Die Massenentlassung - Schellenberg Wittmer

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März 2009
SCHELLENBERG WITTMER
Rechtsanwälte
Die Massenentlassung
Die gegenwärtige Wirtschaftslage hat zur Folge, dass
zahlreiche Unternehmen Kurzarbeit einführen oder gar
eine markante Reduktion ihrer Belegschaft in Erwägung
ziehen. Diesbezüglich wird der Arbeitgeber darauf zu
achten haben, ob die geplanten Anpassungen allenfalls in
den Anwendungsbereich der gesetzlichen Bestimmungen
über die Massenentlassung fallen. Diese Bestimmungen,
deren Erlass unmittelbar durch das europäische Recht
beeinflusst wurde, sollen nachfolgend kurz erläutert werden.
1
Der Begriff « Massenentlassung »
Die Legaldefinition des Begriffs « Massenentlassung » findet
sich in Art. 335d des Obligationenrechts (nachfolgend « OR »).
Als Massenentlassung gelten Kündigungen, die der Arbeitgeber
innert 30 Tagen in einem Betrieb aus Gründen ausspricht, die
in keinem Zusammenhang mit der Person des Arbeitnehmers
stehen, und von denen betroffen werden :
1.
mindestens 10 Arbeitnehmer in Betrieben, die in der Regel
mehr als 20 und weniger als 100 Arbeitnehmer beschäftigen ;
2.
mindestens 10% der Arbeitnehmer in Betrieben, die in
der Regel mindestens 100 und weniger als 300 Arbeitnehmer beschäftigen ;
3.
mindestens 30 Arbeitnehmer in Betrieben, die in der
Regel mindestens 300 Arbeitnehmer beschäftigen.
Ein Betrieb, der gewöhnlich 20 oder weniger Arbeitnehmer
beschäftigt, ist nicht von den OR-Bestimmungen über die
Massenentlassung betroffen. Ein solches Unternehmen muss
allerdings prüfen, ob es nicht den in der Verordnung über die
Arbeitsvermittlung und den Personalverleih enthaltenen Bestimmungen untersteht (siehe dazu hinten, Ziff. 7).
Die einzelnen Elemente der Legaldefinition sollen nachfolgend
erörtert werden.
1.1 Kündigungen
Es werden nur durch den Arbeitgeber ausgesprochene Kündigungen
erfasst. Nicht betroffen sind entsprechend Kündigungen durch
den Arbeitnehmer selbst oder Auflösungsvereinbarungen.
Ein Teil der Lehre vertritt allerdings die Ansicht, dass auch
Arbeitnehmerkündigungen, die in direktem Zusammenhang mit
dem Verhalten des Arbeitgebers stehen, berücksichtigt werden
müssen. Als Beispiele erwähnt werden etwa Abänderungen der
Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber in der Weise, dass
dem Arbeitnehmer nichts anderes übrig bleibt, als zu kündigen;
oder Arbeitnehmer, die sich gezwungen sehen, selber zu kündigen,
da ihnen sonst gekündigt würde.
Die Kündigungen können nicht nur Arbeitsverträge auf unbestimmte Dauer betreffen; sie können auch befristete Arbeitsverhältnisse betreffen, sofern diese vorzeitig beendet werden,
indem etwa wichtige Gründe vorgeschoben werden. Dabei
spielt es keine Rolle, ob diese gegeben sind oder nicht; sie
dürfen allerdings nicht mit dem betreffenden Arbeitnehmer in
Zusammenhang stehen (s. Ziffer 1.2).
Änderungskündigungen (Kündigungen also, die deshalb ausgesprochen werden, weil die betroffenen Arbeitnehmer die
neuen Arbeitsbedingungen nicht akzeptieren) fallen ebenfalls
in den Anwendungsbereich der Bestimmungen über die Massenentlassung. Die Lehre ist sich diesbezüglich allerdings uneinig.
1.2 Kündigungen, die in keinem Zusammenhang mit der
Person des Arbeitnehmers stehen
Die Massenentlassung erfasst wirtschaftlich motivierte Kündigungen. Entsprechend fallen Kündigungen, welche aus Gründen,
die mit der Person des Arbeitnehmers in Zusammenhang stehen,
nicht darunter. Dazu zählen etwa Kündigungen infolge ungenügender Arbeitsleistung oder als Folge eines durch den
Arbeitnehmer begangenen Regelverstosses (z.B. Teilnahme an
einem nicht bewilligten Streik).
