Bläsermusik in europa

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Ausgabe 1/2014 (Januar/Februar) · EUR 6,00 (DE) · E-14205
eurowinds
Performance
Bw-musix • orchestertreffen 60+
Praxis
Lerntechnik – optimale Bedingungen schaffen
Portrait
musikzug ennest • tim sprenger
mit großem Länderteil
Bläsermusik in europa
Deutschland EUR 6,00 · Österreich / Italien / Spanien / Benelux EUR 7,00 · Schweiz CHF 9,00
eurowinds.de
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Portrait
Standards
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Titelfoto
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Martin Frutiger, Englisch Horn
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Editorial
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Termine Deutschland
Musikzug Ennest
Von der Feuerwehrkapelle
zum Sinfonischen Blasorchester
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Euro-News
Termine international
24
»In Berlin habe ich meinen
eigenen Klang gefunden«
Impressum
Foto des Monats
Martin Frutiger
Performance
Bw-Musix
Der Jugendorchesterwettbewerb
in Balingen will mehr Beteiligung
in den höheren Kategorien
26
Orchestertreffen 60+
»Wir Senioren können was«! war das Motto des ersten Senioren orchestertreffens in Bad Kissingen
Tim Sprenger
Ein ganzes Dutzend
abseits des Mainstreams
66
WASBE
Aurel Manciu
Was macht eigentlich ... ? 44
Konzert-Highlights in Kürze
Sektion Schweiz
• Seminar Programmgestaltung
Termine Professionals
•
mit Thomas Ludescher
Kurt Widorski ist Sieger des Kompositionswettbewerbs
Termine Ausbildung
Inserentenverzeichnis
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impressum
››› Impressum
eurowinds – Bläsermusik in Europa
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Gerhard Tenzer
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12. – 15. 3. 2014
Spirit of music
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musikmesse.com
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Musik
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Praxis • Jupiter-Workshops
(Teil 21)
Verein
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»Powerplay« ist Koordination
der wichtigsten Funktionen
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•
Praxis • Lernpraxis (Teil 3)
•
•
Optimale Bedingungen schaffen
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Finanzen, Recht
& Organisation
• Anerkennung im Verein
Rezensionen
– Mitarbeiter motivieren
Spendenpraxis 2014
– Neuregelung überrascht Vereine
Vorsicht »Gewerbeauskunft-Zentrale«
Jahreswechsel im Verein
– der Rückblick aufs Vereinsjahr
CD-Besprechungen
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Branche
Länderteil
Neuheiten und Neuvorstellungen auf dem Musikmarkt
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Deutschland
Österreich
Südtirol
Schweiz
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Erfüllungsort und Gerichtsstand:
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»IN BERLIN HABE ICH
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»Ich komme aus einem musikliebenden Elternhaus und
schon relativ früh war klar, daß ich auch ein Instrument
spielen würde«, sagt Martin Frutiger. Daß er sich jedoch bereits mit fünf Jahren für die Oboe entschied, ist eher ungewöhnlich. An ein spezielles Schlüsselerlebnis kann sich der
aus dem Schweizer Emmental stammende Musiker nicht
erinnern. »Aber vermutlich ist diese Liebe über den Klang
entstanden, als zuhause Musik gehört wurde«, meint er. Bis
zum Alter von zwölf Jahren spielte er klassisch Blockflöte
und Klavier, dann rückte die Oboe wieder in den Blickpunkt. »Damals wurde geraten, Instrumente wie Oboe und
Fagott erst im Teenager-Alter zu beginnen, der Druck sei
beim Blasen angeblich zu hoch. Diese Meinung hat sich
heute zum Glück geändert und auch jüngere Schüler können mit der Oboe beginnen«, sagt Martin Frutiger.
