1 2 Die Grenzen von AL und die Grenzen der aristotelischen Syllogistik 2. Die Grenzen der aristotelischen Syllogistik: 1. Grenzen von AL Alle Bären sind pelzig Ned ist ein Bär Also ist Ned pelzig. Abkürzungsverzeichnis: Alle Bären sind pelzig = p Ned ist ein Bär = q Ned ist pelzig = r AL-Struktur: p ∧ q → r NWS: Es gibt nichts, dem genau dasselbe (inkl. Hinsicht!) sowohl zukommt als auch nicht zukommt. ~ (p ∧ ~ p) Die Aussagenlogik allein kennt keine Möglichkeit zur Darstellung der Begriffe „alle“ und „einige“ und zur Darstellung des Gedankens, dass ein Prädikat einem Gegenstand zukommt. 1. Die aristotelische Syllogistik allein kennt keine Möglichkeit zur Darstellung von Schlüssen aufgrund von aussagenlogischen Junktoren. 2. Die aristotelische Syllogistik beruht auf der nicht unproblematischen Annahme, jeder Satz bestehe aus einem logischen Subjekt und einem logischen Prädikat. Ein interessantes Projekt Die Konstruktion einer Logik, die 1.die überaus praktische Ausdruckskraft der stoischen Aussagenlogik besitzt 2. außerdem die differenzierte Ausdruckskraft der aristotelischen Syllogistik besitzt. Ein wirklich faszinierendes Projekt Die Konstruktion einer Logik, die 1.die Ausdruckskraft der stoischen Aussagenlogik besitzt 2. außerdem die differenzierte Ausdruckskraft der aristotelischen Syllogistik besitzt. 3.aber auch die Beschränkung der aristotelischen Syllogistik auf einfache Subjekt-Prädikat-Sätze überwindet. 3 Gottlob Frege (1848 Wismar – 1925 Bad Kleinen) 1879: „Begriffsschrift“ (enthält die Grundgedanken von AL und PL) Freges Anti-Erfolgsrezept: (1) interdisziplinär (2) klar und unprätentiös, aber inhaltsreich (3) radikal neue Thesen (4) revolutionäre zweidimensionale Notation. Lit.: Anthony Kenny, Frege, London (Penguin) 1995. Simon Singh, Fermats letzter Satz, München (dtv) 2000 [London 1997] Giuseppe Peano (um 1900) Augustus De Morgan (1806 – 1871) George Boole (1815 – 1864) Kurzinfo Freges „Begriffschrift“ (Halle, 1879) enthält den Kern einer Prädikatenlogik (auch: Quantorenlogik) erster Stufe. Das Spiel PL ist eine Prädikatenlogik erster Stufe mit Identitätszeichen. PL geht also historisch gesehen direkt auf den Ansatz Freges zurück, den dieser in den 1890er Jahren weiter ausgebaut hat (vgl. z.B. die bahnbrechenden Aufsätze „Über Sinn und Bedeutung“, „Funktion und Begriff“ und das wichtige Büchlein „Die Grundlagen der Arithmetik“). 4 Subjekt (1) London (2) Berlin (3) Moskau Prädikat ist-eine-große-Stadt ist-eine-große-Stadt ist-eine-große-Stadt (Verschiedene) Beschreibungen London, Berlin und Moskau fallen unter den Begriff „große Stadt“ London, Berlin und Moskau fallen unter den Begriff der großen Stadt London, Berlin und Moskau sind Elemente der Extension des Begriffs „große Stadt“ London, Berlin oder Moskau hat jeweils die Eigenschaft, eine große Stadt zu sein Es kommt London, Berlin oder Moskau jeweils zu, eine große Stadt zu sein. London, Berlin und Moskau erfüllen das Prädikat „... ist eine große Stadt“. (4) London liegt westlich von Berlin (5) Berlin liegt westlich von Moskau (6) Berlin liegt in West-Ost-Richtung zwischen London und Moskau 1. Analyse: Subjekt London Berlin Berlin Prädikat liegt-westlich-von-Berlin liegt-westlich-von-Moskau liegt in West-Ost-Richtung zwischen London und Moskau 5 2. Analyse 6 Prädikate: Leerstelle 1 Beziehung London liegt-westlich-von Berlin liegt-westlich-von Leerstelle 2 Berlin Moskau Ist-eine-große-Stadt‘ ... Liegt-westlich-von“ ..., ... Liegt in West-Ost-Richtung zwischen“‘ ..., ..., ... London steht in der Beziehung „... liegt westlich von ...