1 Feministisches Grundstudium V Lehrgang universitären Charakters 6. Diplomlehrgang Jänner 2006 bis Dezember 2007 Dekonstruktivismus. Postmoderner Mythos oder Chance für einen erneuerten politischen Feminismus? Margarete Purkarth Erstbegutachtung: Univ. Prof. Drin. Birgit Sauer Zweitbegutachtung: Drin. Ursula Kubes-Hofmann Abgabetermin: 15. Oktober 2007 Rosa Mayreder College, Wien Bundesinstitut für Erwachsenenbildung, Strobl/OÖ VHS-Ottakring, Wien 2 1. Einleitung 3 1.1 Fragestellung 3 1.2 Vorgangsweise und Methode 6 2. Trying to define postmodernism is like hunting the dodo 7 2.1 Poststrukturalismus 8 2.2 Dekonstruktion 10 2.3 Kritische Theorie 13 3. Judith Butler, eine feministische Theoretikerin? 15 3.1. Die Macht der Worte – die Sprache der Macht 15 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 Das postsouveräne Subjekt – handlungsfähig oder ohnmächtig? Ich bin... ...eine Frau? Wir Frauen... 23 23 29 32 3.3 Geschlecht– als analytische Kategorie obsolet? 35 3.4 Natur/Kultur – die sex/gender Debatte 38 3.5 Der Priesterinnenbetrug 42 4. Dekonstruktivismus und feministische politische Praxis 46 5. Fazit 50 6. Schlussbemerkungen 52 7. Literatur 54 3 1. Einleitung 1.1 Fragestellung Ich „glaube an die Möglichkeit einer gewaltfreien, lebendigen, vielfältigen, demokratischen Gesellschaft von Frauen und Männern, die sich als Freie und Gleiche begegnen und anerkennen.“1 Zweifellos haben feministische Theorie und Praxis in den letzten 30 Jahren leidenschaftlich, nachhaltig und nicht erfolglos an einer gerechteren Welt gearbeitet. Und doch befinden sie sich in der paradoxen Situation, dass ihr Erfolg gleichzeitig ihr Ende sein könnte, gefallen sich doch viele Männer und auch Frauen darin, wegen der erfolgreichen Etablierung von Frauenbeauftragten, Frauenförderplänen, Frauenministerien und Frauen- forschungszentren, Quotenregelungen, Gender Studies, etc die Frauenfrage für erledigt zu erklären. Dabei vergessen sie gerne, dass die heutige Welt für viele Frauen noch immer sexualisierte Gewalt, ausbeuterische Arbeitsverhältnisse, internationalen Frauenhandel, strukturelle Diskriminierung, Genital- verstümmelung und vieles mehr bedeutet. Zusätzlich zur längst nicht erledigten Frauenfrage entstehen angesichts der kapitalistischen Gesellschaft mit ihrer zunehmend neoliberalen Ideologie2, die rasant zu einer neuen Weltideologie zu werden droht, neue Formen der Ungerechtigkeit und Ungleichheit: „Auch der neoliberale Staat ist geschlechtsspezifisch selektiv. Er privilegiert die Interessen ressourcenstarker, internationalisierter Eliten in Ökonomie und Politik – nach wie vor mehrheitlich Männer und vernachlässigt die Interessen nicht weltmarktgängiger Bevölkerungsgruppen, zu deren mehrheitlich Frauen zu rechnen sind.“3 Die alten Ungleichheiten entlang der Geschlechterlinie sind noch lange nicht beseitigt. Es ist unmöglich zu ignorieren, dass „die Tiefenstrukturen der Unterdrückung,“4 wie Holland-Cunz die „Veränderungsresistenz patriarchaler Herrschaft“5 bezeichnet, sich trotz vieler Jahre feministischer Anstrengungen nicht oder nur marginal verändert haben. Täglich finden Bilder von Gewalt, Zerstörung, Ausbeutung und Unterdrückung ihren Weg in unser Alltagsleben und 1 Holland-Cunz, 2003a: 247 Nach Adorno und Horkheimer (1956: 175) sind Ideologien Versuche, die gesellschaftliche Realität zugleich zu erklären und zu rechtfertigen – in diesem Sinn bezeichne ich den Neoliberalismus als Ideologie, weil er nicht nur eine Wirtschaftstheorie darstellt, sondern meiner Ansicht nach auch eine Art Glaubensbekenntnis ist. 3 Sauer, 2000: 32 4 Holland-Cunz, 2003a: 160 5 ebenda: 248 2 4 einmal mehr wächst „im roten Licht des Zorns“6 die Überzeugung, dass Feminismus als Gesellschafts- und Herrschaftskritik notweniger ist denn je. Leider wirkt der Feminismus, gesellschaftliche der einst mit dem Ziel, durch individuelle Emanzipation jeder einzelnen Frau eine Wandlung und der Gesellschaft insgesamt zu bewirken, angetreten war, schon seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als „hoffnungslos veraltet“7, obwohl „die widersprüchliche Gleichzeitigkeit von Integration und Ausgrenzung, von Partizipation und Segregation, von Differenzierung und Hierarchisierung, von Anerkennung und Diskriminierung in der Vergesellschaftung von Frauen historisch keine Überlebsel des Vergangenen sind, sondern moderne Phänomene, die auch in der neuen Epoche und trotz neuer Epochenkonstruktionen nicht außer Kraft gesetzt sind.“8 Das Selbstverständnis feministischer Politik gerät nachhaltig ins Wanken, als sich „feminists of colour“ ebenso wie Frauen aus den ehemals sozialistischen Ländern und Lesbierinnen Emanzipation und im feministischen Befreiung der Verständnis weißen westlichen von Unterdrückung, Frauen nicht mehr wiederfinden. So wird es unmöglich an Vorstellungen fest zu halten, die von „der Frau“ oder von „allen Frauen“ ausgehen und ein großes Gemeinsames postulieren wollen. Eine internationale Diskussion um grundlegende, ja existentielle Fragen über die Legitimität feministischer Theorie und Praxis folgt, gleichzeitig driften die einander misstrauenden Schwestern, nämlich die Frauenforschung und die Frauenbewegung, feministische immer mehr auseinander. Wissensproduktion Wissenschaftsbetrieb, der Die akademisch professionalisiert gegenüber den sich Einschätzungen gewordene in einem der frühen Frauenforschung nichts an Androzentrik und Herrschaftsförmigkeit verloren hat. Die Frauenbewegung muss sich den Vorwurf gefallen lassen, durch das Festhalten an den üblichen festzuschreiben, Geschlechterkategorien, affirmative Politik zu Geschlechterdifferenz betreiben und den erneut anwachsenden Diskrepanzen zwischen Politik und Lebensinteressen der Menschen in einem sich transformierenden Wirtschaftssystem immer hilfloser gegenüber zu stehen. Auch die Frauenbewegung ist wieder und dringlich gefordert: „Stellung zu nehmen zu einer Gesellschaft, die sich in gewaltigem Umbruch befindet und deren soziale Integrationsmechanismen versagen; zu einer Politik, die keine Antworten 6 7 8 Woolf,1981: 131 Knapp, Wetterer, 2002: 8 ebenda 2002: 9 5 mehr auf die sozialen und menschlichen Fragen weiß; die keine Kommunikationsbrücken 9 zu den verschiedenartigsten Bevölkerungen findet.“ Und dies in einer Zeit, in der die „Ablösung der alten sozialdemokratischen Wohlfahrtsgesellschaft vollzogen wird. durch eine neue Unsicherheitsgesellschaft“10 längst In diesem Spannungsfeld betritt 1991 Judith Butler mit ihrem Buch „Das Unbehagen der Geschlechter“ die Bühne der feministischen Theorie. Butler ist Sprachphilosophin und lehrt als Professorin für Rhetorik und Literaturwissenschaft an der Universität von Californien in Berkeley. Butler gilt als die Begründerin der Queer Theory11 und steht für den „linguistic turn“ in der Frauen- und Geschlechterforschung. Das Werk von Judith Butler weist eine Vielzahl von disziplinären interdisziplinäre Subjekttheorie, und theoretischen Auseinandersetzung feministische mit Theorie den als Strängen auf Kernthemen kritische und ist als Diskurstheorie, Analyse der Geschlechterdifferenz und damit verbundenen Fragen der Materialität, des Körpers und der Sexualität und schließlich politischen Fragestellungen zu verstehen. „Das Unbehagen der Geschlechter“ löst prompte und äußerst polarisierende Reaktionen nicht nur in der feministischen Öffentlichkeit aus. Die Rezeption schwankt im deutschsprachigen Raum zwischen Euphorie und Ablehnung, führt aber in jedem Fall zu einer breiten Debatte, die teilweise sehr emotional und unsachlich geführt wird. Butler tritt in die Theoriediskussion ein, indem sie das Selbstverständnis der traditionellen feministischen Theorie in Frage stellt und feministische Theorie als Ganzes kritisiert. Sie entlarvt die Kategorie und Klassifikationseinheit ‚Geschlecht’ als kulturelle Konstruktion, als einen diskursiven konterkariert Effekt und von Macht- demontiert und Herrschaftsakten, werden muss. die dekonstruiert, Geschlecht- und Geschlechterdifferenz verdrängt sie aus dem zentralen Fokus – um die Gewohnheit klassifizierenden Denkens ins Zentrum ihrer Kritik zu rücken, das sie als Ausdruck des Herrschaftsaktes zu codiert. Sie nimmt die binäre Verfasstheit unserer Gesellschaft ins Visier, deckt die Heterosexualität als Zwangsprinzip der Gesellschaftsordnung auf und zieht in der Folge die Grenzlinien im Verhältnis 9 Thürmer-Rohr, 2006: 23 10 Thürmer-Rohr, 2006: 20 11Hark 2004: 106, Queer Theorie bezeichnet einen interdisziplinären Korpus von Wissen, der Geschlecht(skörper) und Sexualität als Instrumente und zugleich als „Effekte bestimmter moderner Bezeichnungs- Regulierungs- und Normalisierungsverfahren“ (Hark, 1993: 104) begreift. 6 zwischen Natur und Kultur neu, indem sie die analytische Trennung von Sex und Gender in Gender auflöst. Ihre Kritikerinnen werfen ihr vor, den Feminismus als politische Theorie und Praxis obsolet zu machen. Inzwischen ist die Rezeption von Butler einer sachlicheren argumentativen Auseinandersetzung gewichen; verschiedene Ideen wurden in die feministische Theorie aufgenommen, andere kritisiert und transformiert bzw. verworfen. Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht die Frage nach den Implikationen der dekonstruktivistischen feministischen Theorie von Judith Butler für die politischen Handlungsmöglichkeiten12 von Individuen, auf Formen des Widerstandes13 im Sinn einer feministischen politischen Praxis, die das emanzipatorische Streben nach Selbstbestimmung und politischer Selbstvertretung durch die Transformation von Herrschaftsverhältnissen, auf dem Weg zu einer gerechteren Gesellschaft erneut zu ihrem Ziel macht. Bietet der dekonstruktivistische Feminismus befriedigende Antworten, mit Hilfe derer die gesellschaftlichen und politischen Transformations- und Globalisierungsprozesse14 in ihrer Wechselwirkung mit staatlichen Institutionen und in Bezug einerseits auf Partizipationschancen von Frauen, andererseits auf ihre Auswirkungen auf die konkreten Lebenszusammenhänge von Frauen kritisch erklärt werden können? Gelingt es der dekonstruktivistischen Theorie als Grundlage und Erklärungsrahmen Eingang zu finden in eine erneuerte feministische Theorie und Praxis? 1.2 Vorgangsweise und Methode Die Arbeit beginnt mit einer Darstellung der einzelnen theoretischen Strömungen, denen Judith Butler im Feld der postmodernen Theorien angehört, beschreibt und definiert dann den theoretischen Referenzrahmen meiner Arbeit, nämlich die ältere Kritische Theorie der Hannoveraner Schule. Nach der Vorstellung des diskurstheoretischen und sprachphilosophischen Rahmens in Kapitel 3.1. werde ich den zentralen Thesen von Judith Butler nachgehen und in Kapitel 3.2. ihr Konzept von Subjektkonstitution vorstellen. Das Kapitel 3.3. geht der Frage nach 12 Unter politischer Handlungsmöglichkeit verstehe ich die Fähigkeit und die Macht eines Individuums oder einer Gruppe, wirksam in die gesellschaftlichen Verhältnisse einzugreifen und diese zu gestalten bzw. zu verändern. 