Analysis auf Mannigfaltigkeiten

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Analysis auf Mannigfaltigkeiten
August 2011
Michael Kaltenbäck
Inhaltsverzeichnis
1
Mannigfaltigkeiten
1.1 Karten und Atlanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Tangentialraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Untermannigfaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1
7
15
2
Flüsse
2.1 Vektorfelder . . . . . . . . . . . .
2.2 Verwandte Vektorfelder . . . . . .
2.3 Integralkurven . . . . . . . . . . .
2.4 Lokale und globale Flüsse . . . .
2.5 Distributionen, Satz von Frobenius
3
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23
23
28
31
33
41
Differentialformen
3.1 Etwas Lineare Algebra . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Differentialformen auf Rd . . . . . . . . . . . . .
3.3 Differentialformen auf Mannigfaltigkeiten . . . .
3.4 Integration von Differentialformen . . . . . . . .
3.5 Stokesscher Integralsatz . . . . . . . . . . . . . .
3.6 Ergänzendes zu orientierbaren Mannigfaltigkeiten
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47
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72
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Literaturverzeichnis
77
Index
78
i
ii
INHALTSVERZEICHNIS
Kapitel 1
Mannigfaltigkeiten
1.1 Karten und Atlanten
Wir wollen eingangs Objekte M mathematisch fassen, die anschaulich Geraden bzw.
Oberflächen entsprechen. Wir studieren diese Objekte mit sogenannten Karten. Das
sind bijektive Abbildungen von dem betrefflichen Objekt auf eine offene Teilmenge
des Rd , mit deren Hilfe man die Eigenschaften von M zumindest lokal innerhalb eines
bekannten Settings studieren kann. Dazu einige grundlegende Definitionen.
1.1.1 Definition.
Sei M ein topologischer Raum und d ∈ N. Eine bijektive Abbildung ϕ : U → D
heißt Karte auf M mit Werten in Rd , falls ∅ , U ⊆ M und ∅ , D ⊆ Rd offen
sind, und falls ϕ ein Homöomorphismus ist, wobei U und D jeweils mit der
Spurtopologie versehen wird.
Ist ϕ : U → D eine Karte, so bezeichnet man die Abbildung ϕ−1 : D → U als
lokale Parametrisierung oder kurz als Einbettung.
Für ein r ∈ N ∪ {0, ∞} und ein d ∈ N ist ein d-dimensionaler C r -Atlas auf M
eine Menge A von Karten ϕ : Uϕ → Dϕ auf M mit Werten in Rd , sodass die
Definitionsbereiche der Karten ganz M überdecken, d.h.
[
M=
Uϕ ,
ϕ∈A
und sodass für alle ϕ, ψ ∈ A mit Uϕ ∩ Uψ , ∅
ψ ◦ ϕ−1 : ϕ(Uϕ ∩ Uψ ) (⊆ Dϕ ) → ψ(Uϕ ∩ Uψ ) (⊆ Dψ ),
(1.1)
eine C r -Abbildung1 ist.
Ist A ein d-dimensionaler C r -Atlas auf M und ist φ eine d-dimensionale Karte,
die in A liegt oder auch nicht, so nennen wir φ mit A verträglich, wenn auch
A ∪ {φ} ein C r -Atlas auf M ist.
Einen zweiten Atlas A′ auf M nennen wir äquivalent zu A, wenn auch A ∪ A′
ein Atlas ist.
1 Für
r = 0 bedeutet C r -Abbildung, dass selbige stetig ist.
1
KAPITEL 1. MANNIGFALTIGKEITEN
2
Ist M ein topologischer Raum, der das Hausdorffsche Trennungsaxiom erfüllt,
und der eine abzählbare topologische Basis besitzt, d.h. es sei das zweite
Abzählbarkeitsaxiom erfüllt, sind r ∈ N ∪ {0, ∞} und d ∈ N und ist A
ein d-dimensionaler C r -Atlas auf M, so nennt man das Paar (M, A) eine ddimensionale C r -Mannigfaltigkeit.
Da man in (1.1) ϕ, ψ ∈ A vertauschen kann, bedeutet diese Forderung gerade, dass
ψ ◦ ϕ−1 im Fall r = 0 ein Homöomorphismus und im Fall r > 0 ein r-mal stetig
differenzierbarer Diffeomorphismus ist.
Wir werden uns hier ausschließlich mit C r -Mannigfaltigkeiten mit r ≥ 1 beschäftigen, d.h. mit sogenannten differenzierbaren Mannigfaltigkeiten. Meist beschränkt man
sich sogar auf den Fall r = ∞.
1.1.2 Bemerkung. Ist (M, A) ein d-dimensionale C r -Mannigfaltigkeit, so schreiben wir
in Hinkunft meist nur M dafür und erwähnen meist nicht den dazugehörigen Atlas A.
Sprechen wir dann von einer Karte ϕ auf M, dann meinen wir immer – außer es wird
explizit darauf hingewiesen – eine mit A verträgliche Karte.
1.1.3 Beispiel.
Für M = Rd ist idRd : M → Rd offensichtlich eine Karte und A = {idRd }
ist ein d-dimensionaler C ∞ -Atlas. Also ist (M, A) eine d-dimensionale C ∞ Mannigfaltigkeit.
Nimmt man M = Rd und irgendeinen Homöomorphismus φ : Rd → Rd ,
der nicht differenzierbar ist, so ist auch (M, {φ}) eine d-dimensionale C ∞ Mannigfaltigkeit, da Bedingung (1.1) trivialerweise erfüllt ist. Nun ist aber die
Karte idRd nicht verträglich mit dem Atlas {φ}.
Ist M ein d-dimensionaler affiner Teilraum von R p , und ist f : Rd → M eine
affine Abbildung der Bauart x 7→ y + Ax mit einer injektiven linearen Abbildung
A : Rd → R p und einem festen y ∈ M, so ist A = { f −1 } ein d-dimensionaler
C ∞ -Atlas.
Ist allgemeiner f : D → R p eine injektive und stetige Abbildung von einer
offenen Teilmenge D ⊆ Rd nach R p , sodass f −1 : f (D) (⊆ R p ) → D ebenfalls
stetig ist, so ist M = f (D) versehen mit dem Atlas { f −1 } eine d-dimensionale C ∞ Mannigfaltigkeit. Wir wollen derartige Mannigfaltigkeiten als d-dimensionale
Flächen im R p bezeichnen.
Sei D = (−1, 1) × (−1, 1) und M := f (D) mit


!  ξ 


ξ
f
:=  η 
 2

η
ξ + η2
Diese Abbildung ist offensichtlich injektiv. Sie ist stetig, da alle Komponentenfunktionen stetig sind. Außerdem ist f −1 : M → D nichts anderes als die Projektion auf die ersten beiden Koordinaten, und somit auch stetig.
Wir werden später sehen, dass die Mannigfaltigkeiten aus der Analysis III in unser
Schema hier passen.
1.1. KARTEN UND ATLANTEN
3
1.1.4 Fakta.
1. Ist M eine d-dimensionale C r -Mannigfaltigkeit, so ist M als topologischer Raum
lokalkompakt (und damit regulär):
Ist x ∈ M und ϕ : U → D eine (mit dem M zugrunde liegenden Atlas verträgliche) Karte mit x ∈ U, so sei ǫ > 0 so klein, dass die abgeschlossene Kugel
Kǫ (ϕ(x)) in D enthalten ist. Die Menge ϕ−1 (Kǫ (ϕ(x))) ist als stetiges Bild einer
kompakten Menge selbst kompakt und enthält die in der Spurtopologie offene
Menge ϕ−1 (Uǫ (ϕ(x))) ∋ x. Also hat x eine kompakte Umgebung.
2. Sei M eine d-dimensionale C r -Mannigfaltigkeit und ϕ : U → D eine (mit dem
M zugrunde liegenden Atlas verträgliche) Karte und U ′ ⊆ U (⊆ M) offen und
nichtleer, so ist auch D′ := ϕ(U ′ ) ⊆ D offen und nichtleer. Umgekehrt ist für ein
offenes nichtleeres D′ ⊆ D sicherlich auch U ′ := ϕ−1 (D′ ) ⊆ U (⊆ M) offen und
nichtleer.
In jedem Fall ist dann auch ϕ|U′ : U ′ → D′ eine (mit dem M zugrunde liegenden
Atlas verträgliche) Karte, weil die Bedingung, dass die Funktion in (1.1) C r ist,
bei der Einschränkung auf eine offene Teilmenge erhalten bleibt.
3. Aus dem letzen Punkt folgt sofort, dass, wenn (M, A) eine d-dimensionale C r Mannigfaltigkeit und O ⊆ M offen ist, dann auch (O, A′ ) eine d-dimensionale
C r -Mannigfaltigkeit ist, wobei
A′ := {ϕ|Uϕ ∩O : ϕ ∈ A, Uϕ ∩ O , ∅}.
4. Ist (Mi , Ai ), i ∈ I, eine endliche oder abzählbar unendliche Familie von ddimensionalen C r -Mannigfaltigkeiten, wobei M j ∩ Mi = ∅ für alle i , j, und
Ṡ
versieht man M := i∈I Mi mit der finalen Topologie bezüglich der Abbildungen
ι Mi : Mi → M, x 7→ x, so ist (M, A) eine d-dimensionale C r -Mannigfaltigkeit,
wobei
[
A :=
Ai .
i∈I
r
5. Sei M eine d-dimensionale C -Mannigfaltigkeit. Ist ϕ : Uϕ → Dϕ eine (mit
dem M zugrunde liegenden Atlas verträgliche) Karte und x ∈ Uϕ , so ist auch
y 7→ ϕ(y) − ϕ(x) eine (mit dem M zugrunde liegenden Atlas verträgliche) Karte,
die zudem x auf 0 ∈ Rd abbildet.
Ist allgemeiner h : Dϕ → O (⊆ Rd ) ein C r -Diffeomorphismus, so ist h◦ϕ : Uϕ →
O ein (mit dem M zugrunde liegenden Atlas verträgliche) Karte.
1.1.5 Lemma (Lindelöf ). Sei Ui , i ∈ I, eine offene Überdeckung eines topologischen
S
Raumes (X, T ), d.h. i∈I Ui = X. Hat (X, T ) eine abzählbare Basis, so gibt es eine
höchstens abzählbare Teilmenge J ⊆ I, sodass Ui , i ∈ J, ebenfalls X überdeckt.
Beweis. Sei B eine abzählbare Basis von (X, T ). Da jede offene Menge als Vereinigung von Basismengen geschrieben
werden kann, gibt es zu jedem i und jedem x ∈ Ui ein Bi,x ∈ B mit x ∈ Bi,x ⊆ Ui . Sei A die Menge aller derart getroffenen
Mengen aus B.
Da mit B auch A höchstens abzählbar ist, gibt es i(n), x(n) , n ∈ N, sodass
A = {Bi(n),x(n) : n ∈ N}.
Ist nun x ∈ X, so gibt es laut Voraussetzung ein i mit x ∈ Ui . Wegen Bi,x ∈ A gibt es ein n, sodass x ∈ Bi,x = Bi(n),x(n) ⊆ Ui ,
wobei i.A. i , i(n), x , x(n). Da aber auch Bi(n),x(n) ⊆ Ui(n) , folgt x ∈ Ui(n) , und wir sehen, dass die Ui(n) , n ∈ N, ganz X
überdecken.
❑
KAPITEL 1. MANNIGFALTIGKEITEN
4
1.1.6 Korollar. Ist (M, A) eine Mannigfaltigkeit, so gibt es einen Teilatlas B ⊆ A, der
aus abzählbar vielen Karten besteht.
Beweis. Aus Lemma 1.1.5 angewandt auf Uϕ , ϕ ∈ A, folgt sofort die Aussage.
❑
1.1.7 Lemma. Sei (M1 , A1 ) eine d1 -dimensionale C r -Mannigfaltigkeit und (M2 , A2 )
eine d2 -dimensionale C r -Mannigfaltigkeit. Versieht man M := M1 × M2 mit der Produkttopologie und mit dem Atlas
A := {ϕ1 × ϕ2 : ϕ1 ∈ A1 , ϕ2 ∈ A2 },
so ist auch (M, A) eine d1 + d2 -dimensionale C r -Mannigfaltigkeit, die sogenannte
Produktmannigfaltigkeit von M1 und M2 . Dabei ist ϕ1 × ϕ2 : Uϕ1 × Uϕ2 (⊆ M) →
Dϕ1 × Dϕ2 (⊆ Rd1 × Rd2 Rd1 +d2 ) die Abbildung (x, y) 7→ (ϕ1 (x), ϕ2 (y)).
Beweis. Bekannterweise ist M versehen mit der Produkttopologie lokalkompakt und
Hausdorffsch, und erfüllt das zweite Abzählbarkeitsaxiom.
Für ϕ1 ∈ A1 , ϕ2 ∈ A2 sind zudem Uϕ1 × Uϕ2 und Dϕ1 × Dϕ2 offen in M bzw.
Rd1 × Rd2 Rd1 +d2 , und ϕ1 × ϕ2 : Uϕ1 × Uϕ2 → Dϕ1 × Dϕ2 ist ein Homöomorphismus.
Sind ϕ1 , ψ1 ∈ A1 , ϕ2 , ψ2 ∈ A2 so, dass Uϕ1 ∩ Uψ1 , ∅, Uϕ2 ∩ Uψ2 , ∅, so gilt
−1
(ψ1 × ψ2 ) ◦ (ϕ1 × ϕ2 )−1 = (ψ1 ◦ ϕ−1
1 ) × (ψ2 ◦ ϕ2 ) :
(ϕ1 × ϕ2 )((Uϕ1 ∩ Uψ1 ) × (Uϕ2 ∩ Uψ2 )) → (ψ1 × ψ2 )((Uϕ1 ∩ Uψ1 ) × (Uϕ2 ∩ Uψ2 )),
womit diese Abbldung C r ist. Wegen

 

 [
  [

M = M1 × M2 = 
Uϕ1  × 
Uϕ2  =
ϕ1 ∈A1
ϕ2 ∈A2
[
Uϕ1 × Uϕ2
ϕ1 ∈A1 , ϕ2 ∈A2
ist A ein Atlas.
❑
Wie fast überall in der Mathematik sind Funktionen, die strukturerhaltend sind, von
ganz besonderem Interesse. Bei den Mannigfaltigkeiten sind das die differenzierbaren
Abbildungen.
1.1.8 Definition. Seien (M, A) und (N, B) zwei C r -Mannigfaltigkeiten mit einem r ∈
N ∪ {∞}. Eine Abbildung f : M → N heißt m-mal stetig differenzierbar mit einem
m ∈ N ∪ {∞}, m ≤ r, wenn es zu jedem x ∈ M eine mit A verträgliche Karte ϕ mit
x ∈ Uϕ und eine mit B verträgliche Karte ψ mit f (x) ∈ Uψ gibt, sodass f (Uϕ ) ⊆ Uψ
und sodass
ψ ◦ f ◦ ϕ−1 : Dϕ → Dψ
m-mal stetig differenzierbar ist. Die Menge aller m-mal stetig differenzierbaren Abbildungen von M nach N bezeichnen wir mit C m (M, N).
Ein bijektives f : M → N heißt C m -Diffeomorphismus, wenn f und f −1 im Sinne von
oben in C m (M, N) bzw. in C m (N, M) liegen.
1.1.9 Fakta.
1.1. KARTEN UND ATLANTEN
5
1. Sei f ∈ C m (M, N), und seien ϕ und ψ Karten wie in Definition 1.1.8 zu einem
gegebenen x ∈ M. Da Uϕ offen ist, und da
f |Uϕ = ψ−1 ◦ (ψ ◦ f ◦ ϕ−1 ) ◦ ϕ : Uϕ → N
als Zusammensetzung stetiger Funktionen stetig ist, folgt die Stetigkeit von f bei
x. Da x beliebig war, ist f : M → N auf ganz M stetig.
2. Ist f : M → N ein C m -Diffeomorphismus, so ist f wegen des letzten Punktes
auch ein Homöomorphismus.
3. Ist f : M → N in C m (M, N), und sind ϕ̃ bzw. ψ̃ zwei beliebige (mit A bzw. B
verträgliche) Karten auf M bzw. N, sodass f (Uϕ̃ ) ⊆ Uψ̃ , so ist auch
ψ̃ ◦ f ◦ ϕ̃−1 : Dϕ̃ → Dψ̃
m-mal stetig differenzierbar. Insbesondere bleibt die m-malige Differenzierbarkeit von f erhalten, wenn man auf M und N jeweils zu äquivalenten Atlanten
übergeht.
Um das einzusehen sei x ∈ Uϕ̃ , und seien ϕ und ψ Karten wie in Definition 1.1.8.
Also gilt f (Uϕ ∩ Uϕ̃ ) ⊆ Uψ ∩ Uψ̃ und damit gemäß (1.1)
ψ̃ ◦ f ◦ ϕ̃−1 |ϕ̃(Uϕ ∩Uϕ̃ ) = (ψ̃ ◦ ψ−1 ) ◦ ψ ◦ f ◦ ϕ−1 ◦ (ϕ ◦ ϕ̃−1 )|ϕ̃(Uϕ ∩Uϕ̃ ) ,
wobei ϕ̃(Uϕ ∩ Uϕ̃ ) eine offene ϕ̃(x) enthaltende Teilmenge von Dϕ̃ ist. Also ist
ψ̃ ◦ f ◦ ϕ̃−1 : Dϕ̃ → Dψ̃ lokal um jeden Punkt von Dϕ̃ – und daher überall – als
Zusammensetzung von C m -Abbildungen auch m-mal stetig differenzierbar.
4. Aus 3 und 1 erkennt man leicht, dass f : M → N genau dann C m ist, wenn
f : M → N stetig ist und wenn für alle Karten ϕ auf M und ψ auf N die Abbildung ψ ◦ f ◦ ϕ−1 auf ihrem maximalen Definitionsbereich ϕ( f −1 (Uψ ) ∩ Uϕ ) eine
klassische C m -Abbildung ist.
5. Sind M ⊆ R p und N ⊆ Rq offen versehen mit den Atlanten {id M } bzw. {idN }, so
liegt ein f : M → N genau dann in C m (M, N), wenn f als Abbildung von M
nach Rq im klassischen Sinne m-mal stetig differenzierbar ist.
6. Ist ϕ eine Karte auf M, so ist ϕ : Uϕ → Dϕ ein C r -Diffeomorphismus, wobei Uϕ
für sich eine Mannigfaltigkeit wie in Fakta 1.1.4, 3, und Dϕ mit dem Atlas {idDϕ }
versehen ist.
7. Die Hintereinanderausführung von m-mal stetig differenzierbaren Funktionen
zwischen Mannigfaltigkeiten ist wieder m-mal stetig differenzierbar.
Insbesondere ist die Hintereinanderausführung von C m -Diffeomorphismen zwischen Mannigfaltigkeiten wieder ein C m -Diffeomorphismus.
Dazu seien f : M → N und h : N → L in C m (M, N) bzw. C m (N, L). Zu x ∈ M
gibt es Karten ψ auf N und φ auf L mit f (x) ∈ Uψ , h( f (x)) ∈ Uφ und h(Uψ ) ⊆ Uφ ,
sodass φ ◦ h ◦ ψ−1 : Dψ → Dφ m-mal stetig differenzierbar ist.
Ist nun ϕ eine Karte auf M mit x ∈ Uϕ , so ist wegen der Stetigkeit von f die
Menge U ′ := f −1 (Uψ ) ∩ Uϕ eine offene Teilmenge von Uϕ mit x ∈ U ′ . Nach
Fakta 1.1.4 ist auch ϕ′ := ϕ|U′ : U ′ → ϕ(U ′ ) eine Karte, die zudem x ∈ Uϕ′ = U ′ ,
f (Uϕ′ ) ⊆ Uψ und h ◦ f (Uϕ′ ) ⊆ h(Uψ ) ⊆ Uφ erfüllt.
KAPITEL 1. MANNIGFALTIGKEITEN
6
Nach 3, ist zudem ψ ◦ f ◦ (ϕ′ )−1 : Dϕ′ → Dψ und daher auch
(φ ◦ h ◦ ψ−1 ) ◦ (ψ ◦ f ◦ (ϕ′ )−1 ) = φ ◦ h ◦ f ◦ (ϕ′ )−1 : Dϕ′ → Dφ .
m-mal stetig differenzierbar.
8. Mit der Notation von Lemma 1.1.7 ist die Projektion π j : M1 × M2 → M j für
j = 1, 2 eine r-mal stetig differenzierbare Abbildung.
Wegen 7 sind damit für eine C m -Abbildung f : L → M1 × M2 mit einer C r Mannigfaltigkeit L die Abbildungen π j ◦ f : L → M j auch m-mal stetig differenzierbar und zwar für j = 1, 2.
Man zeigt unschwer, dass auch die Umkehrung gilt; also ist eine Abbildung f :
L → M1 × M2 genau dann m-mal stetig differenzierbar, wenn beide Abbildungen
π1 ◦ f : L → M1 und π2 ◦ f : L → M2 es sind.
1.1.10 Bemerkung. Ist M = G gleichzeitig eine d-dimensionale C r -Mannigfaltigkeit
und eine Gruppe, sodass die Multiplikation · : G × G → G r-mal stetig differenzierbar
ist, so spricht man von einer C r -Liegruppe. Ein Beispiel für eine C ∞ -Liegruppe ist z.B.
GL(n, R).
Man zeigt leicht, dass dann z.B. auch die Abbildung lg : x 7→ gx (Linkstranslation)
von G nach G für jedes g ∈ G ein C r -Diffeomorphismus ist.
Den Beweis des folgenden Lemmas überlassen wir dem Leser als Übung; siehe
Analysis III.
1.1.11 Lemma. Ist O ⊆ Rd offen, t ∈ O und ǫ > so, dass Kǫ (t) ⊆ O, so gibt es ein
h ∈ C ∞ (O, R) mit kompaktem Träger supp h ⊆ O, mit h(O) ⊆ [0, 1] und h(Kǫ (t)) = {1}.
1.1.12 Satz. Sei M eine C r -Mannigfaltigkeit.
1. Sei (Oi )i∈I eine offene Überdeckung von M. Dann gibt es eine C r -Zerlegung der
Eins, d.h. abzählbar viele C r -Funktionen χ j : M → [0, 1], j = 1, . . . , l mit
l ∈ N∪{∞}, sodass der Träger supp(χ j ) = {x ∈ M : χ j (x) , 0} einer jeden dieser
Funktionen kompakt und in einem Oi( j) enthalten ist, und sodass
1=
l
X
χ j (x), x ∈ M.
j=1
Dabei gibt es zu jedem x ∈ M eine Umgebung V x um x und einen Index l(x) ∈ N,
P
sodass χ j (y) = 0 für alle j > l(x) und alle y ∈ V x , womit lj=1 χ j lokal eine
endliche Summe ist.
2. Ist K eine kompakte Teilmenge von M und (Oi )i∈I eine offene Überdeckung von
K, so gibt es endliche viele C r -Funktionen χ j : M → [0, 1], j = 1, . . . , l mit einem l ∈ N, sodass der Träger supp(χ j ) = {x ∈ M : χ j (x) , 0} einer jeden dieser
Funktionen kompakt und in einem Oi( j) enthalten ist, und sodass
1K (x) ≤
l
X
j=1
χ j (x) ≤ 1, x ∈ M.
1.2. TANGENTIALRAUM
7
Beweis. Folgender Beweis funktioniert für beide Aussagen.
Zu jedem x ∈ M bzw. x ∈ K wähle man eine Karte ϕ x mit x ∈ Uϕx und so, dass
Uϕx ⊆ Oi(x) für ein i(x) ∈ I, vgl. Fakta 1.1.4. Lemma 1.1.11 angewandt auf ϕ x (x)
ergibt eine C ∞ -Funktion h x : Dϕx → R mit kompakten Träger supp h x ⊆ Dϕx mit
h x (Dϕx ) ⊆ [0, 1] und h x (Kǫx (ϕ x (x))) = {1} für ein ǫ x > 0, sodass Kǫx (ϕ x (x)) ⊆ Dϕx .
Setzen wir h x ◦ ϕ x durch Null auf ganz M fort, so folgt aus der Tatsache, dass
die Differenzierbarkeit eine lokale Eigenschaft ist, dass diese Fortsetzung f x eine C r Funktion ist.
Klarerweise stellt (ϕ−1
x (U ǫ x (ϕ x (x)))) x∈K eine offene Überdeckung von M bzw.
K dar. Im ersten Fall folgt aus Lemma 1.1.5 bzw. im zweiten Fall folgt aus der
Kompaktheit von K, dass abzählbar bzw. endliche viele dieser offenen Mengen
ϕ−1
x j (U ǫ x j (ϕ x j (x j ))), j = 1, . . . , l mit einem l ∈ N ∪ {∞} schon M bzw. K überdecken.
Wir definieren nun χ1 = f x1 und für j < l
χ j+1 = f x j+1
j
Y
(1 − f xk ).
k=1
Klarerweise haben alle Funktionen χ j Werte in [0, 1], wobei der Träger von χ j in dem
von f x j und somit kompakt und in Oi(x j ) enthalten ist. Zudem sind die χ j aus C r (M, R).
Schließlich zeigt man unschwer durch ein induktives Argument, dass ( j + 1 < l)
j
X
k=1
χk = 1 −
j
Y
(1 − f xk ).
k=1
Pj
χk Werte im Intervall [0, 1].
Insbesondere hat k=1
Für x ∈ M bzw. x ∈ K ist x in einem ϕ−1
xk (U ǫ xk (ϕ xk (xk ))) enthalten. Ist ein x in
einem solchen ϕ−1
(U
(ϕ
(x
)))
enthalten,
so
folgt für alle y ∈ ϕ−1
ǫ xk
xk k
xk
xk (U ǫ xk (ϕ xk (xk ))),
Pj
dass f xk (y) = 1 und damit r=1 χr (y) = 1 für alle j ≥ k. Also ist χ j (y) = 0 für alle
j > k.
❑
1.2 Tangentialraum
Wenn man an eine d-dimensionale Fläche M = φ(D) im R p mit einem Homöomorphismus φ : D → φ(D), wobei φ : D → φ(D) stetig differenzierbar mit rang dφ(s) =
d, s ∈ D ist, denkt, so ist der Tangentialraum in einem Punkt x ∈ M definiert als der
d-dimensionale lineare Teilraum dφ(s) (Rd ) von R p . Bei abstrakten Mannigfaltigkeiten
hat man keinen R p , worin M eingebettet liegt. Somit gestaltet sich schon die Definition
des Tangentialraumes als nicht ganz einfach.
Die offensichtlichste Möglichkeit, den Tangentialraum T x M bei einem Punkt x auf
einer d-dimensionalen Mannigfaltigkeit M einzuführen ist die, einfach eine Kopie des
Rd herzunehmen. Das Problematische dabei ist, diesen Tangentialraum in Verbindung
zur Abbildung in und aus der Mannigfaltigkeit zu setzen.
Wir führen den Tangentialraum T x M bei einem Punkt x auf einer d-dimensionalen
Mannigfaltigkeit (M, A) ein, indem wir zunächst zumindest einmal alle stetig differenzierbaren Abbildungen c : Ic → M mit einem offenen reellen Intervall Ic , sodass 0 ∈ Ic
KAPITEL 1. MANNIGFALTIGKEITEN
8
und c(0) = x, betrachten, wobei Ic mit dem Atlas {idIc } versehen ist, vgl. Definition
1.1.8, um dann die Menge
T x M := {c : c ∈ C 1 (Ic , M) ∧ c(0) = x}
aller solchen Abbildungen mit der Äquivalenzrelation
c ∼ b :⇔ ∃ϕ ∈ A : x ∈ Uϕ ∧ (ϕ ◦ c)′ (0) = (ϕ ◦ b)′ (0) (∈ Rd )
zu versehen. Man schließt leicht mit Hilfe der Kettenregel (vgl. (1.2)), dass diese Definition nicht von der konkreten Karte ϕ abhängt und dass in Folge ∼ tatsächlich eine
Äquivalenzrelation ist. Außerdem gilt c ∼ b, wenn c und b auf irgendeiner Umgebung
der reellen Null übereinstimmen.
1.2.1 Definition. Für eine d-dimensionale C r -Mannigfaltigkeit (M, A) und ein x ∈ M
sei der Tangentialraum bei x definiert als
T x M := T x M/ ∼
Für eine stetig differenzierbare Abbildung g : I → M mit einem offenen I ⊆ R wollen
wir g′ (s) als die Restklasse
g′ (s) := t 7→ g(s + t) ∼ (∈ T g(s) M)
definieren.
1.2.2 Bemerkung. Ist U ⊆ M offen und x ∈ U, so ist U gemäß Fakta 1.1.4, 3, selber
eine Mannigfaltigkeit. Da T x M nur vom Aussehen der Wege lokal bei x abhängen, lässt
sich T x M mit T x U vermöge der Abbildung [c]∼ 7→ [c| Jc ]∼ identifizieren, wobei Jc ein
offenes Intervall um die Null mit Jc ⊆ Ic ist, sodass c(Jc ) ⊆ U.
1.2.3 Bemerkung. Für eine gegebene Karte ϕ mit x ∈ Uϕ ist
t x ϕ : [c]∼ 7→ (ϕ ◦ c)′ (0)
offensichtlich eine injektive Abbildung von T x M nach Rd . Sie ist sogar bijektiv, da zu
einem v ∈ Rd die Kurve cv (t) := ϕ−1 (ϕ(x) + tv), ϕ(x) + tv ∈ Dϕ , sicherlich
(ϕ ◦ cv )′ (0) = v
erfüllt. Somit können wir T x M mit einer Vektorraumstruktur – also mit + und · – versehen, indem wir fordern, dass t x ϕ linear ist. Das Nullelement auf T x M ist – wie man
sich leicht überzeugt – die von der Konstanten c ≡ x aufgespannte Restklasse.
Diese Vektorraumstruktur hängt ad hoc von ϕ ab und macht T x M zu einem Vektorraum der Dimension d über R. Um die Unabhängigkeit von ϕ nachzuweisen, sei φ eine
zweite Karte, die x ∈ Uφ erfüllt. Nach der mehrdimensionalen Kettenregel (Analysis
II) gilt
(φ ◦ c)′ (0) = ((φ ◦ ϕ−1 ) ◦ (ϕ ◦ c))′ (0) = d(φ ◦ ϕ−1 )(ϕ(x)) (ϕ ◦ c)′ (0).
(1.2)
Dabei ist d(φ ◦ ϕ−1 )(ϕ(x)) eine reguläre, lineare Abbildung von Rd auf sich. Wir schließen
t x φ = d(φ ◦ ϕ−1 )(ϕ(x)) ◦ t x ϕ.
(1.3)
1.2. TANGENTIALRAUM
9
Wenn wir T x M wie oben beschrieben ausgehend von ϕ mit einer Vektorraumstruktur
versehen, dann ist die rechte Seite und damit auch t x φ eine reguläre, lineare Abbildung von T x M auf Rd . Also stimmt die gegebene Vektorraumstruktur auf T x M mit der
überein, wenn man eingangs verlangt, dass t x φ linear ist.
Da cv : t 7→ ϕ−1 (ϕ(x)+tv) sogar r-mal stetig differenzierbar ist und da die [cv ]∼ , v ∈
d
R ganz T x M aufspannen, gilt auch T x M = {[c]∼ : c ∈ T x M, c ∈ C r (Ic , M)}.
Somit macht folgende Definition Sinne.
1.2.4 Definition. Sei T x M mit jener Vektorraumstruktur (+ und ·) versehen, sodass für
alle Karten ϕ auf M mit x ∈ Uϕ die Abbildung t x ϕ linear ist.
Offensichtlich hat T x M dann Dimension d.
1.2.5 Beispiel. Ist M eine offene Teilmenge von Rd versehen mit dem Atlas {id M },
und nimmt man ϕ = id M , so ist die Abbildung [c]∼ 7→ (ϕ ◦ c)′ (0) nichts anderes als
t x idM : [c]∼ 7→ c′ (0). Also erhalten wir eine kanonische Identifikation von T x M mit
Rd .
1.2.6 Beispiel. Wir betrachten die Gruppe G := GL(n, R) als bekannterweise offene Teilmenge von Rn×n . Versehen mit {idG } ist G eine n2 -dimensionale C ∞ Mannigfaltigkeit. Sie ist in der Tat eine Lie-Gruppe, denn · : G × G → G ist C ∞ .
Der Tangentialraum bei I = idRn ∈ GL(n, R), also T I G, ist vermöge
2
tI idG : T I G → Rn Rn×n
isomorph zu Rn×n . Für A ∈ Rn×n und |t| <
1
kAk
liegt
cA (t) := I + tA
in G mit cA (0) = I; also [cA ]∼ ∈ T I G. Nun gilt
tI idG ([cA ]∼ ) = c′A (0) = A.
Ein Dimensionsvergleich ergibt T I G = {[cA ]∼ : A ∈ Rn×n }, wobei die Zuordnung
A 7→ [cA ]∼ gerade die Inverse von tI idG ist.
Betrachtet man ein allgemeines B ∈ G und cA (t) = B + tA für hinreichend kleines
|t|, so folgt genauso, dass [cA ]∼ ∈ T BG und
tB idG ([cA ]∼ ) = c′A (0) = A.
Also gilt für alle B ∈ G
T BG = {[cA ]∼ : A ∈ Rn×n },
wobei auch A 7→ [cA ]∼ die Inverse von tB idG ist. Um herauszuheben, dass wir den
Tangentialraum bei B betrachten, schreiben wir für cA auch cAB .
1.2.7 Bemerkung. Sei M eine d-dimensionalen C r -Mannigfaltigkeit. Ist ϕ eine Karte
auf M mit x ∈ Uϕ und ist i = 1, . . . , d, so sei
ci (t) := ϕ−1 (ϕ(x) + tei ), t ∈ Ici ,
wobei Ici ein offenes Intervall um die Null ist, sodass ϕ(x) + tei ∈ Dϕ für alle t ∈ Ici .
Dann gilt ci ∈ T x M, und wir setzen
∂
| x := [ci ]∼ .
∂ϕi
KAPITEL 1. MANNIGFALTIGKEITEN
10
Wegen (ϕ ◦ ci )′ (0) = t x ϕ([ci ]∼ ) = ei ist
T x M, vgl. Definition 1.2.4.
∂
∂ϕi | x ,
i = 1, . . . , d, eine Vektorraumbasis von
1.2.8 Definition. Seien M und N zwei C r -Mannigfaltigkeiten mit einem r ∈ N ∪ {∞}.
Ist f : M → N mindestens einmal stetig differenzierbar und x ∈ M, so sei T x f :
T x M → T f (x) N die Abbildung definiert durch
T x f ([c]∼ ) := [ f ◦ c]∼ , [c]∼ ∈ T x M.
Diese Abbildung heißt die Ableitung von f .
1.2.9 Beispiel. Sind M und N offene Teilmengen von Rd1 bzw. Rd2 (versehen mit dem
Atlas {id M } bzw. {idN }), und wird für x ∈ M der Tangentialraum T x M wie in Beispiel
1.2.5 vermöge t x id M mit Rd1 und T f (x) N vermöge t f (x) idN mit Rd2 identifiziert, so gilt
wegen der Kettenregel aus der Analysis II
t f (x) idN ◦T x f ([c]∼ ) = t f (x) idN ([ f ◦ c]∼ ) =
( f ◦ c)′ (0) = d f (x)c′ (0) = d f (x) ◦ t x id M ([c]∼ ),
wobei das d f (x) rechts in dieser Relation die Ableitung im Sinne der Analysis II ist.
Wir sehen, dass in dem gegenwärtigen Fall die Abbildung T x f der klassischen Ableitung d f (x) entspricht.
1.2.10 Fakta.
1. T x f ist wohldefiniert, da f ◦ c ∈ T f (x) N, und da für c ∼ b und Karten ϕ und ψ
auf M bzw. N mit x ∈ Uϕ , f (x) ∈ Uψ , f (Uϕ ) ⊆ Uψ wie in Definition 1.1.8
(ψ ◦ f ◦ c)′ (0) = ((ψ ◦ f ◦ ϕ−1 ) ◦ (ϕ ◦ c))′ (0) = d(ψ ◦ f ◦ ϕ−1 )(ϕ(x)) (ϕ ◦ c)′ (0) =
d(ψ ◦ f ◦ ϕ−1 )(ϕ(x)) (ϕ ◦ b)′ (0) = (ψ ◦ f ◦ b)′ (0),
also f ◦ c ∼ f ◦ b.
2. Wir erkennen aus dieser Gleichung auch, dass
t f (x) ψ T x f = d(ψ ◦ f ◦ ϕ−1 )(ϕ(x)) t x ϕ,
(1.4)
wobei rechts die Ableitung wie in der Analysis II gemeint ist. Da die Vektorraumstruktur auf T x M und T f (x) N vermöge t x ϕ bzw. t f (x) ψ definiert ist, folgt
T x f ∈ L(T x M, T f (x) N).
Wir erkennen aus (1.4) auch, dass die lineare Abbildung T x f die Koordinatendarstellung d(ψ ◦ f ◦ ϕ−1 )(ϕ(x)) hat, wenn wir T x M und T f (x) N mit den Basen
∂
∂
| x , i = 1 . . . , dim M, sowie
| f (x) , i = 1 . . . , dim N,
∂ϕi
∂ψi
wie in Bemerkung 1.2.7 versehen.
3. Da d(ψ ◦ f ◦ ϕ−1 )(ϕ(x)) in (1.4) nur vom Aussehen von ψ ◦ f ◦ ϕ−1 lokal bei ϕ(x)
abhängt, d.h. nur von der Einschränkung von ψ ◦ f ◦ ϕ−1 auf jede noch so kleine
Umgebung von ϕ(x), hängt T x f ([c]∼ ) auch nur vom Aussehen von f lokal bei x
ab.
1.2. TANGENTIALRAUM
11
4. Es gilt T x idM = idT x M .
5. Ist in (1.4) ψ = idDϕ und f = ϕ : Uϕ → Dϕ – Uϕ als Mannigfaltigkeit wie in
Fakta 1.1.4, 3, betrachtet –, so folgt
(tϕ(x) idDϕ ) T x ϕ = t x ϕ.
6. Ist auch L eine C r -Mannigfaltigkeit und g : N → L mindestens einmal stetig
differenzierbar, so gilt die Kettenregel
T f (x) g T x f = T x (g ◦ f ),
da für [c]∼ ∈ T x M sicherlich [ f ◦ c]∼ ∈ T f (x) N und daher
T x (g ◦ f )([c]∼ ) = [(g ◦ f ) ◦ c]∼ = [g ◦ ( f ◦ c)]∼ =
T f (x) g([ f ◦ c]∼ ) = T f (x) g T x f ([c]∼ ).
7. Ist f : M → N mindestens ein C 1 -Diffeomorphismus, so folgt aus den Punkten
6 und 4, dass T f (x) ( f −1 ) = (T x f )−1 , woraus inbesondere folgt, dass M und N
dieselbe Dimension besitzen müssen.
8. Ist I ⊆ R offen und g : I → M mindestens einmal stetig differenzierbar, so gilt
g′ (s) = T s g ◦ (t s idI )−1 (1), vgl. Definition 1.2.1.
1.2.11 Definition. Sei M eine d-dimensionalen C r -Mannigfaltigkeit und x ∈ M. Ist
f ∈ C 1 (M, Rm ) – Rm mit dem Atlas {idRm } versehen – und ist X x ∈ T x M, so setzen wir
(vgl. Beispiel 1.2.5)
X x f := t f (x) idRm T x f X x (∈ Rm ),
und nennen das die Ableitung von f in Richtung X x .
1.2.12 Fakta.
1. Ist X x = [c]∼ , so gilt
X x f = t f (x) idRm ([ f ◦ c]∼ ) = ( f ◦ c)′ (0).
(1.5)
Ist dabei c = ci wie in Bemerkung 1.2.7 mit einer Karte ϕ, so ist [ci ]∼ f = ∂ϕ∂ i | x f
nichts anderes als die Ableitung von f ◦ ϕ−1 : Dϕ → Rm nach der i-ten Variablen.
∂f
(x).
Für ∂ϕ∂ i | x f schreibt man daher auch ∂ϕ
i
2. Aus der Kettenregel folgt für eine weitere C r -Mannigfaltigkeit N, h ∈ C r (M, N)
und f ∈ C 1 (N, Rm ), dass
T x h(X x ) f = t f ◦h(x) idRm T h(x) f T x h (X x ) =
| {z }
∈T h(x) N
t f ◦h(x) idRm T x ( f ◦ h) (X x ) = X x ( f ◦ h).
3. Aus (1.5) folgt sofort, dass X x f linear von f abhängt. Da X x 7→ X x f eine Zusammensetzung zweier linearer Funktionen ist, hängt X x f auch linear von X x
ab.
KAPITEL 1. MANNIGFALTIGKEITEN
12
4. Sind X x , Y x ∈ T x M und gilt X x f = Y x f für alle f ∈ C 1 (M, R), so muss X x = Y x .
Um das einzusehen, sei ϕ eine Karte auf M mit x ∈ Uϕ und sei h : Rd → R eine
C ∞ -Funktion mit kompaktem, in Dϕ enthaltenen Träger und sodass h|Uδ (ϕ(x)) ≡ 1
für ein δ > 0.
Für jedes v ∈ Rd sei fv : Uϕ → R definiert durch fv (y) = (h ◦ ϕ(y)) · (vT ϕ(y)).
Wegen der Wahl von h lässt sich fv mit 0 außerhalb von Uϕ zu einer C ∞ -Funktion
fortsetzen.
Ist nun X x = [c]∼ und Y x = [b]∼ , so folgt
X x fv = ( fv ◦ c)′ (0) = (vT ϕ ◦ c)′ (0) = vT (ϕ ◦ c)′ (0)
und Y x fv = vT (ϕ ◦ b)′ (0). Diese beiden Ausdrücke müssen für alle v ∈ Rd übereinstimmen, und daher (ϕ ◦ c)′ (0) = (ϕ ◦ b)′ (0) bzw. [c]∼ = [b]∼ .
Mengentheoretisch sind für verschiedene x, y ∈ M die Tangentialräume T x M und
T y M disjunkt.
1.2.13 Definition. Für eine d-dimensionale C r -Mannigfaltigkeit M sei
[
˙
T M :=
TxM
x∈M
der Tangentialraum von M. Die Abbildung, die einem Y ∈ T M jenes x ∈ M zuordnet,
sodass Y ∈ T x M, heißt Bündelprojektion π : T M → M. Ist Y ∈ T M und π(Y) = x, so
schreiben wir auch Y = Y x .
Man kann sich T M so denken, dass man zu jedem x ∈ M einen d-dimensionalen
Vektorraum hängt. Nun wollen wir T M mit einem Atlas versehen. Dazu betrachten wir
zunächst eine Karte ϕ aus dem gegebenen Atlas A auf M. Da Uϕ eine offene Teilmenge
von M ist und somit selbst eine d-dimensionale C r -Mannigfaltigkeit, können wir T Uϕ
mit einer Teilmenge von T M identifizieren, siehe Bemerkung 1.2.2.
Die Abbildung
X 7→ t x ϕ(X)
ordnet einem X ∈ T M mit x = π(X) ∈ Uϕ , d.h. X ∈ T Uϕ , ein Element aus Rd zu, vgl.
Bemerkung 1.2.3. Also ordnet die Abbildung
ϕ̂ : Uϕ̂ := T Uϕ → Dϕ̂ := Dϕ × Rd , X 7→ ϕ(π(X)), tπ(X) ϕ (X) ,
(1.6)
einem X ∈ T Uϕ ein Element aus der offenen Teilmenge Dϕ × Rd von Rd × Rd R2d
zu. Offensichtlich ist diese Abbildung bijektiv.
Seien ϕ, ψ ∈ A mit Uϕ ∩ Uψ , ∅. Wegen (1.3) gilt für (t, τ) ∈ ϕ̂(T Uϕ ∩ T Uψ ) =
ϕ̂(T (Uϕ ∩ Uψ )) = ϕ(Uϕ ∩ Uψ ) × Rd (⊆ Dϕ̂ )
(1.7)
ψ̂ ◦ ϕ̂−1 (t, τ) = ψ̂ tϕ−1 (t) ϕ −1 τ =
| {z }
∈T ϕ−1 (t) M⊆T M
ψ(ϕ−1 (t)), tϕ−1 (t) ψ tϕ−1 (t) ϕ −1 τ = ψ ◦ ϕ−1 (t), d(ψ ◦ ϕ−1 )(t)τ .
Also ist ψ̂ ◦ ϕ̂−1 eine C r−1 -Abbildung von der in R2d offenen Menge ϕ̂(T Uϕ ∩ T Uψ ) auf
die in R2d offene Menge ψ̂(T Uϕ ∩ T Uψ ). Weil ihre Inverse von gleicher Bauart ist, ist
sie sogar ein C r−1 -Diffeomorphismus im Sinne der Analysis II. Offensichtlich gilt auch
[
[
Uϕ̂ =
T Uϕ = T M.
ϕ∈A
ϕ∈A
1.2. TANGENTIALRAUM
13
Schließlich sei T M versehen mit der Topologie, welche
−1
ϕ̂ (D) : D ⊆ R2d offen, ϕ ∈ A
(1.8)
als Subbasis hat. Man sieht leicht, dass das die gröbste Topologie auf T M ist, sodass
alle Uϕ̂ = T Uϕ offen und alle Abbildungen ϕ̂ stetig sind.
1.2.14 Lemma. Sei ϕ eine Karte aus dem gegebenen Atlas A auf M. Dann ist ein
O ⊆ Uϕ̂ genau dann offen bzgl. obiger Topologie, wenn ϕ̂(O) offen in R2d ist.
Ist B irgendein zu A äquivalenter Atlas, so ist die durch B via (1.8) erzeugte Topologie auf T M gleich wie die durch A erzeugte.
Beweis. Ist ϕ̂(O) offen in R2d , so liegt O – da ϕ injektiv ist – in der Subbasis (1.8) und
damit in der Topologie.
Sei umgekehrt O ⊆ Uϕ̂ offen bzgl. der Topologie. Zu jedem x ∈ O gibt es somit
ψ1 , . . . , ψn aus dem Atlas und offene D1 , . . . , Dn ⊆ R2d , sodass
\
−1
x∈
ψ̂ j (D j ) ⊆ O,
j=1,...,n
woraus
ϕ̂(x) ∈
\
j=1,...,n
−1
ϕ̂(ψ̂ j (D j ) ∩ Uψ̂ j ∩ Uϕ̂ ) =
\
j=1,...,n
−1
ϕ̂ ψ̂ j D j ∩ ψ̂ j (T Uψ j ∩ T Uϕ ) ⊆ ϕ̂(O)
−1
folgt. Wegen ψ̂ j (T Uψ j ∩ T Uϕ ) = ψ j (Uψ j ∩ Uϕ ) × Rd und da ϕ̂ ◦ ψ̂ j ein Homöomorphismus ist, ist die Menge links vom ⊆ Zeichen offen in R2d . Da ϕ̂(x) beliebig in ϕ̂(O)
ist, muss letztere Menge offen sein.
Beim Beweis der zweiten Aussage können wir wegen der Definition von Äquivalenz zweier Atlanten annehmen, dass B ⊆ A. Der Beweis folgt nun sofort aus dem
S
ersten Teil, wenn man eine gegebene Teilmenge O ⊆ T M als O = ψ∈B Uψ̂ ∩ O
schreibt.
❑
1.2.15 Satz. Sei (M, A) eine d-dimensionale C r -Mannigfaltigkeit. Versehen wir T M
mit  := {ϕ̂ : ϕ ∈ A} und mit der obigen Topologie, so ist (T M, Â) eine 2ddimensionale C r−1 -Mannigfaltigkeit.
Beweis. Wegen Korollar 1.1.6 gibt es einen abzählbaren Teilatlas B von A. Nach
Lemma 1.2.14 erzeugt dieser via (1.8) dieselbe Topologie.
Lässt man nun in (1.8) die Teilmengen D ⊆ R2d nicht durch alle offenen Teilmengen sondern durch eine abzählbare Basis B laufen, so erzeugt auch die abzählbare
Subbasis
−1
ϕ̂ (D) : D ∈ B, ϕ ∈ B
dieselbe Topologie auf T M. Die Menge aller Schnitte endlich vieler Mengen daraus ist
dann eine abzählbare Basis der Topologie auf T M.
Sind X, Y ∈ T M verschieden, so zeigt man leicht durch Fallunterscheidung π(X) =
π(Y) und π(X) , π(Y), dass es disjunkte Umgebungen von X und Y gibt. Also ist die
Topologie auch Hausdorffsch.
Schließlich sind die Abbildungen ϕ̂ : T Uϕ → Dϕ̂ wegen Lemma 1.2.14 alle
Homöomorphismen, und dass dann  einen Atlas ergibt, haben wir schon oben
gesehen.
❑
KAPITEL 1. MANNIGFALTIGKEITEN
14
1.2.16 Bemerkung. Ist ϕ eine mit dem Atlas A auf M verträgliche Karte, so folgt aus
dem zweiten Teil von Lemma 1.2.14 sowie (1.7), dass ϕ̂ mit  verträglich ist.
1.2.17 Bemerkung. Da ϕ ◦ π ◦ ϕ̂−1 : Dϕ̂ (⊆ R2d ) → Dϕ (⊆ Rd ) nichts anderes als die
Projektion auf die vorderen d Koordinaten ist, ist die Bündelprojektion π : T M → M
eine C r−1 -Abbildung.
1.2.18 Beispiel. Ist M ⊆ Rd offen versehen mit dem Atlas {id M }, so gilt
ˆ M (X) = (π(X), tπ(X) id M (X))
id
1.2.19 Proposition. Seien M und N zwei C r -Mannigfaltigkeiten mit einem r ∈ N ∪ {∞}
mit Dimensionen d bzw. m. Ist f : M → N eine C l -Abbildung mit 1 ≤ l ≤ r, so ist
T f : T M → T N, X 7→ T π(X) f X
eine C l−1 -Abbildung.
Beweis. Seien X ∈ T M, x := π(X) und Karten ϕ auf M und ψ auf N wie in Definition
1.1.8. Dann gilt für (t, τ) ∈ Dϕ̂ gemäß (1.4)
ψ̂ ◦ T f ◦ ϕ̂−1 (t, τ) = ψ̂ T ϕ−1 (t) f tϕ−1 (t) ϕ −1 τ =
(1.9)
! ψ f (ϕ−1 (t)) , t f (ϕ−1 (t)) ψ T ϕ−1 (t) f tϕ−1 (t) ϕ −1 τ = ψ ◦ f ◦ ϕ−1 (t), d(ψ ◦ f ◦ ϕ−1 )(t)τ .
Als Funktion von (t, τ) ist die rechte Seite C l−1 . Nach Definition 1.1.8 ist T f somit
eine C l−1 -Abbildung.
❑
Man beachte, dass die Abbildung T f : T M → T N aus Proposition 1.2.19 bei
gleichem π(X) linear ist, d.h. T f (X + Y) = T f (X) + T f (Y), wenn π(X) = π(Y).
Wir wollen uns am Ende dieses Abschnittes noch den Tangentialraum einer Produktmannigfaltigkeit M1 × M2 wie in Lemma 1.1.7 anschauen. Die genaue Verifikation sei
dem Leser überlassen.
1.2.20 Fakta.
1. Für (x, y) ∈ M1 ×M2 ist die Abbildung i(x,y) : ([c1 ]∼ , [c2 ]∼ ) 7→ [t 7→ (c1 (t), c2 (t))]∼
eine wohldefinierte lineare und bijektive Abbildung von T x M1 × T y M2 →
T (x,y) M1 × M2 , die für Karten ϕ j auf M j ( j = 1, 2) mit x ∈ Uϕ1 und y ∈ Uϕ2
t(x,y) (ϕ1 × ϕ2 ) i(x,y) (X x , Yy ) = (t x ϕ1 X x , ty ϕ2 Yy )
für alle X x ∈ T x M1 , Yy ∈ T y M2 erfüllt.
2. Sei f : M1 × M2 → L zumindest einmal stetig differenzierbar mit einer C r Mannigfaltigkeit L, x ∈ M1 und y ∈ M2 . Für [c1 ]∼ ∈ T x M1 folgt
T (x,y) f i(x,y) ([c1 ]∼ , |{z}
0 ) = [t 7→ f (c1 (t), y)]∼ = T x f (., y) [c1 ]∼ .
∈T y M2
1.3. UNTERMANNIGFALTIGKEIT
15
Genauso sieht man T (x,y) f i(x,y) (0, [c2 ]∼ ) = T y f (x, .) [c2 ]∼ für [c2 ]∼ ∈ T y M2 . Da
T (x,y) f linear ist, gilt also
T (x,y) f i(x,y) (X x , Yy ) = T x f (., y) X x + T y f (x, .) Yy
für alle X x ∈ T x M1 , Yy ∈ T y M2 . Insbesondere folgt für f ∈ C 1 (M1 × M2 , Rm )
i(x,y) (X x , Yy ) f = X x f (., y) + Yy f (x, .).
3. Die Abbildung i : T M1 × T M2 → T M1 × M2 sei definiert durch i(X x , Yy ) :=
i(x,y) (X x , Yy ), wenn X x ∈ T x M1 , Yy ∈ T y M2 .
Sind ϕ j Karten auf M j ( j = 1, 2) mit x ∈ Uϕ1 und y ∈ Uϕ2 , so gilt für X x ∈
T x M1 , Yy ∈ T y M2 .
ϕ1[
× ϕ2 ◦ i (X x , Yy ) = (ϕ1 (x), ϕ2 (y)), t(x,y) (ϕ1 × ϕ2 ) i(x,y) (X x , Yy ) =