»Diese pädagogische Sorgfalt hat mir sehr geholfen«
TEXT Sandra Sinsch
FOTOS Gerhard Tenzer
Die Eltern versuchten, dem Sohn auch die Klarinette
schmackhaft zu machen, damit könne er eine größere stilistische Bandbreite abdecken. An der Musikschule Burgdorf
nahm Martin denn auch zwei Probelektionen. Aus der Klarinettenstunde kam er heulend heraus. »Der Lehrer war ein
toller Typ, aber ich wollte doch nicht Klarinette, sondern
Oboe spielen«, lacht er. Zum Glück konnte er sich auch für
den Oboenlehrer begeistern und so konnte es endlich losgehen mit dem Trauminstrument. »Hanspeter Thomann
war und ist ein ausgezeichneter Lehrer; es ist so entscheidend für die weitere Entwicklung, gleich zu Anfang an einen guten Pädagogen zu geraten. Mein Oboenlehrer war
ein sehr ruhiger Mensch, der sich nach dem Vortrag stets
eine Bedenkzeit nahm, aber dann einen absolut treffsicheren Kommentar abgab. Diese pädagogische Sorgfalt hat
mir sehr geholfen und gut getan«, sagt Martin Frutiger.
Po r tra it
M
Martin Frutiger und das Englisch Horn – das war eine frühe Liebe. Nach Lehr- und Wanderjahren in der Schweiz
und Deutschland, die unter anderem zur Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker führten, hat es den Emmentaler zurück in die Heimat verschlagen. Seit zehn
Jahren ist Frutiger Solo-Englischhornist im Orchester der
Tonhalle Zürich. Eine echte Traumstelle mit seinem
Trauminstrument, dem er nun mit »Music for Cor Anglais« auch eine komplette Solo-CD gewidmet hat.
In den Orchestern der Umgebung war Martin Frutiger bald
ein gefragter Spieler und gestaltete zusammen mit seiner
Mutter an der Orgel auch so manchen Gottesdienst, kurzum, er sammelte musikalische Erfahrungen aller Art. Die
Initialzündung war jedoch die Teilnahme am Schweizerischen Jugendmusikwettbewerb, ein ähnlich wie »Jugend
musiziert« konzipierter Wettbewerb. »Bei uns auf dem
Land war ich als Oboist immer außer Konkurrenz gelaufen,
ich ging völlig unbefangen und hochmotiviert zum Wettbewerb – und haben gewonnen. Da wußte ich, die Oboe
wird mein Beruf«, erinnert er sich.
Er entschloß sich, gleich mit dem Studium zu beginnen,
wiewohl es zur Matura noch zwei Jahre waren. Ein Vorstudium, wie es heute für talentierte Jugendliche parallel zur
Schule üblich ist, gab es damals noch nicht. Die Devise lautete ganz oder gar nicht, und so holte sich Martin Frutiger
vom Rektor am Gymnasium die Erlaubnis ein, das Oboestudium am Berner Konservatorium bei Hans Elhorst beginnen zu dürfen. Der lachte nur und meinte, das hätte an
dieser Schule Tradition. Denn die weltbekannte Oboistenlegende Heinz Holliger hatte einst dasselbe Gymnasium
wie Martin Frutiger besucht. Fortan war der Tagesablauf
des Jugendlichen klar durchstrukturiert. Morgens Schule,
nachmittags belegte er Unterricht am Konservatorium,
und am Abend übte er oft bis 22 Uhr. Eine anstrengende
Gratwanderung zwischen Schule und Studium, die jedoch
gut ausging: »Mein Umfeld hat mich für verrückt erklärt,
aber ich fand mein Leben damals toll«, meint er.
Eine kleine Krise kam, als es nach der Schule ins Vollstudium ging. »Mein Tag war vorher genau durchgeplant gewesen und nun hatte ich nahezu den lieben langen Tag zum
Üben zur Verfügung, eine kurze Zeitspanne verhedderte
ich mich und wurde ein bißchen ineffizient«, gibt er zu.
Doch diese Verwirrung währte nur kurz, bereits im zweiten
Studienjahr erspielte Martin Frutiger sich ein Praktikum im
Berner Symphonieorchester, spielte sich auch ansonsten
quer durch die Schweiz und sammelte eine Menge professioneller Orchestererfahrungen. Nach Lehr- und Konzertdiplom zog es ihn ins Ausland. Professor Ehlhorst wollte ihn
nach Freiburg in die Talentschmiede zu Heinz Holliger
schicken, doch der hatte kürzlich seine Kapazitäten halbiert und nahm keine neuen Studenten mehr auf.