13 Widerstand ist Denken und Handeln gegen Herrschaft 14 Vgl..Mahnkopf, 2003: 11 ff 7 ob die analytische Kategorie Geschlecht als kritisches Analyseprinzip tatsächlich obsolet geworden ist. Im Kapitel 3.4 problematisiere ich das Verhältnis von Natur und Kultur in der Diktion von Judith Butler. Kapitel 3.5. untersucht das Politikverständnis von Judith Butler und ist ihrem Konzept von Politik als Parodie und Subversion gewidmet. Dekonstruktivismus Kapitel fruchtbar 4 gemacht geht werden der Frage kann für nach eine ob der erneuerte feministische Praxis: Kann der Dekonstruktivismus einerseits zur Klärung des schwierigen Verhältnisses zwischen feministischer Wissenschaft und feministischer Praxis beitragen und bietet der Dekonstruktivismus andererseits eine theoretische Basis für die Herausbildung von Netzwerken und Bündnissen, deren zentrale Handlungs- und Forschungsperspektive der Kampf gegen Herrschaft, gegen Diskriminierung, für Demokratie und Emanzipation, darstellt. Das Kapitel 5 zieht ein Resümee über die Fragestellung. 2. „Trying to define postmodernism is like hunting the dodo“ 15 Das Feld der theoretischen Ansätze, die unter dem Label Postmoderne zusammengefasst werden, ist heterogen, dynamisch und nicht selten widersprüchlich, sodass jeder Definitionsversuch unzureichend bleibt. „Postmodernismus ist eine vielstimmige Auseinandersetzung ob und wie das Projekt der Moderne in Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft fortzusetzen sei und wie in diesem Zusammenhang die gegenwärtige Gesellschaftsentwicklung einzuschätzen ist.“16 Gemeinsam ist den verschiedenen postmodernen Positionen, die von diskurs- und sprachtheoretischen bis hin zu konstruktivistischen Ansätzen reichen, die Überzeugung, dass die gegenwärtigen westlichen Gesellschaften einen Transformationsprozess durchlaufen, der einschneidende Auswirkungen auf die Form der Sozialintegration, auf Subjektivität, auf Wissensproduktion und auf die politische Verfassung hat oder haben kann. Drei Grundgedanken postmodernen Denkens17 lassen sich festmachen: ß Es zeichnet sich vor allem durch Kritik an der universalisierenden Deutung von Geschichte oder Gesellschaft aus: Fortschritt, Rationalität, Vernunft, usw. 15 Doherty/Graham/Mlek, 1992, zit. nach Knapp, 1998: 30 16 Knapp, 1998: 27 17 Vgl. Villa, 2004: 235 8 werden als homogenisierende Abstraktionen betrachtet, die die tatsächliche Vielfalt und Widersprüchlichkeit sozial-historischer Logiken unberücksichtigt lassen. Angesichts realer Ungleichheit und Unterdrückung innerhalb demokratischer Gesellschaften, die formal auf Gleichheit beruhen, wird der normative Gehalt scheinbar neutraler, allgemeingültiger Kategorien wie Gleichheit oder Gerechtigkeit als partiell entlarvt. Jede Kategorie ist Kontext bezogen und damit situiert. ß Das Subjekt wird als ontologische Größe abgelehnt, denn auch das Subjekt ist radikal situiert und besitzt als Identität keine wesenhafte Essenz, sondern konstituiert sich in wechselnden Beziehungen zwischen Kontexten und deren individueller Aneignung und Gestaltung. Sie sind also prozesshaft und instabil, frau kann also nicht von EINEM oder DEM Subjekt sprechen. ß Normative Letztbegründungen, besonders in Hinsicht auf Politik werden abgelehnt. Was emanzipatorisch, befreiend, entfremdend oder Macht stabilisierend ist lässt sich nicht eindeutig festlegen und ein für alle mal sagen. Politische Strategien können kritisch oder affirmativ sein, abhängig von den jeweiligen Kontexten, denn es gibt keinen Ort außerhalb der Macht. Postmoderne Perspektiven bevorzugen eine situierte, Kontext gebundene relative und historisch kontingente Verortung des Denkens. Postmodernes Denken wirkt sich somit auch unmittelbar auf den Stellenwert und den Wahrheitsgehalt von Wissenschaften aus: Nicht Erkenntnis und Wahrheit sind verbündet, sondern Wissen und Macht. Jede wissenschaftliche Erkenntnis ist eine Konstruktion, die prinzipiell mit Macht und nicht mit Wahrheit verbunden ist. Alle Wissensansprüche sind lokal und perspektivisch beschränkt, kontingent und instabil, ambivalent und bestreitbar. 2.1. Poststrukturalismus Zu den poststrukturalistischen Perspektiven zählen heterogene Positionen, wie z. B. das Denken der Differenz bei Derrida, die Diskurstheorie von Foucault, die Psychoanalyse bei Lacan, die Ordnung der Simulakren von Baudrillard, sowie feministische Ansätze von Kristeva und Irigary18 – allen ist gemeinsam, dass 18 Auswahl der Beispiele nach Villa, 2004: 237 f 9 Sprache und symbolische Ordnung der Ort der Konstitution von Wirklichkeit sind. Die Realität wird vor allem durch Ausschlüsse konstituiert. Das, was intelligibel19 ist, wird durch die Verwerfung dessen, was nicht intelligibel ist, geschaffen, auch Subjekte. In der poststrukturalistischen Perspektive bleiben die Aspekte sozialer, ökonomischer und politischer Ungleichheit ausgeblendet. Auch fehlen die entsprechenden empirischen Analysen zur materiellen Wirklichkeit, zum Beispiel von Geschlechterverhältnissen, was die politische Wirksamkeit postmoderner Theorien wesentlich einschränkt.20 Mit poststrukturalistischen Ansätzen lassen sich die für den Feminismus wichtigen Fragen nach der Vermitteltheit von Klassenverhältnissen oder ethnisch und rassistisch begründeten Formen der Ungleichheit oder Ausgrenzung nicht befriedigend analysieren. Eine Erweiterung des Horizonts feministischer Theorie von den derzeitigen mikrosoziologischen, sprach- und kulturtheoretischen Ansätzen um eine makrotheoretische Perspektive, um die großen gesellschaftlichen Entwicklungen in Zeiten der neoliberalen Transformationsprozesse auch im Bezug auf ihre Auswirkungen auf das Geschlechterverhältnis analysieren zu können, ist dringend erforderlich. Zunächst aber kommt es im Feld der feministischen Theoriediskussion im Zeichen der Postmoderne zu einer Verschiebung der Akzente, von der Analyse der Verhältnisse zwischen Geschlechtern und der Differenz zwischen den Genusgruppen als zentraler Fokus von Kritik patriarchaler Herrschaft hin zu einer Diskussion, deren Betonung auf den Unterschieden zwischen den Frauen liegt.21 Diese Akzentverschiebung weg von den identitätspolitisch fundierten Aussagen führt zu einer Problematisierung der Fundamente des Feminismus. Frauenforschung und feministische Theorie werden mit ihren eigenen blinden Flecken konfrontiert, die vor allem durch unzulässige Generalisierungen als WIR FRAUEN und die Unterschlagung von Differenz und Unterdrückung innerhalb der Genusgruppe Frauen entstehen. Die Frage nach den konstitutiven Ausschlüssen, die der eigene feministische Diskurs produziert, gewinnt an Wichtigkeit. Die Hinwendung auf Sprache, Diskurs und Wissen, führt zu einem einschneidenden 19 20 21 intelligibel = nur gedanklich, nicht sinnlich wahrnehmbar und begreifbar vergl. Villa, 2004: 234-238 vergl. Knapp, 1998: 63 10 Wechsel der Analyseebenen: Der Gesellschaftsbegriff wird weitgehend ersetzt durch den Kulturbegriff oder durch Begrifflichkeiten der Wissenssoziologie.22 2.2. Dekonstruktion Dekonstruktion bezeichnet im Anschluss an Derrida23 Argumentationen, die sich vor allem in der Sprach- und Literaturwissenschaft gegenüber hermeneutischen Verfahren abgrenzen und als spezielle Lektüreverfahren, nach textimmanenten Differenzen und deren produktiver Kraft für die Schaffung von Sinn suchen. Konstitutiv für den formulierten Sinn ist demnach auch das was nicht gesagt wird. „Dekonstruktion meint nicht verneinen oder abtun, sondern in Frage stellen(...).“24 Infragestellen bedeutet nicht Abschaffung von Voraussetzungen, „also nicht den Gebrauch eines Begriffs zensieren, sondern ihn im Gegenteil in eine Zukunft vielfältiger Bedeutungen entlassen, ihn von den maternalen oder rassischen Ontologien befreien und ihm freies Spiel geben als einem Schauplatz, an dem bislang unvorhergesehene Bedeutungen zum Tragen kommen.“25 Butler legt ihr Augenmerk auf die Konstruktion der scheinbaren Ontologie des Geschlechts. Ort und Modus der Konstruktion von Geschlecht sind bei ihr Diskurs, Sprache und diskursive symbolische Ordnungen. Die kritische Rezeption im deutschsprachigen Raum bezieht sich im wesentlichen auf zwei Theoriepositionen Butlers: ihre Infragestellung zentraler Kategorien des Feminismus – Subjekt, Körper, Identität und somit Geschlecht als zentrale feministische Kategorie und die Möglichkeiten und Ausrichtungen feministischer Politik. In einer „Genealogie der Geschlechterontologie“ untersucht sie, wie „bestimmte kulturelle Konfigurationen der Geschlechteridentität die Stelle des Wirklichen eingenommen haben und durch diese geglückte Selbst-Naturalisierung ihre Hegemonie festigen und ausdehnen.“26 Butler analysiert die diskursive Erzeugung von Naturhaftigkeit, die sich vor allem bei eindeutigen und gegebenen Geschlechteridentitäten, bei stabilen sexuellen 22 Wissenssoziologie (engl. sociology of knowledge) heißt die Lehre von den sozialen Prozessen, die unsere Erkenntnis und unser Verständnis der Wirklichkeit beeinflussen. 