Keine Einigkeit herrscht in der Lehre über die Frage, wie zu
verfahren ist, wenn die Kündigung auf mehreren Gründen
beruht, von denen einige im Zusammenhang mit dem Arbeitnehmer stehen, andere jedoch nicht. Einige Autoren sprechen
sich diesbezüglich dafür aus, nur auf den effektiv ausschlaggebenden Grund abzustellen. Andere schlagen vor, danach zu
fragen, ob die betreffende Kündigung auch dann ausgesprochen
1.3 Zeitraum von 30 Tagen
Berücksichtigt werden nur Kündigungen, die innerhalb von
30 Tagen ausgesprochen worden sind (was nicht zwingend
einem Kalendermonat entsprechen muss). Darunter ist die
Zeitspanne zu verstehen, innert welcher die Kündigungen
ausgesprochen werden und nicht etwa diejenige, innert welcher
die Arbeitsverhältnisse beendet werden.
Bei der Bestimmung des Zeitraums von 30 Tagen ist man sich
allerdings uneinig darüber, ob der Tag, an welchem die
Kündigungsschreiben abgeschickt werden, oder ob vielmehr
der Tag, an welchem die Schreiben von den Arbeitnehmern in
Empfang genommen wurden, mitgezählt werden soll. Dieses
Problem stellt sich dann nicht, wenn die Kündigungsschreiben
persönlich überbracht werden oder wenn die Kündigung mündlich
mitgeteilt wird (diese letztgenannten Vorgehensweisen führen
allerdings zu Beweisschwierigkeiten).
Der Arbeitgeber kann die Vorschriften über die Massenentlassung
umgehen, indem er die Kündigungen gestaffelt ausspricht, sodass
die geforderte Mindestanzahl in einem Zeitraum von 30 Tagen
nicht erreicht wird. Eine solche Staffelung ist nicht zwingend
zum Nachteil der Arbeitnehmer. Vielmehr kann dadurch etwa
vermieden werden, dass sich gleichzeitig zu viele Arbeitssuchende derselben Branche auf dem Arbeitsmarkt wiederfinden.
Folglich können gestaffelte Kündigungen die Wiedereingliederung
der betroffenen Arbeitnehmer erleichtern.
Freilich sieht sich der Arbeitgeber allenfalls mit dem Vorwurf
des Rechtsmissbrauchs konfrontiert, wenn er solche Staffelkündigungen wiederholt ausspricht, ohne dass es dafür
hinreichende betriebliche Gründe gibt oder dies im Hinblick
auf die erleichterte Wiedereingliederung der Arbeitnehmer
angebracht ist. Mit Staffelkündigungen ist also Vorsicht geboten.
1.4 Kündigungen innerhalb desselben Betriebs
Wie die Definition des Begriffs Massenentlassung bereits impliziert,
orientiert sich der Begriff nicht am Arbeitgeber, sondern am
« Betrieb ». Darunter ist eine Organisationseinheit zu verstehen,
welche mit Personal sowie materiellen und immateriellen
Betriebsmitteln so ausgestattet ist, dass die anvisierten Arbeitsziele
umgesetzt werden können. Der « Betrieb » muss nicht unbedingt
eine rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle, administrative oder
technologische Selbständigkeit aufweisen.
Uneinig ist sich die Lehre bezüglich der Frage, wie Betriebe
ein und derselben juristischen Person einzuordnen sind, die
einander sowohl geographisch nahe stehen, als auch dieselben
soziale Arbeitnehmerschichten ansprechen und folglich für
alle betroffenen Arbeitnehmer gleichwertige Auswirkungen
hinsichtlich des Sozialplans und des Arbeitsmarktes haben.
Ein Teil der Lehre betrachtet solche Betriebe als Einheit im
Sinne von Art. 335d OR, ein anderer Teil lehnt sich dagegen
eng an den Wortlaut der Bestimmung an. Die Vertreter dieser
Ansicht sprechen sich dafür aus, dass selbst unter diesen
Umständen auf jeden Betrieb einzeln abgestellt werden muss.