 I
0
(ϕ1 (x), ϕ2 (y)), (t x ϕ1 X x , ty ϕ2 Yy ) = 
0
0
|
0 0
0 I
I 0
0 0
{z
∈R4d×4d

0

0
(ϕ̂ × ϕ̂2 ) (X x , Yy ).
0 1
I
}
Insbesondere ist i : T M1 × T M2 → T M1 × M2 ein C m -Diffeomorphismus.
4. Sei f : M1 × M2 → L wieder zumindest einmal stetig differenzierbar mit einer
C r -Mannigfaltigkeit L, so gilt für X x ∈ T x M1 , Yy ∈ T y M2 mit (x, y) ∈ M1 × M2
T f ◦ i(X x , Yy ) = T (x,y) f i(x,y) (X x , Yy ) =
(1.10)
T x f (., y) X x + T y f (x, .) Yy = T f (., y)(X x ) + T f (x, .)(Yy ).
| {z }
| {z }
T M1 →T L
T M2 →T L
1.3 Untermannigfaltigkeit
1.3.1 Definition. Sei M eine d-dimensionale C r -Mannigfaltigkeit mit r ∈ N ∪ {∞} und
sei 1 ≤ k ≤ d. Eine Teilmenge N ⊆ M heißt k-dimensionale Untermannigfaltigkeit oder
Teilmannigfaltigkeit von M, falls es zu jedem x ∈ N eine (mit dem auf M gegebenen
Atlas verträgliche) Karte ϕ mit x ∈ Uϕ gibt, sodass Dϕ ∩ (Rk × {0}) = ϕ(Uϕ ∩ N).
1.3.2 Fakta.
1. Man sieht unmittelbar, dass Teilmannigfaltigkeiten der Dimension k = d genau
die offenen Teilmengen von M sind.
2. Offensichtlich ist der Begriff Untermannigfaltigkeit ein lokaler Begriff, d.h. N ⊆
M ist genau dann eine Untermannigfaltigkeit, wenn es zu jedem x ∈ N eine in M
offene Umgebung U von x gibt, sodass N ∩ U eine Untermannigfaltigkeit von U
(versehen mit dem Atlas wie in Fakta 1.1.4, 3) ist.
3. Elementar prüft man auch nach, dass für eine Teilmannigfaltigkeit N von M eine
Teilmenge L ⊆ N genau dann eine Teilmannigfaltigkeit von N ist (Wir werden
gleich sehen, vgl. Bemerkung 1.3.6, dass N als Untermannigfaltigkeit auch für
sich selber eine Mannigfaltigkeit ist.), wenn sie eine solche von M ist.
KAPITEL 1. MANNIGFALTIGKEITEN
16
1.3.3 Lemma. N ⊆ M ist genau dann eine k-dimensionale Untermannigfaltigkeit von
M, wenn es zu jedem x ∈ N eine Karte ϕ mit x ∈ Uϕ gibt, sodass ϕ(Uϕ ∩ N) eine (bzgl.
der Spurtopologie) offene Teilmenge von Rk × {0} (⊆ Rd ) ist.
In der Tat lässt sich der Definitionsbereich Uϕ einer jeden Karte ϕ mit Uϕ ∩ N , ∅
und (bzgl. der Spurtopologie) offenem ϕ(Uϕ ∩ N) ⊆ Rk × {0} so verkleinern, dass der
neue offenen Definitionsbereich U (⊆ Uϕ )
ϕ(Uϕ ∩ N) = ϕ(U ∩ N) = ϕ(U) ∩ (Rk × {0})
erfüllt.
Beweis. Die Notwendigkeit dieser Bedingung ist offensichtlich. Um die Hinlänglichkeit zu zeigen, sei x ∈ N und ϕ eine Karte, sodass O × {0} := ϕ(Uϕ ∩ N) (⊆ Dϕ ) offen
in Rk × {0} Rk ist.
Für U := ϕ−1 ((O × Rd−k ) ∩ Dϕ ) gilt
ϕ(U ∩ N) = ϕ(U ∩ Uϕ ∩ N) = (O × Rd−k ) ∩ (O × {0}) = O × {0}
sowie
(O × Rd−k ) ∩ Dϕ ∩ (Rk × {0}) = (O × {0}) ∩ Dϕ = O × {0}.
Also erfüllt die Karte ϕ|U : U → (O×Rd−k )∩Dϕ die Bedingung aus Definition 1.3.1.
❑
1.3.4 Beispiel. Als ganz einfaches Beispiel sei an das letzte Beispiel in Beispiel 1.1.3
erinnert. M = f (D) mit D = (−1, 1) × (−1, 1) und


!  ξ 


ξ
f
:=  η 


η
ξ2 + η2
ist eine 2-dimensionale Untermannigfaltigkeit von D × R versehen mit dem Atlas
{idD×R }, da g(M) = D × {0}, wobei g : D × R → R3 definiert durch

  

α 
α

  
β
g  β  := 

  
2
2
γ−α −β
γ
eine mit {idD×R } verträgliche Karte ist.
1.3.5 Beispiel. Für Mannigfaltigkeiten M1 und M2 ist M1 × {y} für jedes y ∈ M2 eine
Untermannigfaltigkeit von M1 × M2 definiert wie in Lemma 1.1.7.
1.3.6 Bemerkung. Nimmt man zwei Karten ϕ, ψ wie in Definition 1.3.1, sodass N ∩
Uϕ ∩ Uψ , ∅, so gilt ϕ(N ∩ Uϕ ∩ Uψ ) =: C × {0} mit einem offenen C ⊆ Rk und
(pk ◦ ψ|N∩Uψ ) ◦ (pk ◦ ϕ|N∩Uϕ )−1 = (pk ◦ ψ ◦ ϕ−1 ◦ ιk )|C ,
wobei pk : Rd → Rk die Projektion auf die ersten k Koordinaten und ιk : Rk → Rd die
Abbildung u 7→ (u, 0)T ist.
Da die rechte Seite C r ist, sieht man leicht, dass N versehen mit der Spurtopologie
und mit dem Atlas aller Abbildungen ϕN := pk ◦ ϕ|N∩Uϕ , wobei die ϕ wie in Definition
1.3.1 gelagert sind, selber eine k-dimensionale C r -Mannigfaltigkeit ist.
1.3. UNTERMANNIGFALTIGKEIT
17
Man beachte schließlich, dass wir auch mit Karten ϕ mit der schwächeren Eigenschaft, dass ϕ(N ∩ Uϕ ) offene Teilmenge von Rk × {0} ist, wie in Lemma 1.3.3 starten
können, um mit ϕN := pk ◦ ϕ|N∩Uϕ eine Karte von N zu erhalten. Das folgt unmittelbar
aus der zweiten Aussage in Lemma 1.3.3.
1.3.7 Proposition. Ist N eine Untermannigfaltigkeit von M, so ist die Einbettungsabbildung ιN : N → M, x 7→ x, eine C r -Abbildung. Für jedes x ∈ N ist dabei
T x ιN : T x N → T x M die injektive Abbildung [c]∼ 7→ [c]∼ , wobei c : Ic → N stetig
differenzierbar ist und die linke Restklasse bzgl. N und die rechte bzgl. M gebildet
wird.
Beweis. Nehmen wir zu x ∈ N eine Karte ϕ auf M wie in Definition 1.3.1, so ist
ϕ ◦ ιN ◦ (pk ◦ ϕ|N∩Uϕ )−1 = ϕ ◦ ιN ◦ ϕ−1 ◦ ιk | pk (Dϕ ∩(Rk ×{0})) = ιk | pk (Dϕ ∩(Rk ×{0}))
die Einbettungsabbildung der offenen Teilmenge pk (Dϕ ∩ (Rk × {0})) von Rk nach Rd
hinein und als solche sicherlich r-mal stetig differenzierbar. Ihre Ableitung (im Sinne
der Analysis II) ist somit insbesondere immer injektiv.
Nach Definition 1.2.8 gilt T x ιN ([c]∼ ) = [ιN ◦ c]∼ = [c]∼ . Wegen (1.4) angewandt
auf ϕ und pk ◦ ϕ|N∩Uϕ ist T x ιN injektiv.
❑
1.3.8 Bemerkung. Ist x ∈ N und ϕ wie in Definition 1.3.1, so ist nach Bemerkung 1.3.6
ϕN = pk ◦ ϕ|N∩Uϕ eine Karte auf N. Wegen (1.4) angewandt auf ϕN und ϕ und wegen
T
k
ϕ ◦ ιN ◦ ϕ−1
N (τ) = (τ, 0) (∈ R × {0}) folgt
t x ϕ ◦ T x ι N = ιk ◦ t x ϕ N ,
und damit
ϕ̂ ◦ T ιN = (ιk × ιk ) ◦ ϕ̂N ,
wobei (ιk × ιk )(u, v) = (ιk (u), ιk (v)) = ((u, 0)T , (v, 0)T ) für, u, v ∈ Rk .
1.3.9 Bemerkung. Mit Hilfe von Proposition 1.3.7 zeigt man leicht, dass für eine C m Abbildung f : M → L mit Mannigfaltigkeiten M, L auch f |N : N → L eine C m Abbildung ist, wenn N eine Teilmannigfaltigkeit von M ist.
Für eine Abbildung g : L → N (⊆ M) ist g genau dann C m , wenn ιN ◦ g : L → M
eine C m -Abbildung ist.
Differenzierbare Abbildungen erzeugen Untermannigfaltigkeiten in verschiedener
Art und Weise. Wichtiges Hilfsmittel dabei ist der
1.3.10 Satz (Satz über die Inverse Funktion). Sei f : C → Rn mindestens r-mal stetig
differenzierbar auf der offenen Menge C ⊆ Rn . Weiters sei c ∈ C, sodass
det d f (c) , 0,
und sei E ⊆ Rn offen mit d := f (c) ∈ E. Dann existieren offene Mengen O ⊆ C und
R ⊆ E mit den folgenden Eigenschaften:
(i) c ∈ O und d ∈ R.
(ii) f |O ist eine Bijektion von O auf R.
KAPITEL 1. MANNIGFALTIGKEITEN
18
(iii) Die inverse Abbildung g : R → O von f |O : O → R ist mindestens r-mal stetig
differenzierbar mit dg f (u) = d f (u)−1 für u ∈ O.
1.3.11 Korollar. Seien M, N zwei d-dimensionale C r -Mannigfaltigkeit. Außerdem sei
f : M → N eine C m -Abbildung, sodass T x f (∈ L(T x M, T f (x) N)) für ein x ∈ M vollen
Rang d hat. Dann existieren eine offene Umgebungen Q ⊆ M von x und P ⊆ N von
f (x), sodass f |Q : Q → P ein C m -Diffeomorphismus ist.
Beweis. Sind ϕ und ψ Karten mit x ∈ Uϕ und f (x) ∈ Uψ mit f (Uϕ ) ⊆ Uψ , so wenden wir Satz 1.3.10 einfach auf ψ◦ f ◦ϕ−1 an und setzen Q = ϕ−1 (O) und P = ψ−1 (R).
❑
1.3.12 Lemma. Seien p, q, m ∈ N mit m ≤ min(p, q), und sei M eine q × p-Matrix vom
Rang m, sodass, wenn man M in der Blockgestalt
!
A B
M=
C D
schreibt, wobei A ∈ Rm×m , B ∈ Rm×(p−m) , C ∈ R(q−m)×m , D ∈ R(q−m)×(p−m) , die Matrix A
regulär ist.
Dann gilt
!−1
!
A
B
Im×m 0
M
=
.
0 I(p−m)×(p−m)
CA−1 0
|
{z
}
∈R p×p
Beweis. Wie man leicht nachrechnet gilt
!−1
A
B
A−1
=
0 I(p−m)×(p−m)
0
und damit
A
M
0
|
B
!−1
I(q−m)×(p−m)
{z
}
I
= m×m
CA−1
−A−1 B
I(p−m)×(p−m)
!
!
0
.
D − CA−1 B
∈R p×p
Da der Rang dieser Matrix aber auch m sein muss, folgt D − CA−1 B = 0.
❑
Für m ≤ min(p, q) bezeichne im Folgenden pm : R p → Rm bzw. pm : Rq → Rm
m
p
m
q
die Projektion auf die
ersten m Koordinaten und ιm : R → R bzw. ιm : R → R die
x
q
q−m
Einbettung x 7→ 0 . Weiters sei p(q−m) : R → R
die Projektion auf die hinteren
q − m Koordinaten.
1.3.13 Satz (Rangsatz). Sei f : C → Rq eine C r -Abbildung (im klassischen Sinne) auf
der offenen Menge C ⊆ R p , sodass d f (t) Rang kleiner oder gleich m (≤ min(p, q)) für
alle t ∈ C hat.
Weiters sei 0 ∈ C und 0 = f (0) ∈ E für eine gegebene offene Teilmenge E ⊆ Rq .
Wir nehmen auch an, dass die linke obere m × m-Teilmatrix von d f (0) Rang m hat, d.h.
pm ◦ d f (0) ◦ ιm ist regulär.
Dann existieren offene Mengen F1 , F2 ⊆ R p , R1 , R2 ⊆ Rq und C r Diffeomorphismen (im klassischen Sinne)
S : F1 → F2 und T : R1 → R2
1.3. UNTERMANNIGFALTIGKEIT
19
mit 0 ∈ F1 ⊆ C, 0 ∈ R1 ⊆ E, sodass S (0) = 0, T (0) = 0, f (F1 ) ⊆ R1 und
d.h. T ◦ f |F1
ιm ◦ pm |F2 = T ◦ f |F1 ◦ S −1 ;
!
!
ξ
ξ
−1
◦S
=
.
η
0
|{z} |{z}
∈F2 ⊆R p
∈Rq
Beweis. Wir können C durch f −1 (E) ersetzen, um f (C) ⊆ E annehmen zu dürfen.
Identifizieren wir den R p mit Rm × R p−m und Rq mit Rm × Rq−m , so hat d f (x) die
2 × 2-Blockgestalt

 !  A ηξ
B ηξ 


ξ

 .
df
=  η
C ξ D ξ 
η
η
Sei S : C → R p definiert durch S (x) = ιm ◦ pm ◦ f (x) + x − ιm ◦ pm (x) . Betrachtet
m
p−m
man C als Teilmenge von R × R
und zerlegt den Zielraum entsprechend, so wirkt
S wie
!
!
ξ
f1 ηξ
,
S
=
η
η
wobei f1 = pm ◦ f und
 ξ A η
ξ

dS
= 
η

0
!
B
ξ η
I(p−m)×(p−m)



 .