“ zu Berlin. Sätze: 1. Analyse Ist-eine-große-Stadt‘ Berlin Liegt-westlich-von“ London, Berlin Liegt in West-Ost-Richtung zwischen“‘ Moskau, Berlin, Ulan Bator Subjekt Berlin Prädikat liegt-in-West-Ost-Richtung-zwischen-London-undMoskau Kein Satz: 2. Analyse Liegt-westlich-von“ London, ... Leerstelle 1 Leerstelle 2 Leerstelle 3 Berlin liegt-in-West-Ost-Richtung-zwischen London und Moskau Moskau liegt-in-West-Ost-Richtung-zwischen Berlin und Ulan Bator Moskau liegt-in-West-Ost-Richtung-zwischen Ulan B. und Tokio Funktionen und Prädikate: ... ist-eine-große-Stadt einstelliges Prädikat ... liegt westlich von ... zweistelliges Prädikat ... liegt in West-Ost-Richtung zwischen ... und ... dreistelliges P. usw. F (2) = 4 Ist-eine-große-Stadt‘ Berlin = wahr Ist-eine-große-Stadt‘ Benzin = falsch mit F(x) = x2 7 8 Arten von (zweistelligen) Relationen Die Standard-Semantik von PL nicht-symmetrische Relation Liebt“ Uwe, Petra Liebt“ Petra, Uwe Symmetrische Relation Wenn Ist-verheiratet-mit“ Petra, Jens dann Ist-verheiratet-mit“ Jens, Petra. Asymmetrische Relation Wenn Liegt-westlich-von“ London, Berlin, dann nicht Liegt-westlich-von“ Berlin, London Reflexive Relation Ist-genauso-groß-wie“ Jens, Jens Reflexiver Fall bei einer Relation Bemitleidet“ Uwe, Uwe [= Uwe bemitleidet sich selbst] Irreflexive Relation Ist-größer-als“ Petra, Petra [= Petra ist größer als sie selbst] Transitive Relation Wenn Parkt-hinter“ Petra, Kai und Parkt-hinter“ Kai, Uwe dann Parkt-hinter“ Petra, Uwe. Grundidee: Die Standard-Semantik von PL interpretiert die Prädikatsymbole von PL mit Extensionen von Prädikaten. Die Extension eines Prädikates Φ (vgl. 12.6.!) ist die Menge der Gegenstände, die Φ erfüllen. 9 10 Spielanleitung für PL, Semantik Teil I Geordnete Paare und Tupel Definition PL-7: PL-Modell Ein PL-Modell ist ein geordnetes Paar M = 〈U,I〉; dabei ist (1) U eine nichtleere Menge, genannt „Redebereich“ oder „universe of discourse“ (2) I eine (Interpretations-)funktion, die jedem n-stelligen Prädikatsymbol von PL ein n-Tupel über U zuordnet. Dabei gilt: I ordnet dem Symbol =“ immer die Menge aller geordneten Paare über U zu, deren erste Komponente mit der zweiten Komponente identisch ist, also { 〈a,a〉, 〈b,b〉 , 〈c,c〉...}. 