1.5 Die Anzahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer
Das Bundesgericht hatte bislang noch keine Gelegenheit zu
präzisieren, was unter dem Begriff « in der Regel » beschäftigte
Arbeitnehmer zu verstehen ist. Gewisse Autoren sind der Ansicht,
dass Temporärangestellte nicht zu berücksichtigen sind, während
andere gegenteiliger Ansicht sind. Ein Zeitraum von sechs
Monaten soll sodann ausreichend sein, um die Anzahl der « in
der Regel » beschäftigten Arbeitnehmer zu bestimmen. Andere
Autoren schlagen vor, von einem Jahresdurchschnitt auszugehen,
da die Anzahl der in einem Betrieb angestellten Personen
grösseren Schwankungen unterliegt.
Gelegentliche Teilzeitangestellte wie etwa das Reinigungspersonal werden nicht zu den « in der Regel » beschäftigten
Arbeitnehmern gezählt. Ein Teil der Lehre schlägt sogar vor, auch
die Teilzeitangestellten mit einem Pensum von weniger als 50%
nicht miteinzubeziehen. Folgt man dieser Ansicht, stellt sich
allerdings zusätzlich die Frage, ob diese Arbeitsplätze überhaupt
zu der Anzahl Kündigungen hinzugezählt werden sollen.
1.6 Keine Massenentlassung im Fall von
Betriebsschliessungen auf Anordnung des Richters
Die Bestimmungen über die Massenentlassung finden keine
Anwendung bei Betriebsschliessungen infolge gerichtlicher
Entscheidungen (Art. 335e Abs. 2 OR). Damit ist insbesondere
eine Betriebsschliessung infolge Konkurs gemeint. Der Gesetzgeber
ist der Ansicht, dass das Verfahren der Konsultation der Arbeitnehmer sich im Falle eines Konkurses nicht rechtfertigt, da die
Arbeitnehmer als Gläubiger bereits über Einflussnahme im
Konkursverfahren verfügen (BGE 130 III 102 ; BGE 123 III 176).
In der Lehre ist dieser Punkt allerdings nicht unumstritten.
Die Frage der Anwendbarkeit der Bestimmungen über die
Massenentlassung im Falle der Betriebseinstellung infolge einer
Nachlassstundung, einer Notstundung oder eines Nachlassvertrags
mit Vermögensabtretung wurde bislang noch nicht entschieden.
Das Bundesgericht hat jedoch präzisiert, dass die Bestimmungen
über die Massenentlassung in jedem Fall anwendbar sind bei
Massenentlassungen, die vor der gerichtlichen Entscheidung
beabsichtigt waren (BGE 123 III 176). Diese Ansicht wird in
der Lehre ebenfalls kritisiert.
2
Die Pflicht zur Konsultation
Eine Merkmal der Massenentlassung ist die dem Arbeitgeber
auferlegte Pflicht zur Konsultation der Arbeitnehmer, und zwar
bevor er eine definitive Entscheidung hinsichtlich der Umsetzung
der Massenentlassung trifft (BGE 130 III 102 ; BGE 123 III 176).
Die Konsultation muss zu dem Zeitpunkt erfolgen, in dem der
Arbeitgeber konkret eine Massenentlassung in Betracht zieht,
selbst wenn diese noch von Bedingungen abhängt, nicht jedoch
bereits dann, wenn der Arbeitgeber auch nur an eine in ferner
Zukunft mögliche Massenentlassung denkt.
In den Betrieben, in welchen eine Arbeitnehmervertretung existiert,
ist diese zu konsultieren. In den anderen Betrieben sind es die
Arbeitnehmer selbst, die konsultiert werden und zwar gemeinsam
und unabhängig davon, ob sie persönlich von der möglichen
Entlassung betroffen sind oder nicht.
2
SCHELLENBERG WITTMER NEWSLETTER MÄRZ 2009
worden wäre, wenn die Gründe, welche im Zusammenhang
mit dem Arbeitnehmer stehen, nicht existiert hätten.