Nach Satz 1.3.10 gibt es offene Nullumgebungen F1 , F2 ⊆ C (⊆ R p ), sodass S |F1 :
F1 → F2 ein C r -Diffeomorphismus ist. Indem wir F1 und F2 nötigenfalls kleiner machen, können wir annehmen, dass F2 = Q1 × Q2 mit offenen Kugeln um die Null
Q1 ⊆ Rm , Q2 ⊆ R p−m . Nach der Kettenregel und Lemma 1.3.12 gilt ((ξ, η)T ∈ F1 )


Im×m
0
!!
!
!!−1 


ξ
ξ
ξ

d( f ◦ (S |F1 )−1 ) S
= df
dS
=   .
−1
η
η
η
 ξ

C η A ξη
0
Daraus folgt einerseits, dass die Ableitung
von g1 := pm ◦ f ◦ (S |F1 )−1 : Q1 × Q2 → Rm
u
mit der von der linearen Funktion v 7→ u übereinstimmt. Wegen g1 (0) = 0 muss somit
g1 uv = u.
Andererseits folgt, dass für jedes feste u ∈ Q1 die Funktion v 7→ g2 uv mit g2 :=
q−m
p(q−m) ◦ f ◦ S |−1
Ableitung Null hat, d.h. g2 uv = g2 u0 . Also ist
F 1 : Q1 × Q2 → R
f ◦ (S |F1 )−1 : F2 → Rq von der Bauart
!
!
u u
.
7→
v
g2 u0
Insbesondere gilt f (F1 ) = f ◦ (S |F1 )−1 (F2 ) ⊆ Q1 × Rq−m .
Schließlich definieren wir T : Q1 × Rq−m → Q1 × Rq−m durch
!
α ! !
α
T
=
α .
β
β − g2
0
|{z}
∈F2 ⊆R p
KAPITEL 1. MANNIGFALTIGKEITEN
20
Man sieht sofort, dass T ein C r -Diffeomorphismus ist, und dass
!
!
!
!
g1 uv
g1 uv !
u u
−1 u
=
.
(T ◦ f ◦ (S |F1 ) )
=
=T
u =
u
0
v
g2 uv − g2 u0
g2
g2 u − g2 g1 (v)
v
v
0
Zu guter Letzt sei R1 := E ∩ (Q1 × Rq−m ) und R2 := T (R1 ).
❑
1.3.14 Satz. Sei L eine l-dimensionale C r -Mannigfaltigkeit, und sei M eine eine ddimensionale C r -Mannigfaltigkeit. Außerdem sei f : M → L eine C r -Abbildung, sodass T x f (∈ L(T x M, T f (x) L)) für alle x ∈ M Rang n hat. Dann gilt:
Für jedes a ∈ f (M) (⊆ L) ist die Menge N := f −1 {a} eine (d − n)-dimensionale
Untermannigfaltigkeit von M.
Ist ιN : N → M die Einbettungsabbildung wie in Proposition 1.3.7 und für x ∈ N
dann T x ιN : T x N → T x M die entsprechende (injektive) Ableitung, so gilt auch
T x ιN (T x N) = ker T x f .
Für jedes x ∈ M gibt es eine offene Umgebung U von x, sodass f (U) eine ndimensionale Untermannigfaltigkeit von L ist.
Ist T x f sogar injektiv, d.h. n = d, so ist f : U → f (U) ein C r -Diffeomorphismus.
Beweis. Sei x ∈ M, und seien ϕ und ψ Karten auf M bzw. L mit x ∈ Uϕ , f (x) ∈ Uψ und
f (Uϕ ) ⊆ Uψ . Nach Fakta 1.1.4, 5, können wir ϕ(x) = 0 und ψ( f (x)) = 0 annehmen.
Nach (1.4) hat d(ψ ◦ f ◦ ϕ−1 )(t) ∈ L(Rd , Rl ) Rang n (≤ min(l, d)) für alle t ∈ Dϕ .
Indem wir nötigenfalls ϕ durch die Karte σ1 ◦ ϕ und ψ durch die Karte σ2 ◦ ψ ersetzen, wobei σ1 ∈ L(Rd , Rd ) und σ2 ∈ L(Rl , Rl ) geeignete Koordinatenpermutationen
sind, können wir annehmen, dass die linke obere n×n-Teilmatrix von d(ψ◦ f ◦ϕ−1 )(ϕ(x))
Rang n hat, d.h. regulär ist.
Wenden wir Satz 1.3.13 auf die Funktion (ψ ◦ f ◦ ϕ−1 ) : C = Dϕ → E = Dψ an,
so erhalten wir (klassische) C r -Diffeomorphismen S : F1 (⊆ Dϕ ) → F2 und T : R1 (⊆
Dψ ) → R2 , sodass
T ◦ ψ ◦ f ◦ ϕ−1 ◦ S −1 = ιn ◦ pn |F2 .
Gemäß Fakta 1.1.4, 5, sind ψ̃ := T ◦ ψ|ψ−1 (R1 ) : Uψ̃ := ψ−1 (R1 ) → Dψ̃ := R2 und
ϕ̃ := S ◦ ϕ|ϕ−1 (F1 ) : Uϕ̃ := ϕ−1 (F1 ) → Dϕ̃ := F2 mit dem jeweiligen Atlas auf M bzw. L
verträgliche Karten, für die
ψ̃ ◦ f ◦ ϕ̃−1 = ιn ◦ pn |Dϕ̃
(1.11)
gilt. Insbesondere folgt
ψ̃( f (Uϕ̃ )) = ψ̃(Uψ̃ ∩ f (Uϕ̃ )) = pn (Dϕ̃ ) × {0} .
| {z }
⊆Rn ×Rl−n
Nach Lemma 1.3.3 ist damit f (Uϕ̃ ) eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit. Ist dabei
n = d, so gilt pn = idRd . Aus (1.11) folgt dann (vgl. Bemerkung 1.3.6)
ψ̃| f (Uϕ̃ ) ◦ f ◦ ϕ̃−1 = idDϕ̃ ,
womit f : Uϕ̃ → f (Uϕ̃ ) ein Diffeomorphismus ist.
1.3. UNTERMANNIGFALTIGKEIT
21
Gilt andererseits x ∈ N := f −1 {a} und damit 0 = ψ̃( f (x)) = ψ̃(a), so folgt
ϕ̃(N ∩ Uϕ̃ ) = {t ∈ Dϕ̃ : ψ̃ ◦ f ◦ ϕ̃−1 (t) = 0} = {t ∈ Dϕ̃ : ιn ◦ pn (t) = 0} = Dϕ̃ ∩ ({0} × Rd−n ).
Also ist auch N eine (d − n)-dimensionale Mannigfaltigkeit.
Schließlich gilt für [c]∼ ∈ T x N, dass T x ιN ([c]∼ ) die von der Kurve c in M aufgespannte Restklasse ist. Da c nur Werte in N hat, folgt f ◦ c ≡ a, woraus sich
T x f (T x ιN ([c]∼ )) = [a]∼ = 0 ∈ T f (x) L ergibt; also T x ιN (T x N) ⊆ ker T x f .
Andererseits hat T x N Dimension d − n, wodurch T x ιN (T x N) ( ker T x f implizieren
würde, dass der Rang von T x f kleiner als d − (d − n) = n wäre, vgl. Rangsatz aus der
Linearen Algebra.
❑
1.3.15 Beispiel. Für die Abbildung f : x 7→ kxk22 von Rd \ {0} nach R (beide versehen
mit dem Atlas {id}) gilt d f (x) = 2(x1 , . . . , xd ), x ∈ Rd \ {0}, womit d f (x) und auch
T x f (vgl. (1.4)) Rang eins hat. Nach Satz 1.3.14 ist S d−1 = {x ∈ Rd : kxk = 1} eine
(d − 1)-dimensionale Untermannigfaltigkeit von Rd \ {0} und somit auch von Rd .
1.3.16 Beispiel. Wir betrachten die G = GL(n, R) als bekannterweise offene Teilmenge
2
von Rn wie in Beispiel 1.2.6. Die Abbildung
f = det : G → R
ist sicherlich eine C ∞ -Abbildung, wobei für B ∈ G und cA (t) = B + tA
t f (B) idR ◦T B f ([cA ]∼ ) = (det ◦cA )′ (0) =
det(B)
d
|t=0 det(B + tA) =
dt
d
1
|t=0 (−t)n det(− I − B−1 A) =
dt
t {z
|
}
=χ−B−1 A ( 1t )
det(B)
!
1
1
d
|t=0 (−t)n (−1)n n + (−1)n−1 n−1 tr(−B−1 A) + . . . = det(B) tr(B−1 A),
dt
t
t
vgl. Lineare Algebra 2. Insbesondere gilt t f (B) idR ◦T B f ([cB ]∼ ) = det(B) tr(I) =
n det(B) , 0, womit T B f immer Rang 1 hat.
Nach Satz 1.3.14 ist daher H := S L(n, R) = {B ∈ Rn×n : det B = 1} eine (n2 − 1)dimensionale Untermannigfaltigkeit von G. Man zeigt unschwer, dass dann auch H
eine Lie-Gruppe ist.
Gemäß Proposition 1.3.7 ist T BιH : T B H → T BG für jedes B ∈ G eine injektive
Einbettung, wobei nach Satz 1.3.14 T BιH (T B H) = ker T B f . Für [cA ]∼ ∈ T BG gilt also
[cA ]∼ ∈ T B ιH (T B H) ⇔ det(B) tr(B−1 A) = 0 ⇔ tr(B−1 A) = 0.
Für B = I lässt sich insbesondere T I H (vermöge T I ιH ) mit sl(n) := {A ∈ Rn×n : tr A = 0}
identifizieren.
Man beachte, dass für tr A = 0 zwar [cA ]∼ ∈ T B ιH (T B H), aber der Weg cA nicht in
H = S L(n, R) verläuft. Es gilt aber c′A (0) = d′ (0) für einen stetig differenzierbaren Weg
d : (−δ, δ) → N mit d(0) = I. In der Tat gilt das etwa für d(t) = exp(tA).
Folgendes Korollar zeigt insbesondere, dass der Begriff Mannigfaltigkeit aus der
Analysis III mit dem aktuellen Begriff Untermannigfaltigkeit (von R p ) übereinstimmt.
22
KAPITEL 1. MANNIGFALTIGKEITEN
1.3.17 Korollar. Sei M eine p-dimensionale C r -Mannigfaltigkeit mit r ∈ N ∪ {∞} und
sei 1 ≤ d ≤ p. Eine Teilmenge N ⊆ M ist eine d-dimensionale Untermannigfaltigkeit
von M genau dann, wenn es zu jedem x ∈ N
ein offenes D ⊆ Rd , eine C r -Abbildung f : D → M (D versehen mit dem Atlas
{idD }) mit f (D) ⊆ N, sodass T s f (∈ L(T s D, T f (s) M)) für alle s ∈ D vollen Rang
d hat,
und ein offenes U ⊆ M mit x ∈ U gibt, sodass f : D → U ∩ N ein Homöomorphismus ist, wobei U ∩ N mit der Spurtopologie versehen ist.
Beweis. Sei zunächst N eine d-dimensionale Untermannigfaltigkeit von M, x ∈ N und
ϕ eine Karte auf M wie in Definition 1.3.1, d.h. x ∈ Uϕ und Dϕ ∩(Rd ×{0}) = ϕ(Uϕ ∩N).
Wir setzen D := pd (Dϕ ∩ (Rd × {0})) Wegen Fakta 1.1.9, 6, und Bemerkung 1.3.6 ist
ϕ−1
N : D → U ϕ ∩ N,
wobei ϕN := pd ◦ϕ|N∩Uϕ , ein C r -Diffeomorphismus, womit T s ϕ−1
N für alle s ∈ D bijektiv
ist, vgl. Fakta 1.2.10, 7. Nach Fakta 1.2.10, 6, und Proposition 1.3.7 ist auch
f := ιN ◦ ϕ−1
N : D→ M
eine C r -Abbildung mit injektiven T s f (∈ L(T s D, T f (s) M)), s ∈ D. Offensichtlich ist f
als Abbildung von D auf Uϕ ∩ N = f (D) – also ϕ−1
N – ein Homöomorphismus. Setzen
wir also U = Uϕ , so haben wir alle gewünschten Eigenschaften nachgewiesen.
Wir nehmen nun an, dass die Bedingungen aus dem aktuellen Korollar erfüllt sind,
d.h. zu x ∈ N gibt es eine Abbildung f mit besagten Eigenschaften. Insbesondere ist
f (t) = x für ein t ∈ D.
Nach Satz 1.3.14 gibt es eine offene Umgebung V ⊆ D von t, sodass f (V) eine
d-dimensionale, x enthaltende Untermannigfaltigkeit ist. Wegen der Homöomorphieeigenschaft ist f (V) bzgl. der Spurtopologie offen in N ∩ U und daher offen in N;
also f (V) = N ∩ U ′ für ein in M offenes U ′ . Nach Fakta 1.3.2, 2, ist N dann eine
d-dimensionale Untermannigfaltigkeit von M.
❑
Kapitel 2
Flüsse
Wir wollen uns in diesem Kapitel ausschließlich mit C ∞ -Mannigfaltigkeiten beschäftigen.
2.1 Vektorfelder
2.1.1 Definition. Ein Vektorfeld X auf einer d-dimensionalen Mannigfaltigkeit M ist
eine Abbildung, die jedem x ∈ M ein Element X(x) ∈ T x M zuweist; also eine Abbildung
X : M → T M mit π ◦ X(x) = x, x ∈ M.
Mit X(M) wollen wir den Raum aller C ∞ -Vektorfelder – also alle Vektorfelder, die als
Abbildung X : M → T M unendlich oft differenzierbar sind – bezeichnen, vgl. Satz
1.2.15.
Für ein Vektorfeld X, eine Karte ϕ auf M und die entsprechende Karte ϕ̂ auf T M
aus (1.6) gilt für t ∈ Dϕ
ϕ̂ ◦ X ◦ ϕ−1 (t) = (ϕ(π(X ◦ ϕ−1 (t))), tϕ−1 (t) ϕ X ◦ ϕ−1 (t)) = (t, tϕ−1 (t) ϕ X ◦ ϕ−1 (t)). (2.1)
Somit ist die erste Komponente von ϕ̂ ◦ X ◦ ϕ−1 die Identität, und es gilt X ∈ X(M)
genau dann, wenn π2 ◦ ϕ̂ ◦ X ◦ ϕ−1 = tϕ−1 (.) ϕ X ◦ ϕ−1 (.) für alle Karten ϕ auf M unendlich
oft differenzierbar ist.
Ist nun X wieder ein Vektorfeld und f ∈ C ∞ (M, R), so gilt für x ∈ M (siehe Definition 1.2.11 und Beispiel 1.2.18)
ˆ
f (x), X(x) f = f (x), t f (x) idR T x f X(x) = id
R (T f ) X(x) .
(2.2)
ˆ R ◦ (T f ) ◦ X ◦ ϕ−1 (t) =
X(ϕ−1 (t)) f = π2 ◦ id
(2.3)
Für eine Karte ϕ auf M und die entsprechende Karte ϕ̂ auf T M folgt daraus mit (1.9),
wobei dort ψ = idR , dass
−1
ˆ R ◦ (T f ) ◦ ϕ̂−1 ( α(t) ) = d( f ◦ ϕ−1 )(t) α2 (t) = ∂ f ◦ ϕ (t),
π2 ◦ id
|{z}
∂α2 (t)
∈Dϕ ×Rd
23
KAPITEL 2. FLÜSSE
24
wobei rechts die Richtungsableitung von f ◦ ϕ−1 in Richtung des Vektors α2 (t) (∈ Rd )
steht und wobei α : Dϕ → Dϕ × Rd mit
(2.4)
α(t) := ϕ̂ ◦ X ◦ ϕ−1 (t) = (t, tϕ−1 (t) ϕ X ϕ−1 (t) ).
|
{z
}
=π2 ◦ϕ̂◦X◦ϕ−1 (t)=:α2 (t)
2.1.2 Beispiel. Sei ϕ ein Karte auf M. Die Abbildung
∂
∂ := x 7→
|x
∂ϕi
∂ϕi
|{z}
∈T x M
aus Bemerkung 1.2.7 ist ein Vektorfeld auf der Mannigfaltigkeit Uϕ . Wegen t x ϕ
ei folgt
∂
∂ −1 ϕ̂ ◦
◦ ϕ−1 (t) = t, tπ ∂ (ϕ−1 (t)) ϕ
(ϕ (t)) = (t, ei ),
∂ϕi
∂ϕi
∂ϕi
womit
∂
∂ϕi
∂
∂ϕi | x
=
sogar C ∞ ist, also in X(Uϕ ) liegt.
2.1.3 Lemma. Sei X : M → T M ein Vektorfeld auf M. Ist X ∈ X(M), so gilt für jede
Funktion f ∈ C ∞ (M, R), dass die Funktion (vgl. Definition 1.2.11)
X f : M → R, X f (x) := X(x) f (= t f (x) idR T x f X(x)),
in C ∞ (M, R) liegt.
Ist umgekehrt X f ∈ C ∞ (M, R) für alle f ∈ C ∞ (M, R), so folgt X ∈ X(M)1 .
Beweis. Für ein Vektorfeld X auf M und f ∈ C ∞ (M, R) folgt aus (2.2)
ˆ R ◦ (T f ) ◦ X,
X f = π2 ◦ id
womit wegen Proposition 1.2.19 und Fakta 1.2.10, 6, aus X ∈ C ∞ (M, T M), d.h. X ∈
X(M), folgt, dass X f ∈ C ∞ (M, R).
Ist nun X f ∈ C ∞ (M, R) für jedes f ∈ C ∞ (M, R), so muss auch für jedes f ∈
∞
C (M, R) die linke und damit die rechte Seite von (2.3) eine klassische C ∞ -Funktion
für t ∈ Dϕ sein. Da ϕ eine Karte ist, muss damit s 7→ dg(s) α2 (s) für alle g ∈ C ∞ (Dϕ , R),
sodass sich f = g ◦ ϕ zu einer C ∞ (M, R)-Funktion fortsetzen lässt, unendlich oft differenzierbar sein.
Ist g ∈ C ∞ (Dϕ , R) beliebig, t ∈ Dϕ und h wie in Lemma 1.1.11, so liegt h · g
auch in C ∞ (Dϕ , R), und (h · g) ◦ ϕ hat kompakten, in Uϕ enthaltenen Träger, und lässt
sich damit zu einer C ∞ (M, R)-Funktion fortsetzen. Da s 7→ dg(s) α2 (s) lokal bei t mit
s 7→ d(h · g)(s) α2 (s) übereinstimmt, ist auch erstere Funktion C ∞ lokal bei t und damit
auf ganz Dϕ .
Nimmt man für g nacheinander die Projektionen p j auf die einzelnen Koordinaten,
so sieht man, dass dann α2 = π2 ◦ ϕ̂ ◦ X ◦ ϕ−1 unendlich oft differenzierbar sein muss.
Da ϕ eine beliebige mit dem Atlas auf M verträgliche Karte war, muss X unendlich oft
differenzierbar sein.
❑
Man beachte, dass wegen Fakta 1.2.12, 4, ein X ∈ X(M) eindeutig durch alle Funktionen X f für f ∈ C ∞ (M, R) bestimmt ist.
1 Für die unendliche Differenzierbarkeit von X auf U für eine Karte ϕ reicht es, dass x 7→ X(x) f, x ∈ U
ϕ
ϕ
für f = p j ◦ ϕ, j = 1, . . . , d, unendlich oft differenzierbar auf U ϕ ist.
2.1. VEKTORFELDER
25
2.1.4 Lemma. X(M) versehen mit der punktweisen Addition bzw. skalaren Multiplikation ist ein Vektorraum über R. Ist f ∈ C ∞ (M, R) und X ∈ X(M), so ist auch das
punktweise Produkt f · X ein Element aus X(M). Insbesondere ist X(M) ein C ∞ (M, R)Modul.
Die Abbildung ( f, X) 7→ X f ist eine bilineare Abbildung von C ∞ (M, R) × X(M) →
∞
C (M, R). Dabei gilt ( f · X)g = f · (Xg) und die Produktregel
X( f · g) = f · Xg + g · X f.
(2.5)
Beweis. Dass X f ∈ C ∞ (M, R), haben wir in Lemma 2.1.3 gesehen. Für X, Y ∈ X(M)
und f ∈ C ∞ (M, R) – f kann auch ein konstanter Skalar sein – und x ∈ M gilt wegen
X(x), Y(x) ∈ T x M
( f · X + Y)(x) = f (x) · X(x) + Y(x) ∈ T x M,
womit f · X + Y : M → T M ein Vektorfeld ist. Für ein beliebiges g ∈ C ∞ (M, R) gilt
dann wegen Fakta 1.2.12, 3,
( f · X + Y)g (x) = ( f · X + Y)(x)g = f (x) · (X(x)g) + Y(x)g = f · (Xg) + Yg (x).
Wegen Lemma 2.1.3 folgt f · X + Y ∈ X(M). Außerdem folgt für Y = 0, dass ( f · X)g =
f · (Xg).
Aus (2.3) folgt für f, g ∈ C ∞ (M, R)
X(ϕ−1 (t))( f · g) =
∂( f · g) ◦ ϕ−1
(t),
∂α2 (t)
wobei rechts die Richtungsableitung von ( f · g) ◦ ϕ−1 in Richtung des Vektors α2 (t) (∈
Rd ) steht. Wegen der klassischen Produktregel folgt
X(ϕ−1 (t))( f · g) = f ◦ ϕ−1 (t) ·
∂ f ◦ ϕ−1
∂g ◦ ϕ−1
(t) + g ◦ ϕ−1 (t) ·
(t) =
∂α2 (t)
∂α2 (t)
f (ϕ−1 (t)) · X(ϕ−1 (t))g + g(ϕ−1 (t)) · X(ϕ−1 (t)) f.
Also gilt (2.5).
❑
2.1.5 Beispiel. Sei ϕ eine Karte auf M und X ∈ X(Uϕ ) sowie x ∈ Uϕ , so existiert eine
zusammenhängende Umgebung D ⊆ Dϕ von ϕ(x) und eine C ∞ -Funktion h : Dϕ → R
mit h(Dϕ ) ⊆ [0, 1], kompaktem supp h ⊆ Dϕ und h|D = 1.
Die Funktion (h◦ϕ)·X liegt nun auch in X(Uϕ ). Setzt man diese Funktion außerhalb
von Uϕ mit 0 fort, so folgt aus der Tatsache, dass der Träger dann in Uϕ enthalten ist,
dass diese Fortsetzung in X(M) liegt und auf U := ϕ−1 (D) mit X|U übereinstimmt.
Zusammengefasst gilt X(Uϕ )|U = X(M)|U . Insbesondere gibt es Vektorfelder X j ∈
X(M), die auf der offenen und zusammenhängenden Menge U mit den ∂ϕ∂ i aus Beispiel
2.1.2 übereinstimmen.
Seien X, Y ∈ X(M) und f ∈ C ∞ (M, R). Nach der klassischen Produktregel für das
Produkt einer Matrix-wertigen und einer Vektor-wertigen Funktion folgt aus (2.3)
∂ s 7→ d( f ◦ ϕ−1 )(s) α2 (s)
∂ (X f ) ◦ ϕ−1
−1
(t) =
(t) =
Y(ϕ (t)) (X f ) =
∂β2 (t)
∂β2 (t)
KAPITEL 2. FLÜSSE
26
∂ s 7→ d( f ◦ ϕ−1 )(s)
(t) α2 (t) + d( f ◦ ϕ−1 )(t)
∂β2 (t)
∂ s 7→ d( f ◦ ϕ−1 )(s) α2 (t)
(t) + d( f ◦ ϕ−1 )(t)
∂β2 (t)
∂α2
(t) =
∂β2 (t)
∂α2
(t) =
∂β2 (t)
∂α2
∂2 f ◦ ϕ−1
(t) + d( f ◦ ϕ−1 )(t)
(t).
∂α2 (t) ∂β2 (t)
∂β2 (t)
wobei α2 (t) = π2 ◦ ϕ̂ ◦ X ◦ ϕ−1 (t) = tϕ−1 (t) ϕ X(ϕ−1 (t)) und β2 (t) = π2 (ϕ̂ ◦ Y ◦ ϕ−1 (t)) =
tϕ−1 (t) ϕ Y(ϕ−1 (t)). Wegen dem Satz von Schwarz folgt aus Symmetriegründen für
ϕ−1 (t) = y ∈ Uϕ
X(y) (Y f ) − Y(y)(X f ) =
(2.6)
!
∂α2
∂β2
(t) −
(t) = Z(y) f,
d( f ◦ ϕ−1 )(t)
∂α2 (t)
∂β2 (t)
wobei (vgl. (2.3))
!
∂β2
∂α2
Z(y) = (ty ϕ)−1
(t) −
(t) ∈ T y M.
(2.7)
∂α2 (t)
∂β2 (t)
Man beachte dabei, dass Z(y) ad hoc von der Karte ϕ abhängt. Da aber der Ausdruck
X(y)(Y f ) − Y(y)(X f ) von der Karte unabhängig ist, folgt aus Fakta 1.2.12, 4, dass Z(y)
doch nicht von ϕ abhängt, und damit auch auf ganz M definiert ist. Außerdem gilt (vgl.
(2.1))
!!
∂β2
∂α2
−1
ϕ̂ ◦ Z ◦ ϕ (t) = t,
(t) −
(t) .
∂α2 (t)
∂β2 (t)
Nach Lemma 2.1.4 ist somit Z in C ∞ (M, T M); also Z ∈ X(M).
2.1.6 Definition. Für X, Y ∈ X(M) sei die Lie-Klammer [X, Y] definiert durch [X, Y] :=
Z, vgl. (2.7).
2.1.7 Lemma. Für X, Y, Z ∈ X(M) und g ∈ C ∞ (M, R) gilt
(i) [X, Y] = −[Y, X] (Schiefsymmetrie)
(ii) X, [Y, Z] + Y, [Z, X] + Z, [X, Y] = 0 (Jakobi-Identität)
(iii) [g · X, Y] = g · [X, Y] − (Yg)X
Beweis. Die Schiefsymmetrie folgt sofort aus (2.7). Um die Jakobi-Identität nach
zuweisen, genügt es nach Fakta 1.2.12, 4, zu zeige, dass X, [Y, Z] f + Y, [Z, X] f +
Z, [X, Y] f = 0 für alle f ∈ C ∞ (M, R). In der Tat folgt aus (2.6)
X, [Y, Z] (y) f = X(y) ([Y, Z] f ) − [Y, Z](y)(X f ) =
X(y) x 7→ Y(x) (Z f ) − Z(x)(Y f )
!
−
Y(y) x 7→ Z(x)(X f ) + Z(y) x 7→ Y(x)(X f ) =
!
!
X(y) x 7→ Y(x) (Z f ) − X(y) x 7→ Z(x)(Y f ) −
Y(y) x 7→ Z(x)(X f ) + Z(y) x 7→ Y(x)(X f ) .
2.1. VEKTORFELDER
27
Addiert man nun das mit den entsprechenden Ausdrücken für Y, [Z, X] f und
Z, [X, Y] f , so kürzen sich alle Terme weg.
Bezüglich der letzten Gleichheit wenden wir [g · X, Y] auf ein beliebiges f ∈
C ∞ (M, R) an und erhalten mit Lemma 2.1.4
[g · X, Y](y) f = (g · X)(y) (Y f ) − Y(y)((g · X) f ) =
g(y) · X(y)(Y f ) − Y(y)(g · (X f )) =
g(y) · X(y)(Y f ) − g(y) · Y(y)(X f ) − (X(y) f ) · (Y(y)g) =
(g · [X, Y])(y) f − ((Yg) · X)(y) f.
❑
2.1.8 Beispiel. Sei ϕ ein Karte auf M, und sei ∂ϕ∂ i : Uϕ → T Uϕ das Vektorfeld wie
Beispiel 2.1.2. Wegen ϕ̂ ◦ ∂ϕ∂ i ◦ ϕ−1 (t) = (t, ei ) folgt für i, j ∈ {1, . . . , d} aus (2.7)
"
#
!
∂e j
∂
∂
∂ei
−1
π2 ◦ ϕ̂ ◦
◦ ϕ (t) =
,
(t) −
(t) = 0.
∂ϕi ∂ϕ j
∂ei
∂e j
Also gilt ∂ϕ∂ i , ∂ϕ∂ j = 0.
2.1.9 Beispiel. Aus Beispiel 1.2.6 wissen wir, dass für G = GL(n, R) (versehen mit
dem Atlas {idG }) und B ∈ G sowie A ∈ Rn×n für cAB := B + tA die Restklasse [cAB ] zu
T BG gehört, wobei tB idG ([cAB ]) = A.
Für festes A ist die Abbildung Y : B 7→ [cAB ] nun ein C ∞ -Vektorfeld. Um die
ˆ G : TG → G × Rn×n
unendliche Differenziebarkeit nachzurechnen, sei B ∈ G und id
ˆ G X = (B, tB idG X) mit X ∈ T BG. Offensichtlich ist
sei die Karte auf TG, wobei id
ˆ G ◦ Y ◦ idG−1 (B) = id
ˆ G ([cB ] = (B, A) eine C ∞ -Funktion. Für f ∈ C ∞ (G, R) gilt
id
A
Y f (B) = [cAB] f = ( f ◦ cAB )′ (0) =
∂f
(B).
∂A
Für A, C ∈ Rn×n , Z(B) := [cCB ] und f ∈ C ∞ (G, R) gilt
[Y, Z] f = YZ f − ZY f =
∂2
∂2
f (B) −
f (B) = 0.
∂A∂C
∂C∂A
Also [Y, Z] = 0.
2.1.10 Beispiel. Interessanter sind Vektorfelder auf G der Bauart Y : B 7→ [cBBA ]. Auch
diese sind C ∞ , da
ˆ G ◦ Y ◦ id−1 (B) = id
ˆ G ([cB ]) = (B, BA)
id
G
BA
C ∞ von B abhängt. Offensichtlich gilt auch
Y f (B) = [cBBA ] f = ( f ◦ cBBA )′ (0) =
∂f
(B).
∂BA
Für A, C ∈ Rn×n , Z(B) := [cBBC ] und f ∈ C ∞ (G, R) gilt
!
!
∂
∂
∂
∂
D 7→
D 7→
f (D) (B) −
f (D) (B).
[Y, Z] f = YZ f − ZY f =
∂BA
∂DC
∂BC
∂DA
KAPITEL 2. FLÜSSE
28
∂
Nun ist ∂DC
f (D) = d f (D) DC, wobei d f (D) ∈ L(Rn×n , R) im Sinne der Analysis II.
→DC)
(B) = (t 7→ (B + tBA)C)′ (0) = BAC folgt
Nach der Produktregel und wegen ∂(D7∂BA
!
∂
∂
D 7→
f (D) (B) =
∂BA
∂DC
∂(D 7→ d f (D))
∂(D 7→ DC)
(B) BC + d f (B)
(B) =
∂BA
∂BA
∂(D 7→ d f (D) BC)
∂2
(B) + d f (B) BAC =
f (B) + d f (B) BAC
∂BA
∂BA∂BC
und mit dem Satz von Schwarz
[Y, Z] f = d f (B) BAC − d f (B) BCA =
∂f
(B).
∂B(AC − CA)
Somit gilt [Y, Z](B) = (B, [cBB(AC−CA) ]).
Also ist Φ : A 7→ (B 7→ [cBBA ]) eine Abbildung von Rn×n nach X(G), die wegen
tB idG ([cBBA ]) = (cBBA )′ (0) = BA injektiv und linear ist, und die nach obiger Rechnung
sogar mit der [., .] verträglich ist, wenn wir [A, C] := AC − CA auf Rn×n definieren.
Man beachte, dass A 7→ Φ(A)(I) = [cIA ] wegen tI idG ([cIA ]) = A sogar eine Bijektion von Rn×n auf T I G ist.
2.2 Verwandte Vektorfelder
2.2.1 Definition. Seien M, N zwei C ∞ -Mannigfaltigkeiten und h : M → N unendlich
oft differenzierbar. Ist X ∈ X(M) und Y ∈ X(N), so heißen X und Y h-verwandt, falls
T h ◦ X = Y ◦ h, d.h.
Th /
TN
TM
O
O
X
M
Y
h
/N
Die Tatsache h-verwandt zu sein ist offenbar mit + und dem skalaren Multiplizieren
verträglich. Es gilt sogar
2.2.2 Lemma. Sei h ∈ C ∞ (M, N), f ∈ C ∞ (N, R), und seien X, X̃ ∈ X(M), Y, Ỹ ∈ X(N).
Sind X und Y sowie X̃ und Ỹ jeweils h-verwandt, so sind es auch [X, X̃] und [Y, Ỹ],
X + X̃ und Y + Ỹ sowie ( f ◦ h) · X und f · Y.
Beweis. Sei m ∈ M, g ∈ C ∞ (N, R). Nach Fakta 1.2.12, 2, gilt für jedes Vektorfeld
Z : M → T M immer T h(Z(m)) g = (T m h Z(m))g = Z(m) (h ◦ g) und somit
(T h ◦ [X, X̃])(m) g = [X, X̃](m)(g ◦ h) =
|
{z
}
∈T h(m) N
X(m)(x 7→ X̃(x) (g ◦ h)) − X̃(m)(x 7→ X(x) (g ◦ h)) =
X(m)(x 7→ (T h ◦ X̃)(x) g) − X̃(m)(x 7→ (T h ◦ X)(x) g) =
X(m)(x 7→ (Ỹ ◦ h)(x) g) − X̃(m)(x 7→ (Y ◦ h)(x) g) =
| {z }
| {z }
=(Ỹg)◦h(x)
=(Yg)◦h(x)
2.2. VERWANDTE VEKTORFELDER
29
(T h ◦ X)(m) (Ỹg) − (T h ◦ X̃)(m) (Yg) =
(Y ◦ h)(m) (Ỹg) − (Ỹ ◦ h)(m) (Yg) = [Y, Ỹ](h(m))g .
Die zweite Behauptung folgt sofort aus der Linearität von T x h für alle x ∈ M, und die
dritte Behauptung zeigt man auch ganz elementar.
❑
2.2.3 Beispiel. Ist G eine Liegruppe (vgl. Bemerkung 1.1.10) mit neutralen Element e,
so nennt man ein Vektorfeld X ∈ X(G) linksinvariant, wenn
T lg ◦ X = X ◦ lg ,
d.h. X ist mit sich selber lg -verwandt, und zwar für alle g ∈ G. Dabei ist lg : G → G
die Linkstranslation x 7→ gx.
Gemäß Lemma 2.2.2 bildet die Menge g aller linksinvarianten Vektorfelder einen
unter [., .] abgeschlossenen Unterraum von X(G).
Offensichtlich ist dann X 7→ X(e) eine lineare Abbildung von g nach T eG. Wegen
X(g) = X(lg (e)) = T e lg X(e)
ist diese Abbildung injektiv. Andererseits ist sie surjektiv, da man für Xe ∈ T eG das
Vektorfeld X(g) = T e lg Xe betrachten kann. Dieses ist linksinvariant und – wie man
elementar zeigen kann – C ∞ . Also ist g T eG.
2.2.4 Beispiel. Wir betrachten G = GL(n, R). Aus Beispiel 2.1.10 ist bekannt, dass
Y = Φ(A) : B 7→ [cBBA ] mit cBBA (t) = B + tBA in X(G) liegt. Für C ∈ G gilt
T lC ◦ Y(B) = T B lC ([cBBA ]) = [lC ◦ cBBA ] = [cCB
CBA ] = Y(CB) = Y ◦ lC .
Also liegt Y in g =: gl(n, R), d.h. Φ : Rn×n → gl(n, R).
Nun ist nach Beispiel 2.2.3 X 7→ X(I) bijektiv von gl(n, R) auf T I G. Nach Beispiel
2.1.10 ist aber auch A 7→ [cIA ] = Φ(A)(I) bijektiv. Also muss auch Φ : Rn×n → gl(n, R)
bijektiv sein.
2.2.5 Lemma. Sei h : M → N eine C ∞ -Abbildung und Y ∈ X(N). Außerdem sei
T x h : T x M → T h(x) N für alle x ∈ M injektiv und Y(h(x)) ∈ T x h(T x M). Dann existiert
genau ein X ∈ X(M), welches zu Y h-verwandt ist.
Beweis. Falls X zu Y h-verwandt ist, so muss für alle x ∈ M immer T x h X(x) =
Y(h(x)), was voraussetzungsgemäß zu X(x) := (T x h)−1 Y(h(x)) äquivalent ist. Also ist
X eindeutig, falls es existiert. Dafür setzen wir
X(x) := (T x h)−1 Y(h(x)), x ∈ M,
und stellen sofort X(x) ∈ T x M fest, womit X : M → T M ein Vektorfeld ist. Um zu
zeigen, dass X unendlich oft differenzierbar ist, sei zunächst M eine Untermannigfaltigkeit von N und h = ι M sei die Einbettungsabbildung von M nach N hinein, vgl.
Definition 1.3.1. Nach Proposition 1.3.7 erfüllt ein solches h die Voraussetzung, dass
T x h : T x M → T h(x) N immer injektiv ist.
Zu einem x ∈ M gibt es gemäß Definition 1.3.1 eine Karte ϕ auf N mit x ∈ Uϕ ,
sodass Dϕ ∩ (Rk × {0}) = ϕ(Uϕ ∩ M) (⊆ Rd ), wobei k = dim M und d = dim N. Nach
Bemerkung 1.3.6 ist dann
ϕ M = pk ◦ ϕ| M∩Uϕ : M ∩ Uϕ → pk Dϕ ∩ (Rk × {0})
KAPITEL 2. FLÜSSE
30
eine Karte von M mit x ∈ UϕM . Nach Bemerkung 1.3.8 gilt ϕ̂ ◦ T ι M = (ιk × ιk ) ◦ ϕ̂ M .
Also gilt für y ∈ UϕM
(ιk × ιk ) ◦ ϕ̂ M ◦ X(y) = ϕ̂ ◦ T ι M ◦ X(y) = ϕ̂ T y h X(y) = ϕ̂ Y(h(y)) = ϕ̂ Y(y) ,
−1
was zusammen mit ϕ−1
◦ ιk die Gleichheit
M =ϕ
−1
−1
(ιk × ιk ) ◦ ϕ̂ M ◦ X ◦ ϕ−1
◦ ιk
M = ϕ̂ ◦ Y ◦ ϕ M = ϕ̂ ◦ Y ◦ ϕ
als Funktion von DϕM = Dϕ ∩ (Rk × {0}) nach Dϕ̂ = Dϕ × Rd ergibt. Nun ist die rechte
Seite eine C ∞ -Funktion und damit auch die linke. Das bedingt aber auch ϕ̂ M ◦ X ◦ ϕ−1
M ∈
C ∞ (DϕM , Dϕ̂M ), womit X ∈ X(M).
Für ein allgemeines h : M → N wie in der Behauptung sei an Satz 1.3.14 erinnert.
Daraus erkennen wir, dass es zu jedem x ∈ M eine offene Umgebung U ⊆ M von x
gibt, sodass h(U) eine Teilmannigfaltigkeit von N ist und sodass h|U : U → h(U) ein
Diffeomorphismus ist.
Aus h = ιh(U) ◦h|U folgt T h(y) ιh(U) ◦T y h|U = T y h und damit Y(y) ∈ T h(y) ιh(U) T h(y) h(U)
für y ∈ U. Nach dem ersten Teil des Beweises ist Z : z 7→ (T z ιh(U) )−1 Y(z), z ∈ h(U) aus
X(h(U)). Da h|U : U → h(U) ein Diffeomorphismus ist, ist auch
X(y) = (T y h)−1 Y(h(y)) = (T y h|U )−1 (T h(y) ιh(U) )−1 Y(h(y)) = (T h|U )−1 Z ◦ h|U (y)
als Funktion von y ∈ U als Zusammensetzung von C ∞ -Funktionen selber C ∞ .
❑
2.2.6 Bemerkung. Sei h : M → N eine C ∞ -Abbildung und X ∈ X(M). Es muss nicht
immer ein Y ∈ X(N) geben, sodass X und Y h-verwandt sind. Ist aber h ein Diffeomorphismus, so liegt Y := T h ◦ X ◦ h−1 offenbar in X(N) und ist zu X h-verwandt.
In einem Spezialfall lassen sich verwandte Vektorfelder noch anders erzeugen.
2.2.7 Beispiel. Sei H eine Untermannigfaltigkeit einer Liegruppe G, sodass H auch
eine Untergruppe von G ist. Weiters sei ιH die Einbettungsabbildung von H nach G.
Da T e ιH : T e H → T eG injektiv ist, und da der Raum der linksinvarianten Vektorfelder h (⊆ X(H)) (g (⊆ X(G))) vermöge der Abbildung X 7→ X(e) isomorph zu T e H (T eG)
ist, lässt sich jedem X ∈ h injektiv ein X̃ ∈ g derart zuordnen, dass X̃(e) = T e ιH X(e).
Diese Zuordnung ist linear. Außerdem gilt für g ∈ H, dass ιH ◦ lg = lg ◦ ιH bzw.
T ιH ◦ T lg = T lg ◦ T ιH , und damit
T g ιH X(g) = T g ιH X(lg (e)) = T g ιH T e lg X(e) =
T lg T e ιH X(e) = T lg X̃(e) = X̃(lg (e)) = X̃(ιH (g)).
Also gilt T ιH ◦ X = X̃ ◦ ιH , d.h. X und X̃ sind ιH -verwandt. Gemäß Lemma 2.2.2 ist
somit die Zuordnung X 7→ X̃ nicht nur linear, sondern auch mit [., .] verträglich.
2.2.8 Beispiel. Sei G = GL(n, R) und H = S L(n, R), vgl. Beispiel 1.3.16. Von dort
wissen wir auch, dass T eG = {[cIA ] : A ∈ Rn×n } und
T I ιH T e H = {[cIA ] : A ∈ Rn×n , tr(A) = 0}.
Dabei ist die Zuordnung A (∈ Rn×n ) 7→ [cIA ] (∈ T eG) linear und bijektiv.
Ist X ∈ h =: sl(n, R), so liegt T I ιH X(e) in T I ιH T e H. Also gilt T I ιH X(e) = [cIA ] für
ein eindeutiges A ∈ Rn×n mit tr(A) = 0. Das entsprechende linksinvariante Vektorfeld
X̃ ∈ gl(n) ist nach Beispiel 2.2.4 gegeben durch B 7→ [cBBA ].
2.3. INTEGRALKURVEN
31
2.3 Integralkurven
2.3.1 Definition. Sei X ∈ X(M) und c : I = (a, b) → M mit −∞ ≤ a < b ≤ +∞ eine
C ∞ -Abbildung, d.h. eine C ∞ -Kurve, und sei x ∈ M. Dann heißt c Integralkurve von X
durch x, wenn 0 ∈ I mit c(0) = x und
c′ (t) = X(c(t)), t ∈ I ,
vgl. Definition 1.2.1. Sie heißt maximale Integralkurve von X durch x, falls es keine
echte Fortsetzung von c auf ein größeres offenes Intervall zu einer Integralkurve von X
gibt.
2.3.2 Bemerkung. Sei ϕ eine Karte mit x ∈ Uϕ . Dann gilt für c : I → M, wobei I so
klein ist, dass c(I) ⊆ Uϕ , wegen (1.6)
ϕ̂ ◦ c′ (t) = ϕ ◦ c(t), tϕ◦c(t) ϕ([s 7→ c(t + s)]) = ϕ ◦ c(t), (ϕ ◦ c)′ (t) .
Also ist c′ (t) = X(c(t)) zu
(ϕ ◦ c)′ (t) = π2 ◦ ϕ̂ ◦ X ◦ ϕ−1 (ϕ ◦ c(t)), t ∈ I,
äquivalent.
Die Existenz von maximalen Integralkurven basiert auf folgendem Resultat, das wir
aus der Theorie der gewöhnlichen Differentialgleichungen importieren. Dabei handelt
es sich um eine Version des Satzes von Picard-Lindelöf .
2.3.3 Satz. Seien J ein offenes, Null enthaltendes, reelles Intervall, ∅ , D ⊆ Rd offen,
und f : J × D → Rd mindestens m-mal stetig differenzierbar mit m ≥ 1.
1. Dann existiert zu jedem ξ ∈ D ein offenes Intervall I um die Null und eine C m+1 Lösung g : I → D des Anfangswertproblems
g′ (t) = f (t, g(t)), t ∈ I, g(0) = ξ.
Die Lösung ist eindeutig im folgenden Sinne: Jede weitere C 1 -Funktion ĝ : Iˆ →
D mit einem offenen Intervall Iˆ um die Null, sodass ĝ′ (.) = f (., ĝ(.)) auf Iˆ und
ĝ(0) = ξ, stimmt mit g auf I ∩ Iˆ überein.
2. Zu jedem ξ ∈ D gibt es sogar eine offene Umgebung U(ξ) ⊆ D von ξ, ein
offenes Intervall I um die Null und eine m-mal stetig differenzierbare Funktion
G : I × U(ξ) → D, sodass gζ (t) := G(t, ζ), t ∈ I, für alle ζ ∈ U(ξ) eine Lösung
von g′ = f (., g) auf I mit g(0) = ζ ist.
Diese Lösung ist für alle ζ ∈ U(ξ) auch eindeutig: Jede weitere C 1 -Funktion
ĝ : Iˆ → D mit einem offenen Intervall Iˆ um die Null, sodass ĝ′ (.) = f (., ĝ(.)) auf
Iˆ und ĝ(0) = ζ, stimmt mit gζ auf I ∩ Iˆ überein.
2.3.4 Lemma. Sei X ∈ X(M) und x ∈ M. Dann existiert eine eindeutige maximale
Integralkurve c x : I x → M, d.h. I x = (a x , b x ) und c′x (t) = X(c x (t)) mit c x (0) = x. Jede
Integralkurve bei x ist eine Einschränkung von c x .
Für y := c x (s) mit einem s ∈ I x folgt zudem Iy = I x − s mit cy (t) = c x (s + t), t ∈ Iy .
KAPITEL 2. FLÜSSE
32
Beweis. Zunächst sei ϕ eine Karte mit x ∈ Uϕ . Wenden wir Satz 2.3.3, 1, auf
D = Dϕ , J = R und f (t, g) = π2 ◦ ϕ̂ ◦ X ◦ ϕ−1 (g)
an, so folgt die Existenz eines offenen Intervalls I um die Null und einer Abbildung
