2.1.10. Cesare Salvi - Das Europa der Diktatur. Wirtschaftssteuerung

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2.1.10.
Cesare Salvi: Korporativismus und Zivilrecht/ Italien
Workshop „Korporativismus in den Diktaturen Südeuropas“ (24.-27.10.2002)
Der Korporativismus wird als wirtschaftliches Ordnungsmodell dargestellt, das einen
dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus bedeutet. Diese Sichtweise
führt auch im Privatrecht zu ideologischen Wahrnehmungen privatrechtlicher
Institute, die eine Abweichung von traditionellen Konzepten mit sich bringt.
Das zeigt sich auch in den Debatten, von der die Redaktionsarbeiten zum Codice
civile von 1942 begleitet waren. Diese können als Leitfaden für Überlegungen über
die Verbindung des Korporativismus zum italienischen Zivilrecht herangezogen
werden.
In dieser Zeit standen sich zwei Thesen gegenüber. Eine davon, man kann sie als
«revolutionär» bezeichnen, sah im Codice civile ein rein technisches
Instrumentarium, das den juristischen Prinzipien des Korporativismus untergeordnet
war. Die «traditionalistische» Auffassung sah in der Kodifikation das Produkt einer
grundsätzlich unveränderlichen privatrechtlichen Logik, die römisch-rechtlichen
Kategorien verpflichtet war. Der Korporativismus sollte dabei, obwohl er als
bedeutsame Neuerung des Regimes anerkannt war, außer Acht gelassen werden.
Es setzte sich aber eine dritte Auffassung durch. Tatsächlich war der Codice kein
revolutionärer Normenkomplex, unterschied sich aber dennoch grundlegend von
liberalen Kodifikationen, da er auf eine innovative Verknüpfung von Privatrecht und
öffentlichem Recht auf dem Gebiet der Wirtschaftsregelung setzte. Das Gesetz
enthielt in mehreren Abschnitten ausdrückliche Hinweise auf das korporative Recht.
Darüber hinaus verwirklichte er die Vereinigung von Zivilrecht, Handelsrecht und
Arbeitsrecht in seinem fünften, der «Arbeit» gewidmeten Buch. Schließlich wurden im
Codice civile Verweise auf wirtschaftslenkende, interventionistische Vorschriften
untergebracht.
Aus diesen Faktoren kann man insgesamt schließen, daß die italienische
Zivilkodifikation von 1942 eine Neuheit gegenüber der traditionell individualistischen
und privaten Ausrichtung des Zivilrechts darstellte. Die herkömmlichen Institute des
Privatrechts, wie subjektives Recht, Vertrag, Eigentum und Unternehmen, wurden in
den
Rahmen
einer
gemischten
Wirtschaftsverfassung
mit
starken
interventionistischen Elementen eingefügt. In diesem Sinne steht der Codice von
1942 in organischem Zusammenhang mit der Reaktion des Regimes auf die Krise
von 1929 und auf die neuen Verhältnisse zwischen Masse und Institutionen. Die
Antwort des Regimes folgte der Logik eines organisierten Kapitalismus, in dem die
privat- und eigentumsrechtlichen Grundlagen des Systems zwar nicht in Frage
gestellt, jedoch in einen Zusammenhang eingeordnet wurden, in dem der Staat in
letzter Instanz die Entscheidungsgewalt über das System inne hatte.
Insgesamt erkennt man Merkmale einer Rechtskultur und einer juristischen Praxis
mit starker theoretischer und operativer Autonomie. All das wurde von der
Rechtskultur der Nachkriegszeit verkannt und erst von der neueren Rechtslehre ans
Licht gebracht.
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