SCHELLENBERG WITTMER NEWSLETTER MÄRZ 2009
Diese Konsultation ist obligatorisch und erlaubt es der Arbeitnehmervertretung (oder mangels einer solchen: den Arbeitnehmern
selbst), Vorschläge zu formulieren, welche die Kündigungen
abwenden, deren Anzahl einschränken oder, allgemein gesprochen,
deren Auswirkungen mildern. Letzteres beispielsweise durch
Ausarbeitung eines Sozialplans.
Diese Pflicht zur Information und Konsultation besteht auch
dann, wenn der Entscheid über die Entlassungen bereits von
einer ausländischen Muttergesellschaft gefällt wurde, ohne dass
die Tochtergesellschaft, obwohl formell Arbeitgeberin, diesbezüglich Entscheidgewalt gehabt hätte. Die Gesellschaft, welche
formell als Arbeitgeberin anzusehen ist, muss jederzeit ihren
gesetzlichen Pflichten nachkommen.
Der Arbeitgeber muss jegliche zweckdienlichen Auskünfte
erteilen und in jedem Fall schriftlich folgendes mitteilen:
a.
die Gründe der Massenentlassung ;
b.
die Zahl der Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll ;
c.
die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer ;
d. den Zeitraum, in dem die Kündigungen ausgesprochen
werden sollen.
Unter den anderen zweckdienlichen Auskünften versteht die
Lehre etwa Angabe über die Möglichkeit von Versetzungen
innerhalb des Betriebes oder der Unternehmensgruppe, über
die Neuorganisation der Arbeitszuteilung, über die Mittel,
welche zur Verfügung stehen, um Arbeitnehmer zu entschädigen,
die den Betrieb freiwillig verlassen oder über frühzeitige
Pensionierungen.
Der Gesetzgeber hat keine Frist gesetzt, innerhalb derer die
Arbeitnehmervertreter (oder mangels einer solchen, die Arbeitnehmer selber) ihre Gegenvorschläge unterbreiten müssen.
Dies hängt im grossen und ganzen vom Umfang der Entlassungen, von der Grösse des Unternehmens, von der Dringlichkeit
der Situation, vom Vorhandensein einer Arbeitnehmervertretung
und anderen konkreten Umständen im Einzelfall ab. Gemäss
der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Frist von fünf
Tagen, welche an einem Montagmorgen früh abläuft, zu kurz
(BGE 130 III 102). Im konkreten Fall ging es um die Entlassung
von 124 der 132 Angestellten eines Betriebes [den verbleibenden
8 war bereits gekündigt worden]). Eine Frist von 24 Stunden
ist ebenfalls generell zu kurz, während eine Frist von vier bis
sechs Wochen demgegenüber zu lang ist (BGE 123 III 176).
Der Arbeitnehmervertretung (bzw. den Arbeitnehmern) muss
genügend Zeit zur Verfügung stehen, um sich zu beraten,
Expertenmeinungen einzuholen, sich auszutauschen und eine
Antwort auszuarbeiten. Gewisse Lehrmeinungen schlagen eine
Frist von 7 bis 10 Arbeitstagen vor bei einem Betrieb mittlerer
Grösse, der nicht mehr als 300 Beschäftige hat. Andere sprechen
sich dafür aus, dass die Frist in der Regel zwischen zwei
Wochen bis 20 Tagen betragen sollte. In jedem Fall kann ein
Arbeitgeber eine sehr kurze Konsultationsfrist nicht damit
rechtfertigen, dass die Entlassungen sehr dringend seien, wenn
er selbst für die verspätete Einleitung der Konsultation verantwortlich ist (BGE 130 III 102 ; BGE 123 III 176).
Ein Teil der Lehre ist der Ansicht, dass sich der Arbeitgeber
inhaltlich mit den von der Arbeitnehmervertretung (bzw. den
Arbeitnehmern) unterbreiteten Vorschlägen auseinandersetzen
und dass er sich namentlich erklären bzw. seine Entscheidung
begründen muss, falls er die Vorschläge verwirft. Diese Meinung
ist aber umstritten und wie auch immer man hier entscheiden
will, so bleibt doch festzuhalten, dass die Arbeitnehmer kein
Mitbestimmungsrecht haben und dass die ins Auge gefassten
Entlassungen nicht von ihrer Zustimmung abhängen.