23 Französischer Philosoph, 1930-2004, Veröffentlichungen, unter anderem z. B. „Grammatologie“, 1983, Suhrkamp; „Die Schrift und die Differenz“, 1976, Suhrkamp 24 Butler, 1993a: 48 25 ebenda: 50 26 Butler, 1991: 60 11 Orientierungen und auf das identitätslogische Subjekt bzw. auf die Materialität von Körpern bezieht. Ihre Ansätze sind weder empirisch noch historisch, sie sind ausschließlich begriffsanalytisch, also theorieimmanent; eine gegenstands- bezogene Untersuchung kultureller oder sozialer Mechanismen der Konstruktion bleibt aus. Dekonstruktive Arbeit besteht zuerst aus der Suche nach dem, was innerhalb eines Systems von diesem nicht erfasst werden kann, weil es gleichsam als Ausschluss in der Struktur nicht zu begreifen ist, aber trotzdem und deswegen für das System selbst konstitutiven Charakter hat. Es gilt die Logik totalisierender Gesten zu analysieren und die in den Texten angelegten Aporien aufzudecken. Der zu analysierende Text wird dabei nicht mit einer These konfrontiert, sondern gleichsam mit Hilfe des Textes selbst gelesen und umgearbeitet. Die dekonstruktive Arbeit unterscheidet sich insofern von einem kritischen Vorgehen, als der Sicherheit jeder Entscheidung und damit der Konformität von Wertungen, Misstrauen entgegengebracht wird. Das zentrale Anliegen dekonstruktivistischer Ansätze liegt nicht darin, alternative Theoriemodelle oder emphatische Auswege aus festgelegten Denksituationen auszuarbeiten, sondern lässt sich als vielfältige Beschreibungsversuche lesen, mit welchen ausgewählte Themenfelder immer neu bearbeitet werden, um sie von Besetzungsvorgängen freizuhalten. Die Verwendung dekonstruktiver Analysen für die feministische Theorie stellt insofern ein Risiko dar, als die Reflexion auf die eigenen Aussagebedingungen (Diskurse werden durch Ausschlüsse konstituiert) damit intensiviert wird. Judith Butler richtet ihr Augenmerk mit Absicht auf die konstitutiven Ausschlüsse, auf welchen die feministischen Diskurse selbst basieren; es geht ihr nicht primär um die Abschaffung begrifflicher Grundlagen, sondern darum zu untersuchen, was den theoretischen Diskurs autorisiert, der die Grundannahmen bereitstellt. Hegemoniale Strukturen und deren entsprechende gesetzlich verankerte Legitimationen werden befragt. Butler analysiert die Reproduktion der Geschlechterverhältnisse in einer Weise, die nicht an der Reifizierung zweigeschlechtlicher Deutungsmuster scheitert, indem die fortwährende Aus- differenzierung und Re-Formulierung der Hierarchien zwischen den beiden Geschlechtern im Analyseprozess selbst mitreflektiert wird. Butler grenzt sich damit in entscheidenden Punkten vom traditionellen Denken der Geschlechterverhältnisse in Differenz- Gleichheits- und radikaltheoretischen Ansätzen ab. 12 Gleichheitstheorien, die sich auf eine humanistische, aufklärerische, im weitesten Sinn liberale Tradition berufen, insistieren auf eine prinzipielle Gleichheit der beiden Geschlechter auf Grundlage der gemeinsamen Zugehörigkeit zu einer menschlichen Natur, die kein Geschlecht hat. Die Geschlechterdifferenz wird primär als Resultat gesellschaftlicher Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen interpretiert. Die Idealvorstellung von sich in ihrer Differenz gleichwertig gegenüberstehenden Geschlechtern basiert allerdings auf einer klaren Ausrichtung am männlichen Subjektideal und seinen historisch und kulturell gefestigten Fähigkeiten und Verfügungsgewalten, an dessen universalisierter Persönlichkeitsnorm sich die liberalen Individuen orientieren.27 In den Differenzansätzen wird eine grundsätzliche Aufwertung der Andersheit eines weiblichen Prinzips gegenüber einem männlichen vorgenommen. Essentielle Weiblichkeit Authentizität stellt hierbei verbürgen einen soll selbstevidenten und besonders Erfahrungswert für die dar, der Subjekt- und Identitätskonstituierung fundierende Funktion hat. Ausgangspunkt einer so idealisierten Weiblichkeit bleibt allerdings eine asymmetrisch angeordnete Opposition männlich/weiblich, als androzentrisches Dominanzmuster.28 Beiden Theorien ist gemein, dass sie von der realen unproblematischen Existenz weiblicher und männlicher Körper und einer diese Körper tragenden und bestimmenden geschlechtlichen Identität ausgehen. Damit unterstellen diese Geschlechtermodelle gleichermaßen und ganz zentral, dass es nur zwei geschlechtlich bestimmte Identitäten geben kann. Die damit verbundene Heterosexualität als zwanghaftes, naturalisiertes Prinzip der gesellschaftlichen Ordnung wird nicht in Frage gestellt. Butler legt das Hauptaugenmerk ihrer Untersuchungen auf die Bedeutung und Konstruktion von Geschlecht vor dem Hintergrund jeweiliger Diskurs- und im Kontext unterschiedlicher - Machtverhältnisse und normativer Idealisierungen. Zur Methode Butlers lässt sich festhalten, dass sie diejenigen Diskurse, die sie bearbeitet, oftmalig performativ durchquert und kritisiert. Da es im Dekonstruktivismus keine Position außerhalb des Diskurses bzw. der Macht gibt, befindet sich auch die Kritikerin innerhalb des zu kritisierenden Diskurses und 27 28 Vgl. Thürmer-Rohr, 1995: 88 ff Vgl. ebenda: 88 ff 13 kann nur mit den Funktionen innerhalb der Macht dieselben bearbeiten. In einem Gespräch mit Hannelore Bublitz definiert Butler ihr Verständnis von Theorie und Vorgangsweise: „Theorien sind Quellen und Bedingungen des Handelns(...). Theorie muss sich in kritische Positionen hineinbegeben, in sie eintauchen. Und sie muss ihrerseits auch von ihnen durchdrungen sein (...).“29 2.3. Kritische Theorie Ich habe die Ältere Kritische Theorie der Hannoveraner Schule als Referenzrahmen für meine kritische Auseinandersetzung mit dem Butler’schen Dekonstruktivismus gewählt, weil sie unter anderem eine Gesellschaftstheorie ist und ich überzeugt bin, dass der Feminismus weder in Forschung noch in Praxis auf eine gesellschaftstheoretische Perspektive der Verfasstheit von Geschlechterverhältnissen verzichten kann. Das Ziel feministischer Theorie und Praxis ist einerseits sehr wohl die Veränderung der Lebenssituationen und gesellschaftlichen Positionierung von Frauen, aber auch die Veränderung von politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Strukturen und Prozessen, die die Diskriminierung von Frauen hervorbringen. Eine geschlechtergerechte Teilhabe an gesellschaftlicher Gestaltung ist meines Erachtens nicht ohne grundlegende Veränderung von Machtverhältnissen zu realisieren, daher ist es für den Feminismus unverzichtbar Ausgrenzungs- und Marginalisierungsprozesse an sich als politisches Anliegen in den Blick zu nehmen. Es waren und sind die feministischen ForscherInnen der Universität Hannover, allen voran Regina Becker-Schmidt, die dies erkannt haben und die Ältere Kritische Theorie für die feministischen Fragestellungen weiterentwickelt und adaptiert haben. Die „Kritische Theorie“ ist eine gesellschafts- kultur- und erkenntniskritische Denkschule, die sich um das 1923 in Frankfurt gegründete Institut für Sozialforschung gebildet hat. Theodor W. Adorno und Max Horkheimer gelten als die begründenden Theoretiker. Als ihre Aufgabe beschreibt die Kritische Theorie einerseits „die großen Veränderungen in den historischen Konstellationen von Individuen, Natur und Gesellschaft zu erhellen und andererseits Kritik selbstreflexiv als geschichtliche Möglichkeit auszuweiten.“30 Kritische Theorie 29 30 Bublitz, 2002: 124; Hannelore Bublitz im Gespräch mit Judith Butler Vgl. Postone, 1999 zit. nach Knapp, 2004: 177 14 bezieht sich auf Karl Marx in ihrer gesellschaftstheoretischen Orientierung, geht aber über die Ökonomie hinaus. Adorno und Horkheimer „konzipieren die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft als herrschaftsförmige Konfiguration, als von Widersprüchen durchzogenen interdependenten Zusammenhang unterschiedlicher Bereiche (Wirtschaft, Staat, Familie, Kultur), als Konstellation von Kräften und Gegenkräften. Um die spannungsreiche Vermittlung von Individuum und Gesellschaft, von innerer und äußerer Vergesellschaftung, in den Blick nehmen zu können, knüpfen sie subjekttheoretisch und sozialpsychologisch an die Freud’sche Psychoanalyse an. Ausgehend von deren konflikttheoretisch-dynamischem Verständnis von Individuation als Effekt kultureller Disziplinierung gehen sie der Frage nach, auf welche Weise und wie weitgehend gesellschaftliche Herrschaft die psychische Verfasstheit der Subjekte bestimmt und welche Formen Subjektivität historisch annimmt.“31 Man unterscheidet heute die Ältere Kritische Theorie, die im wesentlichen auf Adorno zurückgeht und im „historisch-materialistischen Horizont der älteren Kritischen Theorie verbleibt“32 und die Jüngere Kritische Theorie mit ihrem prominentesten Vertreter Jürgen Habermas,33 der zwar Impulse von Adorno aufgenommen hat, aber theoretisch eigene Wege geht. Regina Becker-Schmidt gilt als die pointierteste feministische Vertreterin der Älteren Kritischen Theorie im deutschsprachigen Raum und hat diese im Sinn einer feministischen Anwendungsweise am Sozialwissenschaftlichen Institut der Universität Hannover weiterentwickelt: „Regina Becker-Schmidt geht davon aus, dass sich im Laufe der Gesellschaftsgeschichte ökonomische, militärische, nationale und androkratische Vormachtsansprüche amalgamiert haben. Diese schlagen sich sowohl in der spezifischen strukturellen Verfasstheit als auch in den hierarchischen Relationen zwischen den Teilsystemen nieder. Geschlechterverhältnisse sind in diese Gesellschaftsgeschichte eingebunden als Konstituens und Konstituum zugleich. Der Begriff „Geschlechterverhältnisse“ bezeichnet dabei das Insgesamt an institutionalisierten Regelungen in einem sozialen Gefüge, durch welche die Genusgruppen zueinander relationiert sind und die Prinzipien, denen diese Relationierungen folgen.“34 Die Kritische Theorie geht laut Gudrun-Axeli Knapp der Frage nach der spannungsvollen Konstitution des Individuums als Subjekt und Objekt, von Verhältnissen und Verhalten, von Begehren, Denken, Handeln unter den Bedingungen einer übermächtigen Objektivität nach, denn 31 32 33 34 Knapp, 2004: 177 Negt/Kluge, 1972, 2001 zit. nach Knapp, 2004: 179 Habermas, Jürgen, „Theorie des Kommunikativen Handelns“, 1988, Suhrkamp, zum Nachlesen Knapp, 2004: 182 15 „Konturen gewinnt die soziale Situation des weiblichen Geschlechts erst wenn die Art und Weise untersucht wird, in der die gesellschaftlichen Beziehungen zwischen ihm und dem männlichen Gegenpart in ihrem jeweiligen historisch-kulturellen Kontext geregelt sind.“35 In der diskurstheoretischen Vermitteltheit jedoch werden zwar Subjektkritik und im weitesten Sinn Erkenntniskritik in einem kultur-, sprach- bzw. diskurstheoretischen Rahmen aufeinander bezogen, die gesellschaftsanalytische Dimension bleibt jedoch unterbelichtet. Auf der anderen Seite aber bleiben im Rahmen der älteren Kritischen Theorie „intermediäre Dimensionen wie etwa der Bereich des Symbolischen, Diskurse, Sprache, intersubjektive Praxen der Sinngebung“36 ausgeblendet. 3. Judith Butler als feministische Theoretikerin 3.1. Die Macht der Worte – die Sprache der Macht Judith Butler bezieht sich mit ihrem Anspruch, eine „kritische Genealogie der Geschlechter“ vorzulegen, explizit auf den Wissenschaftshistoriker Michel Foucault. „Diskurs ist nicht bloß gesprochene Wörter, sondern ein Begriff der Bedeutung; nicht bloß, wie es kommt, dass bestimmte Signifikanten bedeuten, was sie nun mal bedeuten, sondern wie bestimmte diskursive Formen Objekte und Subjekte in ihrer Intelligibilität ausdrücken. In diesem Sinne benutze ich das Wort Diskurs nicht in seiner alltagssprachlichen Bedeutung, sondern ich beziehe mich damit auf Foucault. Ein Diskurs stellt nicht einfach vorhandene Praktiken und Beziehungen dar, sondern tritt in ihre Ausdrucksformen ein und ist in diesem Sinn produktiv.