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Sonntag
„Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“ hat wirklich ein schlauer
Mensch gesagt. Er hieß Ludwig Wittgenstein und war Philosoph. Ludwig hatte einen
kleinen Bruder, Paul, der 1887 in Wien geboren wurde und 1961 in der Nähe von New
York gestorben ist. Zuhause in Wien bei Familie Wittgenstein wurde viel musiziert. Der
Vater spielte aus Vergnügen Horn und Geige, die Mutter war Pianistin, dazu Ludwig mit der
Klarinette, Paul am Klavier und sechs weitere Geschwister mit ihren Lieblingsinstrumenten.
Ab und zu waren auch die berühmtesten Komponisten dieser Zeit bei Familie Wittgenstein
eingeladen, zum Beispiel Johannes Brahms, Gustav Mahler und Arnold Schönberg. Paul
liebte die Musik sehr, und zwar so sehr, dass er später Pianist wurde. Er ist ein ganz besonderer Pianist geworden, einer, der ganze Konzerte nur mit der linken Hand gespielt hat.
Nachdem er 1915 im Krieg seine rechte Hand verloren hatte, wollte er nicht mit dem
Klavierspiel aufhören und bat zahlreiche Komponisten, Konzerte und Kammermusikwerke
für seine linke Hand zu schreiben. Einer dieser Komponisten war 1931 auch der Russe
Sergej Prokofjew, dessen musikalisches Märchen „Peter und der Wolf“ oft in Kinderkonzerten gespielt wird.
978-3-8371-3416-2
(P) & (C) 2016 Random House Audio. © 2016 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München. Regie: Rotraud Tannous. Aufnahme und Schnitt: Antje
Reichmann, ProfiTon Studio, München. Musikauswahl und -schnitt, Mastering: Theresia Singer, headroom sound production, Köln.
Musik: Ludwig van Beethoven: Symphony No. 6 Pastoral – Allegro, Allegro „The Storm“, Allegretto, aus: Beethoven – Symphonies No. 6 Pastoral
and No. 8. Wolfgang Amadeus Mozart: Symphony No. 40 in G Minor K550 4th Movement, aus: Mozart – Symphonies No. 32, 40 & 41.
Hildegard von Bingen: Ave generosa, aus: Choral and Sacred 1. Christoph Willibald Gluck: Ballett of the blessed spirits, aus: Wedding Music.
Niccolò Paganini: The Campanella Op. 7, aus: Costume Drama 1. Niccolò Paganini: Sonata No. 6 in A-Minor for Violin & Guitar, aus: Classical
Edits 4. Jeff Ford, Mike Esneault: Home to New Orleans und Beignet Cakewalk, aus: N’awlins. G. Tommaso: Sugar Daddy, aus: Silent Movie
Era. Eric Gemsa, Rolando Tambin, Terry Lipton: Tin Pan Blues, aus: The Century of Women – Retrospective. Johann Sebastian Bach: Toccata
and Fugue in D minor BWV 565, aus: Classical Jingles 156 Cuts Vol. 1. By courtesy of Universal Publishing Production Music GmbH.
Carl Stamitz: Clarinet Concerto No. 10 in B-Flat Major, III. Rondo – Poco allegro, aus: C. Stamitz: Clarinet Concertos Vol. 2. Christoph Willibald
Gluck: Orphée et Euridice, Act II Scene 1: Danse des Furies; Act III Scene 1: Recitative: Quelle epreuve cruelle!; J‘ai perdu mon Euridice, aus:
Ch.W. Gluck: Orphée et Euridice. Arnold Schönberg: Suite for Piano, Op. 25, I. Prelude, aus: Schoenberg / Berg / Webern: Piano Music. Joe King
Oliver: West End Blues, aus: Louis Armstrong: Heebie Jeebies (1925-1930). Claude Debussy: La mer, No. 1. De l’aube à midi sur la mer; No. 3.
Dialogue du vent et de la mer, aus: C. Debussy: Orchestral Works. Mit freundlicher Genehmigung von NAXOS Deutschland.
Illustrationen und Umschlaggestaltung: Leonard Erlbruch. Grafische Adaption & Cover-Design: das buero, Nils Becker, Düsseldorf.
Gesamtspielzeit: ca. 4 Std. 47 Min.