3
Die Anzeigepflicht
Ist das Konsultationsverfahren erst einmal beendet, so muss
der Arbeitgeber dem kantonalen Arbeitsamt die geplante Massenentlassung schriftlich anzeigen und der Arbeitnehmervertretung
(oder mangels einer solchen, den Arbeitnehmern) eine entsprechende Kopie der Anzeige zukommen lassen. Die Anzeige
muss die Ergebnisse der Arbeitnehmerkonsultation enthalten sowie
jegliche zweckdienlichen Angaben bezüglich der Massenentlassung.
Die Arbeitnehmer können ihre Ansichten dem kantonalen Arbeitsamt ebenfalls mitteilen. In einem solchen Fall versucht das
Arbeitsamt zu vermitteln, ohne dass ihm allerdings eine eigentliche
Entscheidgewalt zukommt. Vielmehr wird es versuchen, sämtliche
Lösungen vorzuschlagen, welche eine Massenentlassung verhindern
oder deren Folgen mildern.
Gewisse Autoren empfehlen eine Zusammenlegung der Verfahrensschritte und zwar insofern, als bereits im Zeitpunkt der
Konsultation dem kantonalen Arbeitsamt sämtliche Informationen
mitgeteilt werden sollen. Das Arbeitsamt könnte diesfalls bereits
während der Konsultation intervenieren. Das würde den Arbeitgeber
allerdings nicht davon befreien, dem Arbeitsamt die Ergebnisse
der Konsultation mit einer neuen Anzeige mitzuteilen.
4
Die Vertragsauflösung
Nach der Anzeige der bevorstehenden Massenentlassung und
dem Ergebnis der Konsultation beim kantonalen Arbeitsamt
kann der Arbeitgeber mit der Umsetzung der Massenentlassung
fortfahren. Die Arbeitsverhältnisse können frühestens 30 Tage
nach dieser Anzeige beendet werden. Es versteht sich von selbst,
dass diese Frist länger ist, falls der jeweilige Arbeitsvertrag oder
das Gesetz eine längere Kündigungsfrist vorsehen (und im
konkreten Einzelfall nicht mit sofortiger Wirkung aus wichtigem
Grund gekündigt wurde).
Der Schutz vor einer Kündigung zur Unzeit kommt Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, die krank geschrieben oder
schwanger sind, auch im Falle der Massenentlassung zu.
5
Konsequenzen im Falle der Nichtbeachtung der
Bestimmungen über die Massenentlassung
5.1 Eine missbräuchliche Kündigung
Die Kündigung durch den Arbeitgeber ohne vorgängige
Konsultation, wie sie bei Massenentlassungen vorgeschrieben
ist, ist missbräuchlich (Art. 336 Abs. 2 lit. c OR). Entsprechend
kann jeder entlassene Arbeitnehmer eine Entschädigung in der
Höhe von maximal zwei Monatslöhnen fordern. Es handelt sich
hierbei um einen Maximalbetrag und diese Sanktion findet dann
keine Anwendung, wenn die Verfahrensfehler keine gravierenden
waren. Die gesamten Umstände müssen bei der Festsetzung der
Entschädigung berücksichtigt werden, also insbesondere auch
3
a.
5.2 Rechtsfolgen der Vertragsauflösung
c.
Wie vorstehend bereits erwähnt, werden die Arbeitsverhältnisse
frühestens 30 Tagen nach Anzeige der Massenentlassung beim
kantonalen Arbeitsamt beendet. Dies gilt unabhängig davon,
ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten wurde oder nicht
(bspw. bei einer Unterlassung der vorgängigen Konsultation oder
einer zu kurzen Frist zur Stellungnahme).
Falls der Arbeitgeber allerdings die Anzeige beim kantonalen
Arbeitsamt vollständig unterlässt, so kann die Frist von 30 Tagen
nicht zu laufen beginnen. Diesfalls ist die Kündigung zwar gültig,
ihre Rechtswirkung aber ist aufgeschoben (BGE 132 III 406).