g : I → Dϕ , sodass g′ = f (., g) = π2 ◦ ϕ̂ ◦ X ◦ ϕ−1 ◦ g auf I mit g(0) = ϕ(x). Nach
Bemerkung 2.3.2 ist c = ϕ−1 ◦ g eine Integralkurve durch x. Also gibt es überhaupt
Integralkurven durch x.
Sei nun I die Menge aller Integralkurven c : Jc → M durch x, wobei Jc ein von c
abhängiges offenes Intervall um die Null ist. Sind nun c, d ∈ I, so wollen wir zeigen,
dass c und d auf dem offenen Intervall Jc ∩ Jd um die Null übereinstimmen. Dazu sei
R := {τ ∈ Jc ∩ Jd : d(τ) = c(τ)}.
Aus Stetigkeitsgründen ist R abgeschlossen in Jc ∩ Jd . Wegen c(0) = x = d(0) liegt 0
in R. Insbesondere ist R nichtleer.
Sei nun r ∈ R, ψ eine Karte auf M mit d(r) = c(r) ∈ Uψ , und sei δ > 0 so klein,
dass (r − δ, r + δ) ⊆ Jc ∩ Jd und d(r − δ, r + δ) ⊆ Uψ sowie c(r − δ, r + δ) ⊆ Uψ . Die
Funktionen
gr (s) := ψ ◦ c(r + s), und hr (s) := ψ ◦ d(r + s), s ∈ (−δ, +δ),
erfüllen gemäß Bemerkung 2.3.2 die Gleichungen g′r = f (., gr ) bzw. h′r = f (., hr ). Da
zusätzlich gr (0) = ψ ◦ c(r) = ψ ◦ d(r) = hr (0), folgt aus der Eindeutigkeitsaussage in
Satz 2.3.3, 1, dass gr = hr auf einem kleinen Intervall um 0, bzw. g = h und damit c = d
auf einem kleinen Intervall um r. Somit ist R auch offen. Da Jc ∩ Jd zusammenhängend
ist, folgt R = Jc ∩ Jd .
S
Mit I x := c∈I Jc erhalten wir offensichtlich ein offenes, Null enthaltendes Intervall. Für t ∈ I x definieren wir c x (t) := c(t), wobei c ∈ I mit t ∈ Jc ist. Wegen obiger
Überlegung ist diese Definition nicht von c abhängig, solange nur t ∈ Jc . Da die Jc alle
offen sind, und da C ∞ zu sein, eine lokale Eigenschaft ist, folgt auch c x ∈ C ∞ (I x , M).
Aus c′ (t) = X(c(t)) für t ∈ I x und c ∈ I so, dass t ∈ Jc , folgt unmittelbar auch
′
c x (t) = X(c x (t)). Dabei gilt c x (0) = c(0) = x für jedes c ∈ I. Damit ist c x : I x → M eine
Integralkurve. Nach Konstruktion ist jede Integralkurve bei x eine Einschränkung von
c x auf I x . Insbesondere ist c x maximal.
Sei schließlich y := c x (s) mit einem s ∈ I x . Nun erfüllt d(t) := c x (t + s) für t ∈ I x − s
sicherlich d(0) = y und d ′ (t) = X(d(t)) auf I x − s. Also ist d eine Integralkurve bei y,
die nach dem Bewiesenen die Einschränkung von cy auf I x − s ist; also I x − s ⊆ Iy und
c x (t + s) = d(t) = cy (t), t ∈ I x − s. Für −s ∈ I x − s ⊆ Iy folgt x = c x (0) = cy (−s).
Vertauscht man nun die Rollen von y und x = cy (−s), so folgt insbesondere
Iy + s ⊆ I x und damit schließlich I x − s = Iy .
❑
2.3.5 Beispiel. Ist X(x) = 0, so erfüllt die konstante Funktion c ≡ x die Gleichung
c′ = 0 = X(x). Also ist in dem Fall I x = R und c x ≡ x.
2.3.6 Bemerkung. Mit der Notation aus Lemma 2.3.4 gilt für ein λ ∈ R und das C ∞ Vektorfeld λ · X nach der Kettenregel für λt ∈ I x
c x (λ .)′ (t) = λX(c x (λt)),
womit sich t 7→ c x (λt) mit t ∈ λ1 I x als die maximale Integralkurve von λ · X bei x
herausstellt. Dabei ist λ1 I x = R, falls λ = 0.
2.4. LOKALE UND GLOBALE FLÜSSE
33
2.3.7 Beispiel. Ist ϕ eine Karte auf M, so gilt für das Vektorfeld
∂
∂ϕ j
∂
∂ϕ j
∈ X(Uϕ ), dass
−1
π2 ◦ ϕ̂ ◦
◦ ϕ (ξ) = e j .
Somit ist für ein x ∈ Uϕ die Funktion ϕ ◦ c x (t) Lösung von (ϕ ◦ c x )′ (t) = e j und
daher ϕ ◦ c x (t) = ϕ(x) + te j .
2.3.8 Beispiel. Sei G eine Liegruppe (vgl. Bemerkung 1.1.10) mit neutralen Element
e und X ∈ g, d.h. ein linksinvariantes Vektorfeld. Die Integralkurve ce von X durch e
erfüllt für t ∈ Ie
(lg ◦ ce )′ (t) = T lg c′e (t) = T lg X(ce (t)) = X(lg ◦ ce (t)).
Also ist lg ◦ ce eine Integralkurve von X durch lg (e) = g. Indem man ähnlich argumentiert, wenn man von cg ausgeht und lg−1 anwendet, sieht man, dass Ig = Ie und darauf
lg ◦ ce = cg .
Für ein s ∈ Ie und g = ce (s) folgt aus Lemma 2.3.4, dass Ie = Ig = Ie − s. Das kann
aber nur gelten, wenn Ie = R. Weiters hat man
lg ◦ ce (t) = cg (t) = ce (s + t) und somit ce (s) · ce (t) = ce (s + t).
Also ist t 7→ ce (t) sogar ein differenzierbarer Gruppenhomomorphismus von (R, +)
nach (G, ·).
2.3.9 Beispiel. Für G = GL(n, R) wissen wir, dass A 7→ (B 7→ [cBBA ]) ein Isomorphismus von Rn×n auf gl(n, R) ist.
Da idG eine Karte auf G ist, erfüllt nach Bemerkung 2.3.2 eine Kurve genau dann
c′ (t) = X(c(t)) (im Sinne von Definition 1.2.1) für ein X ∈ X(G), wenn
ˆ G ◦ X(c(t)) = tc(t) idG X(c(t)).
c′ (t) = π2 ◦ id
Im Falle X = (B 7→ [cBBA ]) gilt tc(t) idG X(c(t)) = c(t)A. Somit ist die Integralkurve cI
von X durch I nichts anderes als c(t) = exp(tA), da diese Kurve bekannterweise die
eindeutige Lösung von c′ (t) := c(t)A mit c(0) = I ist.
Wir sehen für diese Gruppe damit auch direkt, dass t 7→ exp(tA) ein Gruppenhomomorphismus von (R, +) nach (G, ·) ist, vgl. Beispiel 2.3.8.
2.4 Lokale und globale Flüsse
Im letzten Abschnitt haben wir gesehen, dass es für ein gegebenes Vektorfeld X ∈ X(M)
und ein x ∈ M eine maximale Integralkurve c x : I x → M durch x gibt. Wir wollen nun
die Gesamtheit aller solchen Kurven betrachten.
2.4.1 Definition. Sei M eine C ∞ -Mannigfaltigkeit und X ∈ X(M). Mit der Notation
aus Lemma 2.3.4 sei
[
DX := {(t, x) ∈ R × M : t ∈ I x } =
I x × {x}.
x∈M
Die Abbildung FlX : DX → M definiert durch FlX (t, x) = c x (t) heißt der zu X gehörige
lokale Fluss.
KAPITEL 2. FLÜSSE
34
Für ein t ∈ R wollen wir mit DtX den Schnitt
DtX = {x ∈ M : (t, x) ∈ DX } = {x ∈ M : t ∈ I x }
bezeichnen.
2.4.2 Bemerkung. Der lokale Fluss FlX (t, x) hat wegen Lemma 2.3.4 und Definition
2.4.1 folgende Eigenschaften:
(i) D0X = M und FlX (0, x) = x.
(ii) Da für jedes x ∈ M die Menge I x ein nichtleeres offenes Intervall um die Null ist
gilt
[
[
DtX = M,
DtX = M.
t>0
t<0
(iii) Aus 0 ≤ s ≤ t bzw. t ≤ s ≤ 0 folgt DtX ⊆ DXs .
X
(iv) FlX (t, .) bildet DtX bijektiv auf D−t
ab.
(v) Für beliebige s, t ∈ R ist der Definitionsbereich {x ∈ DtX : FlX (t, x) ∈ DXs } von
FlX (s, .) ◦ FlX (t, .) in DXs+t enthalten, wobei FlX (s, .) ◦ FlX (t, .) = FlX (s + t, .) gilt.
Haben s und t dasselbe Vorzeichen, so stimmt der Definitionsbereich von
FlX (s, .) ◦ FlX (t, .) mit DXs+t überein.
Insbesondere stimmt für k ∈ N und t ∈ R der Definitionsbereich von
FlX (t, .)k := FlX (t, .) ◦ · · · ◦ FlX (t, .)
|
{z
}
k−mal
X
überein, wobei FlX (t, .)k = FlX (kt, .).
mit Dkt
Wir wollen noch die letzte Aussage nachweisen. Dazu sei x ∈ DtX mit FlX (t, x) =
c x (t) ∈ DXs . Wegen Lemma 2.3.4 ist s ∈ Icx (t) = I x − t und damit s + t ∈ I x bzw. x ∈ DXs+t ,
wobei FlX (s, .) ◦ FlX (t, x) = ccx (t) (s) = c x (s + t) = FlX (s + t, x).
Haben s, t dasselbe Vorzeichen, so folgt aus x ∈ DXs+t wegen (iii), dass x ∈ DtX bzw.
t ∈ I x . Aus x ∈ DXs+t folgt auch s + t ∈ I x . Wieder wegen Lemma 2.3.4 gilt Icx (t) = I x − t
und damit s ∈ Icx (t) , bzw. FlX (t, x) ∈ DXs .
2.4.3 Satz. Die Menge DX ist eine offene Teilmenge von R × M (versehen mit der
Produkttopologie), und Fl : DX → M ist eine C ∞ -Abbildung, wobei R × M gemäß
Lemma 1.1.7 und DX gemäß Fakta 1.1.4, 3, als Mannigfaltigkeit zu sehen ist.
X
ein C ∞ Somit ist für jedes t ∈ R die Bijektion FlX (t, .) : DtX → D−t
X
Diffeomorphismus definiert auf der offenen Teilmenge Dt ⊆ M.
Beweis. Seien x ∈ M und s ∈ I x . Setze y := c x (s) und wähle eine Karte ϕ mit y ∈ Uϕ .
Wir wenden Satz 2.3.3, 2, auf
D = Dϕ , J = R und f (t, g) = π2 ◦ ϕ̂ ◦ X ◦ ϕ−1 (g)
an, so folgt die Existenz eines offenen Intervalls Jy um die Null, einer offenen Umgebung Dy ⊆ Dϕ von ϕ(y) und einer C ∞ -Funktion G : Jy × Dy → Dϕ , sodass
gη (t) := G(t, η), t ∈ Jy , für alle η ∈ Dy die eindeutige Lösung von g′ = f (., g) auf
Jy mit g(0) = η ist.
2.4. LOKALE UND GLOBALE FLÜSSE
35
Nach Bemerkung 2.3.2 und Lemma 2.3.4 gilt Jy ⊆ Iz für alle z ∈ Uy := ϕ−1 (Dy )
sowie, dass ϕ−1 ◦ gϕ(z) die Einschränkung auf Jy der Integralkurve cz durch z ist. Insbesondere gilt
Jy × Uy ⊆ DX und FlX (t, z) = ϕ−1 ◦ G(t, ϕ(z)), (t, z) ∈ Jy × Uy .
Zudem ist diese Funktion unendlich oft auf Jy × Uy als Abbildung nach M differenzierbar, vgl. Lemma 1.1.7 und Definition 1.1.8.
Ist nun K x ⊆ I x ein kompaktes Intervall mit 0 ∈ K x , so lässt sich die kompakte
Menge c x (K x ) durch endlich viele Uy überdecken. Sei W (⊇ c x (K x )) die Vereinigung
dieser endlich vielen Uy . Schneiden wir die entsprechenden Jy , so erhalten wir ein
offenes Intervall J um die Null, sodass ρ1 (t, z) := FlX (t, z) auf O1 := J × W (⊆ DX )
unendlich oft differenzierbar und daher insbesondere stetig ist. Die Menge
O2 := ρ−1
1 (W) (⊆ O1 = J × W)
ist damit offen, und die Abbildung ρ2 (t, z) := ρ1 (t, ρ1 (t, z)) ist wohldefiniert auf O2 und
ebenfalls unendlich oft differenzierbar. Setzen wir induktiv fort, so erhalten wir offene
∞
Mengen Ok := ρ−1
k−1 (W) (⊆ Ok−1 ⊆ · · · ⊆ O1 = J × W) und darauf C -Abbildungen
ρk (t, z) := ρ1 (t, ρk−1 (t, z)), (t, z) ∈ Ok .
X
} und für (t, z) ∈
Man beachte, dass wegen Bemerkung 2.4.2, (v), Ok ⊆ {(t, z) : z ∈ Dkt
Ok gilt die Beziehung
ρk (t, z) = FlX (kt, z) = cz (kt).
(2.8)
Ist k ∈ N so groß, dass 1k K x ⊆ J, so gilt
ρ1
1 K x × {x} = c x K x ⊆ W
k
k
1
und damit 1k K x × {x} ⊆ O2 . Wegen (2.8) folgt
ρ2
1
2 K x × {x} = c x K x ⊆ W
k
k
und daher wieder 1k K x × {x} ⊆ O3 . Verfährt man so fort, so folgt induktiv
ρk−1
k − 1 K x × {x} = c x
Kx ⊆ W
k
k
1
bzw. 1k K x × {x} ⊆ Ok . In Folge ist die Abbildung (t, z) 7→ ρk (t, z) = FlX (kt, z) auf der
offenen Obermenge Ok von 1k K x × {x} definiert und unendlich oft differenzierbar.
Somit hat FlX auf einer offenen Obermenge von K x × {x} dieselbe Eigenschaft. Da
K x ⊆ I x und schließlich auch x ∈ M beliebig war, ist DX offen und FlX darauf C ∞ .
Aus der Tatsache, dass DX offen ist folgt unmittelbar die Offenheit von DtX . Als
Einschränkung auf eine Komponente ist x 7→ FlX (t, x) offensichtlich auch C ∞ .
❑
2.4.4 Korollar. Ist x ∈ M und I x nach oben beschränkt, d.h.
I x = (a x , b x ) mit − ∞ ≤ a x < 0 < b x < +∞,
so liegt c x ([0, b x)) in keiner kompakten Teilmenge von M, d.h. limtրbx c x (t) = ∞, wenn
˙
M ∪{∞}
die Alexandroff-Kompaktifizierung ist. Entsprechendes gilt im Fall −∞ < a x .
KAPITEL 2. FLÜSSE
36
Beweis. Nehmen wir das Gegenteil an, so gibt es eine Folge 0 < tn ր b x , sodass
S
limn→∞ c x (tn ) = z für ein z ∈ M. Wegen t>0 DtX = M gilt z ∈ DtX für ein festes t > 0.
X
X
Da Dt offen ist, gilt c x (tn ) ∈ Dt für n hinreichend groß.
Für solche n ist daher t ∈ Icx (tn ) = I x − tn , bzw. tn + t ∈ I x = (a x , b x ). Das steht aber
im Widerspruch zu limn→∞ tn = b x .
❑
X
Besonders interessant ist nun der Fall, dass D = R × M oder äquivalent, dass
I x = R für alle x ∈ M. Man spricht dann von einem globalen Fluss.
2.4.5 Bemerkung. Der Fluss FlX ist genau dann global, wenn für je ein t > 0 und ein
t < 0 gilt, dass DtX = M.
In der Tat folgt aus DX = R × M unmittelbar DtX = M für alle t ∈ R. Gilt umgekehrt
X
Dt = M für ein t , 0, so folgt aus Bemerkung 2.4.2, (v) und (iii), sofort DXs = M für
alle s ∈ R mit sgn(s) = sgn(t).
2.4.6 Beispiel. Ist G eine Liegruppe und X ∈ g ein linksinvariantes Vektorfeld. Aus
Beispiel 2.3.8 wissen wir, dass der maximale Fluss durch e und damit auch durch jedes
andere g ∈ G auf Ie = Ig = R definiert ist. Also ist der entsprechende Fluss FlX auf
ganz R × M definiert und daher ein globaler Fluss.
2.4.7 Beispiel. Für G = GL(n, R) und X = (B 7→ [cBBA ]) ∈ gl(n, R) ist nach Beispiel
2.3.9 cI (t) = exp(tA) und damit cB (t) = B exp(tA), vgl. Beispiel 2.3.8. Also gilt
FlX (t, B) = B exp(tA).
2.4.8 Beispiel. Sei G wieder eine (C ∞ -)Liegruppe und bezeichne f : G × G → G die
Gruppenmultiplikation f (g, h) = gh. Man sieht ganz leicht, dass g 7→ 0 (∈ T gG) ein
C ∞ -Vektorfeld ist. Wegen Fakta 1.1.9, 8, ist damit auch die Abbildung
Φ : (g, Xe ) 7→ (0, ιT eG Xe ) ∈ T gG × T eG ⊆ TG × TG,
aus C ∞ (G × T eG, TG × TG). Beachte dabei, dass T eG eine Untermannigfaltigkeit von
TG ist – wie man unschwer nachprüft. ιT e G : T eG → TG bezeichnet die Einbettungsabbildung.
Mit der Notation aus Fakta 1.2.20 ist daher auch die Zusammensetzung T f ◦ i ◦ Φ :
G × T eG → TG eine C ∞ -Funktion und stimmt gemäß (8) mit
(g, Xe) 7→ T f (g, .) (Xe ) = T lg (Xe ) (∈ TG)
| {z }
(2.9)
TG→TG
überein.
Damit haben wir insbesondere auch die Behauptung aus Beispiel 2.2.3 gezeigt, dass
X(g) := T lg (Xe ) für jedes feste Xe ∈ T eG ein linksinvariantes C ∞ -Vektorfeld ist, d.h.
X ∈ g. Also ist gemäß Beispiel 2.2.3 X 7→ X(e) tatsächlich eine lineare Bijektion von
der Menge aller linksinvarianter C ∞ -Vektorfelder g auf T eG. Insbesondere sind g und
T eG diffeomorph, wenn wir g vermöge einer linearen Bijektion auf Rdim G als Atlas zu
einer Mannigfaltigkeit machen.
Wegen Fakta 1.1.9, 8, folgt aus (2.9) auch, dass
Y : (g, Xe) 7→ ĩ ◦ ( X(g) , |{z}
0 ) ( ∈ T G × (T eG) )
|{z}
=T lg (Xe )
∈T Xe (T e G)
2.4. LOKALE UND GLOBALE FLÜSSE
37
ein C ∞ -Vektorfeld auf G × (T eG) ist, wobei ĩ : TG × T (T eG) → T G × (T eG) der
Diffeomorphismus wie in Fakta 1.2.20 bezüglich der Mannigfaltigkeiten G und T eG
ist. Wegen (see Fakta 1.2.20)
(FlX (., g), Xe)′ (t) = ĩ(FlX (., g)′ (t), Xe′ (t) ) = ĩ(X(FlX (t, g)), 0)
| {z } |{z}
∈T FlX (t,g) G
∈T Xe (T e G)
ist t 7→ (FlX (t, g), Xe), t ∈ R, die Integralkurve von Y durch den Punkt (g, Xe), womit
der Fluss FlY (t, (g, Xe)) eine C ∞ -Funktion in den Variablen (t, g, Xe ) ist. Wir setzen
exp(Xe ) := FlY (1, (e, Xe)) = FlX (1, e),
und sehen, dass exp : T eG → G eine C ∞ -Funktion ist.
Schließlich gilt für X ∈ g mit X(h) := T lh (Xe ) und g ∈ G bekannterweise
g exp(Xe ) = g FlX (t, e) = FlX (t, g), siehe Beispiel 2.3.8. Nach Bemerkung 2.3.6 gilt
exp(s · Xe ) = FlX (s, e) und daher
T 0 exp ([s 7→ s · Xe ]∼ ) = [s 7→ exp(s · Xe )]∼ =
|
{z
} |
{z
}
∈T 0 (T e G)
∈T e G
[s 7→ FlX (s, e)]∼ = FlX (., e)′ (0) = X(FlX (0, e)) = Xe .
|
{z
}
∈T e G
2.4.9 Korollar. Hat X einen kompakten Träger, d.h. der Abschluss supp X der Menge
{x ∈ M : X(x) , 0} ist in M kompakt, so ist FlX ein globaler Fluss.
S
S
Beweis. Gemäß Satz 2.4.3 gilt t>0 DtX = M = t<0 DtX . Laut Voraussetzung und
wegen Bemerkung 2.4.2, (iii), gibt es t1 > 0, t2 < 0 mit DtX1 , DtX2 ⊇ supp X. Für
alle x < supp X gilt wegen Beispiel 2.3.5 I x = R, d.h. x ∈ DtX1 , DtX2 . Also insgesamt
DtX1 = M = DtX2 .
❑
2.4.10 Lemma. Seien M und N beide C ∞ -Mannigfaltigkeiten, und sei h ∈ C ∞ (M, N).
Weiters seien X ∈ X(M) und Y ∈ X(N). Diese beiden sind genau dann h-verwandt,
wenn FlY ◦ (idR ×h) = h ◦ FlX auf einer gewissen offenen Menge R mit {0} × M ⊆ R ⊆
DX ∩ (idR ×h)−1 (DY ).
Ist das der Fall, so gilt DX ⊆ (idR ×h)−1 (DY ) und darauf gilt FlY ◦(idR ×h) = h◦FlX .
Also ist R = DX eine (und damit die größte) zulässige Wahl.
Beweis. Gilt FlY ◦ (idR ×h) = h ◦ FlX auf der offenen Menge R ⊇ {0} × M, so folgt für
x ∈ M zunächst, dass (−δ, δ) × {x} ⊆ R für ein δ > 0. Wegen R ⊆ DX ∩ (idR ×h)−1 (DY )
gilt insbesondere (−δ, δ) × {x} ⊆ DX und (−δ, δ) × {h(x)} ⊆ DY bzw. (−δ, δ) ⊆ I x , Ih(x) .
Da für t ∈ (−δ, δ) sicher FlY (t, h(x)) = h ◦ FlX (t, x), folgt mit Fakta 1.2.10, 6, 7,
Y(h(x)) = FlY (., h(x))′(0) = (h ◦ FlX (., x))′ (0) = T x h FlX (., x)′ (0) = T x h X(x).
Sind X und Y h-verwandt, so folgt für x ∈ M und t ∈ I x
(h ◦ FlX (., x))′ (t) = T FlX (t,x) h FlX (., x)′ (t) = T FlX (t,x) h X(FlX (t, x)) = Y(h ◦ FlX (t, x)),
womit h ◦ FlX (., x) in der maximalen Integralkurve von Y durch h ◦ FlX (0, x) = h(x)
enthalten ist. Also folgt I x × {h(x)} ⊆ DY und damit (idR ×h)(DX ) ⊆ DY , wobei
FlY ◦ (idR ×h) = h ◦ FlX .
❑
KAPITEL 2. FLÜSSE
38
2.4.11 Beispiel. Sei M eine Teilmannigfaltigkeit von N und ι M die Einbettungsabbildung. Ist Y ∈ X(N) und X ∈ X(M) das gemäß Lemma 2.2.5 in eindeutiger Weise existierende zu Y ι M -verwandte Vektorfeld, so folgt aus Lemma 2.4.10, dass für (t, x) ∈ DX
wegen x = ι M (x) ∈ M
FlY (t, x) = FlX (t, x).
Wir wollen uns anschauen, wie zwei Vektorfelder X, Y ∈ X(M) und ihre Flüsse in
Verbindung stehen können. Dazu setzen wir zunächst
X
FlXs := FlX (s, .) : DXs → D−s
(⊆ M)
X
für festes s ∈ R. Die Ableitung T FlXs davon bildet damit T DXs bijektiv auf T D−s
(⊆
T M) ab.
2.4.12 Lemma. Für X, Y ∈ X(M) und x ∈ M gilt
∂
X
|t=0 T Fl−t
◦Y ◦ FltX (x) = [X, Y](x),
∂t
(2.10)
X
wobei T Fl−t
◦Y ◦ FltX (x) für alle in Frage kommenden t ∈ I x (bzgl. X) Werte in T x M
hat und damit die Ableitung dort zu bilden ist2 . Der Ausdruck links in (2.10) heißt die
Lie-Ableitung LX von Y.
Beweis. Die Funktion (s, t, y) 7→ FlXs ◦ FltX (y) ist auf der wegen der Stetigkeit von FlX
offenen Teilmenge DX;X := {(s, t, y) ∈ R × DX : (s, FltX (y)) ∈ DX } von R2 × M definiert,
welche offensichtlich {0} × {0} × M umfasst.
Sei x ∈ M und ϕ eine Karte auf M mit x ∈ Uϕ . Wegen (0, 0, x) ∈ DX;X und da
(s, t, y) 7→ FlXs (x) ◦ FltX (y) auf DX;X stetig ist, finden wir ein δ > 0 und eine offenen
Umgebung U ⊆ Uϕ von x, sodass (−δ, δ) × (−δ, δ) × U ⊆ DX;X und FlXs ◦ FltX (y) ∈ Uϕ
und damit
FltX (y) ∈ Uϕ , T FlXs ◦Y ◦ FltX (y) ∈ Uϕ̂
für alle s, t ∈ (−δ, δ) und y ∈ U.
Wir setzen nun für jedes feste t ∈ (−δ, δ) und variables ξ ∈ D := ϕ(U)
γt (ξ) := ϕ ◦ FlX (t, ϕ−1 (ξ))
und erhalten damit eine C ∞ -Funktion γt : D → Dϕ . Offensichtlich ist sogar die Funktion (t, ξ) 7→ γt (ξ) eine C ∞ -Funktion von (−δ, δ) × D nach Dϕ . Wegen Bemerkung 2.3.2
gilt
d
γt (ξ) = π2 ◦ ϕ̂ ◦ X ◦ ϕ−1 (γt (ξ)) = α2 (γt (ξ))
| {z }
dt
=:α
mit α2 = π2 ◦ α. Wegen dem Satz von Schwarz und der Kettenregel folgt
d
dγt (ξ) = dα2 (γt (ξ)) dγt (ξ).
dt
Aus (1.9) folgt andererseits für s ∈ (−δ, δ)
ϕ̂ ◦ T FlXs ◦ϕ̂−1 (ξ, η) = (γ s (ξ), dγ s (ξ)η).
2 Endlichdimensionale Vektorräume haben genau eine Topologie, die sie zu topologischen Vektorräumen
machen.
2.4. LOKALE UND GLOBALE FLÜSSE
39
Setzen wir noch β := ϕ̂ ◦ Y ◦ ϕ−1 und β2 := π2 ◦ β, so folgt
ρ(s, t, ξ) := π2 ◦ ϕ̂ ◦ T FlXs ◦Y ◦ FltX ◦ϕ−1 (ξ) = dγ s (γt (ξ)) β2 (γt (ξ))
mit der Ableitung dγ s (γt (ξ)) im Sinne der Analysis II.
Zusammen mit Fl0X = id bzw. γ0 = id erhalten wir
∂
ρ(s, 0, ξ) = dα2 (γ s (ξ)) dγ s (ξ) β2 (ξ).
∂s
Aus dγ0 (ξ) = d id(ξ) = id folgt
∂
ρ(0, t, ξ) = dβ2 (γt (ξ)) α2 (γt (ξ)).
∂t
Somit folgt aus der Kettenregel für ξ = ϕ(x) wegen (2.7)
∂
|t=0 ρ(−t, t, ϕ(x)) = dβ2 (ϕ(x))α2 (ϕ(x)) − dα2 (ϕ(x))β2 (ϕ(x)) = t x ϕ [X, Y](x).
∂t
Somit gilt
tx ϕ
∂
∂
X
X
|t=0 T Fl−t
◦Y ◦ FltX (x) = |t=0 t x ϕ T Fl−t
◦Y ◦ FltX (x) =
∂t
∂t
∂
X
|t=0 π2 ◦ ϕ̂ ◦ T Fl−t
◦Y ◦ FltX (x) = t x ϕ [X, Y](x).
∂t
Da t x ϕ : T x M → Rd eine lineare Bijektion ist, folgt (2.10). Das Vertauschen von t x ϕ
mit ∂t∂ |t=0 ist gerechtfertigt, da endlichdimensionale Vektorräume nur eine Topologie
haben, die sie zu topologischen Vektorräumen machen.
❑
Wir betrachten nun die Funktion (t, s, x) 7→
Definitionsbereich
FltX
◦ FlYs (x)
X
Y
= Fl (t, Fl (s, x)) mit dem
DY;X := {(t, s, x) ∈ R × DY : (t, FlY (s, x)) ∈ DX } (⊆ R2 × M).
Als Urbild einer offenen Menge unter einer stetigen Funktion ist diese Menge offen.
Genauso ist der Definitionsbereich
DX;Y := {(t, s, x) ∈ R2 × M : (s, t, x) ∈ R × DX , (s, FlX (t, x)) ∈ DY } (⊆ R2 × M).
von (t, s, x) 7→ FlYs ◦ FltX (x) = FlY (s, FlX (t, x)) offen.
2.4.13 Proposition. Sind X, Y ∈ X(M), so gilt:
Es existiert eine offenen Menge Q ⊆ DX;Y ∩ DY;X mit {0} × {0} × M ⊆ Q, sodass
FltX ◦ FlYs (x) = FlYs ◦ FltX (x), für alle (t, s, x) ∈ Q,
(2.11)
genau dann, wenn [X, Y] = 0.
Man spricht in dem Fall von kommutierenden Flüssen.
Beweis. Gelte zunächst (2.11). Zu x ∈ M gibt es wegen {0} × {0} × M ⊆ Q ein δ > 0
und eine offene Umgebung U von x, sodass (−δ, δ) × (−δ, δ) × U ⊆ Q. Für ein festes
t ∈ (−δ, δ) folgt für
h : U → M, h(y) = FltX (y)
KAPITEL 2. FLÜSSE
40
aus (2.11), dass FlY (s, h(y)) = h ◦ FlY (s, y) für alle s ∈ (−δ, δ) und alle y ∈ U.
Nach Beispiel 2.4.11 gilt für die Einschränkung Y|U : U → T U des Vektorfeldes Y
auf U, dass DY|U ⊆ DY und (FlY )|DY|U = FlY|U . Es folgt
FlY (s, h(y)) = h ◦ FlY|U (s, y)
für alle (s, y) ∈ ((−δ, δ) × U) ∩ DY|U ⊇ {0} × U. Wenden wir Lemma 2.4.10 auf h und
die Vektorfelder Y|U und Y an, so folgt
T (FltX |U ) ◦Y|U = T h ◦ Y|U = Y ◦ h = Y ◦ FltX |U .
| {z }
=(T FltX )|T U
und zwar für alle t ∈ (−δ, δ).
Wegen x ∈ U gibt es aus Stetigkeitsgründen ein 0 < δ′ ≤ δ mit FltX (x) ∈ U für alle
|t| < δ′ . Für solche t folgt dann
X
X
T Fl−t
◦ Y(FltX (x)) = Y ◦ Fl−t
(FltX (x)) = Y(x).
| {z }
∈T U
Aus (2.10) schließen wir auf [X, Y](x) = ∂t∂ |t=0 Y(x) = 0. Da x ∈ M beliebig war, folgt
[X, Y] = 0.
Umgekehrt bedingt [X, Y] = 0 für jedes x ∈ M und t ∈ I x wegen Bemerkung 2.4.2
die Gleichung
∂
∂
X
X
| s=t T Fl−s
◦Y ◦ FlXs (x) = | s=0 T Fl−s−t
◦Y ◦ FlXs+t (x) =
∂s
∂s
∂
∂
X
X
X
X
| s=0 T Fl−t
◦T Fl−s
◦Y ◦ FlXs ◦ FltX (x) = T Fl−t
◦ | s=0 T Fl−s
◦Y ◦ FlXs ◦ FltX (x) =
∂s
∂s
X
T Fl−t
◦[X, Y] ◦ FltX (x) = 0.
X
X
∂
| s=0 und T Fl−t
ist gerechtfertigt, da T Fl−t
hier eine lineare
Das Vertauschen von ∂s
Abbildung von dem endlichdimensionalen Vektorraum T FltX (x) M nach T x M und somit
X
X
◦Y ◦ Fl0X (x) = Y für alle t ∈ I x . Anders
stetig ist. Es folgt T Fl−t
◦Y ◦ FltX (x) = T Fl−0
formuliert erhalten wir für jedes t ∈ R
X
X
T FltX ◦Y ◦ Fl−t
(x) = Y(x), für alle x ∈ D−t
.
Substituieren wir x = FltX (y) und beachten Bemerkung 2.4.2, (iv), so folgt
T FltX ◦Y(y) = Y ◦ FltX (y), für alle y ∈ DtX .
Zu einem festen x ∈ M wähle δ > 0 und eine offene Umgebung U von x, sodass
(−δ, δ) × U ⊆ DX . Damit gilt U ⊆ DtX für alle t ∈ (−δ, δ).
Für ein festes aber beliebiges solches t setzen wir h = FltX |U : U → M und
schränken Y auf U ein. Wieder nach Beispiel 2.4.11 gilt dafür DY|U ⊆ DY und
(FlY )|DY|U = FlY|U : DY|U → U (⊆ DtX ).
(2.12)
Wenden wir Lemma 2.4.10 auf h sowie auf die Vektorfelder Y|U und Y an, so folgt
(idR × FltX )(DY|U ) = (idR ×h)(DY|U ) ⊆ DY
(2.13)
2.5. DISTRIBUTIONEN, SATZ VON FROBENIUS
41
und
FltX ◦ FlYs (y) = h ◦ FlY|U (s, y) = FlY ◦(idR ×h)(s, y) = FlYs ◦ FltX (y)
für alle (s, y) ∈ DY|U (⊇ {0} × U) und für beliebiges t ∈ (−δ, δ).
Nun ist DY|U offen in R × M und daher (−δ, δ) × DY|U offen in R2 × M mit (0, 0, x) ∈
(−δ, δ) × DY|U , wobei wegen (2.12) dann (−δ, δ) × DY|U ⊆ DY;X und wegen (2.13) auch
(−δ, δ) × DY|U ⊆ DX;Y .
Bezeichnet nun Q die Vereinigung aller dieser Mengen (−δ, δ) × DY|U , wenn x ∈ M
läuft, so ist Q eine offene Teilmenge von DX;Y ∩ DY;X , die {0} × {0} × M enthält.
❑
2.5 Distributionen, Satz von Frobenius
Hat man nicht nur zwei, sondern endlich viele C ∞ -Vektorfelder X1 , . . . , Xk auf einer
Mannigfaltigkeit, so ist der Definitionsbereich von (t1 , . . . , tk , x) 7→ FltX11 ◦ · · · ◦ FltXk k (x)
rekursiv nach k definiert durch DX1 für k = 1 und
DX1 ;...;Xk :=
{(t1 , . . . , tk , x) ∈ Rk × M : (t2 , . . . , tk , x) ∈ DX2 ;...;Xk , (t1 , FltX22 ◦ · · · ◦ FltXk k (x)) ∈ DX1 }
für k > 1. Man zeigt induktiv nach k leicht, dass die Mengen DX1 ;...;Xk alle offen in
Rk × M sind, {0}k × M enthalten, und dass (t1 , . . . , tk , x) 7→ FltX11 ◦ · · · ◦ FltXk k (x) auf
DX1 ;...;Xk eine C ∞ -Abbildung ist.
Das folgendes Resultat ist eine Art Umkehrung von Beispiel 2.1.8.
2.5.1 Satz. Sei M eine d-dimensionale C ∞ -Mannigfaltigkeit und seien X1 , . . . , Xk ∈
X(M), sodass X1 (x), . . . , Xk (x) als Elemente von T x M linear unabhängig sind, und zwar
für alle x ∈ M. Weiters gelte [Xi , X j ] = 0, i, j ∈ {1, . . . , k}.
Dann existiert um jeden Punkt aus M eine Karte ϕ, sodass auf Uϕ
Xi =
∂
, i = 1, . . . , k.
∂ϕi
Beweis. Sei x ∈ M und ψ eine Karte mit x ∈ Uψ und ψ(x) = 0. Setzen wir ψ nötigenfalls
mit einer geeigneten linearen Abbildung zusammen, so können wir dazu annehmen,
dass t x ψ X1 (x), . . . , t x ψ Xk (x) zusammen mit ek+1 , . . . , ed den Rd aufspannen.
Gemäß den Überlegungen vor dem gegenwärtigen Satz gibt es ein δ > 0, sodass
Uδ (0) ⊆ Dψ , ψ−1 (0, . . . , 0, tk+1 , . . . , td )T ∈ DX1 ;...;Xk und damit
h(t1 , . . . , td )T := FltX11 ◦ · · · ◦ FltXk k ◦ψ−1 (0, . . . , 0, tk+1 , . . . , td )T
für alle (t1 , . . . , td )T ∈ Uδ (0) wohldefiniert. Wegen der Stetigkeit von h sei δ > 0 auch so
klein, dass das Bild von h in Uψ enthalten ist. Machen wir δ > 0 nötigenfalls abermals
kleiner, so können wir auch annehmen, dass
ψ−1 (0, . . . , 0, tk+1 , . . . , td )T ∈ DXσ(1) ;...;Xσ(k)
für jede Permutation σ von {1, . . . , k}. Schließlich können wir voraussetzungsgemäß
Proposition 2.4.13 anwenden auf alle Paare Xi , X j und sehen, dass wir δ > 0 nötigenfalls ein letztes Mal kleiner machen können, sodass
X
X
σ(1)
σ(k)
h(t1 , . . . , td )T = Fltσ(1)
◦ · · · ◦ Fltσ(k)
◦ψ−1 (0, . . . , 0, tk+1 , . . . , td )T
KAPITEL 2. FLÜSSE
42
auf Uδ (0) und für jede Permutation σ von {1, . . . , k}. Somit gilt für j = 1, . . . , k wegen
Bemerkung 2.3.2
∂
ψ ◦ h(t1 , . . . , td )T
∂t j
∂
X
X
X
ψ ◦ Flt j j ◦ FltX11 ◦ · · · ◦ Flt j−1j−1 ◦ Flt j+1j+1 ◦ · · · ◦ FltXk k ◦ψ−1 (0, . . . , 0, tk+1 , . . . , td )T
=
∂t j
X
X
X
= π2 ◦ ψ̂ ◦ X j Flt j j ◦ FltX11 ◦ · · · ◦ Flt j−1j−1 ◦ Flt j+1j+1 ◦ · · · ◦ FltXk k ◦ψ−1 (0, . . . , 0, tk+1, . . . , td )T
= π2 ◦ ψ̂ ◦ X j (h(t1 , . . . , td )) = th(t1 ,...,td )T ψ X j (h(t1 , . . . , td )T ).
Für j = k + 1, . . . , d gilt ( ∂t∂j ψ ◦ h)(0, . . . , 0)T = ∂t∂ j |t j =0 (0, . . . , 0, t j , . . . , 0)T = e j .
Gemäß unserer Wahl von ψ ist dψ ◦ h(0, . . . , 0) (Ableitung im Sinne der Analysis
II) invertierbar. Also gibt es offene Nullumgebungen C, D ⊆ Uδ (0), sodass
T := ψ ◦ h : C → D
ein C ∞ -Diffeomorphismus ist. In Folge ist ϕ := T −1 ◦ ψ = (h|C )−1 eine Karte auf M mit
Uϕ = ψ−1 (D) ∋ x. Zudem gilt für y = h|C (t1 , . . . , td )T ∈ Uϕ und j = 1, . . . , k
ty ϕ X j (y) = (dT −1 )(ψ(y)) ty ψ X j (y) = (dT (T −1 ◦ ψ(y)))−1
∂
ψ ◦ h(t1 , . . . , td )T =
∂t j
(dT (t1 , . . . , td )T )−1 dT (t1 , . . . , td )T e j = e j .
Also gilt X j =
∂
∂ϕ j .
❑
2.5.2 Korollar. Sei M eine d-dimensionale C ∞ -Mannigfaltigkeit und seien
X1 , . . . , Xk ∈ X(M), sodass X1 (x), . . . , Xk (x) als Elemente von T x M linear unabhängig
sind, und zwar für alle x ∈ M. Weiters gelte für alle x ∈ M und i, j ∈ {1, . . . , k}
[Xi , X j ](x) ∈ span{X1 (x), . . . , Xk (x)}.
Dann existiert um jeden Punkt aus M eine Karte ϕ, sodass auf Uϕ
Xj =
k
X
di j ·
i=1
∂
, j = 1, . . . , k,
∂ϕi
∞
wobei di j ∈ C (Uϕ , R) für i, j = 1, . . . , k.
Beweis. Sei x ∈ M und ψ eine Karte mit x ∈ Uψ . Für die Funktionen
j
α2 = π2 ◦ ψ̂ ◦ X j ◦ ψ−1 : Dψ → Rd
j
gilt α2 (t) = tψ−1 (t) ψ X j (ψ−1 (t)). Damit sind die Vektoren α12 (t), . . . , αk2 (t) ∈ Rd immer
linear unabhängig.
Ersetzen wir ψ nötigenfalls durch σ ◦ ψ für eine geeignete Koordinatenpermutation
σ, so können wir annehmen, dass die ersten k Einträge von α12 (ψ(x)), . . . , αk2 (ψ(x)) als
Elemente von Rk linear unabhängig sind. Wir definieren A(y) ∈ Rd×k für y ∈ Uψ so, dass
ihre Spalten gerade α12 (ψ(y)), . . . , αk2 (ψ(y)) sind. Zudem sei D(y) ∈ Rk×k so, dass die
ersten k Zeilen von A(y) und von D(y) übereinstimmen. Insbesondere ist D(x) regulär.
2.5. DISTRIBUTIONEN, SATZ VON FROBENIUS
43
Da die Determinante stetig ist, können wir ψ auf einen neuen Definitionsbereich
Uψ einschränken, sodass D(y) = (di j (y))i, j=1,...,k für alle y ∈ Uψ regulär ist. Mit B(y) =
(bi j (y))i, j=1,...,k wollen wir die Inverse D(y)−1 bezeichnen. Für y ∈ Uψ folgt
!
I
A(y)B(y) =
,
(2.14)
C(y)
wobei y 7→ C(y) = (ci j (y))i=k+1,...,d; j=1,...,k ∈ R(d−k)×k genauso wie y 7→ A(y), y 7→ D(y)
und auch y 7→ B(y) eine C ∞ -Funktion ist. Also sind auch j = 1, . . . , k
Y j : y 7→ (ty ψ)−1 A(y)B(y)e j (∈ T y M)
punktweise linear unabhängige C ∞ -Vektorfelder auf Uψ , vgl. (2.1), wobei wegen (2.14)
und wegen ∂ψ∂ i (y) = (ty ψ)−1 ei
Y j (y) =
d
X
∂
∂
(y) +
(y).
ci j (y)
∂ψ j
∂ψ
i
i=k+1
i
h
Aus ∂ψ∂ l , ∂ψ∂m (y) = 0 (vgl. Beispiel 2.1.8) und den Rechenregeln in Lemma 2.1.4 und
Lemma 2.1.7 folgt
d
X
∂
n
[Yl , Ym ](y) =
fl,m
(y) ·
(y)
(2.15)
∂ψ
n
n=k+1
n
für fl,m
∈ C ∞ (Uψ , R).
Andererseits folgt aus der Linearität von (ty ψ)−1 , dass
Y j (y) =
k
X
bi j (y)Xi (y) bzw. X j (y) =
i=1
k
X
di j (y)Yi (y).
(2.16)
i=1
Aus der ersten Gleichheit, der Voraussetzung und den schon verwendeten Rechenregeln ergibt sich
k
X
[Yl , Ym ](y) =
gil,m (y)Xi (y)
(2.17)
i=1
für y ∈ Uψ und mit Funktionen gil,m : Uψ → R. Wenden wir ty ψ auf (2.15) und (2.17)
an, so folgt