“37 In der Praxis entfernt sie sich aber von ihm, indem sie nicht-sprachliche Diskurselemente ausblendet. Die linguistische Wende in der feministischen Theorie besteht im wesentlichen in der Konzentration auf Sprache bzw. Diskurs als Modus der Konstruktion sozialer Wirklichkeit. Sprache ist also nicht nur Abbildung oder Beschreibung bestehender Tatsachen und Dinge, sondern ein System von Bedeutung, welches das, was wir von der Welt wahrnehmen, erzeugt. Diskurse sind produktiv – sie erschaffen das, was sich sinnvoll formulieren lässt und somit ist ihnen Macht immanent. Diskurse sind eine Art Ordnung, die aus einer an sich ungeordneten Welt erkennbare Objekte machen, 35 36 37 Becker-Schmidt,1993: 37 Knapp, 2004: 183 Butler, 1993b: 129 16 auf die sich Menschen sprachlich beziehen können. Die Bedeutungen von Begriffen liegen nicht in den Dingen selber, die sie bezeichnen, sondern werden diskursiv hergestellt. Der Diskurs gibt den Dingen Namen und Bedeutung und nicht umgekehrt – das heißt, dass wir nur erkennen können, wofür wir sprachlich-diskursive Kategorien haben. Diskurse codieren die Welt und damit unsere Denk- und Sprechmuster und haben damit die Eigenschaft, alternative Bedeutungen zunächst fast unmöglich zu machen. Wir denken sozusagen nicht selbst, weil Diskurse unser Denken strukturiert haben, indem sie den Bereich des Denk- und Lebbaren abstecken. Die Konsequenz daraus ist, dass wir als Menschen immer schon in das symbolische System des Diskursiven hineingeboren werden und uns daher nur linguistisch auf die Welt beziehen können, nicht anders. Jeder unserer Blicke auf die Welt ist diskursiv gerahmt und trägt eine spezifische Brille, die durch den historischen Zeitpunkt und den soziokulturellen und politischen Kontext bestimmt ist. Niemand kann zu einem gegebenen Zeitpunkt außerhalb der herrschenden Diskurse stehen: „Es ist unmöglich (...), außerhalb der diskursiven Gepflogenheiten zu stehen, durch die wir konstituiert sind.“ 39 „Regime der Zwangsdiskursivität.“ 38 Deshalb leben wir in einem Diskurse treten zu konkreten gesell- schaftlichen und historischen Zeitpunkten immer im Plural auf, sind nie widerspruchsfrei und untereinander verschieden mächtig. Butler bedient sich der Sprechakttheorie von J. L. Austin um die Mächtigkeit und mithin die Produktivität von Diskursen zu erläutern. Bestimmte Sprechakte haben Handlungscharakter, das heißt sie führen eine Handlung aus. Diese performativen Sprechakte sind Formen der Rede, die das was sie besagen, dadurch dass etwas gesagt wird, produzieren. „Eine performative Handlung ist eine solche, die das, was sie benennt, hervorruft oder in Szene setzt und so die konstitutive oder produktive Macht der Rede unterstreicht.“40 Voraussetzung dafür, dass die sprachliche Handlung auch vollzogen wird ist, dass der Sprechakt legitim ist. Zum Beispiel kann nur eine Richterin ein Rechtsurteil 38 39 40 Butler, 1993b: 126 Butler, 2006: 213 Butler, 1993b: 123f 17 sprechen, das als Wort zugleich die Tat ist und aus einem Angeklagten einen Verurteilten macht. „Die Äußerungen sind nicht bloß konventional, sondern, in Austins eigenen Worten, rituell oder zeremoniell. Sie funktionieren als Äußerungen nur, insofern sie in Form eines Rituals auftreten, d.h. in der Zeit wiederholbar sind und damit ein Wirkungsfeld aufrechterhalten, das sich nicht auf den Augenblick der Äußerung selbst beschränkt. Der illokutionäre (performative d.V.) Sprechakt vollzieht die Tat im Augenblick der Äußerung. Da dieser jedoch ritualisiert ist, handelt es sich niemals bloß um einen einzelnen Augenblick. Der ritualisierte Augenblick stellt vielmehr eine kondensierte Geschichtlichkeit dar: Er überschreitet sich selbst in die Vergangenheit und in die Zukunft, insofern er ein Effekt vorgängiger und zukünftiger Beschwörungen der Konvention ist, die den einzelnen Fall der Äußerung konstituieren und sich ihm zugleich entziehen.“41 Würde eine Apothekerin ein Urteil sprechen, so wäre das wohl ein Sprechakt, aber er wäre weder legitim noch konventional und damit auch nicht erfolgreich, denn Sprechakte sind nicht erfolgreich, „weil sie die Absichts- oder Willenskraft eines Individuums widerspiegeln, sondern weil sie sich aus Konventionen 42 herleiten.“ Die Legitimität eines Sprechaktes hängt von den Machtverhältnissen, also den unterschiedlichen Autoritäts- und Hierarchiepositionen der Sprechenden ab und beruht auf sprachlichen und sozialen Konventionen. Die Konventionen bestehen ihrerseits aus abgelagerten Diskursen, sind „kondensierte 43 Geschichtlichkeit“ , die juristische Systeme, bürokratische Organisationen, Bildungseinrichtungen, normative Traditionen, Ideologien und vieles mehr hervorgebracht haben. Die Richterin muss, um die Sprecherinnenposition einzunehmen diesen Konventionen entsprechen (juristische Ausbildung, usw.), auf ihre individuelle Persönlichkeit kommt es dabei nicht an, da diese Sprecherinnenposition vorhanden ist, bevor ein konkretes Individuum sie einnimmt. Trotzdem bedarf es eines menschlichen Wesens, das die Sprechakte vollzieht. Besonders hervor zu heben ist die zeitliche Dimension von Sprechakten: Da sie konventional sind, haben sie sozusagen eine Vergangenheit und wirken in 44 die Zukunft, sie besitzen „eine eigene gesellschaftliche Zeitlichkeit“ , weil sie ritualisiert bzw. zitathaft sein müssen um erfolgreich zu sein. Das bedeutet, dass 45 sie „in der Zeit wiederholbar sind.“ 41 42 43 44 45 Butler, Butler, Butler, Butler, Butler, 1997: 11 ff 1993a: 124 2006: 12 2006: 69 2006: 12 Das Individuum bedient sich also einer 18 Sprache, die seine individuelle biographische Zeit übersteigt und genaugenommen unendlich alt ist, so alt, dass es keinen eindeutigen Anfang und so in die Zukunft wirkmächtig, dass es kein voraussichtliches Ende geben kann. „Wenn eine performative Äußerung vorläufig erfolgreich ist (und ich schlage vor, dass Erfolg immer nur vorläufig ist), dann (...) nur deswegen, weil die (Sprech-)Handlung frühere (Sprech-)Handlungen echogleich wiedergibt und die Kraft der Autorität durch die Wiederholungen oder durch das Zitieren einer Reihe vorgängiger autoritativer Praktiken akkumuliert.“46 Erfolgreiche, geglückte Sprechakte sind also immer Zitate. Wobei das zitierende 47 Wiederholen keine „Ausfertigungen desselben Sinns“ bzw. eine echte Kopie eines Originals sind, weil es das Original nicht gibt und Begriffe keine reine Bedeutung haben, sondern ihre Bedeutungen im Gebrauch in unendlichen Variationen möglich ist. Diskursive Performativität besteht „aus einer Kette von Resignifizierungen (...), deren Ursprung und Ende nicht feststehen und nicht 48 feststellbar sind.“ Performative Äußerungen werden in einem spezifischen Kontext von spezifischen Subjekten getätigt und weder der Kontext noch die Subjekte sind je genau dieselben. Wer also was zu wem in welcher Absicht und an welchem Ort sagt, ist immer einzigartig. „Die Vieldeutigkeit der Sprache und die Unmöglichkeit, eine Bedeutung ein für allemal festzulegen, sind Grundprinzipien des Poststrukturalismus. Damit ist nicht gemeint, dass die Bedeutung völlig verschwindet, sondern dass jede Interpretation bestenfalls vorübergehend ist, dass sie spezifisch für den Diskurs ist, in dem sie hervorgebracht wird.“49 Sprechen ist also zitieren, aber die Möglichkeit einer subversiven Wiederholung ist offen und an diesem Punkt sieht Butler eine mögliche kritische Handlung: „Die kritische Aufgabe besteht (...) darin, Strategien der subversiven Wiederholung auszumachen, (...) und die lokalen Möglichkeiten der Intervention zu bestätigen, die sich durch die Teilhabe an jenen Verfahren der Wiederholung eröffnen, (...) und damit die immanente Möglichkeit bieten, ihnen zu wiedersprechen.“50 Bedenken wir also die Uneindeutigkeit von Bedeutungen in unserer Rede, dann sind zitatförmige Wiederholungen in Anbetracht der potentiellen Vielzahl von 46 47 48 49 50 Butler, 1997: 311 ebenda: 311 Butler, 2006: 30 Weedon, 1990: 111 Butler, 1991: 216 19 Bedeutungen kreative Akte, denen eine gewisse Subversivität immanent sein kann. Wiederholungen bieten die Chance zum Widerspruch gegen das was wir gezwungen sind zu äußern. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Diskurse nicht ein Instrumentarium zur Beschreibung von Realität sind, sondern Wert durchsetzte Sprachpraxen, die Realität konstituieren – ein, in der Ordnung einer organisierten und geregelten Sprachstruktur Grundlage sich entwickelnder bestimmter kultureller, Sinnzusammenhang, politischer und der sich ideologischer auf der Konzepte formiert. Bezogen auf Geschlecht heißt das, dass auch Geschlechtsdiskurse sich innerhalb gegebener Kulturen entwickeln, in denen sich historisch modifizierte Konstruktionen der jeweilig vorherrschenden Geschlechtermodelle sedimentiert haben. Dieses Verständnis von Wirklichkeit wirft eine große Menge an Fragen auf: ß Wie können kritische Wiederaneignungen und Reiteration sprachlicher Äußerungen gesellschaftlich effektiv sein, wenn sie zugleich auf Konventionen angewiesen sind? ß Unter welchen Bedingungen können neue, wirkmächtige Konventionen geschaffen werden, die soziale Relevanz entfalten? Sind diese Bedingungen mit einer diskursimmanenten Analyse zu untersuchen, oder bedarf ihre Untersuchung nicht vielmehr einer im engeren Sinne sozialwissenschaftlichen Perspektive, die zum Beispiel Ungleichheitskonstellationen oder politische Rahmenbedingungen berücksichtigt? Andrea Maihofer unterstellt Butlers Diskursverständnis „semiologischen Idealismus“, hervorgerufen durch das Fehlen realer Dimensionen: „Was aber bei Butler, abgesehen vom Fehlen historischer Analysen, durch die ausschließlich synchrone Betrachtung von Diskurseffekten aus dem Blick gerät, ist das, was ich in aller Vorsicht und Vorläufigkeit die Dimension des Realen nennen möchte.