Die Arbeitsverhältnisse werden jedoch stillschweigend beendet,
wenn der Arbeitnehmer bspw. eine neue Stelle annimmt oder
wenn sich der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegenüber während
längerer Dauer passiv verhält, die Kündigungsfrist nicht beanstandet,
seine Arbeitsleistung nicht anbietet und folglich eine allfällige
Intervention des Arbeitsamtes keinen Sinn mehr machen würde.
5.3 Verwaltungsrechtliche Strafen
Das kantonale Recht kann ferner verwaltungsrechtliche Strafen
vorsehen im Falle der Nichtbeachtung der Bestimmungen über
die Massenentlassung (z.B. bei Unterlassen der Anzeige beim
Arbeitsamt).
6
Der Sozialplan
Vorbehältlich anderslautender Bestimmungen in Individual- oder
Gesamtarbeitsverträgen ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, den
Arbeitnehmern zusätzlichen Leistungen zu erbringen. Dennoch
wird häufig im Zusammenhang mit Massenentlassungen ein Sozialplan erstellt. Stellt der Arbeitgeber einen Sozialplan auf, so
sollte er auf Gleichbehandlung bedacht sein. Dies bedeutet, all
diejenigen Arbeitnehmer, die sich in vergleichbaren Situationen
befinden, gleich zu behandeln.
7
Die Meldepflicht gemäss der Arbeitsvermittlungsverordnung
Gemäss Art. 53 der Verordnung über die Arbeitsvermittlung
und den Personalverleih (Arbeitsvermittlungsverordnung, AVV)
ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitsamt Entlassungen
und Betriebsschliessungen zu melden, die innerhalb eines
Monats mindestens zehn Arbeitnehmer betreffen. Die Kantone
können diese Meldepflicht auf mindestens sechs Arbeitnehmer,
die von Entlassungen oder Betriebsschliessungen betroffen sind,
herabsetzen. Von dieser Möglichkeit hat insbesondere der Kanton
Genf Gebrauch gemacht.
Anzahl, Geschlecht, Herkunft (Schweiz oder Ausland) der
betroffenen Arbeitnehmer ;
b. den Grund der Betriebsschliessung ;
bei Entlassungen den Arbeitsbereich der betroffenen
Arbeitnehmer ;
d. den Zeitpunkt der Wirksamkeit der ausgesprochenen
Kündigungen (im Berichtsmonat oder auf einen späteren
Zeitpunkt).
In diesem Zusammenhang und anders als bei der Massenentlassung
im engeren Sinn beschränkt sich das Arbeitsamt darauf, den entlassenen Arbeitnehmern bei der Stellensuche behilflich zu sein.
Der Arbeitgeber, der die Meldepflicht absichtlich unterlässt, hat eine
Busse von maximal CHF 40'000.- zu gewärtigen. Die Busse wird
bei fahrlässiger Nichtbeachtung auf maximal CHF 20'000.- reduziert.
8
Schlussbemerkung
Bezüglich der Frage, in welchen Fällen die Bestimmungen über
die Massenentlassung überhaupt Anwendung finden sowie zum
Verfahrensverlauf sind die Vorgaben des schweizerischen Gesetzgebers ziemlich vage. Das Bundesgericht hatte bislang noch
nicht genügend Möglichkeiten, diese Fragen zu klären. Entsprechend ist jedem Arbeitgeber, der eine Massenentlassung in Betracht
zieht, zu empfehlen, juristischen Rat beizuziehen, und zwar
namentlich bezüglich der Praxis des jeweiligen Kantons und
zu den zu ergreifenden Massnahmen im konkreten Einzelfall.
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Diese Anzeige muss spätestes am Tag der Kündigung vorgenommen werden. Anders als bei der Massenentlassung im engeren
Sinn erfasst sie alle Kündigungen unabhängig von ihrem Grund
und folglich auch Kündigungen, die im Zusammenhang mit
der Person des Arbeitnehmers stehen.
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Tel. +41 (0) 44 215 5252
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SCHELLENBERG WITTMER NEWSLETTER MÄRZ 2009
den vom Arbeitgeber begangenen Verstoss und seine finanzielle
Situation. Auch die Gewerkschaften sind befugt, die Missbräuchlichkeit der Kündigungen gerichtlich feststellen zu lassen.
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