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MEINEN EIGENEN KLANG GEFUNDEN«
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fi Manchmal entpuppt sich eine scheinbar unglückliche Fügung im Nachhinein jedoch als
echter Glücksfall. Denn Martin Frutiger war von
der Orchesterschule, wie sie die deutschen
Oboisten mit ihrem satten, dunklen Ton pflegen, sehr angetan. Dieses Ausbildungskonzept
biß sich auf eine gewisse Weise mit der luftigen, solistischen Oboenschule, wie sie in der
Schweiz gelehrt wird und die sich eher an französischen Vorbildern orientiert. Doch Martin
Frutiger wollte es wagen und stellte sich der
Aufnahmeprüfung in München bei Prof. Günther Passin, einem der Hauptvertreter der traditionellen deutschen Oboistenschule: »Er arbeitete am liebsten mit ›unbefleckten‹, jungen
Studenten, die ganz nach diesem Ideal geformt
werden konnten. Entsprechend schwer gestaltete sich die Aufnahmeprüfung für das Aufbaustudium. Aber nach langen 40 Minuten mit einem Querschnitt durch das maßgebliche Oboenrepertoire hatte ich den Studienplatz.«
Martin Frutiger kam aus einer musikalischen
Tradition, die stärker auf Förderung des individuellen Künstlertums setzte und fand sich nun
in einem Ausbildungskonzept wieder, das eher
einer Handwerksschmiede glich. Noch gut erinnert er sich an sein erstes Klassenvorspiel. Jeden Donnerstag veranstaltete Professor Passin
diese Vorspiele, die Reihenfolge war streng
hierarchisch geregelt. Das erste Semester fing
an, Aufbaustudenten lieferten ihren Vortrag
am Schluß ab. »Ich dachte nur, als wir so etwa
beim fünften Semester angelangt waren, daß
die alle unglaublich gut seien und daß von mir
im Aufbaustudium nun erwartet wurde, das zu
toppen«, meint er. Martin Frutiger spielte das
Oboenkonzert von Bohuslav Martinu; nach seinem Vortrag brachen die Mitstudenten in Gekicher aus, der hellere, flexible Oboenklang des
Schweizers kam ihnen vor wie von einem anderen Stern.
Das Beste aus allen Schulen mitnehmen
Seinen Professor beschreibt Martin Frutiger als
freundlichen, aber sehr direkten Menschen. Er
brauchte seine Zeit, um zu verstehen, daß sich
diese Direktheit nicht gegen ihn richtete, sondern seinem persönlichen Fortkommen diente.
»Nach einem halben Jahr etwa fühlte ich mich
als Person angenommen, da war das Vertrauen
da und unser Verhältnis entwickelte sich zu einem sehr freundschaftlichen«, sagt er. Dennoch hat sich Frutiger nicht komplett auf die
deutsche Oboenschule umgestellt. »Natürlich
sollte man im Studium erst einmal alles annehmen – aber es heißt auch ausprobieren und
seinen eigenen Weg finden. Ich habe für mich
das Beste aus allen Schulen mitgenommen
und bin individuell geblieben«, erklärt er.
Aus Studienzeiten gibt es auch einige Wettbewerbserfolge zu vermelden. So gewann Martin
Frutiger den ersten Preis des Oboenwettbewerbs der Internationalen Händelfestspiele
und im »Concours National d’Execution Musicale« in Riddes, einen zweiten Preis beim SonyOboenwettbewerb in Tokyo, er war Finalist bei
»New Talent«, dem Wettbewerb der Europäischen Rundfunkanstalten. In diese Zeit fallen
auch Probespiele. Frutiger hat nur wenige absolviert, diese aber sehr erfolgreich. So erspielte er sich ein zweijähriges Stipendium an der
Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker.