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Kerstin Unseld
Man sieht auch mit den Ohren gut – Eine kleine Reise in die Musik
Noch mehr Geschichte(n) zu den Lieblingsmusiken von Mathis und Muks:
Samstag
Ludwig van Beethoven (1770-1827) wurde in Bonn geboren und verbrachte die meiste Zeit
seines Lebens in Wien. Er war ein freiheitsliebender Mensch, aber auch etwas mürrisch und
zänkisch. Lange hielt er es nirgends aus und ist allein in Wien über 50 Mal umgezogen. Er,
der immer in der Stadt lebte, liebte die Natur und spazierte gerne im Freien. Als Ludwig van
Beethoven 38 Jahre alt war, schrieb er eine Sinfonie, der er einen besonderen Namen gab:
„Pastoral-Sinfonie oder Erinnerungen an das Landleben“. In dieser Sinfonie klingen Motive wie
Vogelrufe oder das Plätschern eines Baches, wie ein Gewitter oder wie die Schritte des Wanderers. Aber Ludwig van Beethoven wollte mit seiner Musik keine Landschaft ‚malen‘, sondern
nur jene Gefühle in Musik setzen, die ein Erlebnis in der Natur auslöst: „Wer auch je nur eine
Idee vom Landleben erhalten, kann sich ohne viele Überschriften selbst denken, was der
Komponist will“, notierte Ludwig van Beethoven in der Partitur. Jeder soll also selbst heraushören, was Beethovens Musik ausdrückt. Apropos Hören: Als Ludwig van Beethoven diese
Sinfonie schrieb, konnte er fast nichts mehr hören. Jahr für Jahr wurde er schwerhöriger, bis
er schließlich taub war. Seine Musik konnte er nur noch fühlen, was ihn nicht daran hinderte,
weiter bedeutende Werke der Wiener Klassik zu komponieren.
Ludwig van Beethoven: Allegro (Gewitter und Sturm) und Allegretto (Hirtengesänge – Frohe und dankbare Gefühle nach dem
Sturm), aus: Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68.
Claude Debussy: De l’aube à midi sur la mer – très lent (1. Satz), aus: La mer, trois esquisses symphoniques pour orchestre
(hier als Motiv der Zauberflasche „La Mer“).
1777 oder: Die Erfindungen des Kapellmeisters Stamitz
Carl Philipp Stamitz (1745-1801) kam in Mannheim auf die Welt. Kurz davor war sein Vater
Johann Wenzel Stamitz dort Instrumentalmusikdirektor im Dienst des Kurfürsten Carl Theodor
von der Pfalz geworden. In Mannheim gab es nämlich ein kleines Orchester – früher sagte
man dazu Hofkapelle –, das Vater Stamitz zum berühmtesten in ganz Europa gemacht hat. Als
hervorragender Geigenspieler achtete er in der Hofkapelle streng auf die Disziplin aller Geigen-, Bratschen- und Violoncello-Spieler. Johann Stamitz gilt als der Gründer der berühmten
„Mannheimer Schule“. Damit ist keine Schule im eigentlichen Sinn gemeint, sondern die Art,
wie in der Klassik Sinfonien gespielt wurden. Johann Stamitz hat damals das klassische Sinfonieorchester, wie wir es heute kennen, „erfunden“. All das Wissen um Orchesterdisziplin,
Sinfonie-Sätze und den neuen Musikstil der Mannheimer Schule hat er dann seinem Sohn Carl
weitergegeben, der schon als Kind bei ihm Geige und Cello gelernt hat.
Zu den „Erfindungen“ von Johann Stamitz gehört auch, dass Klarinetten im Orchester mitspielen
durften. So bekamen Johann Michael Quallenberg und Thaddäus Hampel, zwei kurfürstliche
Klarinettenspieler, eigene Orchesterstimmen. Heute gehört die Klarinette selbstverständlich in
ein Sinfonieorchester – aber damals war das eine Sensation.
Die Mannheimer Schule war so berühmt, dass auch der junge Wolfgang Amadeus Mozart
1777 auf einer Reise von Salzburg nach Paris hier Station machte und sich das Orchester
anhörte. Er war davon restlos begeistert und hat sich viele Neuerungen der Mannheimer
Schule für seine eigene Musik abgeguckt, zum Beispiel die Klarinetten und auch die berühmten
„Mannheimer Raketen“, mit denen das Finale, also der letzte Satz seiner g-Moll-Sinfonie, startet.
Wolfgang Amadeus Mozart: Finale. Allegro assai, aus: Sinfonie Nr. 40 g-Moll KV 550 (hier als „Mannheimer Raketen“
in der Orchesterprobe).
Carl Stamitz: Rondo. Poco allegro, aus: Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 10 B-Dur.
