08.01.14 14:16 Seite 1 Ausgabe 1/2014 (Januar/Februar) · EUR 6,00 (DE) · E-14205 eurowinds Performance Bw-musix • orchestertreffen 60+ Praxis Lerntechnik – optimale Bedingungen schaffen Portrait musikzug ennest • tim sprenger mit großem Länderteil Bläsermusik in europa Deutschland EUR 6,00 · Österreich / Italien / Spanien / Benelux EUR 7,00 · Schweiz CHF 9,00 eurowinds.de 0114_ew_Heft_1d_Heft 08.01.14 14:17 Seite 4 J a nuar / Februar 2014 in halt 0114_ew_Heft_1d_Heft 12 20 14 40 26 26 22 Portrait Standards 01 Titelfoto 14 Martin Frutiger, Englisch Horn 03 05 06 08 09 13 60 62 64 65 4 Editorial 20 Termine Deutschland Musikzug Ennest Von der Feuerwehrkapelle zum Sinfonischen Blasorchester 22 Euro-News Termine international 24 »In Berlin habe ich meinen eigenen Klang gefunden« Impressum Foto des Monats Martin Frutiger Performance Bw-Musix Der Jugendorchesterwettbewerb in Balingen will mehr Beteiligung in den höheren Kategorien 26 Orchestertreffen 60+ »Wir Senioren können was«! war das Motto des ersten Senioren orchestertreffens in Bad Kissingen Tim Sprenger Ein ganzes Dutzend abseits des Mainstreams 66 WASBE Aurel Manciu Was macht eigentlich ... ? 44 Konzert-Highlights in Kürze Sektion Schweiz • Seminar Programmgestaltung Termine Professionals • mit Thomas Ludescher Kurt Widorski ist Sieger des Kompositionswettbewerbs Termine Ausbildung Inserentenverzeichnis eurowinds · Januar/Februar 2014 0114_ew_Heft_1d_Heft 08.01.14 14:17 Seite 5 impressum ››› Impressum eurowinds – Bläsermusik in Europa August-Lämmle-Straße 50 D-72658 Bempflingen Verlagsadresse/Herausgeber media team musik Verlags-GmbH August-Lämmle-Straße 50 D-72658 Bempflingen Tel. 0 71 23 / 97 38 15-0 Fax 0 71 23 / 97 38 15-15 Redaktionsleitung Gerhard Tenzer Tel. 0 71 23 / 97 38 15-0 Fax 0 71 23 / 97 38 15-15 eMail: [email protected] 12. – 15. 3. 2014 Spirit of music 24 musikmesse.com 40 08 Musik 30 Praxis • Jupiter-Workshops (Teil 21) Verein 46 »Powerplay« ist Koordination der wichtigsten Funktionen 32 • Praxis • Lernpraxis (Teil 3) • • Optimale Bedingungen schaffen 36 Finanzen, Recht & Organisation • Anerkennung im Verein Rezensionen – Mitarbeiter motivieren Spendenpraxis 2014 – Neuregelung überrascht Vereine Vorsicht »Gewerbeauskunft-Zentrale« Jahreswechsel im Verein – der Rückblick aufs Vereinsjahr CD-Besprechungen 40 Branche Länderteil Neuheiten und Neuvorstellungen auf dem Musikmarkt 50 56 55 58 58 eurowinds · Januar/Februar 2014 Deutschland Österreich Südtirol Schweiz Spanien Anzeigenleitung Erni Belella Tel. 0 71 23 / 97 38 15-20 Fax 0 71 23 / 97 38 15-25 eMail: [email protected] Digitale Anzeigenübertragung eMail: [email protected] Vertrieb und Sonstiges »eurowinds« erscheint 6 mal im Jahr als Doppelausgabe und kostet im Jahresabonnement: EUR 36,– (Inland), bzw. 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Veranstaltungstermine ohne Gewähr, Erfüllungsort und Gerichtsstand: Esslingen. 5 08.01.14 14:17 Seite 14 M ar t in Frut iger Po r tra it 0114_ew_Heft_1d_Heft »IN BERLIN HABE ICH 14 eurowinds · Januar/Februar 2014 0114_ew_Heft_1d_Heft 08.01.14 14:17 Seite 15 »Ich komme aus einem musikliebenden Elternhaus und schon relativ früh war klar, daß ich auch ein Instrument spielen würde«, sagt Martin Frutiger. Daß er sich jedoch bereits mit fünf Jahren für die Oboe entschied, ist eher ungewöhnlich. An ein spezielles Schlüsselerlebnis kann sich der aus dem Schweizer Emmental stammende Musiker nicht erinnern. »Aber vermutlich ist diese Liebe über den