»Es war unglaublich: Ich erlebte das letzte Jahr
mit Claudio Abbado und die erste Saison mit
Sir Simon Rattle. Auch Berlin selbst war spannend. Während ich nach München zum Unterricht gependelt war, bin ich für die Akademiezeit komplett nach Berlin gezogen. Die Stadt
war gerade im Umbruch, das zu erleben war
ungemein spannend für mich, genauso wie die
Tourneen und Konzerte in der ganzen Welt, zu
denen ich mitgenommen wurde«, erzählt er.
Die Zeit bei den Berlinern bezeichnet Martin
Frutiger heute als den prägendsten Teil seiner
Ausbildung. Er traf in den Kollegen dort seine
oboistische Traumkombination an, die perfekte
Mischung aus deutscher Orchesterschule und
solistischer Freiheit. »Dort in Berlin habe ich
meinen Klang gefunden«, resümiert er.
fi
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Etüden sind für manche ebenfalls ein Stiefkind.
Auch hier gilt es, sich auf die Suche nach der verborgenen Schönheit zu machen. Über lauter Bravourstücken in atemberaubender Geschwindigkeit werden oft langsame Etüden vergessen. Für
diese möchte ich eine Lanze brechen. Denn mit ihnen kann man den Atem trainieren sowie Phrasierung und Legato. Das ist genauso wichtig wie Geläufigkeit und Triller.
Langsame Etüden nicht vergessen
Rohre und Rohrbau sind große Themen für Oboisten. Zum Glück bietet der Handel heute für den
Laien eine breite Palette an gut funktionierenden
Mundstücken. Ich baue jedoch ausschließlich
selbst, da ich das Material zur Verfügung haben
will, das tatsächlich funktioniert. Wer seine eigenen Rohre bauen will, kommt um einen guten
Lehrer nicht herum. Denn zuerst gilt es, sich auf eine Bauart und -methode einzulassen, bevor man
selbst experimentieren kann. Sonst verzettelt man
sich leicht und kommt nie zu dem gewünschten
Ergebnis. Ein gutes Rohr bauen kann meiner Meinung nach auch nur der, der weiß, wie es sich anfühlt, ein wirklich gutes Rohr zu spielen. Erst wenn
man dieses in der Hand, beziehungsweise geblasen hat und seine Wunschvorstellung von Klang
und Flexibilität erlebt hat, kann man sich beim Bau
an dieses Ideal herantasten.
Martin Frutiger
Literaturtips
oder »Funktioniert meine Atmung?« sind Schlüsselfragen, die auf dem Weg zu einem positiven Gefühl bei rein technischen Übungen helfen können.
Frust macht sich auch breit, wenn zu schwere
Übungen gewählt werden. Daher sollte man seine
Auswahl so treffen, daß beim Spielen jederzeit
Selbstkontrolle noch gewährleistet ist. Ich habe
mir für meine Praxis ein 20-Minuten-Programm
zugelegt, das mich fit in Tonleiterstudien, gebrochenen Akkorden und ausgehaltenen Tönen hält.
Das läßt sich selbst in knapp bemessene Übepläne
gut integrieren.
z Carlo Paessler: 24 Larghi (Ricordi)
z Geoffrey Browne: The art of Cor Anglais
(Sycamore Publishing)
eurowinds · Januar/Februar 2014
n Oboe und Englisch Horn sind Blasinstrumente.
Daher muß man sich immer bewußt sein, daß man
eine Mittelposition zwischen Sängern und Streichern einnimmt. Bei Sängern spielt sich alles im Inneren des Körpers ab, sie arbeiten nur mit Vorstellung und Gefühl, bei den Streichern hingegen ist
alles Technische stets sichtbar. Das Beobachten
von beiden Gruppen kann Bläsern helfen, sicherer
in ihren Vorstellungen vom Blasen und dem Körpergefühl zu werden. Denn ein Musiker braucht
Bilder für das, was innerhalb und außerhalb des
Körpers passiert.