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1170 oder: Schwester Hildegards geträumte Lieder
1774 oder: Ein Ritter, ein Möchtegernhöllenhund und noch mehr Opernspuk
Hildegard von Bingen (1098-1179) trägt ihren Namen nach jenem Kloster, das sie um das
Jahr 1150 in der Nähe von Bingen auf dem Rupertsberg gegründet hat. Sie lebte dort als
Benediktiner-Nonne und wurde später heiliggesprochen. Im Jahr 1170 war Hildegard schon
eine alte Frau und weit über ihr Kloster hinaus berühmt. Sie war sehr gebildet und interessierte
sich nicht nur für Musik, sondern auch für Medizin, für die Natur, für Heilkunde und Philosophie,
natürlich für alle Fragen zu Gott, aber auch für Kosmologie, also für den Himmel und die
Sterne. Damit war sie in ihrer Zeit, dem Mittelalter, wirklich eine besondere Frau.
Jeder Opern-Komponist braucht zu allererst eine spannende Geschichte. Diese vertont er, das
heißt, er komponiert seine Musik so, dass die Handlung auf der Bühne gesungen und gespielt
werden kann. Manchmal ist eine Geschichte so großartig, dass sie von verschiedenen Komponisten in verschiedenen Zeiten vertont wird. So geschehen bei der alten, griechischen Sage um
Orpheus und Eurydike. Und wie die meisten Opern erzählt auch diese von einer großen Liebe:
Als seine geliebte Eurydike an einem Schlangenbiss stirbt, bittet Orpheus die Götter, ihm seine
Frau zurückzugeben. Mit seinem schönen Gesang besänftigt Orpheus die wilden Tiere und
Geister der Unterwelt, und tatsächlich erlauben ihm die Götter, Eurydike wieder ins Leben
zurück zu führen. Allerdings darf er sich beim Gang aus der Unterwelt nicht nach ihr umdrehen.
Leider schafft er das nicht, und Eurydike muss für immer in der Unterwelt bleiben. Der erste,
der über diese alte Sage eine Oper komponiert hat, war 1607 der Italiener Claudio Monteverdi.
Seine barocke Oper „Orfeo“ gilt als die erste Oper der Musikgeschichte.
„Ave generosa” stammt aus einer Liedersammlung von Hildegard, die sie „Symphonie der
Harmonie der himmlischen Erscheinungen“ nannte. Hildegard erzählte, dass Gott ihr diese
Lieder im Traum geschickt habe. Es sind geistliche Lieder, und sie handeln von Gott und Hildegards tiefem Glauben. Hildegard schrieb ihre Liedtexte selbst und zwar, wie damals üblich,
in lateinischer Sprache. „Ave generosa” heißt übersetzt „Sei gegrüßt, o edle Jungfrau“. Gemeint
ist damit die Jungfrau Maria, die Mutter Jesu Christi.
Im Mittelalter hat man Noten nur auf vier Linien geschrieben, und zwar als kleine eckige Zeichen,
die Neumen heißen. Zu Hildegards Zeit wurden Gesänge in der Kirche einstimmig und ganz
ohne die Begleitung von Musikinstrumenten gesungen.
Hildegard von Bingen: Ave generosa, aus: Symphonia harmoniae caelestium revelationem.
Christoph Willibald Ritter von Gluck (1714-1787) komponierte 1762 „Orfeo ed Euridice“ mit
italienischem Text für das Opernhaus in Wien. Zwölf Jahre später überarbeitete er seine Oper
für eine Aufführung auf Französisch in Paris. Jetzt nannte er sie natürlich „Orphée et Euridice“
und fügte – ganz nach dem Geschmack des Publikums in Paris – mittendrin eine Ballettmusik
ein. In diesem Ballett erklingt die berühmteste Melodie der Oper, der „Reigen seliger Geister“.
Weil in der Zeit der Frühklassik die Opernbesucher übrigens nicht gerne einen traurigen Opernschluss sahen, geht die Geschichte in der Oper von Christoph Willibald Gluck gut aus: Amor,
der Gott der Liebe, eilt herbei und rettet die beiden Liebenden.
Christoph Willibald Gluck „Danse des Furies“ (1. Szene, 2. Akt), „Ballet des Ombres heureuses“ (2. Szene, 2. Akt),
„Quelle epreuve cruelle!“ (1. Szene, 3. Akt) und „J‘ai perdu mon Euridice“ (1. Szene, 3. Akt), aus: „Orphée et Euridice“,
Oper in 3 Akten.