Klang entstanden, als zuhause Musik gehört wurde«, meint er. Bis zum Alter von zwölf Jahren spielte er klassisch Blockflöte und Klavier, dann rückte die Oboe wieder in den Blickpunkt. »Damals wurde geraten, Instrumente wie Oboe und Fagott erst im Teenager-Alter zu beginnen, der Druck sei beim Blasen angeblich zu hoch. Diese Meinung hat sich heute zum Glück geändert und auch jüngere Schüler können mit der Oboe beginnen«, sagt Martin Frutiger. »Diese pädagogische Sorgfalt hat mir sehr geholfen« TEXT Sandra Sinsch FOTOS Gerhard Tenzer Die Eltern versuchten, dem Sohn auch die Klarinette schmackhaft zu machen, damit könne er eine größere stilistische Bandbreite abdecken. An der Musikschule Burgdorf nahm Martin denn auch zwei Probelektionen. Aus der Klarinettenstunde kam er heulend heraus. »Der Lehrer war ein toller Typ, aber ich wollte doch nicht Klarinette, sondern Oboe spielen«, lacht er. Zum Glück konnte er sich auch für den Oboenlehrer begeistern und so konnte es endlich losgehen mit dem Trauminstrument. »Hanspeter Thomann war und ist ein ausgezeichneter Lehrer; es ist so entscheidend für die weitere Entwicklung, gleich zu Anfang an einen guten Pädagogen zu geraten. Mein Oboenlehrer war ein sehr ruhiger Mensch, der sich nach dem Vortrag stets eine Bedenkzeit nahm, aber dann einen absolut treffsicheren Kommentar abgab. Diese pädagogische Sorgfalt hat mir sehr geholfen und gut getan«, sagt Martin Frutiger. Po r tra it M Martin Frutiger und das Englisch Horn – das war eine frühe Liebe. Nach Lehr- und Wanderjahren in der Schweiz und Deutschland, die unter anderem zur Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker führten, hat es den Emmentaler zurück in die Heimat verschlagen. Seit zehn Jahren ist Frutiger Solo-Englischhornist im Orchester der Tonhalle Zürich. Eine echte Traumstelle mit seinem Trauminstrument, dem er nun mit »Music for Cor Anglais« auch eine komplette Solo-CD gewidmet hat. In den Orchestern der Umgebung war Martin Frutiger bald ein gefragter Spieler und gestaltete zusammen mit seiner Mutter an der Orgel auch so manchen Gottesdienst, kurzum, er sammelte musikalische Erfahrungen aller Art. Die Initialzündung war jedoch die Teilnahme am Schweizerischen Jugendmusikwettbewerb, ein ähnlich wie »Jugend musiziert« konzipierter Wettbewerb. »Bei uns auf dem Land war ich als Oboist immer außer Konkurrenz gelaufen, ich ging völlig unbefangen und hochmotiviert zum Wettbewerb – und haben gewonnen. Da wußte ich, die Oboe wird mein Beruf«, erinnert er sich. Er entschloß sich, gleich mit dem Studium zu beginnen, wiewohl es zur Matura noch zwei Jahre waren. Ein Vorstudium, wie es heute für talentierte Jugendliche parallel zur Schule üblich ist, gab es damals noch nicht. Die Devise lautete ganz oder gar nicht, und so holte sich Martin Frutiger vom Rektor am Gymnasium die Erlaubnis ein, das Oboestudium am Berner Konservatorium bei Hans Elhorst beginnen zu dürfen. Der lachte nur und meinte, das hätte an dieser Schule Tradition. Denn die weltbekannte Oboistenlegende Heinz Holliger hatte einst dasselbe Gymnasium wie Martin Frutiger besucht. Fortan war der Tagesablauf des Jugendlichen klar durchstrukturiert. Morgens Schule, nachmittags belegte er Unterricht am Konservatorium, und am Abend übte er oft bis 22 Uhr. Eine anstrengende Gratwanderung zwischen Schule und Studium, die jedoch gut ausging: »Mein Umfeld hat mich für verrückt erklärt, aber ich fand mein Leben damals toll«, meint er. Eine kleine Krise kam, als es