Ein »klassisches« Übeprogramm auf der Oboe
oder dem Englisch Horn startet mit lange ausgehaltenen Tönen. Daran schließt sich ein Tonleiterprogramm an. Das wird von vielen als langweilig
empfunden und deshalb werden Tonleitern oft
stur heruntergerattert. Doch keine Tonleiter muß
langweilig sein, wenn der Musiker bereit ist, die
Schönheit in diesen angeblich starren Übungen zu
entdecken. Denn beim Üben prägt sich alles ein,
das Gute wie das Schlechte. So wird das negative
Gefühl, das beim Spielen von Tonleitern entsteht,
immer bleiben. »Stehe ich gut?«, »Sitze ich gut?«
››› Übetips von Martin Frutiger • Schönheit der Tonleitern entdecken
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Po r tra it
»Music for Cor Anglais« • Umfassende Repertoire-Sammlung
n »Seit nun zehn Jahren unterrichte ich Englisch Horn an der Zürcher
Hochschule der Künste und bin Solo- Englischhornist im Tonhalle Orchester
Zürich. Orchesterrepertoire wie Solowerke für dieses Instrument sind sozusagen mein tägliches Brot«, sagt Martin Frutiger. Doch da gibt es ein Problem. Während das Englisch Horn im Orchester auf unzähligen Tonträgern wunderbar dokumentiert ist, klafft
im solistischen CD-Repertoire für dieses Instrument, laut
Frutiger »der menschlichen Stimme am nächsten«, eine
riesengroße Lücke. »Es gibt im europäischen Raum einfach keine umfassende Dokumentation der Solowerke,
Oboisten spielen allenfalls einmal ein Werk auf einer CD
en passant ein«, sagt Frutiger. Mit »Music for Cor anglais«,
das beim Label Guild Music im März 2014 erscheint, aber
bereits jetzt schon via Homepage von Martin Frutiger bestellbar ist, hat sich der Künstler einen lange gehegten
Traum erfüllt. Denn so umfassend wie Frutiger hat noch niemand das romantische Repertoire für Englisch Horn und Klavier oder Harfe vorgelegt.
Seinen orchestralen Siegeszug trat das Instrument, das in Barock und
Klassik bereits Vorläufer hat, in den Opern von Giuseppe Verdi an. Der sonore, klagende Klang inspirierte romantische Komponisten, das Englisch
Horn an besonders expressiven Stellen einzusetzen. So ist es nicht erstaunlich, daß auch Antonio Pasculli, Kennern bekannt als der »Paganini der
Oboe«, Werke für Englisch Horn schrieb. Alle hat Frutiger eingespielt, angefangen mit der »Melodia per Corno Inglese e Pianoforte« bis hin zu den Fan-
Fotos: Gerhard Tenzer, Guild Music
eurowinds · Januar/Februar 2014
tasien über Themen aus Verdis »Maskenball«. Den Reigen komplettiert die
zauberhafte »Omaggio a Bellini«, ein Duett für Englisch Horn und Harfe.
Auch beim Komponisten Giovanni Daelli, selbst für Oboisten ein nicht unbedingt geläufiger Name, ist die Oper Trumpf. Über das Leben Daellis ist
nur wenig bekannt, doch muß auch er ein profunder Kenner des Instruments gewesen sein. Seine Kompositionen
über Motive von Verdi sind denn auch mehr als instrumentale Arrangements der gesanglichen Höhepunkte
aus den Opern zu verstehen, bringen aber die Vorliebe
für dieses romantische Genre auf den Punkt und haben
somit hohen Repertoirewert.
Viel Oper verkörpert auch Carlo Yvons Sonate für Englisch Horn und Klavier. Das Werk des Oboisten der Mailänder Scala steht Pate für den geheimen Wunsch Yvons,
selbst auf der Bühne zu stehen und mit dem Englisch
Horn die Arien »zu singen«, jedenfalls atmet jede Note den Duft des Belcanto. Als Partner bei der Aufnahme standen Martin Frutiger langjährige
Kollegen zur Seite. So die Pianistin Petya Mineva, mit der er regelmäßig an
der Hochschule der Künste Zürich zusammenarbeitet und Sarah Verrue,
Harfenistin im Tonhalle-Orchester Zürich.