“51 Butler bezieht sich in ihrem Verständnis von Sprache auf Ferdinand de 52 Saussure , wonach das bezeichnete Objekt (Signifikat) im Akt des Bezeichnens (Signifikation) diskursiv hergestellt wird. Die Bedeutung des Objekts ist also 51 Maihofer, 1995: 47 Bei Saussure besteht ein sprachliches Zeichen aus Lautbild (Signifikant) und Begriff oder Vorstellungsbild (Signifikat). Zwischen beiden besteht eine willkürliche Beziehung. Die Differenzen, die dadurch entstehen, dass eine Bedeutung auch gleichzeitig immer eine Nicht-Bedeutung ist, erzeugen Bedeutungen, die nie deckungsgleich sind. 52 20 Effekt der diskursiven Praxis, nicht etwas Vorgängiges. Das heißt im wesentlichen: Zwischen uns und der Wirklichkeit steht die Sprache, sodass es nie die Dinge selbst sind in ihrer objektiven Wirklichkeit, mit denen wir es zu tun haben, sondern immer etwas Imaginäres, eine Fiktion oder Illusion der Realität. Die epistemologische Aussage, dass es für uns nichts der Sprache Vorgängiges gibt, wird ontologisch verabsolutiert, wenn, wie Butler an Hand ihrer diskursiv hergestellten Materialität des Körpers demonstriert, also Körper, Gedanken, Texte, gesellschaftliche Zustände letztlich auf Sprache und damit zu einer Fiktion 53 reduziert werden. Isabell Lorey problematisiert den Butler’schen Diskursbegriff als juridische Machtkonzeption, innerhalb derer die Produktivität von Diskursen auf die binäre Codierung von Intelligiblem und Nichtintelligiblem beschränkt bleibt, da Bedeutung immer nur entlang der diskursiven Grenze von Ein- und 54 Ausschließungen entsteht: keine Machtwirkungen In Butler’schen Verständnis von Diskurs gibt es unabhängig von hegemonialen Normen, was eine Unterscheidung zwischen Macht und Herrschaft verunmöglicht und ihre Analyse der Herrschaftsstrukturen ausschließlich als binär codiert und durch Ausschlüsse charakterisiert erscheinen lässt. „Butler entwickelt in der Verbindung von sprachlich-juridischen Strukturen und Machtverhältnissen einen sehr engen Analyserahmen. Argumentationen mit nichtsprachlichen Konstruktionen können innerhalb dieses Rahmens nur als essentialistische und als nicht veränderbar gedacht werden. Sie gelten als Imaginationen innerhalb dieses Macht-Diskurs-Regimes.“55 Butler lehnt eine zeitliches Vorher des Gesetzes ab und setzt dieses mit einer vorgeschichtlichen Erzählung gleich, was problematisch ist, da „die Gleichsetzung unterstellt, dass die Geschichtlichkeit des Gesetzes nur im Rahmen des 56 zeitgenössischen Feldes der Macht argumentiert werden kann.“ Es ist also nicht möglich, das ist der Hauptkritikpunkt an Butlers Diskursverständnis, das historische Gewordensein zeitgenössischer Machtfelder zu analysieren und zu relativieren. Gleichzeitig stellt sie die universelle Gültigkeit des Gesetzes (= Norm, symbolische Ordnung, Macht) nicht in Frage. Da Butler die binäre Strukturiertheit von Diskursen betont und nicht die Verknüpfung oder Vernetzung 53 Vgl. Maihofer, 1995: 47 vgl. Lorey, 1996: 65 55 Lorey, 1996: 27 56 ebenda: 36 54 21 differenter, sich ausschießender gegenseitig Diskurse, widersprechender, gerät die Normalität verstärkender von oder widersprüchlichen Geschlechterkonstruktionen in den Hintergrund der Analyse. Widerstand und politische Handlungsfähigkeit sind laut Butler nur innerhalb der bestehenden Gesetzes- und Macht-Strukturen möglich, also im Rahmen hegemonialer 57 Gesetze, was laut Lorey bedeutet, dass „marginale und weniger hegemoniale Schauplätze vergessen oder negiert werden.“ 58 Widersprüchlichkeiten von mehr oder weniger dominanten Diskursen sowie einzelne oder mehrere Diskursnetze geraten in den Hintergrund oder werden ausgeblendet, marginalisierte Diskurse oder ungleiche Machtverhältnisse innerhalb von Diskursen sind kein Thema. „Die Verweigerung normativer juridischer Ansprüche ist genauso wenig möglich, wie nicht-sprachliche Praktiken oder nicht juridische Strukturen in Betracht gezogen 59 werden können.“ Auch Gudrun-Axeli Knapp kritisiert den ausschließlich sprachlich diskursiven Analyserahmen als zu enges Korsett, das den Verzicht auf universalistische normative Konzepte als verabsolutiertes Ideal intendiert und somit als „letztlich unvereinbar mit feministischen Perspektiven“ angesehen werden kann. “Hier liegt ein ‚dream of everywhere’ zugrunde, der für die feministische Theorie untauglich ist, da er in seiner Konsequenz zu Relativismus 60 und Indifferenz führen muss.“ Diskurse und Repräsentationen können nicht auf etwas jenseits ihrer selbst bezogen werden, denn dann „fehlt ein Korrektiv, das vor der systematischen Überschätzung diskursiver Formen der Wirklichkeits- und Geschlechterkonstruktion bewahrt. Problemkonstellationen, die u.a. daraus resultieren, dass sich Kultur- und Strukturzusammenhänge gegeneinander verschoben haben, lassen sich auf diese Weise gerade nicht analysieren“.61 Alle kritischen Positionen im Hinblick auf das Diskursverständnis und die Konzeption von Macht und Herrschaft in Judith Butlers Theorie problematisieren das enge theoretische Konzept, das sich Butler mit ihrem Verständnis von Sprache anlegt: ß Aussagen über die historische Gewordenheit von Diskursen, deren Widersprüchlichkeiten und Überschneidungen, sowie deren verschiedene 57 58 59 60 61 Vgl. Lorey 1996: 44 ff Lorey, 1996: 44 ebenda: 45 Knapp, 2000: 110 Wetterer, 2003: 292 22 Machteffekte in der Zeit sind unmöglich, obwohl die Hegemonie eines Diskurses in der Antike anders aussieht, als in der bürgerlichen Gesellschaft der Moderne. ß Die Analyse nicht hegemonialer Diskurse ist nicht erlaubt, da Butler diese als nicht Macht relevant ausschließt, was dazu führt, dass die unterschiedliche hegemoniale Bedeutung von Diskursen, die nicht für alle Gruppen, Klassen, Schichten und Individuen in der Gesellschaft gleich ist, ausgeblendet bleibt. ß Geschlecht bleibt als Bewusstseinsphänomen den Individuen letztlich äußerlich, wie in den nachfolgenden Kapiteln noch gezeigt werden wird. ß Aussagen über nicht-sprachliche Strategien sind unmöglich, da es bei Butler im Gegensatz zu Foucault keine Position außerhalb des Diskurses gibt. Die Diskurstheorie bzw. ihr Verständnis von Macht- und Herrschaftsstrukturen haben durchaus Eingang gefunden in die feministische Theorie – allerdings mit einem breiteren Verständnis von Diskurs, das eher an Foucault orientiert ist, als an Butler: „Diskurse sind für Foucault Arten der Wissenskonstituierung, ebenso wie die gesellschaftlichen Praktiken, die Formen der Subjektivität und die Machtverhältnisse, die den Wissensbereichen und den Beziehungen zwischen ihnen innewohnen. Diskurse sind mehr als nur Arten des Denkens und der Bedeutungsproduktion. Sie konstituieren die Natur des Körpers, das unbewusste und bewusste Denken und das emotionale Leben der Subjekte, die sie zu beherrschen suchen. Weder der Körper noch die Gedanken und Gefühle haben außerhalb ihrer diskursiven Artikulation eine Bedeutung, aber die Art wie der Diskurs die Gedanken und Körper der Individuen konstituiert, ist immer Teil eines umfassenderen Netzes von Machtbeziehungen, die oft institutionell begründet sind“62. Stellvertretend für eine feministische Sicht von Diskurs, sei hier die Definition von Andrea Maihofer zitiert: „Im Anschluss an Foucault verstehe ich unter Diskurs Denk-, Gefühls- und Handlungsweisen, Körperpraxen, Wissenschaftsformen, Institutionen, gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse, Naturverhältnisse, Kunst, Architektur, innere Struktur von Räumen, etc. Meist sind Diskurse eine Kombination von alledem.“63 Der Unterschied in den Diskursverständnissen könnte nicht größer sein: Während Judith Butler Diskurse als ausschließlich sprachlich verfasste Machtverhältnisse 62 63 Weedon, 1990: 139 Maihofer, 1995: 80 23 bezeichnet, ist Maihofers Diskursdefinition viel weitgehender und erlaubt Aussagen über die sprachliche Begrenztheit gegenwärtiger Effekte hinaus. Zusammenfassend Wirklichkeit und unverzichtbare kann ihr frau feststellen, dass die Butler’sche Sicht von Verständnis Analyse von Diskurs struktureller die für gesellschaftlicher den Feminismus Bedingungen und Ungleichheit produzierender Machtverhältnisse nicht leisten kann. 3.2 Das postsouveräne Subjekt - handlungsfähig oder ohnmächtig? 3.2.1 Ich bin... In der Rezeption der Konstitution des postmodernen Subjekts ist häufig vom „Tod 64 des Subjekts“ bzw. von dessen Ende als vorgestellter Einheit die Rede. Der Subjektbegriff der Aufklärung vertritt Ideale eines Geistwesens, ein autonomes mit sich selbst identisches Individuum als alleiniger Träger von Wissen und Erkenntnis, ein Begründer moralischer Werte, sowie Gestalter von Kultur und Gesellschaft. Hinter dieser Konzeption von Subjekt steht der Mensch als scheinbar geschlechtsloses Wesen, die implizit von einem männlichen, bürgerlichen Subjekt ausgeht. Die Dekonstruktion eines solchen Subjektbegriffs ist bereits Ziel der älteren Kritischen Theorie: „Furchtbares hat die Menschheit sich antun müssen, bis das Selbst, der identische zweckgerichtete, männliche 65 Charakter des Menschen geschaffen war.“ Mitte der 1980er Jahre formiert sich feministische Kritik am Androzentrismus moderner Subjektkonzeptionen und zeigt auf „dass sich hinter den vorgeblich auf das geschlechtsneutral Menschliche beziehenden Positionen des philosophischen Diskurses männliche Perspektiven und Interessen verbergen bzw. umgekehrt formuliert, das im Konzept des Menschen der weibliche Mensch nicht nur oder nur in höchst prekärer und sekundärer Weise enthalten ist. Das unsere Kultur und Gesellschaft zutiefst prägende Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern entsteht nicht in erster Linie deswegen, weil der Mann sich als das bessere Geschlecht und die Frau als das schlechtere, nachrangige deklariert, sondern wie der Mann für sich zwei Positionen beansprucht, die des (überlegenen) Geschlechts und die des geschlechtsneutralen Menschen zugleich.“66 An Stelle dieses Subjekts, das Schöpfer, Gestalter, Sprecher und Autor in einem zu sein scheint tritt bei Butler das entmächtigte, das vielheitsfähige, mit innerer 64 65 66 Benhabib, 1993: 11 Adorno/Horkheimer, 1969: 33 Klinger, 1995: 39 24 Pluralitätskompetenz ausgebildete Subjekt, das in seiner Individualität vor allem durch Nicht-Kohärenz also von Übergängen geprägt ist: „Das Ich ist (...) ein Zitat der Stelle des Ichs in der Rede, wobei jene Stelle eine gewisse Priorität und Anonymität besetzt hinsichtlich des Lebens, das sie beseelt: sie ist die geschichtlich revidierbare Möglichkeit eines Namens, die mir vorhergeht und über mich hinausgeht, ohne die ich jedoch nicht sprechen kann.“67 Butlers Subjektbegriff bedeutet einen radikalen Bruch mit einem Subjekt, das im Innersten eines Individuums ein Wesen voraus setzt, das einmalig, festgelegt und kohärent ist, dessen Subjektivität aus bewussten und unbewussten Gefühlen, seiner Selbstwahrnehmung und seiner Art wie es die Welt begreift, besteht. Dagegen stellt Butler eine Subjektivität, die schwankend und widersprüchlich ist, ein Intersubjekt, ein Effekt von Interaktionen, das sich in einem ständigen Prozess befindet und sich jedes Mal, wenn es denkt oder spricht neu hervorbringt. „Über das Subjekt wird oft gesprochen, als sei es austauschbar mit der Person mit dem Individuum. Die Genealogie des Subjekts als kritische Kategorie jedoch verweist darauf, dass das Subjekt nicht mit dem Individuum gleich zu setzen, sondern vielmehr als sprachliche Kategorie auf zu fassen ist, als Platzhalter, als in Formulierung begriffene Struktur. Individuen besetzen die Stelle des Subjekts (als welcher Ort das Subjekt zugleich entsteht), und verständlich werden sie nur, soweit sie gleichsam zunächst in der Sprache eingeführt werden: Das Subjekt ist die sprachliche Gelegenheit des Individuums, Verständlichkeit zu gewinnen und zu reproduzieren, also die sprachliche Bedingung seiner Existenz und Handlungsfähigkeit. Kein Individuum wird Subjekt ohne zuvor unterworfen/subjektiviert zu werden oder einen Prozess der Subjektivation (...) zu durchlaufen.