nach der Schule ins Vollstudium ging. »Mein Tag war vorher genau durchgeplant gewesen und nun hatte ich nahezu den lieben langen Tag zum Üben zur Verfügung, eine kurze Zeitspanne verhedderte ich mich und wurde ein bißchen ineffizient«, gibt er zu. Doch diese Verwirrung währte nur kurz, bereits im zweiten Studienjahr erspielte Martin Frutiger sich ein Praktikum im Berner Symphonieorchester, spielte sich auch ansonsten quer durch die Schweiz und sammelte eine Menge professioneller Orchestererfahrungen. Nach Lehr- und Konzertdiplom zog es ihn ins Ausland. Professor Ehlhorst wollte ihn nach Freiburg in die Talentschmiede zu Heinz Holliger schicken, doch der hatte kürzlich seine Kapazitäten halbiert und nahm keine neuen Studenten mehr auf. fi MEINEN EIGENEN KLANG GEFUNDEN« eurowinds · Januar/Februar 2014 15 0114_ew_Heft_1d_Heft 08.01.14 14:17 Seite 16 M ar t in Frut iger Po r tra it fi Manchmal entpuppt sich eine scheinbar unglückliche Fügung im Nachhinein jedoch als echter Glücksfall. Denn Martin Frutiger war von der Orchesterschule, wie sie die deutschen Oboisten mit ihrem satten, dunklen Ton pflegen, sehr angetan. Dieses Ausbildungskonzept biß sich auf eine gewisse Weise mit der luftigen, solistischen Oboenschule, wie sie in der Schweiz gelehrt wird und die sich eher an französischen Vorbildern orientiert. Doch Martin Frutiger wollte es wagen und stellte sich der Aufnahmeprüfung in München bei Prof. Günther Passin, einem der Hauptvertreter der traditionellen deutschen Oboistenschule: »Er arbeitete am liebsten mit ›unbefleckten‹, jungen Studenten, die ganz nach diesem Ideal geformt werden konnten. Entsprechend schwer gestaltete sich die Aufnahmeprüfung für das Aufbaustudium. Aber nach langen 40 Minuten mit einem Querschnitt durch das maßgebliche Oboenrepertoire hatte ich den Studienplatz.« Martin Frutiger kam aus einer musikalischen Tradition, die stärker auf Förderung des individuellen Künstlertums setzte und fand sich nun in einem Ausbildungskonzept wieder, das eher einer Handwerksschmiede glich. Noch gut erinnert er sich an sein erstes Klassenvorspiel. Jeden Donnerstag veranstaltete Professor Passin diese Vorspiele, die Reihenfolge war streng hierarchisch geregelt. Das erste Semester fing an, Aufbaustudenten lieferten ihren Vortrag am Schluß ab. »Ich dachte nur, als wir so etwa beim fünften Semester angelangt waren, daß die alle unglaublich gut seien und daß von mir im Aufbaustudium nun erwartet wurde, das zu toppen«, meint er. Martin Frutiger spielte das Oboenkonzert von Bohuslav Martinu; nach seinem Vortrag brachen die Mitstudenten in Gekicher aus, der hellere, flexible Oboenklang des Schweizers kam ihnen vor wie von einem anderen Stern. Das Beste aus allen Schulen mitnehmen Seinen Professor beschreibt Martin Frutiger als freundlichen, aber sehr direkten Menschen. Er brauchte seine Zeit, um zu verstehen, daß sich diese Direktheit nicht gegen ihn richtete, sondern seinem persönlichen Fortkommen diente. »Nach einem halben Jahr etwa fühlte ich mich als Person angenommen, da war das Vertrauen da und unser Verhältnis entwickelte sich zu einem sehr freundschaftlichen«, sagt er. Dennoch hat sich Frutiger nicht komplett auf die deutsche Oboenschule umgestellt. »Natürlich sollte man im Studium erst einmal alles annehmen – aber es heißt auch ausprobieren und seinen eigenen Weg finden. Ich habe für mich das Beste aus allen Schulen mitgenommen und bin individuell geblieben«, erklärt er. Aus Studienzeiten gibt es auch