultur und Politik dem Weltweiten Marsch
angeschlossen; sie alle spüren die Dringlichkeit dieses
Moments. Der Marsch hat ebenfalls zahlreiche Initiativen in
mehr als hundert Ländern inspiriert und zur Bildung eines
schnell wachsenden Phänomens kultureller Vielfalt geführt.
An dieser Stelle sollte ich auch erwähnen, dass zu diesem
ursprünglichen
Basisteam
ein
weiteres
Team
hinzugekommen ist, das verschiedene Länder des Mittleren
Ostens bereist, sowie ein drittes Team, das in Mittelamerika
unterwegs ist.
Wir wissen nur zu gut, dass wir in einer weltweit äußerst
kritischen Situation leben, geprägt von der Verarmung
ganzer Regionen, der Konfrontation zwischen Kulturen und
von Gewalt und Diskriminierung, die den Alltag breiter
Bevölkerungsteile vergiften. Heutzutage gibt es an
zahlreichen Orten bewaffnete Konflikte und gleichzeitig
erleben wir eine tiefgreifende Krise des internationalen
Finanzsystems. Zu all dem kommt die wachsende nukleare
Bedrohung hinzu, die letztlich die höchste Dringlichkeit der
Gegenwart darstellt. Das ist eine äußerst komplexe
Situation. Zu den unverantwortlichen Interessen der
Atommächte und dem Wahnsinn gewalttätiger Gruppen mit
möglichem Zugang zu nuklearem Material kleinerer
Größenordnung müssen wir das Risiko eines möglichen
Unfalls hinzuzählen, der einen verheerenden Konflikt
auslösen könnte.
Hierbei handelt es sich nicht um die Summe einzelner
Krisen, sondern um ein Gesamtbild, das vom globalen
Scheitern
eines
Systems
zeugt,
dessen
Handlungsmethodologie die Gewalt und dessen zentraler
Wert das Geld ist.
Um eine atomare Katastrophe zu verhindern, die unsere
mehr oder weniger unmittelbare Zukunft zu bedrohen
scheint, müssen wir eben heute an der Überwindung der
gesellschaftlichen und persönlichen Gewalt arbeiten und
gleichzeitig folgendes fordern:
1. Die weltweite nukleare Abrüstung.
2. Den sofortigen Rückzug der Invasionstruppen aus den
besetzten Gebieten.
3. Die progressive und proportionale Abrüstung der
Massenvernichtungswaffen.
4. Die Unterzeichnung
zwischen Ländern.
von
Nichtangriffsabkommen
5. Den Verzicht auf den Einsatz von Krieg als Mittel zur
Konfliktlösung seitens der Regierungen.
Es muss dringend ein Bewusstsein für Frieden und
Abrüstung geschaffen werden. Aber es ist auch notwendig,
ein Bewusstsein für die Aktive Gewaltfreiheit zu wecken,
um nicht nur die körperliche Gewalt, sondern jede Form von
wirtschaftlicher, rassistischer, psychologischer, religiöser
und geschlechtsspezifischer Gewalt abzulehnen. Natürlich
streben wir danach, dass diese neue Sensibilität zu einem
festen Bestandteil der gesellschaftlichen Strukturen wird
und sie bewegt, um den Weg für die zukünftige Universelle
Menschliche Nation zu bahnen.
Der Weltweite Marsch ruft alle Menschen auf, mitzumachen
und die Verantwortung für die Veränderung unserer Welt in
die eigenen Hände zu nehmen, indem sie die persönliche
Gewalt überwinden und die Ausbreitung dieses positiven
Einflusses in ihrer unmittelbaren Umgebung unterstützen.
Während dieser ganzen Zeit finden in vielen Städten und
Ortschaften Märsche, Festspiele, Foren, Konferenzen und
andere Veranstaltungen statt, um ein Bewusstsein für die
Dringlichkeit von Frieden und Gewaltfreiheit zu schaffen.
Auf
der
ganzen
Welt
vervielfachen
die
Unterstützungskampagnen dieses Signal, und zwar weit
über das hinaus, was man sich bisher vorstellen konnte.
Zum ersten Mal in der Geschichte wird ein Ereignis dieses
Ausmaßes durch Initiative der teilnehmenden Personen
selbst in Gang gesetzt. Die wahre Kraft dieses Impulses
rührt aus der einfachen Handlung derjenigen, die sich aus
ihrem Bewusstsein heraus einer würdigen Sache
anschließen und sie mit anderen teilen.
Für die Dauer des Marsches bis Januar 2010 – dem
Zeitpunkt,
an
dem
die
Umstrukturierung
der
Humanistischen Bewegung stattfinden wird – wurde Rafael
de la Rubia zum Vertreter des humanistischen Organismus
„Welt ohne Kriege“ ernannt. Die Sprecher für die jeweiligen
Kontinente sind: Michel Ussene für Afrika, Sudhir Gandotra
für Asien, Giorgio Schultze für Europa, Tomás Hirsch für
Lateinamerika und Chris Wells für Nordamerika. Sie alle
erhielten die Mission, die „Charta für eine Welt ohne
Gewalt“ von den Friedensnobelpreisträgern - bei diesem
Gipfel in Berlin - in Empfang zu nehmen, mit der
Verpflichtung, sie in all den Ländern zu verbreiten, die der
Weltweite Marsch bereist.