〈a,b〉 ≠ 〈b,a〉, wenn a ≠ b Definition PL-8.1: PL-Belegung Eine PL-Belegung ist eine Funktion, die jeder Variablen von PL ein Element von U zuordnet. Definition PL-9.1: Wahrheit für quantorenfreie Formeln Jeder wff α von PL ist bezüglich eines PL-Modells M und einer PL-Belegung µ entweder der Wert 1 (= „wahr“) oder 0 (= „falsch“) zugeordnet - kurz VM,µ(α) = 1 bzw. VM,µ(α) = 0 -, wobei gilt: (1) VM,µ(α) = 1, wenn α die Gestalt Φ χ1 ... χn hat, wobei Φ ein n-stelliges Prädikatsymbol von PL ist und ξ1 bis ξn Variablen sind (also α eine atomare Formel von PL ist), und es gilt: 〈 µ( χ 1), ... µ( χn) 〉 ∈ IM ( Φ ); (2) VM,µ(α) = 1, wenn α die Gestalt ~ β hat, und es gilt: V M,µ(α) = 0; (3) VM,µ(α) = 0, wenn α die Gestalt (β → γ) hat, und es gilt: VM,µ(β) = 1 und VM,µ(γ) = 0; ... Tupel a 〈a,b〉 〈a,b,c〉 〈a,b,c,d〉 〈a,b,c,d,e〉 Einer-Tupel bzw. Gegenstand Zweier-Tupel (geordnetes Paar) Dreier-Tupel (Tripel) Vierer-Tupel (Quadrupel) Fünfer-Tupel (Quintupel) etc. auch: 〈a,a〉 als geordnetes Par möglich ! 11 Redebereich Interpretationsfunktion Die Interpretationsfunktion Modell M = 〈 U, I 〉 U={ I = { 〈F‘, 〈G‘, 〈R“, 〈=“, , , { , { } 〉, {〈 , {〈 , Belegung µ = { 〈x, 12 1. Die in der einem Prädikatsymbol zugeordneten Menge enthaltenen Gegenstände müssen in U enthalten sein, also aus dem Redebereich stammen. } } 〉, 〉, 〈 〉, 〈 〉, 〈y, , , 〉} 〉, 〉, 〈 〉, 〈z, Abkürzungsverzeichnis F’x = x hält einen Becher in der Hand G’x = x ist 2,70m groß R“xy = x sitzt westlich von y x=“y = x ist identisch mit y (wie immer) , 〉, 〈x‘, 〉} 〉, ... } 〉 ... } 2. Einem n-stelligen Prädikatsymbol können nur n-Tupel zugeordnet sein. Enthält die Menge, die einem einstelligen Prädikatsymbol zugeordnet ist, überhaupt Elemente, so müssen dies einzelne Gegenstände aus U sein; Enthält die Menge, die einem zweistelligen Prädikatsymbol zugeordnet ist, überhaupt Elemente, so müssen dies geordnete Paare von Gegenständen aus U sein; Enthält die Menge, die einem dreistelligen Prädikatsymbol zugeordnet ist, überhaupt Elemente, so müssen dies Tripel von Gegenständen aus U sein usw. (wir können die Menge aber auch ganz leer lassen). 3. Das Gleichheitszeichen bekommt immer die Menge aller geordneten Paare über U zu, deren erste Komponente mit der zweiten Komponente identisch ist. Das stellt sicher, dass es sich genau so verhält, wie wir das vom Gleichheitszeichen erwarten würden. 13 14 Die Belegung: Wahrheit in PL Prinzip: Variablen sind Namensschilder für Gegenstände aus dem Redebereich. Prinzip Eine wff von PL ist wahr bzw. mit Bezug auf 1. ein Modell, durch das klar ist, welche Dinge welche Eigenschaften haben 2. eine Belegung, durch die klar ist, wie die Dinge heißen. (1) PL hat durch die Methode des Anhängens von Häkchen unendlich viele Variablen. Wie die Variablen belegt sind, die wir gerade nicht konkret gebrauchen, ist wurscht. (2) Eine PL-Belegung ist eine Funktion. Das heißt: Es kann nicht vorkommen, dass ein Namensschild unverteilt und damit ein Name leer bleibt. (3) Eine PL-Belegung ist eine Funktion. Das heißt: Es kann nicht vorkommen, dass dasselbe Namensschild zur Benennung verschiedener Dinge verwendet wird (anders als in der natürlichen Sprache sind PLNamen eindeutig). (4) Eine PL-Belegung ist eine Funktion. Das heißt: Es kann vorkommen, dass ein Objekt aus dem Redebereich mehrere Namensschilder abbekommt. (5) Es kann vorkommen, dass einige Gegenstände unbenannt bleiben. Die Klauseln 2 und 3 integrieren die aussagenlogischen Junktoren und sind unproblematisch. Klausel 1 besagt, dass eine atomare Formel der Gestalt