einige Wettbewerbserfolge zu vermelden. So gewann Martin Frutiger den ersten Preis des Oboenwettbewerbs der Internationalen Händelfestspiele und im »Concours National d’Execution Musicale« in Riddes, einen zweiten Preis beim SonyOboenwettbewerb in Tokyo, er war Finalist bei »New Talent«, dem Wettbewerb der Europäischen Rundfunkanstalten. In diese Zeit fallen auch Probespiele. Frutiger hat nur wenige absolviert, diese aber sehr erfolgreich. So erspielte er sich ein zweijähriges Stipendium an der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker. »Es war unglaublich: Ich erlebte das letzte Jahr mit Claudio Abbado und die erste Saison mit Sir Simon Rattle. Auch Berlin selbst war spannend. Während ich nach München zum Unterricht gependelt war, bin ich für die Akademiezeit komplett nach Berlin gezogen. Die Stadt war gerade im Umbruch, das zu erleben war ungemein spannend für mich, genauso wie die Tourneen und Konzerte in der ganzen Welt, zu denen ich mitgenommen wurde«, erzählt er. Die Zeit bei den Berlinern bezeichnet Martin Frutiger heute als den prägendsten Teil seiner Ausbildung. Er traf in den Kollegen dort seine oboistische Traumkombination an, die perfekte Mischung aus deutscher Orchesterschule und solistischer Freiheit. »Dort in Berlin habe ich meinen Klang gefunden«, resümiert er. fi 16 Etüden sind für manche ebenfalls ein Stiefkind. Auch hier gilt es, sich auf die Suche nach der verborgenen Schönheit zu machen. Über lauter Bravourstücken in atemberaubender Geschwindigkeit werden oft langsame Etüden vergessen. Für diese möchte ich eine Lanze brechen. Denn mit ihnen kann man den Atem trainieren sowie Phrasierung und Legato. Das ist genauso wichtig wie Geläufigkeit und Triller. Langsame Etüden nicht vergessen Rohre und Rohrbau sind große Themen für Oboisten. Zum Glück bietet der Handel heute für den Laien eine breite Palette an gut funktionierenden Mundstücken. Ich baue jedoch ausschließlich selbst, da ich das Material zur Verfügung haben will, das tatsächlich funktioniert. Wer seine eigenen Rohre bauen will, kommt um einen guten Lehrer nicht herum. Denn zuerst gilt es, sich auf eine Bauart und -methode einzulassen, bevor man selbst experimentieren kann. Sonst verzettelt man sich leicht und kommt nie zu dem gewünschten Ergebnis. Ein gutes Rohr bauen kann meiner Meinung nach auch nur der, der weiß, wie es sich anfühlt, ein wirklich gutes Rohr zu spielen. Erst wenn man dieses in der Hand, beziehungsweise geblasen hat und seine Wunschvorstellung von Klang und Flexibilität erlebt hat, kann man sich beim Bau an dieses Ideal herantasten. Martin Frutiger Literaturtips oder »Funktioniert meine Atmung?« sind Schlüsselfragen, die auf dem Weg zu einem positiven Gefühl bei rein technischen Übungen helfen können. Frust macht sich auch breit, wenn zu schwere Übungen gewählt werden. Daher sollte man seine Auswahl so treffen, daß beim Spielen jederzeit Selbstkontrolle noch gewährleistet ist. Ich habe mir für meine Praxis ein 20-Minuten-Programm zugelegt, das mich fit in Tonleiterstudien, gebrochenen Akkorden und ausgehaltenen Tönen hält. Das läßt sich selbst in knapp bemessene Übepläne gut integrieren. z Carlo Paessler: 24 Larghi (Ricordi) z Geoffrey Browne: The art of Cor Anglais (Sycamore Publishing) eurowinds · Januar/Februar 2014 n Oboe und Englisch Horn sind Blasinstrumente. Daher muß man sich immer bewußt sein, daß man eine Mittelposition zwischen Sängern und Streichern einnimmt. Bei Sängern spielt sich alles im Inneren