»Music for Cor Anglais • Giovanni Daelli – Antonio Pasculli – Carlo Yvon«
Martin Frutiger (Englisch Horn), Petya Mihneva (Klavier), Sarah Verrue (Harfe) – Guild Music, GMCD7399 – Bezug: www.martinfrutiger.ch
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Fortsetzung von Seite 16
M ar t in Frut iger
fi Daß es ihn wieder in die Schweiz zurückführen würde, damit hatte Martin Frutiger eigentlich nicht gerechnet. Doch die Stelle als SoloEnglischhornist in der Zürcher Tonhalle war
ihm im Grunde schon zu Berner Studienzeiten
prophezeit worden. Der auswärtige Experte
bei seinem Examen, damals Solooboist der
Tonhalle, wies ihn nämlich darauf hin, daß diese Stelle in vier Jahren frei werde. »Irgendwie
war ab da in meinem Kopf, daß das meine Stelle werde würde«, lacht er.
Viele Oboisten sehen das Englisch Horn nur
als Nebeninstrument. Doch Martin Frutiger
hatte bereits zu Schulzeiten eine enge Bindung
zu diesem weichen, sonoren Instrument der
Oboenfamilie. »Das Englisch Horn hat eine fantastische Position im Orchester, es ist sozusagen mittendrin. Wenn ich nach einem Konzert
von Zuhörern das Feedback bekomme, die Soli
seien tiefgehend und berührend gewesen,
freut mich das sehr. Ich bin leidenschaftlicher
Orchestermusiker, habe meine Traumstelle und
fühle mich mit unserem Repertoire und den
Kollegen rundum wohl«, sagt er.
Seit knapp zehn Jahren ist er nun Mitglied
des Tonhalle-Orchesters, hat abseits vom klassisch-romantischen Repertoire auch Streifzüge
in die historische Aufführungspraxis unternommen. »Die Barockoboe kam eher zufällig,
weil ein langjähriger Organistenfreund eine
bessere Position bekam und nun die Möglichkeit hatte, seine Kirchenmusik auch auf historischen Instrumenten aufzuführen. Da hat das
ihm verbundene Ensemble umgesattelt und
ich bildete mich auf der Barockoboe weiter, an
der Zürcher Hochschule, bei Martin Stadler, im
Rahmen eines Zertifikatprogramms. Im Moment liegt die Barockoboe aber auf Eis, das ist
etwas, womit man sich schon intensiv auseinandersetzen muß«, faßt er zusammen. Die profunde Auseinandersetzung mit dem Englisch
Horn und seinem Repertoire ist jedoch die große Leidenschaft von Martin Frutiger. In Zürich
››› Kurzinterview
Musik, die gewalttätige Elemente hat, also ausschließlich über Kraft und Lautstärke operiert.
Welche Musik spielen Sie am liebsten?
Gute Musik. Es fällt schwer, eine Wahl zu treffen,
denn ich mag alles auf seine Weise. Ohne Bach
und Mozart geht es jedoch auf keinen Fall.
Wie oft kaufen Sie ein Instrument?
Alle fünf Jahre. Meine Oboe und mein Englisch
Horn sind von Buffet-Crampon, dieser Marke bin
ich treu.
Welche Musik hören Sie am liebsten?
Das ist situationsabhängig. Wenn ich viel
musikalische Arbeit hinter mir habe,
mag ich nicht noch klassische Musik hören, dann läuft das Radio.
Nach dem Urlaub habe ich wiederum besonders viel Lust auf Klassik,
alle Gattungen sind dabei, aber Orchestermusik ist mein klarer Favorit.
Was wäre aus Ihnen wohl geworden, wenn
nicht Musiker?
Architekt oder Mathematiker.
Welches war Ihr positivstes, welches Ihr
negativstes musikalisches Erlebnis?
Ich habe täglich positive Erlebnisse, entdecke
immer wieder Neues. Als negativ empfinde ich
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Tolle Projekte in Kerkrade und Schladming
Wie viele Stunden in der Woche beschäftigen
Sie sich mit Musik?