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1876 oder: Onkel Ole Superstar
1920 oder: Was die zwölf Mokkatassen der Frau Schönberg mit Musik zu tun haben
Die Zeit der Romantik war die Zeit der Superstars auf den Konzertbühnen Europas. Früher
sagte man natürlich nicht „Superstar“. Damals sagte man: Virtuose. Das Publikum feierte
diese Virtuosen, die auf ihren Instrumenten besonders toll spielen konnten. Und weil sie Stücke
spielen wollten, die rasend schwer und sehr effektvoll waren, komponierten sich die Virtuosen
diese Stücke kurzerhand selbst. Der berühmteste Geigen-Virtuose war der Italiener Niccolò
Paganini. Er würde spielen „wie der Teufel“, sagten die Leute damals. Auf langen Reisen fuhr
er durch ganz Europa, und wenn er irgendwo auftrat, tobte das Publikum vor Begeisterung.
1831 hörte ihn der junge norwegische Geiger Ole Bull (1810-1880) in einem Konzert in Paris
und begann sofort, Stil und Technik von Paganini nachzumachen. Ole Bull hatte schon mit
neun Jahren begonnen, Geige zu spielen. Aber als er Paganini gehört hatte, wusste er, dass er
auch ein gefeierter Geigenvirtuose werden wollte. Es sollte ihm fast gelingen, zumindest nannte
man ihn später „den Paganini des Nordens“. Auch Ole Bull komponierte sich seine Stücke, mit
denen er als Superstar brillieren konnte.
Mit neun Jahren schrieb Arnold Schönberg (1847-1951) seine ersten Musikstücke. Komponieren hatte er sich selbst beigebracht und schrieb, was damals in Wien gerade Mode war,
nämlich Märsche und Polkas. Sein Vater starb früh, daher musste Arnold Schönberg zunächst
einen Beruf zum Geldverdienen erlernen und wurde Bankangestellter. Sein Traum, Musik zu
schreiben, ließ ihn aber nie los. Wien war um 1890 eine lebendige Musikstadt und voller
berühmter Komponisten: Johannes Brahms lebte hochbetagt und hochverehrt, Gustav Mahler
dirigierte neben seinen eigenen Sinfonien viele berühmte Opern und auch der „Walzer-König“
Johann Strauss spielte auf den eleganten Wiener Bällen seine Tänze und Operetten-Melodien.
Ole Bull verbrachte viel Zeit auf Konzertreisen in Europa und Amerika. Aber immer plagte ihn
das Heimweh nach Norwegen. Er wollte in seiner Heimat ein gemütliches Zuhause haben –
und kaufte kurzerhand eine eigene Insel! Dort, auf der Insel Lyso/ y (was soviel heißt wie:
Lichtinsel) baute er seine berühmte Villa in gotisch-arabischem Stil. Allzu oft war Ole Bull
nicht auf seiner Insel, denn rastlos reiste er durch die Welt. Nachdem er im Februar 1876 von
Bremen nach Ägypten gefahren war, erinnerte er sich dort an ein Versprechen, das er dem
schwedischen König gegeben hatte. Der meinte nämlich, dass noch kein Virtuose je auf der
höchsten Pyramide der Welt gespielt habe. Ole Bull wollte diese Schnapsidee des Königs
umsetzen, bestieg die Cheopspyramide mit einer seiner teuren Geigen unterm Arm und spielte
oben auf der Spitze.
Niccolò Paganini: Rondo à la clochette, aus: Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 h-Moll op. 7
Niccolò Paganini: Sonate Nr. 6 in a-Moll für Violine und Gitarre.
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Arnold Schönberg aber wollte etwas Neues in der Musik „erfinden“. Er suchte sich einen
Kompositionslehrer, Alexander Zemlinsky, und verliebte sich unsterblich in dessen Schwester
Mathilde. Ihre Kinder Gertrud (genannt Trudi) und Georg (Spitzname Görgel) waren gerade
geboren, als Arnold Schönberg mit ersten Kompositionen bekannt wurde und selbst Kompositionslehrer wurde. Noch schrieb er in der Art, wie man damals um die Jahrhundertwende
komponierte, nämlich in klangvoller, traditioneller Harmonik von Dur und Moll. Aber bald
schon genügte ihm das nicht mehr. Das „Neue“ sollte anders klingen. Als Görgel 14 Jahre alt
war, erfand sein Vater die Methode der „Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen
Tönen“. Diese Zwölftontechnik gilt als ein wichtiger Wendepunkt in der Musikgeschichte.