des Körpers ab, sie arbeiten nur mit Vorstellung und Gefühl, bei den Streichern hingegen ist alles Technische stets sichtbar. Das Beobachten von beiden Gruppen kann Bläsern helfen, sicherer in ihren Vorstellungen vom Blasen und dem Körpergefühl zu werden. Denn ein Musiker braucht Bilder für das, was innerhalb und außerhalb des Körpers passiert. Ein »klassisches« Übeprogramm auf der Oboe oder dem Englisch Horn startet mit lange ausgehaltenen Tönen. Daran schließt sich ein Tonleiterprogramm an. Das wird von vielen als langweilig empfunden und deshalb werden Tonleitern oft stur heruntergerattert. Doch keine Tonleiter muß langweilig sein, wenn der Musiker bereit ist, die Schönheit in diesen angeblich starren Übungen zu entdecken. Denn beim Üben prägt sich alles ein, das Gute wie das Schlechte. So wird das negative Gefühl, das beim Spielen von Tonleitern entsteht, immer bleiben. »Stehe ich gut?«, »Sitze ich gut?« ››› Übetips von Martin Frutiger • Schönheit der Tonleitern entdecken 0114_ew_Heft_1d_Heft 08.01.14 14:17 Seite 17 Po r tra it »Music for Cor Anglais« • Umfassende Repertoire-Sammlung n »Seit nun zehn Jahren unterrichte ich Englisch Horn an der Zürcher Hochschule der Künste und bin Solo- Englischhornist im Tonhalle Orchester Zürich. Orchesterrepertoire wie Solowerke für dieses Instrument sind sozusagen mein tägliches Brot«, sagt Martin Frutiger. Doch da gibt es ein Problem. Während das Englisch Horn im Orchester auf unzähligen Tonträgern wunderbar dokumentiert ist, klafft im solistischen CD-Repertoire für dieses Instrument, laut Frutiger »der menschlichen Stimme am nächsten«, eine riesengroße Lücke. »Es gibt im europäischen Raum einfach keine umfassende Dokumentation der Solowerke, Oboisten spielen allenfalls einmal ein Werk auf einer CD en passant ein«, sagt Frutiger. Mit »Music for Cor anglais«, das beim Label Guild Music im März 2014 erscheint, aber bereits jetzt schon via Homepage von Martin Frutiger bestellbar ist, hat sich der Künstler einen lange gehegten Traum erfüllt. Denn so umfassend wie Frutiger hat noch niemand das romantische Repertoire für Englisch Horn und Klavier oder Harfe vorgelegt. Seinen orchestralen Siegeszug trat das Instrument, das in Barock und Klassik bereits Vorläufer hat, in den Opern von Giuseppe Verdi an. Der sonore, klagende Klang inspirierte romantische Komponisten, das Englisch Horn an besonders expressiven Stellen einzusetzen. So ist es nicht erstaunlich, daß auch Antonio Pasculli, Kennern bekannt als der »Paganini der Oboe«, Werke für Englisch Horn schrieb. Alle hat Frutiger eingespielt, angefangen mit der »Melodia per Corno Inglese e Pianoforte« bis hin zu den Fan- Fotos: Gerhard Tenzer, Guild Music eurowinds · Januar/Februar 2014 tasien über Themen aus Verdis »Maskenball«. Den Reigen komplettiert die zauberhafte »Omaggio a Bellini«, ein Duett für Englisch Horn und Harfe. Auch beim Komponisten Giovanni Daelli, selbst für Oboisten ein nicht unbedingt geläufiger Name, ist die Oper Trumpf. Über das Leben Daellis ist nur wenig bekannt, doch muß auch er ein profunder Kenner des Instruments gewesen sein. Seine Kompositionen über Motive von Verdi sind denn auch mehr als instrumentale Arrangements der gesanglichen Höhepunkte aus den Opern zu verstehen, bringen aber die Vorliebe für dieses romantische Genre auf den Punkt und haben somit hohen Repertoirewert. Viel Oper verkörpert auch Carlo Yvons Sonate für Englisch Horn und Klavier. Das Werk des Oboisten der Mailänder Scala steht