“68 69 Der Sprechakt konstituiert durch einen Prozess wiederholter Anrufungen das Subjekt, das durch Umwendung der gesellschaftlichen Konvention bzw. der symbolischen Ordnung unterworfen ist. Anrufungen operieren mittels Identitätskategorien. Personen werden also aufgefordert, mit dem Namen, mit dem sie angerufen werden, zugleich eine Identität anzunehmen. Allerdings ist der Vorgang des Annehmens nicht primär die Bestätigung einer bereits vorgegeben Identität, sondern Teil der Subjektivation. Das Subjekt, sprachlich konstituiert, ist eingebettet in ein historisches Macht- und Diskursgeflecht, das systematisch jene Gegenstände bildet, von denen es spricht. Die Konstitution ist ein offener 67 Butler,1997: 310 Butler, 2001: 15f Butler nimmt hier Bezug auf den französischen Philosophen Louis Althusser. Nach Althusser ist Anrufung bzw. Interpellation ein Akt der Konstitution von Subjekt. Butler (2006:47) sagt: „Die Anrede ruft das Subjekt ins Leben.“ 68 69 25 unabgeschlossener Prozess, dessen Wirkmächtigkeit in der Wiederholung und durch diese entfaltet wird. Die performative Iteration der Anrufung weist Subjekt als Effekt eines Zitierens aus, allerdings erscheint es gleichzeitig als Urheberin eben dieser diskursiven Wirkung von der es bedingt und mobilisiert wird. Subjekt ist dem gemäß laut Butler ein produktiver Wiederholungsprozess normativer Vorgaben, welcher konstitutiv für bestehende Macht- und Herrschaftsverhältnisse begriffen werden muss. Foucault folgend weist Butler (geschlechtliche) Identitätsvorgaben – Weiblichkeit oder Männlichkeit – als eben diese Effekte positiver und produktiver disziplinärer Machtwirkungen aus. Die Konstitution von Normen und Subjekten erfolgt gleichzeitig durch den Performativitätsmodus, sodass die Vorstellung stabiler und eindeutiger Identitäten immer schon als Teil normativer Regulierungsverfahren zu denken ist, weil die jeweilige Identitätskonzeption zugleich hervorgebracht wird und somit das UrsacheWirkung-Verhältnis beider Momente durchkreuzt wird. Für Butler funktionieren Identitätskategorien grundsätzlich mit Ausschlüssen: „Identitätskategorien haben niemals nur einen deskriptiven, sondern immer auch einen normativen und damit 70 ausschließenden Charakter.“ Die konkrete Vielfalt und Besonderheit eines Individuums wird im Kontext der Anrufung überblendet zugunsten eines Namens, einer Identität, die das, was nicht ist unsichtbar macht. „Je spezifischer Identitäten werden, Besonderheit desto 71 totalisiert.“ mehr Zum wird Beispiel eine eine Identität Frau eben durch diese ist Nicht-Mann, eine Ausländerin ist Nicht-Inländerin, die Identität ist somit das Ergebnis einer 72 Verwerfung dessen, was das Subjekt nicht ist. „Tatsächlich ist Verwerfung, wenn man sie psychoanalytisch betrachtet, keine einzelne Handlung, sondern der wiederholte Effekt einer Struktur. Etwas wird gesperrt, aber kein Subjekt sperrt es, das Subjekt entsteht selbst als Ergebnis der Sperre. Dieses Sperren ist eine Handlung, die nicht wirklich an einem vorgegebenen Subjekt ausgeführt wird, sondern in der Weise, dass das Subjekt selbst performativ als Ergebnis dieses primären Schnitts erzeugt wird. Der Rest oder das, was abgeschnitten wird, stellt das NichtPerformierbare der Performativität dar.“73 70 Butler, 1993a: 49 Butler, 2001: 96 72 Als Verwerfung bezeichnet Butler jenen Ausschluss, der durch die Konstitution eines Subjekts als das was es nicht ist, passiert. Ein Subjekt mit einem heterosexuellen Begehren verwirft das homosexuelle Begehren und umgekehrt. 73 Butler, 2006: 216 71 26 Die Sperre ist in diesem Sinn eine Machtwirkung eines hegemonialen Diskurses, eine Sperre jener Subjektformen und Identitäten, die den nicht hegemonialen Normen entsprechen, die verworfen wurden, die aber als nach „außen projizierte 74 Figuren der Verwerflichkeit“ immer wieder zurückkehren und immer wieder „niedergemacht und begraben“ 75 werden müssen. Aus dieser Subjekttheorie ergeben sich viele Fragen: ß Ist dieses Subjekt handlungsfähig im Sinn der Fähigkeit bzw. der Macht eines Individuums oder einer Gruppe, wirksam in die gesellschaftlichen Verhältnisse einzugreifen und diese zu verändern. ß Kann ein feministisches Subjekt begründet werden, das Widerstand gegen diskriminierende Diskurs- und Herrschaftsregime nicht nur formulieren, sondern auch leben kann? ß Was befähigt das Selbst hegemonialen Diskursen zu widerstehen? ß Wie ist der Widerstand gegen Macht- und Diskursparadigmen zu erklären? Regina Becker-Schmidt problematisiert die Undifferenziertheit der Machtwirkungen, die Subjekte als Effekte hervorbringen und fragt: „Was geschieht, wenn Menschen von diskursiver Macht ausgeschlossen sind? Wenn sie aufgrund dieses Ausschlusses, der ja mit dem Entzug von Herrschaftsmitteln (Eigentumsbildung, Wissensaneignung, Verfügung über Militär, Technik, Recht, Produktionsmittel u.a.) einhergeht, keine Subjektstatus in Anspruch nehmen können? Machtdiskurse evozieren Subjektivität, verhindern sie jedoch auch.“76 Sie vermisst die echten Realitäten von Menschen, in denen sich diese tagtäglich zurecht finden müssen, wenn sie beanstandet, dass in dieser Sicht von Subjekt „sozio-strukturelle Verhältnisse, Lebensumstände, Biografien und psychische Strukturbildungen“ keinen 77 Subjektkonstitution“ sind.“ Eingang finden, also sie „Bestandteil der Isabell Lorey wiederum problematisiert, dass Butler in der Konstitution von Subjekt die Arbeit (Selbstkonstitution), obgleich das kreative der Subjekte an sich selbst Potential zur Veränderung der konstituierenden Verhältnisse nicht einbezieht, sondern sogar verneint. Lorey bezeichnet „Weisen in der Welt zu sein“ 74 75 76 77 78 Butler, 1997: 163 ebenda: 164 Becker-Schmidt, 2000: 131 ebenda: 127 Lorey, 1996: 153 78 als Selbstverhältnisse, wobei sie das 27 Selbst als „individuelles, nie abgeschlossenes Ergebnis von Erfahrungen einer individuellen Lebensgeschichte (...) eines individuellen 79 Diskursgeflechts“ definiert. „Ich stimme Butler zu, dass Vorstellungen von einem authentischen Selbst oder einem natürlichen Geschlecht historisch entstandene Konstruktionen sind. Aber es sind nicht nur Konstruktionen, die in einem sprachlich-diskursiven und juridischen Rahmen gebildet werden. Essentialistische Ideen sind auch spezifische Selbstverhältnisse, eine historisch gewordene Art und Weise, in der Welt zu sein. Um essentialistische Ideen auch als Selbstverhältnisse und Existenzweisen zu problematisieren, sollten sie in ihrer subjektkonstituierenden Funktion anerkannt werden.“80 Nicht zuletzt als Reaktion auf die kritischen Anmerkungen zu ihren zwanghaft unterworfenen, eigenwahrnehmungslosen Subjekten, denen die politische Handlungsfähigkeit im wesentlichen aberkannt wird, führt Butler in „Hass spricht“ 81 den Begriff „postsouveränes Subjekt“ ein. Das postsouveräne Subjekt, wird – wie gehabt – diskursiv konstituiert und weiß, dass es zwar nicht autonom, aber auch nicht vollständig determiniert ist. Subjekte sind zwar von der Macht abhängig, da diese ihre Existenz ermöglicht, aber Subjekte beherbergen auch Macht. In „Psyche der Macht“ beschreibt Butler die psychischen Dimensionen der dem Subjekt innewohnenden Macht. Die Subjekt konstituierende Regulierungsmacht ist für die Einsetzung des Subjekts zuständig, für seine Unterwerfung, aber sie verschwindet in einer Art Umkehrung in der psychischen Struktur des Subjekts und entzieht sich damit der formierenden Macht. Die Innenmacht des Subjekts ist die Bedingung, sich reflexiv – auf sich selbst gerichtet – gegen die Normen zu wenden, die eine Selbsterkenntnis verhindern. Die Freiheit des Subjekts ist eine Machtwirkung, die es zugleich entmachtet und ermächtigt. „Das Subjekt nimmt nicht nur tatsächlich den Platz des Körpers ein, sondern handelt auch als Seele, die den Körper in Gefangenschaft einrahmt und formt (...). Die Bildung dieses Subjekts ist zugleich die Einrahmung, die Unterordnung und die Reglementierung des Körpers.“82 Formierung, Disziplinierung und Regulierung des Subjekts sind ein und derselbe Vorgang. Die Psyche ist der Ort der Einschreibung sozialer Normen und Regeln. Zu klären wäre noch der Vorgang der Umwendung oder Rückwendung, zu der das 79 80 81 82 ebenda: 153 ebenda: 31 Butler, 2006: 219 Butler, 2001: 88f 28 Subjekt durch Anrufung genötigt ist. Butler setzt die zwanghafte Umwendung mit der Verwerfung von nicht den Normen entsprechenden Lebensweisen gleich, die sozusagen Grundlage der Möglichkeit der sozialen Existenz des Subjekts ist. Zum Beispiel homosexuelles Begehren wird rigoros verboten, weil es in den Bereich der Abweichung, der Verwerfung fällt und sozial daher nicht gelebt werden kann. Der Verlust verworfener Lebensformen wird zum Sein des Subjekts und schreibt sich als Sprachverlust in die Psyche ein. Butler betrachtet Subjektwerdung als Gewaltakt, der das soziale Leben um den Preis sichert, durch Verwerfung und Ausschließung das Leben derjenigen Subjekte zu bedrohen, die der Norm nicht genügen, trotzdem ist das soziale Subjekt ohne Norm nicht denkbar. „Das Subjekt ist zur Wiederholung der gesellschaftlichen Normen gezwungen durch die es hervorgebracht wurde, aber diese Wiederholung bringt Risiken mit sich, denn wenn es nicht gelingt, die Norm richtig wieder her zu stellen, wird man weiteren Sanktionen unterworfen und findet die vorherrschenden Existenzbedingungen bedroht.“83 Antke Engel kritisiert „dass Butler den psychischen Mechanismus der Verwerfung 84 bruchlos ins Soziale überträgt.“ Butler verweist die verworfenen Subjektivitäten in das Reich der Nichtintelligibilität, was bedeuten würde, dass diese schlicht unlebbar oder vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen sein würden. Mögliche Repräsentationen und die Thematisierung der möglichen Zugänge von „Verworfenen“ zu den hegemonialen Diskursen bleiben unbelichtet. „Tatsächlich ist das in psychoanalytischen Begriffen von der Verwerfung Betroffene und Abgelehnte genau dasjenige, was nicht wieder in das Feld des Sozialen eintreten kann, ohne dass eine Psychose droht, d. h. die Auflösung des Subjekts selbst. Ich möchte vorschlagen, dass von bestimmten verwerflichen Zonen in der Sozialität diese Drohung ebenfalls ausgeht; so dass Zonen der Unbewohnbarkeit gebildet werden, die das Subjekt als Bedrohung seiner eigenen Integrität verbunden mit einer vorhersehbaren psychotischen Auslösung phantasiert.