 0 
 .. 
 1

 . 
gl,m (y)


 . 
 0 


.
A(y)  .  = ty ψ [Yl , Ym ](y) =  k+1  .
 k

 fl,m (y)
 . 
gl,m (y)
 .. 
 d

fl,m (y)
Nun sind aber die ersten k-Zeilen der Spalten von A(y) linear unabhängig, was g1l,m (y) =
· · · = gkl,m (y) = 0 bzw. [Yl , Ym ](y) = 0 zur Folge hat.
Nach Satz 2.5.1 existiert zu x eine Karte ϕ mit x ∈ Uϕ ⊆ Uψ , sodass auf Uϕ
Yi =
∂
, i = 1, . . . , k,
∂ϕi
was wegen der zweiten Gleichheit in (2.16) die Behauptung beweist.
❑
KAPITEL 2. FLÜSSE
44
2.5.3 Definition. Sei M eine C ∞ -Mannigfaltigkeit. Eine Abbildung D : M → P(T M)
heißt Distribution, wenn es ein k ∈ N mit 1 ≤ k ≤ dim M gibt, sodass D(x) für alle
x ∈ M ein k-dimensionaler linearer Teilraum von T x M ist. k heißt dann die Dimension
von D.
Eine Distribution D heißt C ∞ (oder glatt), falls es um jedes x ∈ M eine offene
Umgebung U von x und C ∞ -Vektorfelder Y1 , . . . , Yk ∈ X(U) gibt, sodass
D(y) = span{Y1 (y), . . . , Yk (y)} für alle y ∈ U.
Eine C ∞ -Distribution D heißt involutiv, falls aus X, Y ∈ X(M) mit X(x), Y(x) ∈ D(x)
für alle x ∈ M folgt, dass
[X, Y](x) ∈ D(x), für alle x ∈ M.
Eine Teilmannigfaltigkeit N von M heißt Integralmannigfaltigkeit einer Distribution
D : M → P(T M), falls
T x ιN (T x N) = D(x)
für alle x ∈ N.
Der Begriff Integralmannigfaltigkeit ist eine Art Verallgemeinerung des Begriffes
der Integralkurve eines einzigen Vektorfeldes. In der Tat folgt unmittelbar aus Beispiel
2.4.11 zusammen mit Lemma 2.2.5, dass für ein X ∈ X(M) mit X(x) ∈ D(x) für alle
x ∈ N der Fluss FlX (t, x) für alle x ∈ N und betragsmäßig hinreichend kleine t ∈ I x
ganz in N verläuft.
2.5.4 Lemma. Ist D : M → P(T M) eine C ∞ -Distribution derart, dass es zu jedem
x ∈ M eine Teilmannigfaltigkeit N x von M gibt, sodass x ∈ N x und sodass N x Integralmannigfaltigkeit von D, dann ist D involutiv.
Beweis. Seien X, Y ∈ X(M) mit X(y), Y(y) ∈ D(y) für alle y ∈ M. Ist x ∈ M fest, so
gilt voraussetzungsgemäß X(y), Y(y) ∈ D(y) = T y ιNx (T y N x ) für alle y ∈ N x , womit wir
Lemma 2.2.5 anwenden können, um die Existenz zweier Vektorfelder X x , Y x ∈ X(N x )
zu erhalten, sodass X x und X sowie Y x und Y jeweils ιNx -verwandt sind.
Nach Lemma 2.2.2 sind auch [X x , Y x ] und [X, Y] ιNx -verwandt, was aber
[X, Y](x) = [X, Y](ιNx (x)) = T x ιNx [X x , Y x ](x) ∈ D(x)
| {z }
∈T x N x
bedingt. Da x ∈ M beliebig war, ist D involutiv.
❑
Der Satz von Frobenius ist unter anderem eine Umkehrung von Lemma 2.5.4.
2.5.5 Satz. Sei D : M → P(T M) C ∞ -Distribution. Dann sind folgende Aussagen
äquivalent.
(1) D ist involutiv.
(2) Zu jedem x ∈ M gibt es eine Teilmannigfaltigkeit N x von M, sodass x ∈ N x und
sodass N x Integralmannigfaltigkeit von D ist.
(3) Zu jedem x ∈ M gibt es eine Karte ϕ mit x ∈ Uϕ , sodass
(
)
∂
∂
D(y) = span
(y), . . . ,
(y) ,
∂ϕ1
∂ϕk
für alle y ∈ Uϕ . Dabei ist k die Dimension von D.
(2.18)
2.5. DISTRIBUTIONEN, SATZ VON FROBENIUS
45
Beweis.
(2) ⇒ (1) Das ist der Inhalt von Lemma 2.5.4.
(3) ⇒ (2) Sei x ∈ M und ϕ eine Karte mit besagten Eigenschaften. Unmittelbar aus Defi
nition 1.3.1 folgt, dass N x := ϕ−1 ((Rk × {pd−k ϕ(x) }) ∩ Dϕ ) eine k-dimensionale
Teilmannigfaltigkeit von M ist, die x enthält.
Nach Bemerkung 1.3.6 ist ϕNx := pk ◦ ϕ|Nx eine Karte von N x mit UϕNx = N x .
Nach Bemerkung 1.2.7 ist dann
∂
(y) = [t 7→ ϕ−1
N x (ϕN x (y) + te j )]∼ , j = 1, . . . , k,
∂(ϕNx ) j
eine Basis von T y N x für alle y ∈ N x . Nach Proposition 1.3.7 spannt damit
T y ιN x
∂
−1
(y) = T y ιNx [t 7→ ϕ−1
N x (ϕN x (y) + te j )]∼ = [t 7→ ϕN x (ϕN x (y) + te j )]∼ =
∂(ϕNx ) j
[t 7→ ϕ−1 (ϕ(y) + te j )]∼ =
∂
(y), j = 1, . . . , k,
∂ϕ j
ganz T y ιNx (T y N x ) auf. Voraussetzungsgemäß gilt daher T y ιNx (T y N x ) = D(y).
(1) ⇒ (3) Nach Definition 2.5.3 gibt es um jedes feste x ∈ M eine offene Umgebung U
von x und punktweise linear unabhängige C ∞ -Vektorfelder Y1 , . . . , Yk ∈ X(U),
sodass
D(y) = span{Y1 (y), . . . , Yk (y)}, y ∈ U.
Machen wir U nötigenfalls kleiner, so können wir U als Definitionsbereich einer
Karte annehmen. Nach Beispiel 2.1.5 gibt es ein g ∈ C ∞ (U, R) mit Werten in
[0, 1] und mit kompaktem Träger in U, sodass g|V ≡ 1 für eine gewisse offene
Umgebung V von x.
Die Vektorfelder g · Y j lassen sich dann zu C ∞ -Vektorfeldern auf M fortsetzen,
indem man g · Y j außerhalb von U identisch Null setzt. Diese Fortsetzung – wir
bezeichnen sie auch mit g · Y j – stimmt mit Y j auf V überein. Offensichtlich gilt
auch (g · Y j )(y) ∈ D(y) für alle y ∈ M, und für y ∈ V spannen diese ganz D(y)
auf. Nach Voraussetzung gilt daher für alle i, j ∈ {1, . . . , k}
[g · Yi , g · Y j ](y) ∈ D(y) = span{(g · Y1 )(y), . . . , (g · Yk )(y)}, für alle y ∈ V.
Nach Korollar 2.5.2 angewandt auf V gibt es eine Karte ϕ von V und daher von
M mit x ∈ Uϕ und sodass für alle i ∈ {1, . . . , k}
)
(
∂
∂
(y), . . . ,
(y) , y ∈ Uϕ .
Yi (y) = g · Yi (y) ∈ span
∂ϕ1
∂ϕk
Da sowohl die Yi (y) ∈ T y M, i ∈ {1, . . . , k}, als auch die
{1, . . . , k} linear unabhängig sind folgt (2.18).
∂
∂ϕi (y)
∈ T y M, i ∈
❑
46
KAPITEL 2. FLÜSSE
Kapitel 3
Differentialformen
3.1 Etwas Lineare Algebra
3.1.1 Definition. Sei V ein Vektorraum über R und k ∈ N. Eine Abbildung
ω : Vk (= V × · · · × V) → R
heißt k-multilinear oder auch k-Form auf V, wenn
ω(v1 , . . . , λv j + µu j , . . . , vk ) = λω(v1 , . . . , v j , . . . , vk ) + µω(v1 , . . . , u j , . . . , vk )
| {z }
j-te Stelle
für alle u j , v1 , . . . , vk ∈ V, alle λ, µ ∈ R und alle j = 1, . . . , k.
Für eine k-Form ω auf V und eine Permutation σ ∈ S({1, . . . , k}) der Menge
{1, . . . , k} setzen wir
σ ⋆ ω : Vk → R, (v1 , . . . , vk ) 7→ ω(vσ(1) , . . . , vσ(k) )
Eine k-multilineare Abbildung ω heißt alternierend, falls
ω = sgn(σ) · (σ ⋆ ω)
für alle Permutationen σ ∈ S({1, . . . , k}) der Menge {1, . . . , k}. Dabei ist sgn(σ) das
Vorzeichen der Permutation σ, d.h.
Y σ( j) − σ(i)
∈ {−1, +1}.
sgn(σ) =
j−i
i< j
Die Menge aller k-multilinearen Abbildungen auf V werde mit Mk (V) bezeichnet und
die Menge aller k-multilinearen alternierenden Abbildungen auf V mit Ak (V). Wir
setzen auch noch M0 (V) = A0 (V) = R.
Es sei bemerkt, dass wir schlussendlich hauptsächlich an Ak (V) interessiert sein
werden, wobei es eher um die algebraischen Eigenschaften von Ak (V) gehen wird als
um die Tatsache, dass es sich dabei um multilineare Abbildungen handelt.
Für das Folgende wollen wir aus der Linearen Algebra in Erinnerung rufen, dass
sgn : S({1, . . . , k}) → {−1, +1} ein Gruppenhomomorphismus ist. Außerdem werden
wir für σ ∈ S({1, . . . , k}) oft auch kurz Sk schreiben.
47
KAPITEL 3. DIFFERENTIALFORMEN
48
3.1.2 Fakta.
1. Man überzeugt sich ganz leicht, dass Mk (V) mit der punktweisen Addition und
skalaren Multiplikation ein Vektorraum über R und Ak (V) ein linearer Teilraum
davon ist. Offensichtlich gilt auch M1 (V) = A1 (V) = V∗ , wobei V∗ den algebraischen Dualraum von V bezeichnet.
2. Mit ω ∈ Mk (V) ist offensichtlich auch σ⋆ω ∈ Mk (V) für alle σ ∈ S({1, . . . , k}).
Zudem gilt für σ, τ ∈ S({1, . . . , k})
σ ⋆ (τ ⋆ ω) = (σ ◦ τ) ⋆ ω.
Die Abildung ω 7→ σ ⋆ ω als Abbildung von Mk (V) nach Mk (V) ist linear.
Diese Abbildung auf Ak (V) eingeschränkt stimmt mit sgn(σ) · idAk (V) überein.
3. Ist (b j ) j∈J eine Basis von V, so ist ω ∈ Mk (V) offenbar eindeutig dadurch bestimmt, welche Werte aus R sie den Tupeln (b j1 , . . . , b jk ) für alle ( j1 , . . . , jk ) ∈ J k
zuordnet.
Ist umgekehrt zu jedem ( j1 , . . . , jk ) ∈ J k eine reelle Zahl ω j1 ,..., jk gegeben, so
definiert (die I1 , . . . , Ik sind endliche Teilmengen von J)


X
X
 X


ω 
λ jk b jk  :=
λ j1 b j1 , . . . ,
λ j1 · . . . · λ jk ω j1 ,..., jk
j1 ∈I1
jk ∈Ik
j1 ∈I1 ,..., jk ∈Ik
offensichtlich eine k-Form, die ω j1 ,..., jk = ω(b j1 , . . . , b jk ) erfüllt. Sie ist auch die
eindeutige solche Form.
4. Für ein ω ∈ Mk (V) gilt ω ∈ Ak (V) genau dann, wenn ω(v1 , . . . , vk ) = 0 für
alle (v1 , . . . , vk ) ∈ Vk , sodass vi = v j für zwei verschiedene i, j ∈ {1, . . . , k}, bzw.
genau dann, wenn
ω(bi1 , . . . , bik ) = sgn(σ) · ω(biσ(1) , . . . , biσ(k) )
für alle (i1 , . . . , ik ) ∈ J k und σ ∈ S({1, . . . , k}), wobei (b j ) j∈J wieder eine Basis
von V ist.
5. Sei nun V endlichdimensional und sei (b j ) j∈J mit #J = dim V wieder eine Basis. Aus 3 folgt leicht, dass (θbi1 ,...,bik )(i1 ,...,ik )∈J k eine Basis von Mk (V) ist, wobei
θbi1 ,...,bik ∈ Mk (V) jene Form ist, die durch
θbi1 ,...,bik (b j1 , . . . , b jk ) = δi1 j1 · . . . · δik jk
(Kronecker-δ) wohldefiniert ist. Für ein σ ∈ S({1, . . . , k}) gilt wegen i1 =
jσ−1 (1) , . . . , ik = jσ−1 (k) ⇔ iσ(1) = j1 , . . . , iσ(k) = jk für (i1 , . . . , ik ), ( j1 , . . . , jk ) ∈ J k
σ−1 ⋆ θbi1 ,...,bik = θbiσ(1) ,...,biσ(k)
(3.1)
In der Tat zeigt man durch Einsetzen von verschiedenen Tupeln b j1 , . . . , b jk , dass
diese θbi1 ,...,bik linear unabhängig sind, und dass für ein ω ∈ Mk (V)
X
ω(bi1 , . . . , bik ) · θbi1 ,...,bik .
(3.2)
ω=
(i1 ,...,ik )∈J k
Insbesondere hat damit Mk (V) Dimension (dim V)k .
3.1. ETWAS LINEARE ALGEBRA
49
6. Für ω ∈ Ak (V) mit dim V < ∞ gilt sicherlich ω(bi1 , . . . , bik ) = 0, wenn mindestens zwei der Indizes i1 , . . . , ik gleich sind, d.h. #{i1 , . . . , ik } < k.
Sind alle Indizes i1 , . . . , ik verschieden, d.h. #{i1 , . . . , ik } = k, so gilt für jedes
andere Tupel ( j1 , . . . , jk ) ∈ J k , sodass {i1 , . . . , ik } = { j1 , . . . , jk }, sicherlich
ω(b j1 , . . . , b jk ) = sgn(σ) ω(bi1 , . . . , bik ),
wobei σ ∈ Sk mit iσ(s) = j s . Also folgt aus (3.2) (wir nehmen an, dass J total
geordnet ist; z.B. J ⊆ N)
X
X
sgn(σ) · θbiσ(1) ,...,biσ(k)
(3.3)
ω(bi1 , . . . , bik ) ·
ω=
σ∈Sk
K⊆J,#K=k,
K={i1 <···<ik }
|
{z
}
=:θK
Da sgn : Sk → {−1, +1} ein Homomorphismus ist (siehe Lineare Algebra),
überprüft man mit (3.1) unmittelbar, dass θK ∈ Ak (V), vgl. (3.5). Somit
bilden
die θK , K ⊆ J, #K = k, eine Basis von Ak (V). Es folgt dim Ak (V) = nk , wobei
n = dim V. Insbesondere enthält Ak (V) nur die Nullform für k > n.
Man erkennt aus (3.3) auch sofort, dass ω ∈ Ak (V) eindeutig durch alle Ausdrücke ω(b j1 , . . . , b jk ), { j1 < · · · < jk } ⊆ J, bestimmt ist.
Insbesondere ist θK jenes Element von Ak (V), für das θK (b j1 , . . . , b jk ) = 0, falls
K , { j1 < · · · < jk } und θK (b j1 , . . . , b jk ) = 1, falls K = { j1 < · · · < jk }.
7. Für k = n mit n = dim V ist Ak (V) = nk = 1. Also gibt es bis auf skalare Vielfache genau eine alternierende n-Form auf einem n-dimensionalen Vektorraum.
Wie aus der Linearen Algebra bekannt, ist das die Determinantenform.
Im Falle V = Rk gilt daher für jedes ω ∈ Ak (Rk )
X
sgn(σ) · ασ(1)1 · . . . · ασ(k)k
ω(v1 , . . . , vk ) = d ·
(3.4)
σ∈Sk
|
{z
=:∆(v1 ,...,vk )
 
α1 j 
 
für ein von ω abhängiges d ∈ R, wobei v j =  ... .
 