Pate für den geheimen Wunsch Yvons, selbst auf der Bühne zu stehen und mit dem Englisch Horn die Arien »zu singen«, jedenfalls atmet jede Note den Duft des Belcanto. Als Partner bei der Aufnahme standen Martin Frutiger langjährige Kollegen zur Seite. So die Pianistin Petya Mineva, mit der er regelmäßig an der Hochschule der Künste Zürich zusammenarbeitet und Sarah Verrue, Harfenistin im Tonhalle-Orchester Zürich. »Music for Cor Anglais • Giovanni Daelli – Antonio Pasculli – Carlo Yvon« Martin Frutiger (Englisch Horn), Petya Mihneva (Klavier), Sarah Verrue (Harfe) – Guild Music, GMCD7399 – Bezug: www.martinfrutiger.ch 17 08.01.14 14:17 Seite 18 Po r tra it Fortsetzung von Seite 16 M ar t in Frut iger fi Daß es ihn wieder in die Schweiz zurückführen würde, damit hatte Martin Frutiger eigentlich nicht gerechnet. Doch die Stelle als SoloEnglischhornist in der Zürcher Tonhalle war ihm im Grunde schon zu Berner Studienzeiten prophezeit worden. Der auswärtige Experte bei seinem Examen, damals Solooboist der Tonhalle, wies ihn nämlich darauf hin, daß diese Stelle in vier Jahren frei werde. »Irgendwie war ab da in meinem Kopf, daß das meine Stelle werde würde«, lacht er. Viele Oboisten sehen das Englisch Horn nur als Nebeninstrument. Doch Martin Frutiger hatte bereits zu Schulzeiten eine enge Bindung zu diesem weichen, sonoren Instrument der Oboenfamilie. »Das Englisch Horn hat eine fantastische Position im Orchester, es ist sozusagen mittendrin. Wenn ich nach einem Konzert von Zuhörern das Feedback bekomme, die Soli seien tiefgehend und berührend gewesen, freut mich das sehr. Ich bin leidenschaftlicher Orchestermusiker, habe meine Traumstelle und fühle mich mit unserem Repertoire und den Kollegen rundum wohl«, sagt er. Seit knapp zehn Jahren ist er nun Mitglied des Tonhalle-Orchesters, hat abseits vom klassisch-romantischen Repertoire auch Streifzüge in die historische Aufführungspraxis unternommen. »Die Barockoboe kam eher zufällig, weil ein langjähriger Organistenfreund eine bessere Position bekam und nun die Möglichkeit hatte, seine Kirchenmusik auch auf historischen Instrumenten aufzuführen. Da hat das ihm verbundene Ensemble umgesattelt und ich bildete mich auf der Barockoboe weiter, an der Zürcher Hochschule, bei Martin Stadler, im Rahmen eines Zertifikatprogramms. Im Moment liegt die Barockoboe aber auf Eis, das ist etwas, womit man sich schon intensiv auseinandersetzen muß«, faßt er zusammen. Die profunde Auseinandersetzung mit dem Englisch Horn und seinem Repertoire ist jedoch die große Leidenschaft von Martin Frutiger. In Zürich ››› Kurzinterview Musik, die gewalttätige Elemente hat, also ausschließlich über Kraft und Lautstärke operiert. Welche Musik spielen Sie am liebsten? Gute Musik. Es fällt schwer, eine Wahl zu treffen, denn ich mag alles auf seine Weise. Ohne Bach und Mozart geht es jedoch auf keinen Fall. Wie oft kaufen Sie ein Instrument? Alle fünf Jahre. Meine Oboe und mein Englisch Horn sind von Buffet-Crampon, dieser Marke bin ich treu. Welche Musik hören Sie am liebsten? Das ist situationsabhängig. Wenn ich viel musikalische Arbeit hinter mir habe, mag ich nicht noch klassische Musik hören, dann läuft das Radio. Nach dem Urlaub habe ich wiederum besonders viel Lust auf Klassik, alle Gattungen sind dabei, aber Orchestermusik ist mein klarer Favorit. Was wäre aus Ihnen wohl geworden, wenn nicht Musiker? Architekt oder Mathematiker. Welches war Ihr positivstes, welches Ihr negativstes musikalisches