“85 Butler zeichnet die Gestalten des Verworfenen, der unlebbaren Körper nicht als imaginäre Figuren, die soziale Wirksamkeit entfalten und Subjetkonstituierung organisieren, sondern als soziale Subjekte, die nicht intelligibel sind, was dazu führt, dass Verfehlungen und Überschreitungen der hegemonialen Geschlechterund Begehrensordnung ignoriert und nicht thematisiert werden. Tatsächlich ist Homosexualität 83 84 85 ebenda: 32 Engel, 2002: 29 Butler, 1997: 324 in vielen Gesellschaften pathologisiert und kriminalisiert, 29 allerdings ist sie nicht unlebbar. Engel unterstellt Butler, dass sie ihren Subjekten 86 eine „Inkarnation hegemonial-phobischer Phantasien“ verhindert, dass die trotz verstärkter aufbürdet und damit Integration von zum Beispiel homosexuellem Begehren weiterbestehende Verwerfungen nicht erfasst und die Möglichkeiten von Veränderung kultureller Phantasien nicht in Erwägung gezogen werden. „Letztendlich bleibt Butler dem Begriff eines kohärenten Subjekts verpflichtet, dessen Fragwürdigkeit sie in Gender Trouble und Streit um Differenz längst plausibel gemacht hat, der jedoch als privilegierte soziale Position erhalten bleibt.“87 Evelyn Annuß nennt diese Problematik „negative Fixierung auf die Kritik des 88 selbstidentischen Subjekts“ , die Butler daran hindert, „ein nachmetaphysisches 89 Subjekt der Praxen in konkreten sozialen Verhältnissen“ zu denken. Butler installiert klare Grenzziehungen zwischen Intelligibilität und Verworfenheit, was ausschließt, dass Übergänge, Zweifel und Konflikte beschrieben werden können, die ein und dasselbe Subjekt in manchen Praktiken als nicht intelligibel und in anderen Eigenschaften doch im Subjektstatus ausweisen. Kurz gesagt, es gibt bei Butler nur entweder gelungene oder fehlgeschlagene Vergeschlechtlichung, was einer rigiden Opposition gleichkommt, einer Binarität, die zu bekämpfen sie eigentlich im Sinn hatte. Einschluss der Ausgeschlossenen ist logischerweise das politische Ziel der Ausgeschlossenen, was wiederum in Butler’scher Diktion die normative bestehende Ordnung bestätigt. 3.2.2 ...eine Frau? Was vereinfachend als Geschlecht bezeichnet wird ist bei Butler das Ergebnis eines machtvollen, hegemonialen Heterosexualitätsdiskurses und ist weder als innere Wahrheit, noch als Identität im Individuum verankert. „Intelligible Geschlechteridentitäten sind solche, die in einem bestimmten Sinne Beziehungen der Kohärenz und Kontinuität zwischen dem anatomischen Geschlecht (sex), der Geschlechtsidentität (gender), der sexuelle Praxis und dem Begehren stiften und aufrechterhalten.“90 86 87 88 89 90 Engel, 2002: 30 ebenda: 31 Annuß, 1998: 89 ebenda: 89 Butler, 1991: 38 30 Mit Foucault geht Butler davon aus, dass die subjektbezogene „Wahrheit“ der Sexualität durch „Regulierungsverfahren erzeugt“ 91 wird. Sinn und Zweck dieses Regulierungsverfahrens ist die Heterosexualität, die als Zwangsheterosexualität eine hegemoniale Norm bildet, die andere Sexualitäten ausschließt und als äußerer Zwang und Bedingung der Subjektwerdung fungiert. Die natürliche Funktion von Sexualität, das Ideal der Reproduktion ist das eigentliche Ziel der Zwangsheterosexualität. Gleichzeitig ist Reproduktion eine diskursive Strategie zur Regulierung 92 Sexualität.“ und Disziplinierung „subversiver Mannigfaltigkeiten der Die Definition, wer oder was ein Mann oder eine Frau ist, ist nur möglich über den Ausschluss, was wer nicht ist. „Die Instituierung einer naturalisierten Zwangsheterosexualität erfordert und reguliert die Geschlechtsidentität als binäre Beziehung in der sich der männlich Term vom weiblichen unterscheidet.“93 Die eigentliche Geschlechteridentität ist die Heterosexualität, als ein permanenter Prozess des sich Annäherns an eine Norm – ein Prozess permanenter performativer Wiederholung und immer wiederkehrender Abwehr dessen was nicht sein darf. In dieser Diktion besteht Geschlechteridentität aus „wiederholten 94 Darbietungen“ und Inszenierungen, die letztlich nie zum Erfolg führen, weil es immer nur um Annäherung an die Norm und nicht um Kopie eines Originals geht. Die performative Dimension des Geschlechts bzw. der Geschlechteridentität besteht in der „ritualisierten Produktion“ sein sollen mit dem Ziel der 95 spezifischer Akte, die das Geschlecht „Verkörperung der 96 Normen.“ Jede Geschlechtsidentität wird in der „wiederholten Darbietung“, in Form von „rituellen 97 gesellschaftlichen Inszenierungen“ performativ hergestellt und ist somit immer eine Imitation, eine Nachbildung. „Mit der These, dass alle Geschlechtsidentität wie drag ist oder drag ist, wird deutlich gemacht, dass im Kern des heterosexuellen Projekts und seiner Geschlechterbinarismen Imitation zu finden ist; dass drag keine sekundäre Imitation ist, die ein vorgängiges und ursprüngliches soziales Geschlecht voraussetzt.“98 91 Butler, 1991: 38 ebenda: 41 93 ebenda: 46 94 ebenda: 206 95 Butler, 1997: 139 96 ebenda: 317 97 Butler, 1991: 206 98 Butler, 1997: 178 92 31 Die eigentliche Funktion dieser Inszenierungen ist die Naturalisierung – die natürliche Ordnung der Geschlechter in ein männliches und weibliches Geschlecht, die das eigentliche Ziel nämlich die Reproduktion genau dieser Geschlechter in einem System ewiger Zweigeschlechtlichkeit sicher stellt. „Die Geschlechteridentität erweist sich somit als Konstruktion, die regelmäßig ihre Genese verschleiert. Die stillschweigende kollektive Übereinkunft, diskrete und entgegengesetzte Geschlechteridentitäten als kulturelle Fiktion auf zu führen, hervorzubringen und zu erhalten, wird sowohl durch die Glaubwürdigkeit dieser Produktionen verdunkelt – als auch durch die Strafmaßnahmen, die diejenigen treffen, die nicht an sie glauben. Die Konstruktion erzwingt gleichsam unseren Glauben an die Natürlichkeit und Notwenigkeit.“99 Geschlecht ist in allen seinen Facetten – Körper, Identität, Subjekt – bei Butler als ein Effekt einer historisch bestimmten diskursiven Praxis, des herrschenden heterosexuellen Diskurses ausgewiesen. Offen bleibt die analytische Auseinandersetzung mit den hegemonialen Bedeutungen des herrschenden Geschlechterdiskurses, der rekonstruiert werden müsste um seine produktiven wie repressiven Macht-und Herrschaftswirkungen aufzudecken. Dass zum Beispiel im hegemonialen Geschlechterdiskurs Männer ausschließlich Frauen begehren und umgekehrt, kann als repressive und produktive Machtwirkung verstanden werden. Im Sinn der Notwendigkeit der Reproduktion von Gattung bzw. Bevölkerung ist die Hegemonie des Heterosexualitätsdiskurses durchaus nachvollziehbar. Offen bleiben allerdings die konkreten Lebenssituationen von Frauen und Männern, in denen sie tagtäglich Männer oder Frauen sind, sowie die Implikationen dieses Seins auf einer gesellschaftlichen oder ökonomischen Ebene. Das Butler’sche Subjekt ist merkwürdig widersprüchlich: identitätslos, weil ausgestattet mit einer Vielzahl von Identitäten, determiniert von der konstituierenden Macht, aber doch widerstandsfähig durch Resignifizierung der normativen Bedeutungen, aber das nur innerhalb der konstitutiven Macht und nur mit den Werkzeugen, die diese Macht bereit hält. Diese Subjekttheorie ist unbefriedigend, erklärt sie doch nicht wie sich die Vermitteltheit von Subjekt und Objekt im Rahmen der sozialen Wirklichkeit darstellt und sie engt den Spielraum des Subjekts im Bezug auf das Objekt, also im Bezug auf die konstituierende 99 Butler, 1997: 205 f 32 Macht so stark ein, dass es unmöglich erscheint, am feministischen Anspruch der Selbstbestimmung bzw. Autonomie der Individuen fest zu halten. 3.2.3 Wir Frauen... „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte nicht aus freien Stücken, aber sie 100 machen sie selbst.“ zwanglos aber Frauen machen also ihre eigene Geschichte, nicht beteiligt: Das heißt Frauen sind nicht nur Opfer von Diskriminierungssituationen, sondern sie sind auch beteiligt an ihrem Erhalt. Seit Christina Thürmer-Rohr ist die Mitverantwortung der Frauen am Machterhalt, die 101 „Mittäterschaft“ benannt. Für Thürmer-Rohr ist Mittäterschaft, „das Mitfunktionieren und Mitagieren der Frau im Interesse der eigenen Interessensgegner, die materielle, psychische und geistige Dienstleistung am individuellen Mann ebenso wie am flexiblen und historisch veränderlichen Weiterfunktionieren des Männersystems. Und dieses Mitfunktionieren geschieht ja nicht nur dadurch, dass Frauen das Gleiche tun und wollen wie Männer, sondern gerade dadurch, dass sie etwas ganz anderes tun, damit aber hinterrücks dem ungehinderten Weitermachen des Mannes nützlich sind (...).“102 Sie thematisiert zwar den Anteil der Frauen an gesellschaftlichen Machtverhältnissen, bleibt aber in einem Täter-Opfer-Dualismus gefangen, wenn sie das Bild der Frauen als Mit-Agieren mit einem männlichen Täter zeichnet. Spätestens seit den 1980er Jahren werden von den nicht-weißen, westlichen Feministinnen weitere Aspekte der Differenzen und Unterdrückungsmechanismen zwischen Frauen feministischer thematisiert, Theorie als indem ein sie den Universalismus Ausschlussverfahren (weißer) gegenüber ihren feministischen Forderungen und Einsichten kritisieren. „Im allgemeinen richten weiße Frauen ihr Hauptaugenmerk auf ihre Unterdrückung als Frauen und ignorieren Unterschiede wie der Hautfarbe, sexuelle Neigung, der Klassenzugehörigkeit, des Alters. Die vorgebliche Erfahrung unter dem Leitsatz ‚Wir sind alle Schwestern’ existiert in Wirklichkeit nicht“.103 Sie stellen entschieden das Recht weißer, bürgerlicher Feministinnen im Namen aller Frauen zu sprechen in Abrede und plädieren einerseits für die Reflexion weißer Frauen als Täterinnen und Mittäterinnen an der Installierung und am 100 101 102 103 Dieses Zitat wird unterschiedlichen Personen zugeschrieben, auch Rosa Luxemburg Thürmer-Rohr, 1984 Thürmer-Rohr, 1990: 142 Lourd, 1991: 203 33 Erhalt westlicher Dominanzkultur und andererseits für eine Aufwertung und Analyse der Differenz zwischen den Frauen. „Die institutionalisierte Abwehr von Unterschieden ist eine absolute Notwendigkeit in einem auf Gewinn ausgerichteten Wirtschaftssystem, das AußenseiterInnen als Reservemenschen benötigt. Als Angehörige solch eines Wirtschaftssystems sind wir alle dahingehend programmiert worden, auf menschliche Unterschiede zwischen uns mit Furcht und Abscheu zu reagieren und mit diesen Unterschieden auf eine der folgenden Arten umzugehen: sie zu ignorieren, und wenn das nicht möglich ist, sie nachzuahmen, falls wir sie für dominant halten, oder sie zu zerstören, falls wir sie für untergeordnet halten. Aber wir verfügen über keine Verhaltensmuster, mit deren Hilfe wir über unsere menschlichen Unterschiede hinweg einander als Ebenbürtige gegenübertreten können. Das hat dazu geführt, dass diese Unterschiede oft mit falschen Begriffen besetzt und dazu missbraucht wurden, uns zu spalten und Verwirrung zu stiften.