Denn mit ihr lösten sich Harmonielehre-Gesetze auf, die Jahrhunderte lang gültig gewesen
waren. Die Zwölftontechnik ist der Beginn dessen, was heute „Neue Musik“ heißt.
Bei der Zwölftontechnik gibt es immer eine Zwölftonreihe, also eine Folge von zwölf Tönen,
wobei keiner der Töne einer Oktave sich wiederholen darf. Diese Reihe wird dann in ihrer ursprünglichen Folge gespielt, sie kann in der Umkehrung erscheinen (das heißt jeder Schritt
von einem Ton zum nächsten erfolgt in umgekehrter Richtung: eine Terz z.B. nicht nach oben,
sondern nach unten), oder die Reihe erklingt als Krebs (Görgel spielt es Mathis so vor, indem
er die Ursprungsreihe quasi von rückwärts liest). Es gibt noch ein paar andere Möglichkeiten,
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die Zwölftonreihe zu verändern. Weil man die Zwölftontechnik etwas schneller versteht, wenn
man in die Noten schauen kann, gibt es hier einen Blick auf die Reihe der Klaviersuite op. 25,
die Arnold Schönberg 1920 komponierte.
Arnold Schönberg: I. Präludium, aus: Suite für Klavier op. 25.
1928 oder: Louis ist der King
Wie aus Louis Armstrong (1901-1971) später der „King des Jazz“ wurde, ist eine unglaubliche
Geschichte. Er wurde in New Orleans in ärmlichsten Verhältnissen geboren, mit sieben Jahren
musste er Zeitungen verkaufen, um über die Runden zu kommen. Mit zwölf ballerte er mit
dem Revolver seines Onkels und kam in eine Besserungsanstalt für obdachlose schwarze Jugendliche. Doch genau dort begann seine Karriere als Musiker. Denn in der Anstalt lernte er
schnell, Kornett (ein Horn-Instrument, das aussieht wie eine Trompete) zu spielen. Mit 17
Jahren schlug er sich als Trompeter in verschiedenen Bands durch, spielte auf einem Mississippi-Dampfer für Passagiere oder in den Spelunken von New Orleans. 1925 gründete er mit
seiner Frau Lil und anderen Musikern die Band „Hot Five“ und nahm in den Jahren danach
viele Schallplatten auf. Diese Aufnahmen zählen bis heute zu den Meilensteinen der Jazzgeschichte. 1928 nahm Louis Armstrong mit „Hot Five“ auch den West End Blues auf, den
Jazzkritiker zur Jazzplatte des Jahrhunderts wählten. In den 1930er-Jahren gab es plötzlich
eine neue Möglichkeit, Musik zu hören: das Radio. Und so verbreitete sich die Musik von
Louis Armstrong blitzschnell in den USA und später auch in Europa. Louis Armstrong, der
bedeutendste Jazz-Instrumentalist aller Zeiten, beeinflusste mit seinem Stil alle Trompeter im
traditionellen Jazz. Er hatte übrigens einen lustigen Spitznamen: Satchmo, was soviel heißt
wie „Taschenmund“. Wer einmal ein Foto von Louis Armstrong gesehen hat, weiß, warum die
Leute ihn so nannten, denn er hatte einen riesengroßen Mund – und beim Trompetespielen
kugelrunde Backen.
Seinen enormen Ruhm setzte Louis Armstrong, der ein engagierter Gegner der Rassentrennung
war, auch ein, um für Afro-Amerikaner in den USA Menschen- und Bürgerrechte zu fordern.
Joe „King“ Oliver: West End Blues (in einer Aufnahme mit Louis Armstrong und den „Hot Five“ aus dem Jahr 1928) und
weitere Jazz-Stücke aus dieser Zeit.