αk j
}
3.1.3 Definition. Seien V und W zwei Vektorräume über R und k ∈ N ∪ {0}. Weiters
sei A : V → W linear. Für ein ω ∈ Mk (W) sei für (v1 , . . . , vk ) ∈ Vk
AT (ω)(v1 , . . . , vk ) := ω(A(v1 ), . . . , A(vk )).
Im Falle k = 0 ist ω eine reelle Zahl, die von keiner Variablen abhängt. Also setzen wir
sinnvollerweise AT (ω) := ω.
Für k = 1 ist das nichts anderes, als die aus der Linearen Algebra bekannte Transponierte Abbildung.
3.1.4 Fakta.
1. Man überprüft leicht auch im allgemeinen Fall, dass AT (ω) ∈ Mk (V) und dass
AT : Mk (W) → Mk (V) linear ist. Wir sprechen auch hier von der Transponierten
Abbildung.
KAPITEL 3. DIFFERENTIALFORMEN
50
2. Offensichtlich gilt σ ⋆ AT (ω) = AT (σ ⋆ ω) für jedes σ ∈ S({1, . . . , k}).
3. Sind V, W, H drei Vektorräume und A : V → W sowie B : W → H linear, so gilt
(B ◦ A)T = AT ◦ BT als Abbildung von Mk (H) nach Mk (V). Insbesondere gilt
(A−1 )T = (AT )−1 für bijektives A.
4. Jedes ω ∈ Ak (W) wird – wie man sich sofort überzeugt – auf eine alternierende
k-Form abgebildet, d.h. AT |Ak (W) : Ak (W) → Ak (V).
5. Sei V ein endlichdimensionaler Vektorraum mit dim V = k und sei A : V → V
linear. Wegen dim Ak (V) = 1 hat AT : Ak (V) → Ak (V) einen Eigenwert µ, d.h.
AT ω = µ · ω, ω ∈ Ak (V). Den Eigenwert µ bezeichnen wir als Determinante der
Abbildung A und schreiben auch det A dafür, vgl. Lineare Algebra.
6. Da (A ◦ B)T = BT ◦ AT auf Ak (V) den Eigenwert (det B) · (det A) hat, folgt
unmittelbar det(AB) = (det A) · (det B).
7. Da ∆(e1 , . . . , ek ) = 1 (vgl. (3.4)) gilt im Falle V = Rk
∆(Ae1 , . . . , Aek ) = AT (∆)(e1 , . . . , ek ) = (det A) · ∆(e1 , . . . , ek ) = det A,
also die bekannte Formel zur Berechnung von Determinanten.
8. Ist R : Rk → V linear und bijektiv, und A : V → V linear, so hat (R−1 AR)T =
RT AT (RT )−1 auf Ak (Rk ) den selben Eigenwert wie AT auf Ak (V). Also gilt
det A = det(R−1 AR) = ∆(R−1 ARe1 , . . . , R−1 ARek ).
Das bedeutet, dass sich die Determinante von Abbildungen mit Hilfe von beliebigen Koordinaten berechnen lässt.
Um aus einer k-Form eine alternierende k-Form zu machen, wollen wir folgende
Abbildung definieren.
3.1.5 Definition. Sei V ein Vektorraum. Für ω ∈ Mk (V) mit k ∈ N setzen wir
Alt(ω) :=
1 X
sgn(σ) · (σ ⋆ ω).
·
k! σ∈S
k
Für k = 0 sei Alt definiert als die Identitätsabbildung auf M0 (V) = A0 (V) = R.
3.1.6 Fakta.
1. Da Alt(ω) Linearkombination von k-Formen ist, gilt Alt(ω) ∈ Mk (V). Außerdem
ist für τ ∈ Sk die Abbildung ω 7→ τ ⋆ ω linear; also gilt wegen τ ⋆ (σ ⋆ ω) =
(τ ◦ σ) ⋆ ω
1 X
τ ⋆ Alt(ω) =
sgn(σ) · τ ⋆ (σ ⋆ ω) =
(3.5)
·
k! σ∈S
k
X
1
sgn(τ ◦ σ) · (τ ◦ σ) ⋆ ω = sgn(τ) · Alt(ω),
· sgn(τ) ·
k!
σ∈S
k
und damit Alt(ω) ∈ Ak (V).
2. Ist A : V → W linear und ω ∈ Mk (W), so folgt aus Fakta 3.1.4, 2, dass
AT (Alt(ω)) = Alt(AT (ω)).
3.1. ETWAS LINEARE ALGEBRA
51
3. Die Abbildung Alt : Mk (V) → Ak (V) (⊆ Mk (V)) ist als Linearkombination
linearer Abbildungen selber linear. Wegen sgn(σ) · σ ⋆ ω = ω für alternierendes
ω gilt sogar Alt ◦ Alt = Alt, d.h. Alt ist eine Projektion.
4. Ist I ⊆ {1, . . . , k}, so kann man auch Alt(I) definiert durch
X
1
sgn(σ) · σ ⋆ ω
·
Alt(I)(ω) =
(#I)!
σ∈S
k
σ|{1,...,k}\I =id |{1,...,k}\I
betrachten. Genauso wie oben zeigt man, dass Alt(I)(ω) tatsächlich in Mk (V)
liegt, dass Alt(I) : Mk (V) → Mk (V) linear ist, dass Alt(I)(ω) alternierend in
den Indizes I ist, und dass Alt(I)(ω) = ω für ein in den Indizes I alternierendes
ω, d.h. Alt(I) ◦ Alt(I) = Alt(I); alternierend für ein ω ∈ Mk (V) in den Indizes
I bedeutet dabei τ ⋆ ω = sgn(τ) · ω für alle τ ∈ Sk mit τ|{1,...,k}\I = id |{1,...,k}\I .
Offenbar gilt auch Alt({1, . . . , k}) = Alt.
5. Da Alt(ω) insbesondere alternierend in den Indizes I ist, folgt Alt(I) ◦ Alt = Alt.
Um auch Alt ◦ Alt(I) = Alt zu zeigen, rechnen wir
1 X
Alt ◦ Alt(I)(ω) =
sgn(σ) · σ ⋆ Alt(I)(ω) =
·
k! σ∈S
k
1
(#I)!k! σ∈S
X
k
X
sgn(σ ◦ τ) · (σ ◦ τ) ⋆ ω.
τ∈Sk
τ|{1,...,k}\I =id |{1,...,k}\I
Für ein festes τ ist σ 7→ σ ◦ τ eine Bijektion auf Sk , womit die Summe über die
σ’s genau k! · Alt(ω) ergibt. Also folgt
X
1
Alt ◦ Alt(I)(ω) =
(k!) Alt(ω) = Alt(ω).
(#I)!k!
τ∈S
k
τ|{1,...,k}\I =id |{1,...,k}\I
6. Ist V endlichdimensional und (b j ) j∈J eine Basis mit #J = dim V, so gilt für die
Basiselemente θK von Ak (V) bzw. θbi1 ,...,bik von Mk (V) (vgl. (3.2) und (3.3)) die
Beziehung



sgn(σ) · θK , #K = k
k! · Alt(θbi1 ,...,bik ) = 
,

0,
#K < k
wobei K = {i1 , . . . , ik } und σ ∈ Sk , sodass K = {iσ(1) < · · · < iσ(k) }.
3.1.7 Definition. Sind ω ∈ Mk (V), ̟ ∈ Ml (V), so setzen wir
ω ⊗ ̟(v1 , . . . , vk , vk+1 , . . . , vk+l ) := ω(v1 , . . . , vk ) · ̟(vk+1 , . . . , vk+l ),
sowie im Falle ω ∈ Ak (V), ̟ ∈ Al (V)
ω ∧ ̟ :=
(k + l)!
Alt(ω ⊗ ̟).
k!l!
Man spricht vom sogenannten Hackprodukt.
Man beachte, dass ω ⊗ ̟ und ω ∧ ̟ auch definiert sind, wenn k = 0 oder l =
0. In dem Fall ist ω ⊗ ̟ bzw. ω ∧ ̟ nichts anderes als die Multiplikation mit der
entsprechenden Konstanten.
KAPITEL 3. DIFFERENTIALFORMEN
52
3.1.8 Fakta.
1. Offensichtlich ist ω ⊗ ̟ ∈ Mk+l (V), wenn ω ∈ Mk (V), ̟ ∈ Ml (V). Außerdem
ist ⊗ : Mk (V) × Ml (V) → Mk+l (V) bilinear. Schließlich ist ⊗ assoziativ, d.h.
ω ⊗ (̟ ⊗ θ) = (ω ⊗ ̟) ⊗ θ. Man lässt daher hier die Klammern weg.
2. Ist V endlichdimensional, (b j ) j∈J eine Basis mit #J = dim V, und ist (b∗j ) j∈J die
dazu duale Basis von V∗ , d.h. b∗j (bi ) = δi, j , so gilt für die Basiselemente θbi1 ,...,bik
von Mk (V) (vgl. (3.2)), dass θbi = b∗i (∈ M1 (V) = V∗ ) und
θbi1 ,...,bik = b∗i1 ⊗ · · · ⊗ b∗ik .
3. ω ∧ ̟ liegt in Ak+l (V), und als Zusammensetzung einer bilinearen und einer
linearen Abbildung ist ∧ : Ak (V) × Al (V) → Ak+l (V) auch bilinear.
4. ∧ ist ebenfalls assoziativ. Um das zu verifizieren, werden wir
((. . . (ω1 ∧ ω2 ) ∧ . . . ) ∧ ωr−1 ) ∧ ωr =
(k1 + · · · + kr )!
Alt(ω1 ⊗ · · · ⊗ ωr ) =
k1 ! · · · · · kr !
(3.6)
ω1 ∧ (ω2 ∧ (· · · ∧ (ωr−1 ∧ ωr ) . . . ))
für ω j ∈ Ak j (V), j = 1, . . . , r, durch vollständige Induktion nach r nachweisen.
Für r = 2 ist das die Definition von ω1 ∧ ω2 . Gelte (3.6) für r, und seien nun
ω j ∈ Ak j (V), j = 1, . . . , r + 1. Setzen wir I = {1, . . . , k1 + · · · + kr }, so folgt aus
der Induktionsvoraussetzung
k1 ! · · · · · kr ! · ((. . . (ω1 ∧ ω2 ) ∧ . . . ) ∧ ωr−1 ) ∧ ωr ⊗ ωr+1 (v1 , . . . , vk1 +···+kr+1 ) =
X
sgn(σ)·ω1 ⊗· · ·⊗ωr ⊗ωr+1 (vσ(1) , . . . , vσ(k1 +···+kr ) , vk1 +···+kr +1 , . . . , vk1 +···+kr+1 ) =
σ∈Sk1 +···+kr
X
sgn(σ) · ω1 ⊗ · · · ⊗ ωr ⊗ ωr+1 (vσ(1) , . . . , vσ(k1 +···+kr+1 ) ) =
σ∈Sk1 +···+kr+1
σ|{1,...,k1 +···+kr+1 }\I =id |{1,...,k1 +···+kr+1 }\I
(k1 + · · · + kr )! · Alt(I)(ω1 ⊗ · · · ⊗ ωr+1 ).
(k1 +···+kr+1 )!
, so folgt aus
Wenden wir darauf Alt an und multiplizieren mit (k1 +···+k
r )!k1 !·····kr+1 !
Fakta 3.1.6, 5, dass
((. . . (ω1 ∧ ω2 ) ∧ . . . ) ∧ ωr−1 ) ∧ ωr ∧ ωr+1 =
!
(k1 + · · · + kr+1 )!
Alt ((. . . (ω1 ∧ ω2 ) ∧ . . . ) ∧ ωr−1 ) ∧ ωr ⊗ ωr+1 =
k1 ! · · · · · kr+1 !
(k1 + · · · + kr+1 )!
Alt(ω1 ⊗ · · · ⊗ ωr+1 ).
k1 ! · · · · · kr+1 !
Genauso zeigt man die rechte Seite von (3.6) für r + 1. Wegen der Assoziativität
werden wir im Folgenden meist die Klammern beim Hackprodukt weglassen.
3.1. ETWAS LINEARE ALGEBRA
53
5. Ist V endlichdimensional, (b j ) j∈J eine Basis mit einer total geordneten Indexmenge J mit #J = dim V, und ist (b∗j ) j∈J die dazu duale Basis von V∗ , d.h.
b∗j (bi ) = δi, j , so folgt aus 2, aus Fakta 3.1.6, 6, sowie aus (3.6), dass
b∗i1
∧ ···∧
b∗ik



sgn(σ) · θK , #K = k
=
,

0,
#K < k
wobei K = {i1 , . . . , ik } und σ ∈ Sk , sodass K = {iσ(1) < · · · < iσ(k) }.
Insbesondere ist dann (b∗i1 ∧ · · · ∧ b∗ik ){i1 <···<ik }⊆J eine Basis von ω ∈ Ak (V).
6. Sind ω ∈ Ak (V) und ̟ ∈ Al (V), so gilt ω ∧ ̟ = (−1)kl ̟ ∧ ω. Ist nämlich
σ ∈ Sk+l , sodass
σ(1) = k + 1, . . . , σ(l) = k + l, σ(l + 1) = 1, . . . , σ(l + k) = k,
so gilt ω ⊗ ̟ = σ ⋆ (̟ ⊗ ω). Wenden wir
ω∧̟=
(k+l)!
k!l!
· Alt an, so folgt
sgn(σ) X
sgn(τ ◦ σ) · (τ ◦ σ) ⋆ (̟ ⊗ ω) = sgn(σ) · ̟ ∧ ω.
k!l! τ∈S
k
Schließlich überzeugt man sich leicht, dass sich σ als Produkt von kl-vielen
Transpositionen schreiben lässt, d.h. sgn(σ) = (−1)kl .
7. Für A : V → W linear und ω ∈ Mk (W) folgt unmittelbar aus der Definition von
⊗, dass AT (ω ⊗ ̟) = AT (ω) ⊗ AT (̟) für ω ∈ Mk (W), ̟ ∈ Ml (W). Sind diese
Formen sogar alternierend, so folgt aus Fakta 3.1.6, 2, dass auch AT (ω ∧ ̟) =
AT (ω) ∧ AT (̟).
8. Sind v1 , . . . , vk ∈ V und ω1 , . . . , ωk ∈ A1 (V) = V∗ , so folgt mit (3.6)
ω1 ∧ · · · ∧ ωk (v1 , . . . , vk ) =
X
sgn(σ) · σ ⋆ (ω1 ⊗ · · · ⊗ ωk )(v1 , . . . , vk ) =
σ∈Sk
X
σ∈Sk
sgn(σ) · ω1 (vσ(1) ) · · · · · ωk (vσ(k) ) = det ω j (vi )
i, j=1,...,k
.
9. Im Falle V = Rk folgt daraus (v1 , . . . , vk ∈ Rk )
e∗1 ∧ · · · ∧ e∗k (v1 , . . . , vk ) = det(B) = ∆(v1 , . . . , vk ),
wobei B die k ×k-Matrix ist, deren Spalten genau die v j ’s sind, und ∆ wie in (3.4)
ist.
10. Wir betrachten e∗i1 ∧ · · · ∧ e∗ik ∈ Ak (Rd ) mit {i1 < · · · < ik } ⊆ {1, . . . , d} (total
geordnet) und B ∈ Rd×k als Abbildung von Rk nach Rd . Nun liegt BT e∗i1 ∧· · ·∧e∗ik ∈
Ak (Rk ), wobei wegen 8,
BT e∗i1 ∧ · · · ∧ e∗ik (e1 , . . . , ek ) = e∗i1 ∧ · · · ∧ e∗ik (Be1 , . . . , Bek ) =
det(e∗im Ben )m,n=1,...,k = det B{i1 ,...,ik } ,
KAPITEL 3. DIFFERENTIALFORMEN
54
wobei B{i1 ,...,ik } die k × k-Matrix, die aus B entsteht, wenn man alle Zeilen ungleich i1 , . . . , ik streicht. Da Ak (Rk ) eindimensional ist, folgt BT e∗i1 ∧ · · · ∧ e∗ik =
det B{i1 ,...,ik } · ∆.
Für eine allgemeines ω ∈ Ak (Rd ) geschrieben in der Form
X
ω=
λ{i1 <···<ik } · e∗i1 ∧ · · · ∧ e∗ik ∈ Ak (Rd ),
{i1 <···<ik }⊆{1,...,d}
folgt


B ω = 
T
X
{i1 <···<ik }⊆{1,...,d}


λ{i1 <···<ik } · det B{i1 ,...,ik }  · ∆ ∈ Ak (Rk ).
3.1.9 Definition. Sei V ein Vektorraum über R. Wir setzen
M
A(V) :=
Ak (V),
0≤k≤dim V
und versehen A(V) mit ∧ : A(V) × A(V) → A(V), indem wir ∧ : Ak (V) × Al (V) →
Ak+l (V) bilinear auf A(V) fortsetzen. Man nennt A(V) eine äußere Algebra.
Offensichtlich lassen sich auch die Abbildungen AT und Alt auf ganz A(W) bzw.
A(V) definieren.
3.2 Differentialformen auf Rd
3.2.1 Definition. Sei ∅ , D ⊆ Rd offen und r ∈ N ∪ {0} ∪ {∞}. Mit C r (D, Ak (Rd ))
bezeichnen wir die Menge aller Abbildungen ω : D → Ak (Rd ), welche die Eigenschaft
haben, dass
t 7→ ω(t)(v1 , . . . , vk ) ∈ C r (D, R), für alle v1 , . . . , vk ∈ Rd
ist – im Fall r = 0 bedeutet das einfach die Stetigkeit. Diese Abbildungen wollen wir
auch als r-mal stetig differenzierbare Differentialformen auf Rd bezeichnen.
3.2.2 Fakta.
1. C r (D, Ak (Rd )) versehen mit der punktweisen Addition und skalaren Multiplikation ist offenbar eine Vektorraum über R, der alle konstanten Ak (Rd )-wertigen
Funktionen enthält. Außerdem ist für ω ∈ C r (D, Ak (Rd )), ̟ ∈ C r (D, Al (Rd ))
die Abbildung ω ∧ ̟ : D → Ak+l (Rd ) auch punktweise definiert, d.h.
(ω ∧ ̟)(t) := ω(t) ∧ ̟(t).
Wie man leicht aus den jeweiligen Definitionen schließt, gilt ω ∧ ̟ ∈
C r (D, Ak+l (Rd )). Dabei ist
∧ : C r (D, Ak (Rd )) × C r (D, Al (Rd )) → C r (D, Ak+l (Rd ))
bilinear. Offensichtlich gilt C r (D, Ak (Rd ))
C r (D, A0 (Rd )) = C r (D, R).
=
{0} für k
>
d sowie
3.2. DIFFERENTIALFORMEN AUF RD
55
2. Wegen der Multilinearität und wegen der Eigenschaft alternierend zu sein, reicht
für ω ∈ C r (D, Ak (Rd )), dass
φ{i1 <···<ik } := t 7→ ω(t)(ei1 , . . . , eik ) ∈ C r (D, R)
und zwar für alle {i1 < · · · < ik } ⊆ {1, . . . , d}, wobei (e j ) j=1,...,d die kanonische
Basis von Rd ist.
Insbesondere lässt sich dann jedes ω ∈ C r (D, R) wegen Fakta 3.1.8, 5, eindeutig
schreiben als
X
φ{i1 <···<ik } · e∗i1 ∧ · · · ∧ e∗ik ,
{i1 <···<ik }⊆{1,...,d}
wobei die e∗ir und damit e∗i1 ∧ · · · ∧ e∗ik als konstante A1 (Rd )-wertige bzw. Ak (Rd )wertige Funktionen auf D aufzufassen sind. In dieser Summe lässt sich φ{i1 <···<ik } ·
e∗i1 ∧ · · · ∧ e∗ik auch als φ{i1 <···<ik } ∧ e∗i1 ∧ · · · ∧ e∗ik schreiben, da das Hackprodukt mit
0-Formen mit der skalaren Multiplikation mit der entsprechenden reellen Zahl
übereinstimmt.
3. Andererseits ist auch wegen der Multilinearität die Tatsache, dass ω ∈
C r (D, Ak (Rd )) äquivalent dazu, dass
t 7→ ω(t)(v1 (t), . . . , vk (t)) ∈ C r (D, R)
und zwar für alle möglichen v1 (.), . . . , vk (.) ∈ C r (D, Rd ).
Definition 3.2.1 und Fakta 3.2.2 lassen sich auch auf andere Funktionenklassen
ausdehnen wie etwa die Borel-messbaren Funktionen.
3.2.3 Definition. Für offene D ⊆ Rd , Q ⊆ Rl sei S : D → Q ein C r+1 -Abbildung. Für
̟ ∈ C r (Q, Ak (Rl )) sei S ∗ (̟) ∈ C r (D, Ak (Rd )) definiert durch (t ∈ D und v1 , . . . , vk ∈
Rd )
S ∗ (̟)(t)(v1 , . . . , vk ) := ̟(S (t))(dS (t) v1 , . . . , dS (t) vk ),
wobei dS (t) ∈ Rl×d die Ableitung im Sinne der Analysis II ist.
Aus Definition 3.2.1 folgt unmittelbar, dass t 7→ ̟(S (t)) aus C r (D, Ak (Rl )) ist.
Wegen Fakta 3.2.2, 3, folgt dann, dass S ∗ (̟) tatsächlich in C r (D, Ak (Rd )) liegt. Wegen
(vgl. Definition 3.1.3)
S ∗ (̟)(t)(v1 , . . . , vk ) = dS (t)T ̟(S (t)) (v1 , . . . , vk )
(3.7)
ist S ∗ : C r (Q, Ak (Rl )) → C r (D, Ak (Rd )) außerdem linear und mit ∧ verträglich, vgl.
Fakta 3.1.4.
3.2.4 Bemerkung. Im Spezialfall, dass S : D → Q ein C r+1 -Diffeomorphismus zwischen offenen Teilmengen D und Q von Rd ist, und dass k = d ist, folgt aus (3.7) und
der Definition der Determinante einer Abbildung in Fakta 3.1.4
S ∗ (̟)(t) = det dS (t) · ̟(S (t)).
KAPITEL 3. DIFFERENTIALFORMEN
56
d
r+1
d
d
3.2.5 Definition. Sei
D ⊆ R offen und
ω ∈ C (D, Mk (R )), was wie bei Ak (R )r+1
d
wertigen Funktion t 7→ ω(t)(v1 , . . . , vk ) ∈ C (D, R) für alle v1 , . . . , vk ∈ R bedeutet.
Wir definieren d̂ω : D → Mk+1 (Rd ) durch (t ∈ D und v1 , . . . , vk ∈ Rd )
d̂ω(t)(v1 , v2 , . . . , vk+1 ) =
∂ω(.)(v2 , . . . , vk+1 )
(t).
∂v1
Für ω ∈ C r+1 (D, Ak (Rd )) sei dω ∈ C r (D, Ak+1 (Rd )) definiert durch
dω(t) (v1 , v2 , . . . , vk+1 ) = (k + 1) · Alt(d̂ω(t)) (v1 , v2 , . . . , vk+1 ).
Dass d̂ω(t) eine (k+1)-Form ist, folgt aus der Tatsache, dass die Richtungsableitung
k+1 )
(t)
∈
linear vom Richtungsvektor abhängt. Offensichtlich ist auch t 7→ ∂ω(.)(v∂v2 ,...,v
1
C r (D, R) und damit dω ∈ C r (D, Ak+1 (Rd )). Die Abbildung d hat interessante Eigenschaften.
3.2.6 Satz. Sei D ⊆ Rd offen. Für die Abbildung
d : C r+1 (D, Ak (Rd )) → C r (D, Ak+1 (Rd ))
gelten folgende Eigenschaften.
(i) Für konstante ω (∈ C r+1 (D, Ak (Rd ))), d.h. ω(t) = ω(s) für alle s, t ∈ D, gilt
dω = 0.
(ii) Für f ∈ C r+1 (D, A0 (Rd )) = C r+1 (D, R) ist (d f )(t) (∈ A1 (Rd ) = (Rd )∗ R1×d )
nichts anderes, als die Ableitung von f an der Stelle t im Sinne der Analysis II.
Also ist
d
X
∂f
(d f )(t) =
(t) · e∗j .
∂e
j
j=1
(iii) d ist linear.
(iv) d(ω ∧ ̟) = d(ω) ∧ ̟ + (−1)k ω ∧ d(̟), wobei ω ∈ C r+1 (D, Ak (Rd )) und ̟ ∈
C r+1 (D, Al (Rd )).
(v) d ◦ d = 0.
(vi) Ist ω ∈ C r+1 (D, Ak (Rd )) gegeben in der Form (vgl. Fakta 3.2.2)
X
ω=
φ{i1 <···<ik } ∧ e∗i1 ∧ · · · ∧ e∗ik ,
{i1 <···<ik }⊆{1,...,d}
so gilt
dω =
X
{i1 <···<ik }⊆{1,...,d}
dφ{i1 <···<ik }
| {z }
∧e∗i1 ∧ · · · ∧ e∗ik .
(3.8)
∈Cr (D,A1 (Rd ))Cr (D,R1×d )
(vii) d(S ∗ (ω)) = S ∗ (d(ω)) für jede C r+2 -Abbildung S : D → Q (⊆ Rl ) und jedes
ω ∈ C r+1 (Q, Ak (Rl )).
Beweis.
(i) Ist ω ∈ C r+1 (D, Ak (Rd )) konstant, so folgt
∂ω(.)(v2 ,...,vk+1 )
∂v1
= 0 und daher dω = 0.
3.2. DIFFERENTIALFORMEN AUF RD
57
(ii) Wegen Alt = id auf A1 (Rd ) folgt für f ∈ C r+1 (D, A0 (Rd )),
d
d
d f (t)(v) = d̂ f (t)(v) =
X ∂f
X ∂f
∂f
(t)v j =
(t)e∗j (v) = d f (t)v,
(t) =
∂v
∂e
∂e
j
j
j=1
j=1
wobei rechts die Ableitung wie in der Analysis II steht.
(iii) Die Abbildung d̂ : C r+1 (D, Mk (Rd )) → C r (D, Mk+1 (Rd )) ist offensichtlich linear.
Aus der Linearität von Alt folgt daher d(λ · ω) = λ · dω und d(ω + ̟) = dω + d̟
für λ ∈ R, ω, ̟ ∈ C r+1 (D, Ak (Rd )).
(iv) Für ϑ ∈ C r+1 (D, Mk (Rd )) folgt aus der Linearität von d̂, dass
d̂(Alt ϑ(.))(t) (v1 , . . . , vk+1 ) =
X
1
sgn(σ) · d̂ϑ(t)(v1 , vσ(2) , . . . , vσ(k+1) ) =
k! σ∈S({2,...,k+1})
X
1
sgn(σ) · d̂ϑ(t)(vσ(1) , vσ(2) , . . . , vσ(k+1) ) =
k! σ∈S({1,...,k+1})
(3.9)
σ(1)=1
Alt({2, . . . , k + 1}) d̂ϑ(t) (v1 , . . . , vk+1 ).
r+1
Für ω ∈ C (D, Ak (Rd )) und ̟ ∈ C r+1 (D, Al (Rd )) folgt zunächst aus der klassischen Produktregel
d̂(ω ⊗ ̟)(t)(v1 , . . . , vk+l+1 ) =
∂ω ⊗ ̟(.)(v2 , . . . , vk+l+1 )
(t) =
∂v1
∂ω(.)(v2 , . . . , vk+1 )
(t) · ̟(t)(vk+2 , . . . , vk+l+1 )+
∂v1
ω(t)(v2 , . . . , vk+1 ) ·
∂̟(.)(vk+2 . . . , vk+l+1 )
(t) =
∂v1
(d̂ω)(t) ⊗ ̟(t)(v1 , v2 , . . . , vk+l+1 ) + ω(t) ⊗ (d̟̂)(t) (v2 , . . . , vk+1 , v1 , vk+2 , . . . , vk+l+1 ),
|
{z
}
=(vτ(1) ,...,vτ(k+l+1) )
wobei τ ∈ Sk+l+1 mit τ(1) = 2, . . . , τ(k) = k + 1, τ(k + 1) = 1, τ( j) = j, j > k + 1.
Man rechnet leicht nach, dass sgn(τ) = (−1)k . Aus (3.9) sowie Fakta 3.1.6, 5,
folgt
!
(k + l)!
d(ω ∧ ̟)(t) = (k + l + 1) · Alt d̂
Alt ω(.) ⊗ ̟(.) (t) =
k!l!
(k + l + 1)!
· Alt Alt({2, . . . , k + l + 1}) d̂ ω(.) ⊗ ̟(.) (t) =
k!l!
(k + l + 1)!
(k + l + 1)!
Alt (d̂ω)(t) ⊗ ̟(t) +
Alt τ ⋆ (ω(t) ⊗ (d̟̂)(t)) .
k!l!
k!l!
|
{z
}
ˆ
=(−1)k Alt(ω(t)⊗(d̟))
Andererseits ist
(k + l + 1)!
Alt((d̂ω)(t) ⊗ ̟(t)) =
k!l!
KAPITEL 3. DIFFERENTIALFORMEN
58
(k + l + 1)!
Alt (k + 1) · Alt({1, . . . , k + 1}) (d̂ω)(t) ⊗ ̟(t) =
(k + 1)!l!
(k + l + 1)!
Alt (dω)(t) ⊗ ̟(t) = d(ω) ∧ ̟(t).
(k + 1)!l!
(k+l+1)!
k!l!
Ganz ähnlich sieht man
Alt(ω(t) ⊗ (d̟̂)) = ω ∧ d(̟)(t).
(v) Für d ◦ d = 0 verwenden wir wieder (3.9):
d̂(dω)(t)(v1 , v2 , . . . , vk+2 ) = (k + 1) · Alt({2, . . . , k + 2})d̂(d̂ω)(t)(v1 , v2 , . . . , vk+2 ).
Wegen Fakta 3.1.6, 5, stimmt d(dω)(t) mit
(k + 2)(k + 1) · Alt(Alt({2, . . . , k + 2})d̂(d̂ω)(t)) = (k + 2)(k + 1) · Alt(d̂(d̂ω)(t))
überein. Nach Schwarz ist aber
d̂(d̂ω)(t)(v1 , v2 , . . . , vk+2 ) =
∂2 ω(.)(v3 . . . , vk+2 )
(t)
∂v2 ∂v1
symmetrisch in den ersten beiden Indizes, d.h. d̂(d̂ω)(t) = τ ⋆ d̂(d̂ω)(t), wobei
τ(1) = 2, τ(2) = 1, τ|{3,...,k+2} = id |{3,...,k+2} . Damit folgt
Alt(d̂(d̂ω)(t)) =
X
1
sgn(σ) · σ ⋆ (d̂(d̂ω)(t)) =
·
(k + 2)! σ∈S
k+2
X
1
sgn(σ) · (σ ◦ τ) ⋆ (d̂(d̂ω)(t)) = − Alt(d̂(d̂ω)(t)),
·
(k + 2)! σ∈S
k+2
bzw. Alt(d̂(d̂ω)(t)) = 0.
(vi) Die Beziehung (3.8) folgt unmittelbar aus (iii), (i) und (iv).
(vii) Schließlich gilt für eine C r+2 -Abbildung S : D → Q (⊆ Rl ) und ω ∈
C r+1 (Q, A0 (Rl )) nach der klassischen Kettenregel im Mehrdimensionalen
d(S ∗ (ω))(t) (v1 ) =
∂ω ◦ S (.)
(t) = (dω)(S (t)) dS (t) v1 = (S ∗ (dω))(t) (v1 ).
∂v1
Für ω ∈ C r+1 (Q, Ak (Rl )) schreiben wir ω gemäß Fakta 3.2.2 als
X
ω=
φ{i1 <···<ik } ∧ e∗i1 ∧ · · · ∧ e∗ik .
{i1 <···<ik }⊆{1,...,l}
Aus (3.8), der Linearität und der Verträglichkeit mit ∧ von S ∗ , sowie dem schon
behandelten Spezialfall k = 0 folgt
X
S ∗ (dω) =
d(S ∗ (φ{i1 <···<ik } )) ∧ S ∗ (e∗i1 ) ∧ · · · ∧ S ∗ (e∗ik ).
(3.10)
{i1 <···<ik }⊆{1,...,l}
Andererseits ist
S ∗ (e∗ir )(t) (v) = e∗ir dS (t)v = d(eTir S (.))(t) (v),
3.3. DIFFERENTIALFORMEN AUF MANNIGFALTIGKEITEN
59
und damit dS ∗ (e∗ir ) = 0, vgl. (v). Somit folgt aus der Linearität und der Verträglichkeit mit ∧ von S ∗ sowie (iii) und (iv), dass auch