In eben dieser „Charta” werden die Grundsätze zum
Ausdruck gebracht, die weltweit von allen Menschen guten
Willens unterschrieben werden können.
Um langatmige Ausschweifungen zu vermeiden, möchte ich
lediglich den neunten Grundsatz dieser Charta
hervorheben, der besagt: „Wir ersuchen die Vereinten
Nationen und ihre Mitgliedsstaaten, Mittel und Methoden in
Betracht zu ziehen, um eine bedeutsame Anerkennung
ethnischer, kultureller und religiöser Vielfalt in multiethnischen Nationalstaaten zu fördern. Der moralische
Grundsatz einer gewaltfreien Welt lautet: »Behandle die
anderen so, wie Du selbst von anderen behandelt werden
möchtest«.“
Dieser moralische Grundsatz geht über jede Norm und jede
Rechtssprechung hinaus, um seine Gültigkeit auf
menschlichem Gebiet aufgrund der Empfindung unserer
gegenseitigen und gemeinsamen Anerkennung zu
verankern, die jenseits jeder Berechnung und jeder
Spekulation liegt.
Dieser Grundsatz – von alters her als „Goldene Regel” des
Zusammenlebens bekannt – ist einer von den 13
Grundsätzen, die in diesem großartigen Dokument
enthalten sind, das weit verbreitet werden muss.
Andererseits dürfen wir es nicht versäumen, einige Punkte
zu erwähnen, die zu einem besseren Verständnis unserer
Aktivitäten auf dem Gebiet der Gewaltfreiheit führen. Es ist
offensichtlich, dass die Voreingenommenheit uns
gegenüber ihren Ursprung in Südamerika hatte und sich
dort im Laufe des gewaltfreien Kampfes gegen die
Militärdiktaturen entwickelte. Es ist eindeutig, dass die
Diskriminierung, der wir auf verschiedenen Gebieten
ausgesetzt waren, auf die Desinformation und die
systematische Verleumdung zurückzuführen ist, unter der
wir in unseren Herkunftsländern wie Argentinien und Chile
über Jahrzehnte gelitten haben. Die Diktaturen und ihre
„Desinformationsorgane“ haben ihre Netze seit jener Zeit
gesponnen, in der unsere Aktionen verboten und unsere
Aktivisten verhaftet, deportiert und ermordet wurden. Selbst
heute noch kann man auf verschiedenen Breitengraden
Recherchen über die Verfolgung anstellen, unter der wir
nicht nur von Seiten der Faschisten, sondern auch von
Seiten einiger „konservativ denkender“ Sektoren gelitten
haben. Und man sollte beachten, dass in dem Maße, in
dem unsere Aktivitäten sich entfalten, viele Friedensapostel
sprichwörtlich ihre Gewänder zerreißen und unser
Schweigen fordern oder alle Gruppen oder Personen
zurechtweisen, die uns öffentlich erwähnen.
Obschon diese Schmähungen der Vergangenheit
angehören, stößt die gewaltfreie Aktion auch heute noch
auf Geringschätzung, da man argumentiert, man werde
außer große Reden zu halten nichts gegenüber den
„wirklich“ Mächtigen ausrichten können, die über die
Weltsituation entscheiden. Um dies an Beispielen zu
verdeutlichen, schauen wir uns einige Fälle an:
Der erste Fall bezieht sich auf die Kampagnen für die
Abschaffung der Wehrpflicht, die vor ein paar Jahren von
Humanisten in Argentinien durchgeführt wurden.
Damals hielt man daran fest, es sei unmöglich das Gesetz
der Wehrpflicht zu ändern – vor allem, nachdem 1,5
Millionen Unterschriften, die im Laufe eines Aktionsjahres
gesammelt wurden, ohne Begründung abgelehnt wurden.
Daraufhin erklärte die Exekutive die Unzweckmäßigkeit
dieses Versuchs, weil er „die Nation schutzlos den
möglichen Aggressionen der angrenzenden Ländern
aussetzen würde“. Die öffentliche Meinung war jedoch
bereits soweit sensibilisiert, dass die Debatte – ohne die
Initiatoren des Projektes zu nennen – ins Rollen kam und in
den Medien Echo fand. Später dann unterzeichnete der
Präsident der Republik ein „Dekret zur Abschaffung des
Wehrdienstes“ und ersetzte ihn durch den freiwilligen
Militärdienst. Damals wurde jedoch argumentiert, diese
Maßnahme würde ergriffen, weil ein Soldat aufgrund von
Misshandlungen in einer Kaserne ums Leben gekommen
war. So wie die Dinge liegen, war die lange Kampagne und
Mobilisation der Humanisten nicht umsonst, da das
willkürliche Gesetz begraben wurde.