Erlebnis? Ich habe täglich positive Erlebnisse, entdecke immer wieder Neues. Als negativ empfinde ich 18 Tolle Projekte in Kerkrade und Schladming Wie viele Stunden in der Woche beschäftigen Sie sich mit Musik? Zwischen null und gefühlten 1530. Da sind Unterrichten, Konzerte, Proben, Rohrbau, eigenes Üben und was sonst noch so rund um die Musik anfällt, mit drin. Was zeichnet einen guten Dirigenten aus? Ein guter Dirigent vertraut seinen Musikern und bringt die Interpretation in klaren, knappen Zeichen herüber. unterrichtet er seit zehn Jahren eine eigene Klasse, als reines Nebeninstrument will er das Englisch Horn jedoch nicht verstanden wissen: »Das Englisch Horn ist einfach anders als die Oboe und nicht jeder Oboist ist automatisch ein Englisch Hornist«, meint er. Seine profunden Repertoire-Kenntnisse hat er nun auf einer CD dokumentiert, die sich ausschließlich dem Englisch Horn widmet. Eine Neuheit auf dem europäischen Markt, wo Oboisten zwar gelegentlich eine Sonate für dieses Instrument auf einer Produktion »mitnehmen«, aber eine größere Auseinandersetzung nicht stattfindet. »Ich freue mich natürlich, daß ich in den letzten Jahren auch international als Englischhornist wahrgenommen werde. Wann immer es geht, versuche ich in Solokonzerten, auch mit Orchester, das Englisch Horn einzubauen. Recitals habe ich in den USA gegeben und die nächste Destination ist Taiwan«, freut er sich. Daneben ist Martin Frutiger regelmäßiger Gast als Solooboist im Baseler Kammerorchester. »Das ist mir wichtig, auch auf der Oboe solistische Kompetenz beizubehalten«, ergänzt er. Welche Instrumente spielen Sie? Oboe, Englisch Horn, etwas Barockoboe und Klavier, das ich gerne besser beherrschen würde. Geben Sie Ihr Wissen in Form von Workshops und Seminaren weiter? Neben meinem Lehrauftrag an der Musikhochschule in Zürich bin ich national und international zu Kursen und Meisterklassen unterwegs. Die nächste Destination heißt Taiwan. Was machen Sie in Ihrer Freizeit? Ich bin Vater von drei Kindern. Das füllt mich aus. Ihre Zukunftspläne? Weiterspielen. Meinen lange gehegten Traum von einer Solo-CD für Englisch Horn habe ich gerade verwirklicht. Grundsätzlich habe ich mehr Ideen als Zeit. z Mit dem Blasorchester kam er in der Schweizer Armee intensiv in Berührung. Im Rahmen seines Militärdienstes hatte der Musiker pro Jahr feste Projekte im Symphonischen Blasorchester des Schweizer Armeespiels zu absolvieren. »So macht Wehrdienst Spaß«, sagt Martin Frutiger und fügt an: »Das waren tolle Projekte, mit Dirigenten wie Jan Cober, Auftritten bei WASBEKonferenzen, in Kerkrade oder in Schladming. Dreimal hatte ich die Möglichkeit, als Solist aufzutreten.« Originale Blasorchesterliteratur gefällt Martin Frutiger, womit er klassische Marschmusik meint. Mit manchen neueren Werken für sinfonisches Blasorchester kann er jedoch weniger anfangen. »Es gibt gute Transkriptionen für Blasorchester von Werken, die ursprünglich für Symphonieorchester geschrieben wurden. Aber wenn Blasmusik zu offensichtlich das Symphonieorchester imitieren will, dann gefällt mir das nicht – ebensowenig, wie Werke, die zu martialisch gesetzt sind«, erklärt er. Momentan gibt es in seinem Terminkalender keine blasmusikalischen Aktivitäten. Doch das kann sich wieder ändern. »Ich bin für neue, spannende Projekte aus der Blasorchesterszene jederzeit offen«, sagt er abschließend. n www.martinfrutiger.ch eurowinds · Januar/Februar 2014 Fotos: Gerhrard Tenzer 0114_ew_Heft_1d_Heft