X


∗
∗
∗
∗
∗
∗

S (φ{i1 <···<ik } ) ∧ S (ei1 ) ∧ · · · ∧ S (eik ) =
d(S (ω)) = d 
{i1 <···<ik }⊆{1,...,l}
X
d(S ∗ (φ{i1 <···<ik } )) ∧ S ∗ (e∗i1 ) ∧ · · · ∧ S ∗ (e∗ik ).
{i1 <···<ik }⊆{1,...,l}
❑
3.3 Differentialformen auf Mannigfaltigkeiten
Sei M eine C ∞ -Mannigfaltigkeit der Dimension d.
3.3.1 Definition. Für k ∈ N ∪ {0} sei
Ak (T M) :=
[
˙
x∈M
Ak (T x M)
die disjunkte Vereinigung der Vektorräume Ak (T x M). Sei π : Ak (T M) → M die Abbildung, die ein ω ∈ Ak (T x M) auf x abbildet.
Wir nennen eine Abbildung ω : M → Ak (T M) mit ω(x) ∈ Ak (T x M) für alle
x ∈ M, d.h. π◦ω = id M , eine C ∞ -Abbildung, wenn für alle Karten ϕ aus dem gegebenen
Atlas auf M
(ϕ−1 )∗ ω ∈ C ∞ (Dϕ , Ak (Rd )),
wobei (ϕ−1 )∗ ω(t) ∈ Ak (Rd ) definiert ist durch (v1 , . . . , vk ∈ Rd )
(ϕ−1 )∗ ω(t) (v1 , . . . , vk ) = ω(ϕ−1 (t)) (tϕ−1 (t) ϕ)−1 v1 , . . . , (tϕ−1 (t) ϕ)−1 vk .
Wir sprechen von einer Differentialform k-ter Stufe auf M. Die Menge aller solchen
k-Differentialformen bezeichnen wir mit Ωk (M).
Die Definition von C ∞ -Abbildung oben könnte ad hoc vom speziellen Atlas
abhängen. In der Tat gilt aber für zwei mit dem gegebenen Atlas verträgliche Karten
ϕ, ψ auf M mit Uϕ ∩ Uψ , ∅ und t ∈ ϕ(Uϕ ∩ Uψ ) sowie x = ϕ−1 (t) (vgl. (1.3))
(ϕ−1 )∗ ω(t) (v1 , . . . , vk ) = ω(ϕ−1 (t)) (t x ϕ)−1 v1 , . . . , (t x ϕ)−1 vk =
ω(ψ−1 ◦ (ψ ◦ ϕ−1 )(t)) (t x ψ)−1 d(ψ ◦ ϕ−1 )(t)v1 , . . . , (t x ψ)−1 d(ψ ◦ ϕ−1 )(t)vk =
(3.11)
(ψ ◦ ϕ−1 )∗ ((ψ−1 )∗ ω)(t) (v1 , . . . , vk ).
Dabei ist
(ψ ◦ ϕ−1 )∗ : C ∞ (ψ(Uϕ ∩ Uψ ), Ak (Rd )) → C ∞ (ϕ(Uϕ ∩ Uψ ), Ak (Rd ))
im Sinne von Definition 3.2.3 zu verstehen. Nun wissen wir, dass letztere Abbildung
die C ∞ -Eigenschaft erhält, vgl. Definition 3.2.3. Damit ändert sich in Definition 3.3.1
nichts, wenn man von einem gegebenen Atlas auf M zu einem äquivalenten Atlas übergeht.
KAPITEL 3. DIFFERENTIALFORMEN
60
3.3.2 Fakta.
1. Offensichtlich gilt Ωk (M) = {0} für k > d. Wegen (ϕ−1 )∗ ω = ω ◦ ϕ−1 für ω ∈
Ω0 (M) folgt leicht, dass Ω0 (M) = C ∞ (M, R).
2. Für Uϕ betrachtet als Mannigfaltigkeit gilt offensichtlich, dass die Abbildung
(ϕ−1 )∗ : Ωk (Uϕ ) → C ∞ (Dϕ , Ak (Rd )) eine Bijektion ist, die wegen (vgl. Definition 3.1.3 und Fakta 3.1.4)
(ϕ−1 )∗ ω(t) = (tϕ−1 (t) ϕ)−1 T ω(ϕ−1 (t))
für jedes feste t ∈ Dϕ mit den punktweise definierten Operationen wie +, skalares
Multiplizieren sowie ∧ verträglich ist.
3. Ωk (M) lässt sich somit als
\ n
o
ω : M → Ak (T M) : π ◦ ω = idM , ω|Uϕ ∈ Ωk (Uϕ )
(3.12)
ϕ
schreiben. Dabei läuft ϕ durch irgendeinen mit dem auf M verträglichen Atlas.
Damit ein ω : M → Ak (T M) mit π ◦ ω = idM in Ωk (M) liegt, reicht es somit,
dass es um jedes x ∈ M eine offene Umgebung V gibt mit ω|V ∈ Ωk (V).
Da {ω : M → Ak (T M) : π ◦ ω = idM } punktweise mit den Operationen +, skalares Multiplizieren sowie ∧ versehen ist, erkennt man aus (3.12) auch, dass auch
Ωk (M) diese Operationen trägt. Man beachte, dass dabei Ωk (M)|Uϕ ⊆ Ωk (Uϕ ),
aber im Allgemeinen nicht Gleichheit herrscht.
4. Ist x ∈ M und ϕ eine Karte mit x ∈ Uϕ , so existiert eine Umgebung D ⊆ Dϕ
von ϕ(x) und eine C ∞ -Funktion h : Dϕ → R mit h(Dϕ ) ⊆ [0, 1], h(D) = {1} und
kompaktem Träger supp h ⊆ Dϕ , vgl. Lemma 1.1.11.
Für ω ∈ Ωk (Uϕ ) ist auch (h ◦ ϕ) · ω ∈ Ωk (Uϕ ), da
(ϕ−1 )∗ (h ◦ ϕ) · ω = h · ((ϕ−1 )∗ ω).
Setzen wir (h ◦ ϕ) · ω außerhalb von Uϕ durch Null fort, so liegt diese Fortsetzung in Ωk (M). Um das einzusehen, bemerken wir einfach, dass, wenn A der
gegebene Atlas auf M ist,
{ϕ} ∪ {φ|Uφ \ϕ−1 (supp h) : φ ∈ A, φ , ϕ}
ein Atlas ist, der mit A äquivalent ist. Nun ist für φ , ϕ sicherlich
(φ|−1
)∗ (h ◦ ϕ) · ω = 0 und damit ist die Fortsetzung von (h ◦ ϕ) · ω
Uφ \ϕ−1 (supp h)
in Ωk (M).
Wegen (h ◦ ϕ) · ω|U = ω|U für U := ϕ−1 (D) sehen wir, dass es zu jedem x ∈ M
und jeder Karte ϕ mit x ∈ Uϕ eine offene Umgebung U ⊆ Uϕ von x gibt, sodass
Ωk (M)|U = Ωk (Uϕ )|U C ∞ (Dϕ , Ak (Rd ))|D .
Diese Tatsache zeigt, dass Ωk (M) verhältnismäßig groß sein muss.
3.3. DIFFERENTIALFORMEN AUF MANNIGFALTIGKEITEN
61
5. Für eine Funktion ω : M → Ak (T M), π ◦ ω = idM und Vektorfelder X1 , . . . , Xk :
M → T M, d.h. π ◦ X j = idM , sowie Karten ϕ gilt (t ∈ Dϕ )
ω ◦ ϕ−1 (t) (X1 ◦ ϕ−1 (t), . . . , Xk ◦ ϕ−1 (t)) =
ω ◦ ϕ−1 (t) (tϕ−1 (t) ϕ)−1 α12 (t), . . . , (tϕ−1 (t) ϕ)−1 αk2 (t) =
(ϕ−1 )∗ ω(t) α12 (t), . . . , αk2 (t) .
mit α2j (t) := tϕ−1 (t) ϕ X j ◦ ϕ−1 (t) = π2 ◦ ϕ̂ ◦ X j ◦ ϕ−1 (t) (∈ Rd ), vgl. (2.4).
Ist nun ω ∈ Ωk (M), und sind die X j aus X(M), so ist gemäß Definition
3.3.1 und Fakta 3.2.2 wegen der Beliebigkeit von ϕ die Abbildung x 7→
ω(x)(X1 (x), . . . , Xk (x)) in C ∞ (M, R). Ist O ⊆ M offen, so folgt genauso, dass
x 7→ ω(x)(X1 (x), . . . , Xk (x)) in C ∞ (O, R) liegt, wenn die X j aus X(O) sind.
Ist umgekehrt ω : M → Ak (T M), π ◦ ω = id M derart, dass für alle X1 , . . . , Xk ∈
X(M) diese Abbildung C ∞ ist, so folgt ω ∈ Ωk (M).
Sind nämlich {i(1) < · · · < i(k)} ⊆ {1, . . . , d} und X j ∈ X(M) so, dass für eine
Karte ϕ, x ∈ Uϕ und für eine gewisse Umgebung U von x
X j |U =
∂
|U ,
∂ϕi( j)
vgl. Beispiel 2.1.2 und Beispiel 2.1.5, so folgt für t ∈ ϕ(U), dass tϕ−1 (t) ϕ X j ◦
ϕ−1 (t) = ei( j) und damit
ω ◦ ϕ−1 (t) (X1 ◦ ϕ−1 (t), . . . , Xk ◦ ϕ−1 (t)) = (ϕ−1 )∗ ω(t) (ei(1) , . . . , ei(k) ).
Somit ist die rechte Seite auf ϕ(U) eine C ∞ -Funktion. Da x ∈ Uϕ beliebig war,
folgt ω ∈ Ωk (M).
3.3.3 Definition. Sind M und N zwei C ∞ -Mannigfaltigkeiten und h : M → N eine
C ∞ -Abbildung, so definieren wir für ω ∈ Ωk (N) für jedes x ∈ M
(h∗ ω)(x) (X1 , . . . , Xk ) = ω(h(x)) (T x h X1 , . . . , T x h Xk ).
| {z }
∈T x M
mit t = (t1 , . . . , td )T
Für Karten ϕ auf M und ψ auf N mit h(Uϕ ) ⊆ Uψ und mit x = ϕ−1 (t) gilt wegen
S := ψ ◦ h ◦ ϕ−1 ∈ C ∞ (Dϕ , Dψ ) und wegen dS (t) = th(x) ψ T x h (t x ϕ)−1 (vgl. (1.4))
(ϕ−1 )∗ h∗ ω(t) (v1 , . . . , vk ) =
ω(h ◦ ϕ−1 (t)) (T x h (t x ϕ)−1 v1 , . . . , T x h (t x ϕ)−1 vk ) =
ω(ψ−1 ◦ S (t)) (th(x) ψ)−1 dS (t)v1 , . . . , (th(x) ψ)−1 dS (t)vk =
(3.13)
S ∗ (ψ−1 )∗ ω(t) (v1 , . . . , vk ).
Mit Definition 3.2.3 folgt (ϕ−1 )∗ h∗ ω ∈ C ∞ (Dϕ , Ak (Rd )) und damit (h∗ ω) ∈ Ωk (M).
KAPITEL 3. DIFFERENTIALFORMEN
62
Wegen (h∗ ω)(x) = (T x h)T ω ◦ h(x) (vgl. Definition 3.1.3) ist die Abbildung
h : Ωk (N) → Ωk (M) linear und mit der punktweisen Operation ∧ verträglich. Schließlich überprüft man elementar, dass auch
∗
g∗ (h∗ ω) = (h ◦ g)∗ ω,
(3.14)
für jede C ∞ -Abbildung g : L → M mit einer C ∞ -Mannigfaltigkeit L.
Wir wollen nun eine Abbildung d : Ωk (M) → Ωk+1 (M) ähnlich wie die Abbildung
d : C ∞ (D, Ak (Rd )) → C ∞ (D, Ak+1 (Rd )) definieren. Dazu sei ϕ eine Karte auf M. Für
ω ∈ Ωk (M) betrachten wir d((ϕ−1 )∗ ω) ∈ C ∞ (Dϕ , Ak+1 (Rd )). Wegen Fakta 3.3.2, 2, gilt
d((ϕ−1 )∗ ω) = (ϕ−1 )∗ ̟ für ein ̟ = ̟ϕ ∈ Ωk+1 (Uϕ ).
Ist nun ψ eine weitere Karte mit Uϕ ∩Uψ , ∅, und ist ̟ψ auf Uψ entsprechend definiert,
so folgt für t ∈ ϕ(Uϕ ∩ Uψ ) wegen (3.11) und Satz 3.2.6, (vii),
(ϕ−1 )∗ ̟ϕ (t) = d((ϕ−1 )∗ ω) (t) = d (ψ ◦ ϕ−1 )∗ ((ψ−1 )∗ ω) (t) =
(ψ ◦ ϕ−1 )∗ d((ψ−1 )∗ ω)(t) = (ψ ◦ ϕ−1 )∗ ((ψ−1 )∗ ̟ψ ) (t) = (ϕ−1 )∗ ̟ψ (t).
Es folgt ̟ϕ = ̟ψ auf Uϕ ∩ Uψ . Somit ist für x ∈ M und eine Karte ϕ aus dem auf M
gegebenen Atlas mit x ∈ Uϕ durch
̟(x) := ̟ϕ (x)
eine Funktion M → Ak+1 (T M) mit ̟(x) ∈ Ak+1 (T x M) wohldefiniert. Wegen Fakta
3.3.2, 3, gilt ̟ ∈ Ωk+1 (M).
3.3.4 Definition. Für ω ∈ Ωk (M) sei dω ∈ Ωk+1 (M) definiert durch dω := ̟. Die
Abbildung d : Ωk (M) → Ωk+1 (M) heißt die Cartansche Ableitung.
Also ist dω jene Form aus Ωk+1 (M), die eindeutig dadurch definiert ist, dass
(ϕ−1 )∗ (dω) (t) = d((ϕ−1 )∗ ω)(t), t ∈ Dϕ .
(3.15)
für alle Karten ϕ aus einem Atlas auf M bzw. aus einem dazu äquivalenten Atlas.
Aus dieser Charakterisierung werden wir folgendes Analogon zu Satz 3.2.6 herleiten.
3.3.5 Satz. Für die Abbildung
d : Ωk (M) → Ωk+1 (M)
gelten folgende Eigenschaften.
(i) Für f ∈ Ω0 (M) = C ∞ (D, R) und x ∈ M ist (d f )(x) nichts anderes, als die Abbildung t f (x) (idR ) T x f : T x M → R. Außerdem lässt sie sich auch schreiben als
(X x 7→ X x f ) (vgl. Definition 1.2.11), also
d f (x)
|{z}
(X x ) = t f (x) (idR )
|{z}
∈(T x M)∗ =A1 (T x M) ∈T x M
T f (X x )
| {z }
∈T f (x) R,
definiert wie in Proposition 1.2.19
.
3.4. INTEGRATION VON DIFFERENTIALFORMEN
63
(ii) d ist linear.
(iii) d(ω ∧ ̟) = d(ω) ∧ ̟ + (−1)k ω ∧ d(̟), wobei ω ∈ Ωk (M).
(iv) d ◦ d = 0.
(v) d(h∗ (ω)) = h∗ (d(ω)) für eine C ∞ -Abbildung h : M → N (M, N sind C ∞ Mannigfaltigkeiten) und ω ∈ Ωk (N).
Beweis. Wegen der Charakterisierung (3.15) zusammen mit der Verträglichkeit von
(ϕ−1 )∗ mit den punktweisen Operationen +, · und ∧ folgen (ii), (iii) sowie (iv) unmittelbar aus den entsprechenden Eigenschaften in Satz 3.2.6. Wir zeigen exemplarisch
(iii):
Für Karten ϕ gilt
d (ϕ−1 )∗ (ω ∧ ̟) (t) = d((ϕ−1 )∗ (ω) ∧ (ϕ−1 )∗ (̟))(t) =
d((ϕ−1 )∗ ω)(t) ∧ (ϕ−1 )∗ ̟(t) + (−1)k (ϕ−1 )∗ ω(t) ∧ d((ϕ−1 )∗ ̟)(t) =
(ϕ−1 )∗ (d(ω) ∧ ̟ + (−1)k ω ∧ d(̟))(t),
und wegen (3.15) folgt (iii).
(v) zeigt man ähnlich. Aus (3.13) und Satz 3.2.6, (vii), folgt nämlich
d((ϕ−1 )∗ h∗ (ω))(t) = d(S ∗ (ψ−1 )∗ ω)(t) = S ∗ d((ψ−1 )∗ ω)(t) =
S ∗ (ψ−1 )∗ (dω)(t) = (ϕ−1 )∗ h∗ (dω)(t).
Wieder folgt aus (3.15) angewandt auf alle Karten ϕ mit h(Uϕ ) ⊆ Uψ für irgendeine
Karte ψ auf N – man zeigt leicht, dass das ein äquivalenter Atlas ist –, dass (v) gilt.
Ist für (i) schließlich f ∈ Ω0 (M) = C ∞ (M, R), so gilt (vgl. (1.4))
(ϕ−1 )∗ (d f )(t) = d((ϕ−1 )∗ f )(t) = d( f ◦ ϕ−1 )(t) = (t f (x) idR ) T x f (t x ϕ)−1
mit x = ϕ−1 (t). Wegen Definition 1.2.11 stimmt das mit (X x 7→ X x f ) überein. Der Rest
folgt aus der Begriffsbildung in Proposition 1.2.19.
❑
3.4 Integration von Differentialformen
In diesem Kapitel wollen wir ein ω ∈ Ωd (M) integrieren, wobei M eine d-dimensionale
Mannigfaltigkeit ist. Leider funktioniert das nicht mit jeder derartigen Mannigfaltigkeit. In der Tat funktioniert das nur, wenn man einen Atlas A auf M findet, der orientiert ist.
3.4.1 Definition. Sei M eine C ∞ -Mannigfaltigkeit. Zwei (mit dem auf M gegebenen
Atlas verträgliche) Karten ϕ und ψ heißen im Punkt x ∈ Uϕ ∩ Uψ gleich orientiert bzw.
entgegengesetzt orientiert, falls (Ableitung im Sinne der Analysis II)1
1 Man
det d(ψ ◦ ϕ−1 ) ϕ(x) > 0 bzw. det d(ψ ◦ ϕ−1 ) ϕ(x) < 0.
beachte, dass diese Determinante immer , 0 ist.
KAPITEL 3. DIFFERENTIALFORMEN
64
Die Karten ϕ und ψ heißen gleich orientiert, falls sie in allen Punkten von Uϕ ∩ Uψ
gleich orientiert sind2 . Entsprechend sind entgegengesetzt orientierte Karten definiert.
Zwei Mengen A und B von Karten nennt man gleich bzw. entgegengesetzt orientiert, falls je zwei Karten ϕ ∈ A und ψ ∈ B diese Eigenschaft haben.
Ein (mit dem auf M gegebenen Atlas verträglicher) Atlas A auf M heißt orientiert,
wenn je zwei ϕ, ψ ∈ A gleich orientiert sind. Gibt es auf M einen orientierten Atlas, so
spricht man von einer orientierbaren Mannigfaltigkeit.
3.4.2 Fakta.
1. Sind ϕ, ψ zwei Karten mit x ∈ Uϕ ∩ Uψ , so folgt aus
−1
d(ψ ◦ ϕ−1 ) ϕ(x) = d(ϕ ◦ ψ−1 ) ψ(x)
,
dass die Beziehungen gleich und entgegengesetzt orientiert in x symmetrisch
sind. Ist φ eine dritte Karte mit x ∈ Uϕ ∩ Uψ ∩ Uφ , so folgt aus
d(ψ ◦ φ−1 )(φ(x)) d(φ ◦ ϕ−1 )(ϕ(x)) = d(ψ ◦ ϕ−1 )(ϕ(x))
und der Multiplikativität der Determinante, dass gleich orientiert in x zu sein
auch transitiv ist.
2. Ist A ein orientierter Atlas und ist B eine Menge von (mit dem Atlas veträglichen) Karten, sodass B und A gleich orientiert sind, so folgt aus 1, dass auch
A ∪ B orientiert ist.
3. Sei A ein orientierter Atlas, und sei ψ eine Karte. Ist x ∈ Uψ , und ist ψ in x gleich
orientiert zu einer Karte ϕ ∈ A mit x ∈ Uϕ , so folgt aus 1, dass ψ zu allen Karten
aus A gleich orientiert ist.
Somit gilt auch, dass wenn ψ in x zu einer Karte aus A entgegengesetzt orientiert,
dann ψ in x zu allen Karten aus A entgegengesetzt orientiert ist.
4. Sei wieder A ein orientierter Atlas, und sei ψ eine Karte. Wegen 3 und wegen
der Stetigkeit der involvierten Ausdrücke ist sowohl die Menge aller x ∈ Uψ ,
bei denen ψ zu allen Karten aus A gleich orientiert ist, als auch die Menge aller
x ∈ Uψ , bei denen ψ zu allen Karten aus A entgegengesetzt orientiert ist, offen.
Ist Uψ (oder äquivalent Dψ ) zusammenhängend, so muss genau eine dieser Mengen leer sein und die andere mit Uψ übereinstimmen. Also ist eine solche Karte
entweder zu allen Karten aus A gleich orientiert, oder zu allen Karten aus A
entgegengesetzt orientiert.
5. Ist schließlich ψ eine zu allen Karten aus A entgegengesetzt orientierte Karte,
so sieht man leicht, dass dann diag(1, . . . , 1, −1) ◦ ψ eine zu allen Karten aus A
gleich orientierte Karte ist.
Um ̺ ∈ Ωd (M) sinnvoll ein Integral zuzuordnen sei A ein abzählbarer orientierter Atlas auf M. Wegen Korollar 1.1.6 findet man zu jedem orientierten Atlas einen
abzählbaren orientierten Teilatlas.
Nun sei Qϕ , ϕ ∈ A, eine abzählbare, paarweise disjunkte Familie von Teilmengen
von M mit Qϕ ⊆ Uϕ , sodass ϕ(Qϕ ) (⊆ Dϕ ) eine Borelteilmenge von Rd ist und sodass
[
˙
Qϕ = M.
2 Insbesondere
ist das erfüllt, wenn U ϕ ∩ U ψ = ∅.
3.4. INTEGRATION VON DIFFERENTIALFORMEN
65
3.4.3 Definition. Für messbare B ⊆ M – also liegt B in der von den offenen Teilmengen von M erzeugten σ-Algebra, oder äquivalent, ϕ(B) ist für alle ϕ ∈ A eine
Borelteilmenge von Rd – nennen wir ̺ ∈ Ωd (M) integrierbar über B, wenn
Z
X Z
|(ϕ−1 )∗ ̺(t)(e1 , . . . , ed )| dλd (t) < +∞.
(3.16)
|̺| :=
ϕ∈A ϕ(Q ∩B)
ϕ
B
In dem Fall setzen wir
Z
̺ :=
Z
X
(ϕ−1 )∗ ̺(t)(e1 , . . . , ed ) dλd (t)
ϕ∈A ϕ(Q ∩B)
ϕ
B
und nennen diese Zahl das Integral von ̺ bzgl. des orientierten Atlanten A.
3.4.4 Fakta.
1. Sei nun B ein weiterer orientierter und abzählbarer Atlas, der zu A gleich orientiert ist. Nach Fakta 3.4.2, 2, ist dann A ∪ B auch orientiert. Weiters sei
Pψ , ψ ∈ B eine zu B passende Partition mit den entsprechenden Eigenschaften wie Qϕ , ϕ ∈ A.
Für ϕ ∈ A und ψ ∈ B mit Uϕ ∩ Uψ , ∅ folgt aus (3.11) und aus Bemerkung 3.2.4
angewandt auf S = ϕ ◦ ψ−1 : ψ(Uϕ ∩ Uψ ) → ϕ(Uϕ ∩ Uψ )
(ψ−1 )∗ ̺(t) = S ∗ (ϕ−1 )∗ ̺(t) = det dS (t) · (ϕ−1 )∗ ̺(S (t)).
Die Transformationsregel ergibt nun
Z
|(ψ−1 )∗ ̺(t)(e1 , . . . , ed )| dλd =
ψ(Qϕ ∩Pψ ∩B)
Z
|(ϕ−1 )∗ ̺(S (t))(e1 , . . . , ed )| · | det dS (t)| dλd =
(3.17)
ψ(Qϕ ∩Pψ ∩B)
Z
|(ϕ−1 )∗ ̺(t)(e1 , . . . , ed )| dλd .
ϕ(Qϕ ∩Pψ ∩B)
Summiert man in (3.17) links zuerst über alle ϕ ∈ A und dann über alle ψ ∈ B
und rechts in umgekehrter Reihenfolge, so sieht man, dass die Integrierbarkeit
von ̟ nicht vom konkreten Atlas und einer passenden Partition abhängt.
Im Falle der Integrierbarkeit gilt zudem
Z
(ψ−1 )∗ ̺(t)(e1 , . . . , ed ) dλd =
ψ(Qϕ ∩Pψ ∩B)
Z
(ϕ−1 )∗ ̺(S (t))(e1 , . . . , ed ) · | det dS (t)| dλd =
ψ(Qϕ ∩Pψ ∩B)
Z
(ϕ−1 )∗ ̺(t)(e1 , . . . , ed ) dλd .
ϕ(Qϕ ∩Pψ ∩B)
R
Also hängt auch B ̺ nicht vom konkreten orientierten Atlas samt passender Partition ab, solange der Atlas nur gleiche Orientierung hat.
KAPITEL 3. DIFFERENTIALFORMEN
66
2. Man sieht leicht, dass die Relation gleich orientiert‘ zu sein eine Äquivalenz’
relation auf der Menge aller orientierten Atlanten ist. Aus dem letzten Punkt
erkennt man auch, dass das Integral einer Differentialform nur von der Äquivalenzklasse abhängt, in der der entsprechende abzählbare und orientierte Atlas
liegt.
3. Falls ein orientierter Atlas existiert, so sieht man elementar, dass man daraus
einen gleich orientierten und abzählbaren Atlas A konstruieren kann, sodass für
alle ϕ ∈ A die Mengen Dϕ beschränkt in Rd sind. Insbesondere sind dann alle
Ausdrücke
Z
|(ϕ−1 )∗ ̺(t)(e1 , . . . , ed )| dλd (t)
ϕ(Qϕ ∩B)
in (3.16) endlich. Hat ̺ noch einen kompakten Träger – verschwindet also außerhalb einer kompakten Menge –, so gibt es eine endliche Teilmenge F ⊆ A
von Karten, deren Definitionsbereiche den Träger überdecken.
Wählt man dann noch die Qϕ so, dass
[
[
˙
Qϕ =
Uϕ ,
ϕ∈F
ϕ∈F
verschwinden für alle ϕ
∈
A \ F
die
−1 T
|(ϕ
)
̺(t)(e
,
.
.
.
,
e
)|
dλ
(t).
Also
ist
ω
integrierbar,
wobei
1
d
d
ϕ(Qϕ ∩B)
Z
X Z
(ϕ−1 )∗ ̺(t)(e1 , . . . , ed ) dλd (t).
̺ :=
so
R
M
Integrale
(3.18)
ϕ∈F ϕ(Q ∩B)
ϕ
3.4.5 Satz. Seien M und N zwei d-dimensionale C ∞ -Mannigfaltigkeiten und sei h :
M → N ein C ∞ -Diffeomorphismus. Dann ist M genau dann orientierbar – hat also
einen orientierten Atlas–, wenn N es ist. In der Tat ist A genau dann ein orientierter
Atlas auf N, wenn A ◦ h := {ϕ ◦ h : ϕ ∈ A} ein solcher auf M ist.
In dem Fall gilt für jedes ̺ ∈ Ωd (N)
Z
Z
̺=
h∗ (̺),
h(B)
B
wobei links ein Integral bzgl. eines orientierten Atlanten A und rechts ein Integral bzgl.
des orientierten Atlanten A ◦ h steht.
Beweis. Sei A ein abzählbarer, orientierter Atlas auf N. Man sieht unmittelbar, dass
dann A ◦ h ein orientierter Atlas auf M ist. Ist Qϕ , ϕ ∈ A, eine mit A verträgliche
Partition von N, so ist auch h−1 (Qϕ ), ϕ ∈ A eine mit A ◦ h verträgliche Partition von
M.
Für eine Karte ϕ ∈ A gilt wegen (3.13) angewandt auf ϕ ◦ h und ϕ die Beziehung
((ϕ ◦ h)−1 )∗ h∗ ̺ = (ϕ−1 )∗ ̺ und damit
Z
Z
((ϕ ◦ h)−1 )∗ h∗ ̺(t)(e1 , . . . , ed ) dλd (t).
(ϕ−1 )∗ ̺(t)(e1 , . . . , ed ) dλd (t) =
ϕ(Qϕ ∩h(B))
ϕ◦h(h−1 (Qϕ )∩B)
Die Gleichheit gilt auch, wenn man die Integranden in Beträge setzt. Aufsummieren
ergibt dann die Behauptung.
❑
3.5. STOKESSCHER INTEGRALSATZ
67
3.5 Stokesscher Integralsatz
Man beachte, dass folgende Definition den Fall M = O und damit verbunden ∂O = ∅
nicht ausschließt.
3.5.1 Definition. Sei M eine d-dimensionale Mannigfaltigkeit. Ist O ⊆ M offen und
∂O derart, dass man für jedes x ∈ ∂O eine mit dem Atlas auf M verträgliche Karte ϕ
mit x ∈ Uϕ findet, sodass
ϕ(Uϕ ∩ ∂O) = Dϕ ∩ ({0} × Rd−1 ), und ϕ(Uϕ ∩ O) = Dϕ ∩ ((−∞, 0) × Rd−1 ),
dann nennen wir O eine berandete Teilmannigfaltigkeit von M.
3.5.2 Bemerkung. Man sieht ganz leicht, dass wenn wir für eine Karte ϕ von der Bauart
wie in Definition 3.5.1 mit x ∈ Uϕ den Definitionsbereich Uϕ um x derart kleiner
machen, dass Uϕ konvex ist, dann auch die neue Karte ebenfalls die Eigenschaften wie
in Definition 3.5.1 hat.
Im Folgenden bezeichne pd−1 : Rd → Rd−1 die Projektion auf die hinteren d − 1
Einträge und ιd−1 : Rd−1 → Rd die Einbettung η 7→ (0, η)T .
3.5.3 Proposition. Sei M eine Mannigfaltigkeit und O ⊆ M eine berandete Teilmannigfaltigkeit von M. Dann ist ∂O eine Untermannigfaltigkeit mit der Dimension d − 1.
Falls M orientierbar ist, so ist es auch ∂O. Genauer gilt für jeden orientierten Atlas
A von M, dass man ∂O mit einer Menge C von zu A gleich orientierten Karten mit der
Eigenschaft wie in Definition 3.5.1 abdecken kann. Dann ist
B = {pd−1 ◦ ϕ|∂O∩Uϕ : ϕ ∈ C}
ein orientierter Atlas von ∂O.
Beweis. Die erste Aussage folgt unmittelbar aus Definition 1.3.1.
Sei A ein orientierter Atlas auf M. Ist x ∈ ∂O und ϕ eine Karte mit x ∈ Uϕ und
zusammenhängendem Uϕ (vgl. Bemerkung 3.5.2) von der Bauart wie in Definition
3.5.1, so folgt aus Fakta 3.4.2, 4, dass ϕ zu A entweder gleich oder entgegengesetzt
orientiert ist, wobei wir im zweiten Fall zu diag(1, . . . , 1, −1) ◦ ψ übergehen können.
Somit erhalten wir zu jedem x ∈ ∂O eine zu A gleich orientierte Karte ϕ mit x ∈ Uϕ
von der Bauart wie in Definition 3.5.1. Sei C die Menge dieser Karten. Beachte, dass
nach Fakta 3.4.2, 2, auch A ∪ C ein orientierter Atlas ist.
Nach Bemerkung 1.3.6 ist dann B ein Atlas auf ∂O. Für zwei Karten
φ j := pd−1 ◦ ϕ j |∂O∩Uϕ j , j = 1, 2,
aus B mit Uφ1 ∩ Uφ2 , ∅ gilt für x ∈ Uφ1 ∩ Uφ2 die Beziehung
ιd−1 ◦ φ j (x) = ϕ j (x)
und damit (t = φ1 (x) ∈ φ1 (Uφ1 ∩ Uφ2 ))
−1
ιd−1 ◦ φ2 ◦ φ−1
1 (t) = ϕ2 ◦ ϕ1 ◦ ιd−1 (t).
Durch Ableiten folgt (p1 ist die Projektion auf die erste Komponente)