Zwischen null und gefühlten 1530. Da sind Unterrichten, Konzerte, Proben, Rohrbau, eigenes
Üben und was sonst noch so rund um die Musik
anfällt, mit drin.
Was zeichnet einen guten Dirigenten aus?
Ein guter Dirigent vertraut seinen Musikern und
bringt die Interpretation in klaren, knappen Zeichen herüber.
unterrichtet er seit zehn Jahren eine eigene
Klasse, als reines Nebeninstrument will er das
Englisch Horn jedoch nicht verstanden wissen:
»Das Englisch Horn ist einfach anders als die
Oboe und nicht jeder Oboist ist automatisch
ein Englisch Hornist«, meint er.
Seine profunden Repertoire-Kenntnisse hat
er nun auf einer CD dokumentiert, die sich ausschließlich dem Englisch Horn widmet. Eine
Neuheit auf dem europäischen Markt, wo
Oboisten zwar gelegentlich eine Sonate für
dieses Instrument auf einer Produktion »mitnehmen«, aber eine größere Auseinandersetzung nicht stattfindet. »Ich freue mich natürlich, daß ich in den letzten Jahren auch international als Englischhornist wahrgenommen
werde. Wann immer es geht, versuche ich in
Solokonzerten, auch mit Orchester, das Englisch Horn einzubauen. Recitals habe ich in den
USA gegeben und die nächste Destination ist
Taiwan«, freut er sich. Daneben ist Martin Frutiger regelmäßiger Gast als Solooboist im Baseler Kammerorchester. »Das ist mir wichtig, auch
auf der Oboe solistische Kompetenz beizubehalten«, ergänzt er.
Welche Instrumente spielen Sie?
Oboe, Englisch Horn, etwas Barockoboe und Klavier, das ich gerne besser beherrschen würde.
Geben Sie Ihr Wissen in Form von Workshops
und Seminaren weiter?
Neben meinem Lehrauftrag an der Musikhochschule in Zürich bin ich national und international zu Kursen und Meisterklassen unterwegs. Die
nächste Destination heißt Taiwan.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Ich bin Vater von drei Kindern. Das füllt mich aus.
Ihre Zukunftspläne?
Weiterspielen. Meinen lange gehegten Traum
von einer Solo-CD für Englisch Horn habe ich gerade verwirklicht. Grundsätzlich habe ich mehr
Ideen als Zeit.
z
Mit dem Blasorchester kam er in der Schweizer
Armee intensiv in Berührung. Im Rahmen seines Militärdienstes hatte der Musiker pro Jahr
feste Projekte im Symphonischen Blasorchester
des Schweizer Armeespiels zu absolvieren. »So
macht Wehrdienst Spaß«, sagt Martin Frutiger
und fügt an: »Das waren tolle Projekte, mit Dirigenten wie Jan Cober, Auftritten bei WASBEKonferenzen, in Kerkrade oder in Schladming.
Dreimal hatte ich die Möglichkeit, als Solist aufzutreten.« Originale Blasorchesterliteratur gefällt Martin Frutiger, womit er klassische
Marschmusik meint.
Mit manchen neueren Werken für sinfonisches Blasorchester kann er jedoch weniger anfangen. »Es gibt gute Transkriptionen für Blasorchester von Werken, die ursprünglich für
Symphonieorchester geschrieben wurden.
Aber wenn Blasmusik zu offensichtlich das
Symphonieorchester imitieren will, dann gefällt mir das nicht – ebensowenig, wie Werke,
die zu martialisch gesetzt sind«, erklärt er. Momentan gibt es in seinem Terminkalender keine blasmusikalischen Aktivitäten. Doch das
kann sich wieder ändern. »Ich bin für neue,
spannende Projekte aus der Blasorchesterszene jederzeit offen«, sagt er abschließend.
n www.martinfrutiger.ch
eurowinds · Januar/Februar 2014
Fotos: Gerhrard Tenzer
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