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La Mer
Die Königin der Instrumente
Claude Debussy (1862-1918) liebte das Meer. Als Kind besuchte er in den Ferien seine Patentante in Cannes an der französischen Mittelmeerküste und spielte dort den ganzen Sommer
über am Strand. Schmunzelnd sagte er später: „Sie wissen vielleicht nicht, dass ich der schönen
Laufbahn eines Seemanns bestimmt war, und dass nur die Zufälle des Lebens mich davon
abgebracht haben.“ Zum Glück ist Claude Debussy nicht Seemann, sondern Komponist geworden. Denn so konnte er seine große Liebe zum Meer in einem ganz besonderen Musikstück
ausdrücken. In seinem Stück „La Mer“ verwandelte Claude Debussy die Klänge des Meeres in
Klänge von Musikinstrumenten. Eigentlich hat das Stück einen viel längeren Namen und
heißt: „La Mer, trois esquisses symphoniques pour orchestre“, was übersetzt heißt: „Das Meer,
drei symphonische Skizzen für Orchester“. Claude Debussy nennt sein Stück „Skizzen“, also
Zeichnungen vom Meer. Seine Farben sind aber keine Malkreiden, sondern die Farben des
Orchesters. „Gezeichnet“ bzw. komponiert hat er in den Jahren zwischen 1903 und 1905, das
ist eine Zeit, in der man in der Musikgeschichte vom „musikalischen Impressionismus“
spricht. Damit taucht wieder ein Wort aus der Malerei auf. An Bildern von Claude Monet oder
Édouard Manet kann man den Impressionismus gut sehen. Diesen Malern ging es darum,
Licht und Atmosphäre eines Moments mit flüchtigen Pinselstrichen festzuhalten. Die strengen
Regeln der Kunstakademie waren ihnen dabei egal. Auch Claude Debussy wollte hörbare „Klangund Farbkunst“ schaffen, indem er die Atmosphäre eines Moments einfing. Und auch ihm
waren dabei die strengen Kompositionsregeln, die er seit seinem 10. Lebensjahr am Pariser
Konservatorium gebüffelt hatte, herzlich egal. Für ihn zählte nur der Klang: mal neblig dumpf, mal
wild bewegt, mal silbrig schimmernd, mal ruhig plätschernd, mal stürmisch fließend.
Welchen Zustand des Meeres er in seinen drei Orchesterskizzen beschreibt, hat Claude Debussy
genau benannt: „Morgengrauen bis Mittag auf dem Meer“, „Spiel der Wellen“, und „Zwiegespräch zwischen Wind und Meer“.
Wolfgang Amadeus Mozart war mit der Kutsche oft auf Reisen, gab Konzerte und besuchte
Musiker. Aber er besuchte besonders gerne auch berühmte Orgeln und spielte darauf zu seinem
Vergnügen. Seinem Vater Leopold Mozart erzählte er von all seinen Erlebnissen und schrieb
1777 in einem Brief: „Die orgl ist doch in meinen augen und ohren der könig aller instrumenten.“
Wolfgang Amadeus Mozarts Spitzname „Königin der Instrumente“ ist der Orgel bis heute geblieben. Und in der Tat ist sie auch ein Instrument, das so majestätisch laut tönen kann und
so wunderbar reich an Klängen ist, dass sie diesen Namen verdient. Sie ist so groß, dass man
sogar in sie hineinklettern kann (manche Orgeln können über 20 Meter hoch sein) und steht
meistens in der Kirche weit oben auf einer Empore. Eine Orgel besteht aus Hunderten von
großen und kleinen Pfeifen, die angeblasen werden, indem ein Organist mit Händen und Füßen
auf Tasten unterschiedliche Töne anschlägt bzw. natürlich mit einer sogenannten Windlade
anpfeifen lässt. Wie bei einer riesigen Juke-Box kann der Organist außerdem verschiedene
Register-Knöpfe ziehen und sich Klänge wünschen. Mit diesen Registern wählt er aus, welche
Pfeifen, d.h. welche Klangfarben, zu hören sind.
Claude Debussy: Dialogue du vent et de la mer – animé et tumultueux (3. Satz), aus: La Mer, trois esquisses symphoniques
pour orchestre.
Johann Sebastian Bach: Toccata und Fuge für Orgel d-Moll BWV 565.
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In der Zeit des Barock entstanden viele schöne Kompositionen für Orgel. Ein Komponist, der
besonders gerne für die „Königin der Instrumente“ schrieb, war Johann Sebastian Bach
(1685-1750). Er war selbst ein hervorragender Organist und liebte es, auf einer Orgel zu improvisieren. Dazu spielte er mit einer Melodie frei und virtuos, verzierte und veränderte sie
nach seinen Wünschen und seinem Können. Johann Sebastian Bach hat viele bedeutende
Orgelwerke komponiert, manche für den Gottesdienst in der Kirche, manche für ein Konzert.
Auch in unserer Zeit werden Johann Sebastian Bachs Orgelwerke oft gespielt, und bestimmt
hat auch Herr Krause für Mathis und Muks eines davon gespielt, denn Johann Sebastian Bach
ist sein Lieblingskomponist.
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