 ∂(p1 ◦ϕ2 ◦ϕ−1
1 )
(ι
(t))
0
−1
d−1
 .
∂e1
d(ϕ2 ◦ ϕ1 )(ιd−1 (t)) = 
−1
∗
d(φ2 ◦ φ1 )(t)
KAPITEL 3. DIFFERENTIALFORMEN
68
Aus der speziellen Bauart der Karten (siehe Definition 3.5.1) folgt für kleine ǫ > 0
p1 ◦ ϕ2 ◦ ϕ−1
1 (ιd−1 (t) − ǫe1 )) ∈ (−∞, 0),
∂(p ◦ϕ ◦ϕ−1 )
womit 1 ∂e21 1 (ιd−1 (t)) ≥ 0 folgt. Da ϕ2 ◦ ϕ−1
1 ein Diffeomorphismus ist, kann dieser
Ausdruck aber nicht verschwinden. Es folgt det d(φ2 ◦ φ−1
1 )(t) > 0, womit B orientiert
und daher ∂O orientierbar ist.
❑
3.5.4 Satz. Sei M eine orientierbare Mannigfaltigkeit der Dimension d, und sei O eine
berandete Teilmannigfaltigkeit von M. Weiters sei A ein orientierter Atlas auf M und
sei B der gemäß Proposition 3.5.3 daraus hervorgegangene orientierte Atlas auf ∂O.
Hat ̺ ∈ Ωd−1 (M) kompakten Träger, so gilt bzgl. obiger orientierter Atlanten 3
Z
Z
ι∗∂O ̺.
(3.19)
d̺ =
O
∂O
Beweis. Zu jedem x ∈ O sei ϕ x ∈ A mit x ∈ Uϕx und setze P x := O ∩ Uϕx . Zu jedem
x ∈ ∂O sei ϕ x ∈ C (wie in Proposition 3.5.3 ausgehend von A konstruiert) und setze
P x := Uϕx . Nun ist
{P x : x ∈ O}
eine offene Überdeckung von O und daher von O ∩ supp ̺. Gemäß Satz 1.1.12 gibt es
P
endlich viele x1 , . . . , xn ∈ O und C ∞ -Funktionen χ1 , . . . , χn , sodass nj=1 χ j = 1 auf
O ∩ supp ̺ und sodass der kompakte Träger supp χ j in P x j enthalten ist.
P
Da beide Seiten in (3.19) linear von ̺ abhängen und da nj=1 χ j ·̺ = ̺ sowohl auf O
also auch auf ∂O, genügt es, (3.19) für die Differentialformen χ j ·̺, j = 1, . . . , n, zu beweisen. Damit reicht es, die Aussage des Satzes für Differentialformen ̺ zu beweisen,
deren Träger im Definitionsbereich einer einzigen Karte enthalten sind. Dabei können
wir auch annehmen, dass diese Karte aus C (wie in Proposition 3.5.3 ausgehend von A
konstruiert) ist, falls der Träger nicht ganz in O enthalten ist.
Für ein solches ̺ ∈ Ωd−1 (M) und die entsprechende Karte ϕ lässt sich (ϕ−1 )∗ ̺ ∈
∞
C (Dϕ , Ad−1 (Rd )) gemäß Fakta 3.2.2, 2, als
−1 ∗
(ϕ ) ̺ =
d
X
j=1
f{1,...,d}\{ j} ∧ e∗1 ∧ . . . e∗j · · · ∧ e∗d
|{z}
(3.20)
fehlt
schreiben, wobei die f{1,...,d}\{ j} in C ∞ (Dϕ , R) liegen. Da der Träger von (ϕ−1 )∗ ̺ kompakt
und in Dϕ enthalten ist, haben die Funktionen f{1,...,d}\{ j} dieselbe Eigenschaft.
Setzen wir diese Funktionen außerhalb von Dϕ durch Null fort, so erhalten wir
Funktion f{1,...,d}\{ j} ∈ C ∞ (Rd , R), und mit (3.20) auch eine C ∞ -Fortsetzung von (ϕ−1 )∗ ̺
auf ganz Rd , d.h. (ϕ−1 )∗ ̺ ∈ C ∞ (Rd , Ad−1 (Rd )) mit kompaktem Träger ⊆ Dϕ . Nach
(3.15) und Satz 3.2.6, (ii), gilt dann (siehe auch Fakta 3.1.8, 5 und 6)

 d
d X
X


∂ f{1,...,d}\{ j}
∗
−1 ∗
−1 ∗

(t) ∧ ei  ∧ e∗1 ∧ . . . e∗j · · · ∧ e∗d =
(ϕ ) d̺(t) = d(ϕ ) ̺(t) =
∂ei
|{z}
j=1 i=1
fehlt
3 Für die rechte Seite schreibt man üblicherweise
auf M und nicht auf ∂O ist.
R
∂O
̺, was aber ungenau ist, da ̺ eine Differentialform
3.5. STOKESSCHER INTEGRALSATZ
d
X
(−1) j−1
j=1
69
∂ f{1,...,d}\{ j}
(t) ∧ e∗1 ∧ · · · ∧ e∗d .
∂e j
| {z }
=∆
R
Ist nun ̺ so, dass supp ̺ ⊆ O, so gilt zunächst offenbar ∂O ι∗∂O ̺ = 0. Andererseits gilt
wegen supp(ϕ−1 )∗ ̺ ⊆ Dϕ = ϕ(Uϕ ∩ O) zusammen mit (3.18) und nach dem Satz von
Fubini und dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung mit t = (t1 , . . . , td )T
Z
Z
Z
d(ϕ−1 )∗ ̺(t) (e1 , . . . , ed ) dλd (t) =
(ϕ−1 )∗ d̺(t) (e1 , . . . , ed ) dλd (t) =
d̺ =
ϕ(Uϕ ∩O)
O
Rd
+∞
Z+∞
Z
d
X
j−1
(−1)
...
j=1
∂ f{1,...,d}\{ j}
(t) dt j
∂e j
−∞
|
{z
}
−∞
dt1 . . . dt j . . . dtd = 0.
|{z}
fehlt
limη→+∞ ( f{1,...,d}\{ j} (t1 ,...,η,...,td )T −
f{1,...,d}\{ j} (t1 ,...,−η,...,td )T ) = 0
Ist dagegen ̺ so, dass supp ̺ * O, so gilt aber supp ̺ ⊆ Uϕ für eine Karte ϕ ∈ C. Dann
gilt ϕ(Uϕ ∩ O) = Dϕ ∩ ((−∞, 0) × Rd−1 ) und supp(ϕ−1 )∗ ̺ ⊆ Dϕ , womit
Z
Z
Z
d(ϕ−1 )∗ ̺(t) (e1 , . . . , ed ) dλd (t) =
d̺ =
(ϕ−1 )∗ d̺(t) (e1 , . . . , ed ) dλd (t) =
ϕ(Uϕ ∩O)
O
(−∞,0)×Rd−1
Z+∞ Z+∞Z0
∂ f{2,...,d}
(t) dt1 dt2 . . . dtd +
...
∂e1
−∞
−∞ −∞
|
{z
}
= f{2,...,d} (0,t2 ,...,td )T
d
X
(−1)
Z+∞ Z0 Z+∞
∂ f{1,...,d}\{ j}
...
(t) dt j dt1 . . . dt j . . . dtd =
∂e j
|{z}
−∞
−∞ −∞
fehlt
|
{z
}
j−1
j=2
=0
Z+∞
...
−∞
Z+∞
f{2,...,d} (0, t2 , . . . , td )T dt2 . . . dtd .
−∞
Andererseits gilt für die Karte4 φ := pd−1 ◦ ϕ|∂O∩Uϕ von ∂O
supp ι∗∂O ̺ ⊆ supp ̺ ∩ ∂O ⊆ Uϕ ∩ ∂O = Uφ ,
und somit wegen (3.18)
Z
Z
∗
ι∂O ̺ = (φ−1 )∗ ι∗∂O ̺(s) (e1 , . . . , ed−1 ) dλd−1 (s).
| {z }
∂O
Dφ
∈Rd−1
Wegen ϕ ◦ ι∂O ◦ φ−1 = ιd−1 |Dφ folgt aus (3.13)
(φ−1 )∗ ι∗∂O ̺ = ιd−1 |∗Dφ (ϕ−1 )∗ ̺ =
4p
d−1
d
X
(ιd−1 |∗Dφ f{1,...,d}\{ j} ) ∧ ιd−1 |∗Dφ (e∗1 ∧ . . . e∗j · · · ∧ e∗d ),
|{z}
{z
}
j=1 |
= f{1,...,d}\{ j} ◦ιd−1 |Dφ
ist wieder die Projektion auf die hinteren d − 1 Koordinaten.
fehlt
KAPITEL 3. DIFFERENTIALFORMEN
70
wobei ιd−1 : Rd−1 → Rd die Einbettung
t 7→ (0, t)T ist. Diese Abbildung ist linear
0
und lässt sich durch die Matrix I ∈ Rd×(d−1) realisieren, wobei I ∈ R(d−1)×(d−1) die
Einheitsmatrix ist. Nach Fakta 3.1.8, 10, gilt dann
ιd−1 |∗Dφ
(e∗1
e∗j
∧ ...
···∧
e∗d )
|{z}
fehlt
fehlt
det
0
I
!T
0
e∗1 ∧ . . . e∗j · · · ∧ e∗d =
=
I
|{z}
!
{1,...,d}\{ j}
· |{z}
∆
= δ j1 · ∆.
∈Ad−1 (Rd−1 )
Also erhalten wir zusammen mit Dφ = pd−1 (Dϕ ∩ {0} × Rd−1 ) und der Tatsache, dass
f{2,...,d} kompakten Träger in Dϕ hat,
Z
Z
f{2,...,d} ◦ ιd−1 |Dφ (s) · ∆(e1 , . . . , ed−1 ) dλd−1 (s) =
ι∗∂O ̺ =
∂O
Dφ
Z+∞ Z+∞
...
f{2,...,d} (0, t2 , . . . , td )T dt2 . . . dtd .
−∞
−∞
❑
3.5.5 Beispiel. Als kleine Anwendung von Satz 3.5.4 wollen wir zeigen, dass es keine
C ∞ -Abbildung f von der abgeschlossenen Einheitskugel K1 (0) im Rd+1 auf ihren Rand
S d geben kann, welche f |S d = id |S d erfüllt. Dabei bedeutet C ∞ auf K1 (0), dass f die
Einschränkung einer C ∞ -Funktion auf einer gewissen offenen Obermenge M von K1 (0)
ist.
Wir nehmen an, dass es ein solches f : M → S d gibt. Für jedes ̺ ∈ Ωd (S d ) gilt
d̺ = 0, was mit Satz 3.3.5, (v), d f ∗ ̺ = f ∗ d ̺ = 0 nach sich zieht. Nach Satz 3.5.4
angewandt auf O = U1 (0) mit ∂O = S d folgt
Z
ι∗S d f ∗ ̺ = 0.
Sd
Andererseits gilt wegen (3.14)
ι∗S d f ∗ ̺ = ( f ◦ ιS d )∗ ̺ = id |∗S d ̺ = ̺.
R
Also wäre S d ̺ = 0 für jedes ̺ ∈ Ωd (S d ). Mit Hilfe einer Karte ϕ auf S d konstruiert
man aber leicht ein ̺ ∈ Ωd (S d ) mit kompaktem, in Uϕ enthaltenem Träger mit
(ϕ−1 )∗ ̺ = h · |{z}
∆ ,
∈Ad (Rd )
wobeiR h eine Funktion der Bauart wie in Lemma 1.1.11 ist. Für dieses ̺ ∈ Ωd (S d ) gilt
aber S d ̺ > 0.
3.5.6 Korollar. Es gibt keine stetige Funktion f : K1 (0) (⊆ Rd+1 ) → S d mit f |S d =
id |S d .
3.5. STOKESSCHER INTEGRALSATZ
71
Beweis. Gäbe es eine solche Funktion f : K1 (0) → S d ⊆ Rd+1 , so könnten wir nach
dem Satz von Stone-Weierstrass die Komponentenfunktionen f1 , . . . , fd+1 beliebig gut
durch Einschränkungen von Funktionen g1 , . . . , gd+1 von Funktionen aus C ∞ (Rd+1 , R)
approximieren. Die Funktion g = (g1 , . . . , gd+1)T ist dann aus C ∞ (Rd+1 , Rd+1 ) mit
k f − g|K1 (0) k < ǫ
für ein vorgegebenes ǫ > 0.
Andererseits ist f auf dem Kompaktum K1 (0) gleichgradig stetig. Also gibt es zu
jedem ǫ > 0 ein δ(ǫ) > 0 mit oBdA. δ(ǫ) ≤ ǫ und mit k f (x) − f (y)k < 2ǫ für alle
kx − yk < δ(ǫ). Insbesondere gilt wegen f |S d = id |S d
x
x
k f (x) − xk ≤ k f (x) − f (
)k + k
− xk < ǫ,
kxk
kxk
1
x
− xk = kxk( kxk
− 1) = 1 − kxk < δ(ǫ).
für alle x ∈ K1 (0) mit k kxk
Zu ǫ ∈ (0, 1) gibt es auch eine C ∞ -Funktion h : R → R mit Werten in [0, 1], mit
supp h ⊆ (1 − δ(ǫ))2, (1 + δ(ǫ))2 sowie mit h(1) = 1. Zu jedem ǫ ∈ (0, 1) betrachte nun
die Funktion
φ(x) := (1 − h(kxk2 ))g(x) + h(kxk2 )x
definiert für x ∈ Rd+1 . Offensichtlich ist φ eine C ∞ (Rd+1 )-Funktion, die für x ∈ S d
φ(x) = (1 − h(kxk2 ))g(x) + h(kxk2 )x = x
erfüllt. Außerdem gilt
kφ(x) − f (x)k = k(1 − h(kxk2 ))(g(x) − f (x)) + h(kxk2 )(x − f (x))k ≤
(1 − h(kxk2 ))kg(x) − f (x)k + h(kxk2 )kx − f (x)k.
Für alle x ∈ K1 (0) ist dabei immer kg(x) − f (x)k < ǫ. Ist zusätzlich 1 − kxk < δ(ǫ), so
gilt auch kx − f (x)k < 2ǫ und damit kφ(x) − f (x)k < ǫ. Im Falle kxk ≤ 1 − δ(ǫ) gilt
dagegen h(kxk2 ) = 0, womit ebenfalls kφ(x) − f (x)k < ǫ.
Für ein festes 0 < ǫ < 1 folgt also
kφ(x)k ≥ k f (x)k − k f (x) − φ(x)k > 0
für alle x ∈ K1 (0). Da K1 (0) kompakt ist, folgt aus Stetigkeitsgründen, dass φ(x) , 0
für eine gewisse offene Obermenge M von K1 (0). Die Funktion
x 7→
1
φ(x)
kφ(x)k
wäre dann C ∞ auf M ⊇ K1 (0), hätte Werte in S d mit φ|S d = id |S d , was aber in Beispiel
3.5.5 ausgeschlossen wurde.
❑
Aus diesem Resultat folgt der Fixpunktsatz von Brouwer.
3.5.7 Satz. Jede stetige Abbildung φ : K1 (0) → K1 (0), wobei K1 (0) die Einheitskugel
im Rd+1 ist, hat einen Fixpunkt.
Beweis. Angenommen wir hätten φ(x) , x für alle x ∈ K1 (0), dann hat für festes x die
Gleichung kφ(x) + τ · (x − φ(x))| = 1 mit der Unbekannten τ ∈ R immer zwei Lösungen,
wobei immer genau eine davon – wir bezeichnen sie mit τ(x) – positiv ist.
Nun hängt τ(x) stetig von x ab, und damit auch die Funktion f (x) =
φ(x) + τ(x) · (x − φ(x)). Also ist f : K1 (0) → S d stetig, was aber Korollar 3.5.6
widerspricht.
❑
KAPITEL 3. DIFFERENTIALFORMEN
72
3.6 Ergänzendes zu orientierbaren Mannigfaltigkeiten
Der Inhalt diese Abschnittes ist nicht Teil der Vorlesung, stellt aber eine interessante
Ergänzung dar.
Wir wollen die Orientierung auf einer Mannigfaltigkeit auf eine zweite Art angehen. Dafür sei daran erinnert, dass Ad (T x M) eindimensional ist und dass ein
ω ∈ Ad (T x M) eindeutig durch ω(X1 , . . . , Xd ) für jedes feste linear unabhängige Tupel
X1 , . . . , Xd ∈ T x M eindeutig bestimmt ist, vgl. Fakta 3.1.2, 6. Insbesondere verschwindet ω(X1 , . . . , Xd ) genau dann, wenn ω = 0.
3.6.1 Definition. Sei M eine d-dimensionale C ∞ -Mannigfaltigkeit. Wir sagen, dass
man M mit einer Orientierung versehen kann, wenn es ein ω ∈ Ωd (M) gibt, sodass
ω(x) , 0 für alle x ∈ M.
Falls wir M mit einer Orientierung versehen können und falls ω(x) , 0 für alle
x ∈ M, so nennen wir die Funktion
ε : (x; X1 , . . . , Xd ) 7→
ω(x)(X1 , . . . , Xd )
,
|ω(x)(X1 , . . . , Xd )|
(3.21)
wobei x ∈ M und X1 , . . . , Xd ∈ T x M linear unabhängig sind. eine Orientierung auf M.
bzgl. der Orientierung ε aus (3.21) positiv orientiert, falls
Eine Karte ϕ heißt
ε x; ∂ϕ∂ 1 | x , . . . , ∂ϕ∂ d | x > 0 für alle x ∈ Uϕ , wobei ∂ϕ∂ j | x = (t x ϕ)−1 e j ∈ T x M wie in
Bemerkung 1.2.7.
3.6.2 Fakta.
1. Für ein festes x ist ε(x; · · · · ·) eindeutig durch ε(x; X1 , . . . , Xd ) für ein linear unabhängiges Tupel X1 , . . . , Xd festgelegt.
2. Ist ε eine Orientierung auf M, so auch −ε.
3. Für eine
Karte ϕ auf
M mit zusammenhängenden
Uϕ (bzw. Dϕ) ist entweder
∂
∂
ω(x) ∂ϕ1 | x , . . . , ∂ϕd | x > 0 auf ganz Uϕ oder ω(x) ∂ϕ∂ 1 | x , . . . , ∂ϕ∂ d | x < 0 auf ganz
Uϕ . Also ist entweder ϕ oder diag(1, . . . , 1, −1) ◦ ϕ positiv orientiert bzgl. ε.
4. Seien ε j (x; X1 , . . . , Xd ) =
ω j (x)(X1 ,...,Xd )
|ω(x)(X1 ,...,Xd )| ,
j = 1, 2, zwei Orientierungen auf M.
Zu einem x ∈ M sei ϕ eine Karte mit x ∈ Uϕ und U ⊆ Uϕ offen und zusammenhängend und X j ∈ X(M) wie in Beispiel 2.1.5, d.h. x ∈ U und auf U stimmt
X j mit den punktweise linear unabhängigen ∂ϕ∂ j überein.
Nach Fakta 3.3.2, 5, ist nun y 7→ ω j (y; X1 (y), . . . , Xd (y)), j = 1, 2,
stetig. Auf U verschwinden diese Funktionen nicht, haben also auf
U immer positives bzw. negatives Vorzeichen. Insbesondere gilt entweder ε1 (y; X1 (y), . . . , Xd (y)) = ε2 (y; X1 (y), . . . , Xd (y)), y ∈ U, oder
ε1 (y; X1 (y), . . . , Xd (y)) = −ε2 (y; X1 (y), . . . , Xd (y)), y ∈ U.
Wegen 1 stimmen ε1 und ε2 entweder auf ganz U überein oder haben auf ganz
U entgegengesetztes Vorzeichen. Somit sind die Mengen, wo ε1 = ε2 bzw. wo
ε1 = −ε2 , beide offen.
Ist M zusammenhängend, so gibt es also immer genau zwei Orientierungen.
3.6.3 Lemma. Kann man M mit einer Orientierung versehen, so ist die Menge aller
positiv orientierten Karten A bezüglich einer Orientierung ε ein orientierter Atlas, der
jede Karte enthält, die gleich orientiert ist wie jede Karte aus A.
3.6. ERGÄNZENDES ZU ORIENTIERBAREN MANNIGFALTIGKEITEN
Beweis. Sei ε(x; X1 , . . . , Xd ) =
ω(x)(X1 ,...,Xd )
|ω(x)(X1 ,...,Xd )| .
73
Zunächst gilt wegen
(ϕ−1 )∗ ω (ϕ(x)) (e1 , . . . , ed ) = (t x ϕ)−1 T ω(x) (e1 , . . . , ed ) = ω(x) (t x ϕ)−1 e1 , . . . , (t x ϕ)−1 ed
für eine Karte ϕ, dass
(ϕ−1 )∗ ω = (ϕ−1 )∗ ω(.) (e1 , . . . , ed ) · ∆ ∈ C ∞ (Dϕ , Ad (Rd ))
nirgends auf Dϕ verschwindet. Aus obiger Gleichung lesen wir auch ab, dass ϕ genau
dann in A liegt, wenn (ϕ−1 )∗ ω auf ganz Dϕ ein positives Vielfaches von ∆ ist.
Ist nun Dϕ zusammenhängend, so muss die stetige Funktion (ϕ−1 )∗ ω(.) (e1 , . . . , ed )
darauf dasselbe Vorzeichen haben. Tauscht man ϕ nötigenfalls gegen
diag(1, . . . , 1, −1) ◦ ϕ aus, so folgt, dass jedes x ∈ M im Definitionsbereich
einer positiv orientierten Karte liegt.
Also ist A ein Atlas, wobei für zwei Karten ϕ, ψ ∈ A mit Uϕ ∩ Uψ , ∅ wegen
(3.11)
(ϕ−1 )∗ ω = (ψ ◦ ϕ−1 )∗ ((ψ−1 )∗ ω)
und daher (x ∈ Uϕ ∩ Uψ )
(ϕ−1 )∗ ω(ϕ(x))(e1 , . . . , ed ) = (ψ−1 )∗ ω(ψ(x))(d(ψ◦ϕ−1 )(ϕ(x))e1 , . . . , d(ψ◦ϕ−1 )(ϕ(x))ed ) =
(ψ−1 )∗ ω(ψ(x))(e1 , . . . , ed ) · ∆(d(ψ ◦ ϕ−1 )(ϕ(x))e1 , . . . , d(ψ ◦ ϕ−1 )(ϕ(x))ed ) =
(ψ−1 )∗ ω(ψ(x))(e1 , . . . , ed ) · det d(ψ ◦ ϕ−1 )(ϕ(x)).
Also muss det d(ψ ◦ ϕ−1 )(ϕ(x)) > 0. Aus dieser Gleichung folgt auch sofort, dass wenn
ϕ ∈ A und ψ eine mit A gleich orientierte Karte ist, dann auch ψ ∈ A.
❑
3.6.4 Satz. Eine d-dimensionale C ∞ -Mannigfaltigkeit M kann genau dann mit einer
Orientierung versehen werden, wenn M orientierbar ist. Genauer gibt es zu jedem
orientierten Atlas eine Orientierung bezüglicher derer dieser Atlas positiv orientiert
ist. Diese Orientierung ist nach Lemma 3.6.3 eindeutig.
Beweis. Die Hinrichtung folgt aus Lemma 3.6.3.
Für die Rückrichtung sei A ein orientierter Atlas. Man wähle zu jedem ϕ ∈ A und
jedem x ∈ Uϕ ein offenes U =: Uϕ,x mit x ∈ Uϕ,x ⊆ Uϕ wie in Fakta 3.3.2, 4. Wir
wissen dann, dass
Ωd (M)|Uϕ,x = Ωd (Uϕ )|Uϕ,x C ∞ (Dϕ , Ad (Rd ))|ϕ(Uϕ,x ) ,
wobei Ωd (Uϕ ) vermöge (ϕ−1 )∗ isomorph zu C ∞ (Dϕ , Ad (Rd )) ist. Insbesondere gibt es
ein ωϕ,x ∈ Ωd (M), sodass (ϕ−1 )∗ ωϕ,x = ∆.
Wegen Satz 1.1.12 gibt es zu der Überdeckung Uϕ,x , ϕ ∈ A, x ∈ Uϕ , von M eine
abzählbare Zerlegung der Eins; also höchstens abzählbar viele [0, +∞)-wertige C ∞ Funktionen χ j , j ∈ {1, . . . , l} mit einem l ∈ N ∪ {∞}, sodass supp χ j kompakt und in
einem Uϕ( j),x( j) enthalten ist, und sodass
X
χ j = 1,
wobei die Summation lokal endlich ist. Definieren wir nun
X
ω :=
χ j · ωϕ( j),x( j) ,
KAPITEL 3. DIFFERENTIALFORMEN
74
so ist ω auf einer hinreichend kleinen offenen Umgebung V x um jeden Punkt x ∈ M eine endliche Summe von Produkten von C ∞ (M, R)-Funktionen und Formen auf Ωd (M).
Nach Fakta 3.3.2, 2, ist diese endliche Summe zumindest in Ωd (V x ). Da das für alle x
der Fall ist, folgt ω ∈ M, vgl. Fakta 3.3.2, 3.
Für ein x ∈ M und jedes j mit χ j (x) > 0 gilt x ∈ supp χ j ⊆ Uϕ( j),x( j) . Sind
∂
∂
∂ϕ( j)1 | x , . . . , ∂ϕ( j)d | x ∈ T x M wie in Bemerkung 1.2.7, so gilt
ωϕ( j),x( j) (x)(
∂
∂
|x, . . . ,
| x ) = (ϕ( j)−1 )∗ ωϕ( j),x( j) (ϕ( j)(x))(e1 , . . . , ed ) = 1.
∂ϕ( j)1
∂ϕ( j)d
Für jeden weiteren Index i mit χi (x) > 0 gilt wegen (1.3) sowie Fakta 3.1.8, 9
!
∂
∂
|x, . . . ,
|x =
ωϕ(i),x(i) (x)
∂ϕ( j)1
∂ϕ( j)d
(ϕ(i)−1 )∗ ωϕ(i),x(i) (ϕ(i)(x)) t x ϕ(i)
!
∂
∂
| x , . . . , t x ϕ(i)
|x =
∂ϕ( j)1
∂ϕ( j)d
(ϕ(i)−1 )∗ ωϕ(i),x(i) (ϕ(i)(x)) d(ϕ(i) ◦ ϕ( j)−1 )(ϕ( j)(x))e1 , . . . , d(ϕ(i) ◦ ϕ( j)−1 )(ϕ( j)(x))ed =
|
{z
}
=∆
det d(ϕ(i) ◦ ϕ( j)−1 )(ϕ( j)(x)) > 0.
Also ist ω ∂ϕ(∂j)1 | x , . . . , ∂ϕ(∂j)d | x = (ϕ(i)−1 )∗ ωϕ(i),x(i) (ϕ(i)(x)) als endliche Summe
positiver Summanden positiv und damit nicht Null.
❑
3.6.5 Lemma. Sei M eine orientierbare d-dimensionale C ∞ -Mannigfaltigkeit, sei N
eine Untermannigfaltigkeit von M mit Dimension dim M − 1 und sei Ψ : N → P(T M)
eine Funktion derart, dass Ψ(x) immer ein eindimensionaler zu dι x T x N komplimentärer
Unterraum von T x M ist und dass diese Abbildung C ∞ ist, was bedeutet, dass für jedes
x ∈ N auf einer gewissen Umgebung U ⊆ N von x in U
Ψ(x) = span{YU (x)}
für eine C ∞ -Funktion YU : U → T M mit π ◦ YU = idU , vgl. Definition 2.5.3.
Dann ist N genau dann orientierbar, wenn es eine C ∞ -Funktion Y : N → T M mit
π ◦ Y = idN gibt, sodass Ψ(x) = span{Y(x)} für alle x ∈ N.
ω
eine Orientierung auf M.
Beweis. Sei ε = |ω|
Gibt es eine Funktion Y : M → T M mit den erwähnten Eigenschaften, so liegt
̟(x) : (Z1 , . . . , Zd−1 ) 7→ ω(x)(Y(x), T xιZ1 , . . . , T x ιZd−1 ) in Ad−1 (T x N). Außerdem zeigt
man unschwer ähnlich wie in (3.13), dass
x 7→ ω(x)(Y(x), T x ιZ1 (x), . . . , T x ιZd−1 (x)), x ∈ N,
für alle Z1 , . . . , Zd−1 ∈ X(N) eine C ∞ -Funktion ist. Es folgt ̟ ∈ Ωd−1 (N), wobei ̟(x) ,
0 für alle x ∈ N.
Sei umgekehrt ̟ ∈ Ωd−1 (N) nirgends verschwindend. Wir definieren 0 , Y(x) ∈
Ψ(x) derart, dass
ω(x)(Y(x), T x ιZ1 , . . . , T x ιZd−1 ) = ̟(x)(Z1 , . . . , Zd−1 ),
3.6. ERGÄNZENDES ZU ORIENTIERBAREN MANNIGFALTIGKEITEN
75
für alle Z1 , . . . , Zd−1 ∈ T x N. Das ist möglich, da links für jedes 0 , Y(x) ∈ Ψ(x)
ein nichtverschwindendes Element von Ad−1 (T x N) steht, und da Ad−1 (T x N) ja nur
eindimensional ist.
Ist x ∈ N und U ∋ x so klein, dass es eine Funktion YU gibt, und sodass für gewisse
Z1 , . . . , Zd−1 ∈ X(N) diese auf U punktweise linear unabhängig sind, so muss
Y(y) =
̟(y)(Z1 (y), . . . , Zd−1 (y))
· YU (y),
ω(y)(YU (y), T yι Z1 (y), . . . , T y ι Zd−1 (y))
womit Y(y) auf U und in folge auf ganz N eine C ∞ -Funktion ist.
❑
3.6.6 Beispiel. Sei M eine (d − 1)-dimensionale Untermannigfaltigkeit von Rd . Ist ϕ
eine Karte auf M, so ist
nϕ (x) :=
1
· ×d(ι M ◦ ϕ−1 )(ϕ(x))
k × d(ι M ◦ ϕ−1 )(ϕ(x))k
ein auf den klassischen Tangentialraum d(ι M ◦ ϕ−1 )(ϕ(x))(Rd−1 ) von M in x normal
stehender Vektor in Rd . Wegen (vgl. (1.4))
d(ι M ◦ ϕ−1 )(ϕ(x))(Rd−1 ) = t x idRd T x ι M T x M
ist x 7→ t x idRd −1 nϕ (x) eine C ∞ -Funktion auf Uϕ mit Werten in T x Rd , sodass
span{t x idRd −1 nϕ (x)} = t x idRd −1 d(ι M ◦ ϕ−1 )(ϕ(x))(Rd−1 )⊥ =: Ψ(x).
Aus Lemma 3.6.5 erkennen wir, dass M genau dann orientierbar ist, wenn es eine
auf ganz M definierte C ∞ -Funktion ν : M → T M mit ν(x) ∈ T x M gibt, sodass 0 ,
t x idRd ν(x)⊥t x idRd T x ι M T x M. Da Normieren ein C ∞ -Vorgang ist, sehen wir, dass das
äquivalent dazu ist, dass es eine C ∞ -Normalenfunktion auf M gibt.
76
KAPITEL 3. DIFFERENTIALFORMEN
Literaturverzeichnis
[C] L.Conlon: Differentiable Manifolds, 2.Auflage, Birkhäuser Verlag 2001.
[D] Ph.Dörsek: Differentialformen mit Anwendungen, Skriptum zum Vorlesung von
Prof. Schnabl 2005, fsmat.htu.tuwien.ac.at/ pdoersek/getfile.php/diffformen.pdf.
[J]
K.Jänich: Vektor Analysis, Springer Verlag 2001.
[K] A.Kriegl: Differentialgeometrie, Skriptum, www.mat.univie.ac.at/ kriegl/Skripten/diffgeom.pdf.
[M] P.Michor: Foundations of Differential Geometry, .
[Wal] J.Wallner:
Differentialgeometrie,
www.geometrie.tugraz.at/wallner/diffg.pdf.
Skriptum,
[War] F.Warner: Foundations of Differentiable Manifolds and Lie Groups, Springer
Verlag 1983.
77
Index
GL(n, R), 9
S L(n, R), 21
sgn(σ), 47
k-Form, 47
alternierende, 47
Sk , 47
gl, 29
äquivalent, 1
Integralmannigfaltigkeit, 44
involutiv, 44
Jakobi-Identität, 26
Karte, 1
positiv orientierte, 72
Karten
gleich orientierte, 64
Kettenregel, 11
Kurve
Integral-, 31
maximale Integral-, 31
Abbildung
multiplineare, 47
Transponierte, 49
Ableitung, 10
Cartansche, 62
Algebra
äußere, 54
Atlas, 1
orientierter, 64
Lie-Ableitung, 38
Lie-Klammer, 26
Liegruppe, 6
Lindelöf, 3
Mannigfaltigkeit, 2
orientierbare, 64
Produkt-, 4
messbare, 65
Bündelprojektion, 12
Cartansche Ableitung, 62
Determinante der Abbildung A, 50
Diffeomorphismus, 4
Differentialform, 59
Differentialformen auf Rd , 54
Distribution, 44
Orientierung, 72
positiv orientiert, 72
Produktregel, 25
Rangsatz, 18
entgegengesetzt orientiert, 63
Satz
Fixpunktsatz von Brouwer, 71
Flächen, 2
Flüsse
kommutierende, 39
Fluss
globaler, 36
lokaler, 33
über die Inverse Funktion, 17
Satz von Frobenius, 44
Satz von Picard-Lindelöf, 31
Schiefsymmetrie, 26
stetig differenzierbare Abbildung, 4
gleich orientiert, 63
Tangentialraum, 8, 12
Teilmannigfaltigkeit, 15
berandete, 67
Hackprodukt, 51
Untermannigfaltigkeit, 15
78
INDEX
Vektorfeld, 23
linksinvariantes, 29
Vektorfelder
h-verwandte, 28
Zerlegung der Eins, 6
79
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