s Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband Standpunkt Staatsschuldenkrise: Zeit zum Handeln! der Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe 29. November 2011 Chefvolkswirt Volker Brokelmann - HSH Nordbank Chefvolkswirt Uwe Dürkop - LBB Chefvolkswirt Holger Fahrinkrug - WestLB Chefvolkswirt Folker Hellmeyer - Bremer LB Chefvolkswirt Dr. Ulrich Kater - DekaBank Chefvolkswirt Dr. Peter Merk - LBBW Chefvolkswirt Dr. Jürgen Pfister - BayernLB Chefvolkswirtin Dr. Gertrud Traud - Helaba Chefvolkswirt Torsten Windels - NordLB Koordination: Dr. Reinhold Rickes - DSGV Standpunkt Berlin, 29. November 2011 Seite 2 Die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum hat sich in den letzten Wochen weiter zugespitzt. Nun müssen auch Österreich, Belgien, Frankreich und die Niederlande deutliche Zinsaufschläge gegenüber Bundesanleihen bieten. Mit der verstärkten Diskussion über Eurobonds gerieten jedoch auch Bunds unter Druck. Die Krise hat damit ein bedrohliches Stadium erreicht. Die Regierungen der Euro-Raum-Länder sind gefordert, diese, das Finanzsystem und die Wirtschaft gefährdende Krise, endlich einzudämmen. Die Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs vom 21. Juli 2011 und vom 26. Oktober 2011 sowie neue Regierungen in Griechenland, in Italien und in Spanien bieten gute Voraussetzungen für eine konsequente Umsetzung der Haushaltskonsolidierung und für Strukturreformen in den betreffenden Ländern. Neben Maßnahmen zur Krisenbewältigung müssen auch die künftigen Strukturen der Wirtschafts- und Währungsunion erkennbar werden, um das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen. Das Misstrauen an den Finanzmärkten ist auch deshalb so groß, weil selbst der erweiterte Rettungsschirm (EFSF) mit einem effektiven Ausleihvolumen von 440 Mrd. Euro wohl nicht ausreichen würde, um Spanien umfangreich zu unterstützen, geschweige denn Italien. Die am 26. Oktober 2011 beschlossenen Varianten einer Hebelung der EFSFMittel bis zu 1 Billion Euro werden an den Finanzmärkten sehr zurückhaltend aufgenommen, zumal deren Konkretisierung immer noch aussteht. Spanien macht aber gute Fortschritte und Italien ist ein Land mit großem privaten Reichtum und erheblichen Goldreserven der Notenbank, die zur Sicherung von Anleihen herangezogen werden können, bevor Mittel der Gemeinschaft zum Einsatz kommen. Eine einmalige Vermögensabgabe der privaten Haushalte könnte die Staatsschuld erheblich verringern. Das Land hat folglich das Potenzial, sich aus eigener Kraft aus der Krise zu befreien. Die Lösung der Krise ist zwei Jahre nach deren Ausbruch durch Zuwarten der Regierungen schwieriger und teurer geworden. Nun bedarf es einer Doppelstrategie: Einerseits muss spätestens beim Gipfel am 9. Dezember 2011 eine überzeugende Lösung für die unmittelbaren Rettungsmaßnahmen gefunden werden. Andererseits geht es um die Korrektur des Geburtsfehlers der Währungsunion: die konsequente Unterbindung einer übermäßigen Staatsverschuldung. Dies wird verbunden sein, mit einem partiellen Souveränitätsverzicht in der Fiskalpolitik bzw. Durchgriffsrechten der Gemeinschaft im Falle von Verstößen gegen die finanzpolitischen Stabilitätskriterien. Standpunkt Berlin, 29. November 2011 Seite 3 Unerlässlich ist aber auch, dass die bisherigen Beschlüsse auf Länder- und EU-Ebene unverzüglich umgesetzt werden. Zum einen geht es um die Konkretisierung der beiden Varianten für einen möglichst effizienten Einsatz der Mittel der EFSF. Den verbreiteten Bedenken aus Anlegerkreisen ist dabei Rechnung zu tragen. Zum anderen bleiben weitreichende Reformen in den von der Vertrauenskrise betroffenen Ländern vorrangig und müssen umgesetzt werden. Die aktuelle Verschärfung der Lage ist nicht zuletzt Folge der sich ständig wandelnden Anforderungen zur Eigenkapitalunterlegung von Staatsanleihen seitens der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) im Rahmen der Stresstests. Das wirkt im gegenwärtigen Umfeld Krisen verschärfend, da Banken nicht nur als Käufer von Staatsanleihen bestimmter Länder ausfallen, sondern sich darüber hinaus veranlasst sehen könnten, Bestände zu verkaufen. Die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Zentralbank (EZB), das Verbot der direkten Staatsfinanzierung, die Unabhängigkeit der EZB und ihre Verpflichtung auf Geldwertstabilität als Grundlage des Vertrauens in den Euro sind hohe Güter, die nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden dürfen. Im Übrigen müssten bei der Entscheidung über Anleihekäufe die Stimmen im EZB-Rat, ebenso wie bei Entscheidungen über Kapital und Gewinnverwendung, nach den Anteilen der nationalen Zentralbanken am Kapital der EZB gewogen werden (Stimmen der Mitglieder des Direktoriums werden mit Null gewogen; Art. 10.3 der Satzung der EZB). Die Überwindung der Vertrauenskrise ist zentral für den Fortbestand der Währungsunion. Sollten alle Versuche einer Stabilisierung der Krise nicht gelingen, wären vorübergehend höhere Anleihekäufe der EZB als Ultima Ratio wohl unvermeidlich, wenn ein Scheitern der Währungsunion verhindert werden soll. Dennoch bleibt fraglich, ob damit mittel- bis langfristig die Glaubwürdigkeit der EZB und des Euro gestärkt werden kann.