Φ χ1 ... χn von PL gerade dann in Bezug auf ein Modell M und eine Belegung µ wahr wird, wenn gilt: 〈 µ( χ1), ... µ( χn) 〉 ∈ IM ( Φ ) wobei Φ ein n-stelliges Prädikatsymbol von PL ist und ξ1 bis ξn Variablen sind Was bedeutet ein Ausdruck wie „µ( χ1)“ und „IM ( Φ )“ ? Diese Ausdrücke nehmen auf einen Gegenstand in seiner Rolle als Funktionswert bezug: „µ( χ1)“ heißt „derjenige Gegenstand, dem die Belegung µ das Namensschild χ1 zuweist“ „IM( Φ )“ heißt „diejenige Tupelmenge, die die Interpretationsfunktion von Modell M dem Prädikatsymbol Φ zuweist (die Extension von Φ)“. 15 µ(x)= µ(y)= µ(z)= µ ( x‘ ) = IM ( F‘ ) = IM ( G‘ ) = IM ( R“ ) = IM ( =“ ) = 16 Ist die Formel „ F’x “ bezüglich M und µ wahr? { { } {〈 {〈 , }〉 , 〉, 〈 〉, 〈 , Prinzip: Φ χ1 ... χn ist gerade dann wahr, wenn 〈 µ( χ1), ... µ( χn) 〉 ∈ IM ( Φ ) , , 〉} 〉, 〈 , 〉} relevanter Spezialfall: „ F‘ x “ ist gerade dann wahr, wenn µ ( x ) ∈ IM ( F‘ ) Es fragt sich somit: Ist es der Fall, dass µ ( x ) ∈ IM ( F‘ ) ? Fragen: Es ist: µ ( x ) = 1. Ist die Formel „ F’x “ bezüglich M und µ wahr? 2. Ist die Formel „ F’z “ bezüglich M und µ wahr? 3. Ist die Formel „ ~ F’z “ bezüglich M und µ wahr? 4. Ist die Formel „ R“ xy “ bezüglich M und µ wahr? 5. Ist die Formel „ z =“ x‘ “ bezüglich M und µ wahr? 6. Ist die Formel „ x =“ y “ bezüglich M und µ wahr? 7. Ist die Formel „ y =“ y “ bezüglich M und µ wahr? 8. Ist die Formel „ F’x ∧ G‘ x “ bezüglich M und µ wahr? ∈{ , , IM ( F‘ ) = { , }, also µ ( x ) ∈ IM ( F‘ ) Also ist „ F’x “ bezüglich M und µ wahr. }〉 17 18 Intuitive Deutung der Antworten Antworten formal F’x : x hält einen Becher in der Hand (x ist Element der Extension von ... hält-einen-Becher-in-der-Hand) ... entsprechend 2. µ ( z ) = ∉{ F’z : z hält einen Becher in der Hand (z ist Element der Extension von ... hält-einen-Becher-in-der-Hand) } 〉, IM ( F‘ ) = { , , }, also: falsch ~ F’z : Es ist nicht der Fall, dass z einen Becher in der Hand hält (z ist nicht Element der Extension von ... hält-einen-Becher-in-der-Hand) 3. „ F‘ z “ ist falsch, also „ ~ F‘ z “ wahr 4. µ ( x ) = ,µ(y)= , IM ( R“ ) = { 〈 , 〉, 〈 , 〈 , 〉 ∈ {〈 , 〉, 〈 , 5. – 7. µ ( x ) = ,µ(y)= ,µ(z)= µ ( x‘ ) = , IM ( =“ ) = {〈 , 〉, 〈 , 〈 , 〉 ∈ IM ( =“ ), also 5. wahr 〈 , 〉 ∉ IM ( =“ ), also 6. falsch 〈 , 〉 ∈ IM ( =“ ), also 7. wahr 8. R“xy : x sitzt westlich von y ( das geordnete Paar aus x und y ist Element der Extension von ... sitzt-westlich-von ...) 〉} 〉}, also wahr , 〉, 〈 , 〉 }; µ(x)= , IM ( G‘ ) = { }, ∉ { }, also „ G‘ x “ falsch, also auch „ F’x ∧ G‘ x “ falsch. z =“ x‘ : z ist identisch mit x‘ ( das geordnete Paar aus z und x‘ ist Element der Extension von ... ist-identisch-mit ... ) x =“ y : x ist identisch mit y ( das geordnete Paar aus x und y ist Element der Extension von ... ist-identisch-mit ... ) y =“ y : y ist identisch mit y ( das geordnete Paar aus y und y ist Element der Extension von ... ist-identisch-mit ... ) F’x ∧ G‘ x : x hält einen Becher in der Hand und ist über 2,70 groß. ( x ist nicht sowohl Element der Extension von ... hält-einen-Becher-in-der-Hand als auch Element der Extension von ... ist über 2,70 groß)