Zu den Höhepunkten meines kleinbürgerlichen Daseins gehört die Parade zum Christopher-Street-Day in Stuttgart. Sie bildet den Abschluss einer jährlichen Aktionswoche und ist immer ein Erlebnis! Am Samstag, den 1. August wälzt sich nun zum 10. Mal der bunte Zug durch die Innenstadt. Wer nicht nur als Zuschauer der „Anderen“ im Regen der Kamellen und Kondome stehen und die Fassade von schrill und shocking bestaunen möchte, sollte beim Aufbau des Zuges durch die Böblinger Straße spazieren. Hier ist noch Zeit für kleinere Begegnungen und ruhiges Beobachten: Da sind die Cheerluders vom Sportverein Abseitz, die ihr Tänzchen mit den gelben Puscheln proben. Da ist die Schwulengruppe Schwäbisch-Hall – selbstironisch provinziell in karierten Wanderhemden. Da sind die homosexuellen Polizisten, die schwulen Väter, die lesbischen Lehrerinnen. Es gibt bunte Paradiesvögel und finstere Bürgerschrecks. Und es gibt eine Menge normales Leben, auch wenn es in allen Regenbogenfarben schillern kann. Mische Tun mit Nichtstun! Eigentlich ist das Leben gar nicht so kompliziert. Wer aufmerksam durch die Welt geht, begegnet kleinen Weisheiten und hilfreichen Ratschlägen auf Schritt und Tritt. Wer den Ihre Spur zieht sich allerdings von Westen nach Osten, zumindest wenn man von den verschiedenen umgangssprachlichen Benennungen ausgeht. So brachten sie die französischen Soldaten Ende des 15. Jahrhunderts aus Italien mit und nannten sie "italienische Krankheit". Von Frankreich kam sie nach Deutschland und hieß dort "französische Krankheit", die Polen nannten sie "deutsche Krankheit" und die Russen übernahmen sie von den Polen als "polnische Krankheit". Diese Benennungen müssen allerdings nicht unbedingt mit dem Lauf der Krankheit durch Europa identisch sein. Hinter der Namensgebung dürften sich auch die Feindseligkeiten widerspiegeln, die zwischen den Völkern herrschten, nach dem Motto: Alles Übel kommt vom westlich lebenden Nachbarn.