Der zweite Fall ereignete sich erst kürzlich in der
Tschechischen Republik.
Das sogenannte „Raketenabwehrschild” war seit dem Jahr
2002 ohne das Wissen der tschechischen Bevölkerung
und der Europäischen Union in Planung. Im Juni 2006
förderte die Humanistische Bewegung die Entstehung eines
Bündnisses verschiedener sozialer und politischer
Organisationen, das zu Tage brachte, dass sich 70% der
Bevölkerung gegen dieses Projekt aussprach. Man forderte
den Stopp dieses Projektes, das eine Gefahr darstellte, und
verlangte gleichzeitig ein Referendum. Zwei Humanisten
traten in einen Hungerstreik und pazifistische und
gewaltfreie Organisationen begannen, den Protest zu
unterstützen. Diese Art Protest wurde ein Jahr lang aufrecht
erhalten und es schlossen sich Künstler, Akademiker,
Wissenschaftler und Bürgermeister an. Schließlich wurde
der Protest auch im Europäischen Parlament vorgetragen.
Im März 2009 kam es unter Einwirkung verschiedenster
Faktoren zum Sturz der damaligen Regierung, aber der
Volksprotest und die parlamentarische Opposition zögerten
die
Ratifizierung
des
Vertrages
zwischen
der
Tschechischen Republik und den USA hinaus. Im
September 2009 ließ Obama vom Projekt des
Raketenabwehrschildes in Tschechien und Polen ab.
An dieser Stelle sollten wir zwei Themen betrachten, deren
gesellschaftliche Reichweite noch nicht verstanden wurde.
Wie uns allen bekannt ist, sind die Themen Ökologie und
Umweltschutz zu einem festen Bestandteil unserer
Gesellschaft geworden. Selbst wenn einige Regierungen
und gewisse Interessengruppen die Gefahr leugnen, die
eine Missachtung des Ökosystems birgt, sehen sie sich
unter dem Druck der Bevölkerung doch dazu gezwungen,
zunehmend Maßnahmen zu ergreifen – dem Druck einer
Bevölkerung, die sich immer mehr Sorgen um die
Zerstörung unseres gemeinsamen Hauses macht. Selbst
unsere Kinder werden sich dieser Gefahr immer mehr
bewusst und in den Grundschulen und den Medien ist das
Thema des vorsorglichen Umgangs mit der Umwelt präsent
und niemand kann sich dieser Sorge entziehen.
Was aber das Thema Gewalt angeht, hinken wir
beträchtlich hinterher. Damit meine ich, dass die
Verteidigung des menschlichen Lebens und der
elementarsten Menschenrechte auf allgemeiner und
globaler Ebene noch keine Wurzeln geschlagen hat. Immer
noch rechtfertigt man Gewalt als Verteidigungsmittel und
sogar
als
„Präventivmaßnahme“
gegen
mögliche
Aggressionen. Und es sieht nicht so aus, dass man
Entsetzen bei der Massenvernichtung schutzloser Völker
empfindet. Nur wenn die Gewalt unser eigenes Leben in
Form von verbrecherischen Bluttaten streift, sind wir
alarmiert, aber wir verherrlichen nach wie vor die
schlechten Vorbilder, die unsere Gesellschaft und unsere
Kinder von klein auf vergiften.
Offensichtlich haben sich bislang weder die Idee noch die
Sensibilität durchgesetzt, die in der Lage sind, eine tiefe
Ablehnung und einen moralischen Ekel hervorzurufen und
die uns von der Ungeheuerlichkeit der Gewalt in ihren
verschiedenen Formen fernhalten.
Von unserer Seite aus werden wir alle notwendigen
Anstrengungen unternehmen, um die Themen des Friedens
und der Gewaltfreiheit in der Gesellschaft nachhaltig zu
verankern, und es ist offensichtlich, dass die Zeit kommen
wird, in der sowohl individuelle als auch MassenReaktionen ausgelöst werden. Das wird der Augenblick
sein, in dem unsere Welt eine radikale Veränderung
erfahren wird.
Zum Abschluss meiner kurzen Rede möchte ich auf die
„Charta für eine Welt ohne Gewalt“ zurückkommen, die von
den Friedensnobelpreisträgern und den mit dem
Friedensnobelpreis
ausgezeichneten
Organisationen
verfasst wurde, um ihre Vorschläge im Verlauf des
Weltweiten Marsches für Frieden und Gewaltfreiheit
voranzutreiben. Es wird uns eine große Ehre sein, ihre
Grundsätze
in
den
konkreten
Aktionen
des
gesellschaftlichen Handelns mit anderen zu teilen, die uns
mit Sicherheit in die erwähnte neue Welt führen werden.
Das war alles, vielen Dank.
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