“104 Zugleich wird die Forderung aufgestellt, den Alltag von Frauen nicht auf der Grundlage eines einzigen Verhältnisses – dem Patriarchat als Unterdrückungsfaktor – im Geschlechterverhältnis zu beschreiben, sondern die Verschränkung unterschiedlicher Unterdrückungsverhältnisse wie Rassismus und Klassenverhältnisse einzubeziehen. „In ihren Angriffen gegen die Kategorie Frau haben feminists of colour argumentiert, dass alle Frauen von einer Vielzahl von Diskursen als Subjekte konstituiert werden; mit anderen Worten: jede Frau wird von sich selbst und anderen am Schnittpunkt von Diskursen der Rasse, des Geschlechts, der Klasse, der Sexualität, der Religion usw. konstituiert.“105 Auch Judith Butler argumentiert, dass Frauen keine homogene Gruppe mit ausschließlich gemeinsamen Merkmalen und Interessen seien, weil es kulturelle, klassenspezifische, soziale und ethnische Differenzen zwischen Frauen gibt, die durch ein WIR aus dem Blick geraten. Ein WIR FRAUEN wird immer konstituiert durch den Ausschluss von Frauen, die in diesem WIR nicht mitgemeint sind und so marginalisiert werden. „Die feministische Kritik muss einerseits totalisierende Ansprüche einer maskulinen Bedeutungsökonomie untersuchen, aber andererseits gegenüber den totalisierenden Gesten des Feminismus selbstkritisch bleiben. Der Versuch, den Feind in einer einzigen Gestalt (nämlich dem maskulinen Diskurs) zu identifizieren, ist nur ein Umkehr-Diskurs, der unkritisch die Strategie des Unterdrückers nachahmt, statt eine andere Begrifflichkeit bereit zu stellen.“106 104 105 106 Lourd, 1991: 202 Yanagisako, 1997: 55 Butler, 1991: 33 34 Butler weist darauf hin, dass die vermeintlich ausschließliche Beschäftigung mit den Konsequenzen des Patricharchats, dieses einerseits reproduziert und bestätigt und andererseits dadurch andere Herrschaftsformen und Machtwirkungen auch zwischen den Frauen marginalisiert wurden. „Hatten sich Frauenforschung und feministische Theorie ursprünglich formiert als Reaktion auf die Marginalisierung von Fragen des Geschlechterverhältnisses und die Ausblendung von Gewalt und Machthierarchien zwischen den Geschlechtern (...) so werden sie nun mit den eigenen blinden Flecken konfrontiert (...). Im Zuge dieser Selbstkritik und reflexiven Wendung zeigte sich, dass in einem Gutteil der theoretischen Ansätze der Frauenforschung, die beanspruchten, die Lebensverhältnisse und Erfahrungen von Frauen zu analysieren, die Erfahrungen bestimmter Gruppen von Frauen (weiße, heterosexuelle Frauen der Mittelschicht) verallgemeinert worden waren. (...) das Erbe der Väter in Gestalt universalisierender, ahistorischer Theorien schlug hier zu Buche.“107 Die Diskussion um die Differenzen zwischen Frauen und ihre theoretische und soziokulturelle Bedeutung bei der Formulierung eines feministischen WIR wird schließlich so weit getrieben, dass immer unklarer wird, ob und wie mit einem politischen Feminismus in Zukunft überhaupt noch zu rechen sein wird. Im Zuge dieser Diskussion stellt sich die Frage, ob feministisches politisches Handeln eine gemeinsame Identität basierend auf FRAU-SEIN braucht oder ob nicht die politischen Intentionen und Interessen an einer geschlechtlich begründeten Kritik der Gesellschaft das Moment des Handelns sein könnte. Das Interesse und Bedürfnis nach gerechteren gesellschaftlichen Strukturen als Ausgangspunkt politischen Handelns würde als Ziel feministischer Politik, diese unabhängig von der Identität Frau machen und die Perspektive der Handlungsräume erweitern. Haraway plädiert für eine „Strategie der Affinität – eine Beziehung auf der Grundlage der Wahl, nicht der Verwandtschaft, die Anziehungskraft einer chemischen Gruppe für eine andere, Begierde.“108 Feministische Theorie bewegt sich immer zwischen einer widersprüchlichen Verortung in Wissenschaft und Politik und der scheinbaren Gemeinsamkeit zwischen Ungleichen. „Es ist gerade die Gleichzeitigkeit von übereinstimmenden und trennenden Momenten, von Bezogensein und Verschiedenheit, die immer wieder Abarbeitungsprozesse stimuliert und zur Ausbildung einer spezifischen Kultur der Reflexivität beiträgt. (...) Wenn man sich 107 108 Knapp, 1998: 64 Haraway, 1991: 40 35 allerdings nicht im Sinne des Dekonstruktivismus-Dilemmas als Feministin ad absurdum führen will, muss man mit dem Widerspruch leben, die mit den Gender -Kategorien verbunden Identitätszwänge aufheben zu wollen, ohne den Bezug auf gender aufgeben zu können.“109 Ich bin überzeugt, dass die Anerkennung der Differenzen zwischen Frauen wichtig und unverzichtbar ist, um Herrschaftsformen und Machtwirkungen zwischen Frauen auf zu decken. Aber ich denke es muss im Sinn von feministischen Forderungen für Frauen und Männer, gegen sexistische, rassistische, kulturimperialistische, heterosexistische und klassenbegründete Herrschaftsverhältnisse ein begrenztes und situiertes WIR geben. Unterdrückung, Ausbeutung, Diskriminierung und Marginalisierung sind eine gesellschaftliche Tatsache, die nur durch Bündnisse erschüttert, verändert und verbessert werden kann, und nichts anderes ist ein WIR. 3.3 Geschlecht – als analytische Kategorie obsolet? Seit einigen Jahren schon wird nicht nur innerhalb der feministischen Theorie in wissenschaftlichen Texten immer wieder der „Bedeutungs- oder Wirksamkeits110 verlust“ von Geschlecht als analytischer Kategorie beschworen. „Beides – die zunehmende Heterogenisierung der weiblichen Lebenssituation sowie der relative Bedeutungsverlust der Geschlechterzugehörigkeit in einer differenzierten und rationalisierten Gesellschaft – bildet den realen Erfahrungshintergrund für die Dekonstruktion eines universalisierenden Konzepts von Frau bzw. Mann.“111 Aussagen dieser Art verabsäumen es fast immer, die Mehrdimensionalität von Geschlecht in den Blick zu nehmen bzw. auch nur den Aussagekontext bzw. die Dimension von Geschlecht als Analysekategorie zu präzisieren. Geschlecht kann auf verschiedensten Ebenen und unter verschiedensten Fokussierungen als Analysekategorie dienen – Geschlecht in der Dimension der Geschlechterdifferenz, oder der Geschlechterbeziehungen, im Focus der Geschlechterordnung 112 oder des Geschlechterverhältnisses. Dekonstruktivistische Ansätze stellen die symbolische Seite der Wirklichkeit von Geschlecht ins Zentrum und verkürzen die Geschlechterthematik auf identitäts- und differenzpolitische Aspekte, wobei die 109 110 111 112 Knapp, 2003: 244 Pasero, 1995: 52 Heintz, 1993: 21 Vgl. Knapp, 2002: 22ff 36 soziokulturelle Dimension von Geschlecht vernachlässigt wird. Geht frau der Kategorie Geschlecht aus der Perspektive realer Lebenszusammenhänge nach, wird sehr schnell klar, dass die Analysekategorie Geschlecht alles andere als bedeutungslos ist: ß Ist die Relevanz von Geschlecht bei der Verteilung von Arbeit, Anerkennung und Partizipationsmöglichkeiten von Frauen und Männern obsolet geworden? ß Gehören bestimmte Formen von Gewalt, Abwertung und Deklassierung von Frauen der Vergangenheit an? ß Sind Frauen und Männer in der Lage über ihre Lebensentwürfe ohne Rollenzwänge zu entscheiden? ß Ist die Ausgrenzung und Marginalisierung von Frauen in den diversen ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen beendet? Oder ist es nicht vielmehr so, dass hier ein anderer (dekonstruktivistischer) Blick auf Geschlecht, nämlich seine Reduzierung auf Geschlechteridentität, nicht die scheinbar veränderten Verhältnisse zwischen den Geschlechtern reflektiert, sondern die Dimension von Geschlecht in den Geschlechterverhältnissen einfach ausklammert? Dekonstruktivistische Ansätze, so kritisiert Knapp „analysieren jedoch nicht die gesellschaftliche Komplexität von Geschlechterverhältnissen: die soziokulturellen Regulationen von Sexualität, Generativität, Verwandtschaft, Bevölkerung, von horizontaler und vertikaler Arbeitsteilung, sozialer Sicherung, Distributation von Chancen und Ressourcen und die gesellschaftlichhistorischen Ausgestaltungen dieser Verhältnisse.“113 Der systematische Blick auf die Lebens- und Arbeitswelten von Frauen dokumentiert die Bedeutung der Kategorie Geschlecht in allen Formen sozialer Ordnung und Normierung ebenso wie in den Formen der kulturellen Symbolisierung von Geschlechterzugehörigkeit und Geschlechtlichkeit. „Ist die Unterscheidung von Frauen und Männern gesellschaftlich und kulturell irrelevant geworden, spielt Geschlecht für die Strukturierung von Gruppenzugehörigkeit und Identitätszwängen, in der Distributation von Arbeit und Eigentum, für die Struktur von Anerkennungs- und Austauschverhältnissen keine Rolle mehr? Besagt es nichts mehr über die Verteilung bestimmter Formen von Gewalt, die Organisation von Sexualität und Generativität? Oder gibt es lediglich andere gesellschaftliche Strukturvorgaben als zu früheren Zeitpunkten? Und heißt das zugleich, dass Disproportionen und Formen der Deklassierung abgebaut sind? Da jede Diagnose der Veränderung von Geschlechterverhältnissen auf einen Begriff von Geschlecht angewiesen ist, bleibt diese 113 Knapp, 2002: 33 37 Kategorie bedeutsam, selbst dann, wenn ihr Bedeutungsverlust für den Objektbereich der Analyse diagnostiziert wird.“114 Natürlich ist der Rückgriff auf die Kategorie Geschlecht immer mit der Gefahr einer Reproduktion vorherrschender Geschlechternormen verbunden. Reflexivität auf die eigenen Aussagebedingungen ist unabdingbar, um die Verknüpftheit von Klassifikationen und Symbolisierungen von Geschlecht und sozialen Strukturierungen nicht zu übersehen und sowohl die Strukturen als auch die normativen Konzepte der Dimension Geschlecht zu analysieren: „Wenn wir davon ausgehen, dass die zentrale Frage ist, wie und warum wir die Geschlechter geworden sind, die wir heute sind, dann gilt es die Manifestationen gesellschaftlicher Konstruktionen auch in ihrer aktuell gelebten Realität anzuschauen und es nicht dabei bewenden zu lassen, dass Natürlichkeiten eigentlich Effekte sind. Denn wir leben täglich mit diesen Konstruktionen als seien es Evidenzen, und die Frage ist, warum dies immer wieder funktioniert. Welche Verhältnisse brachten uns dazu, mit „GewordenSein“ im Sinne eines ewigen Seins umzugehen?“115 Birgit Sauer plädiert für eine Beibehaltung von Geschlecht als politik- wissenschaftliche Kategorie: „Alle gesellschaftlichen Hierarchien folgen der grundsätzlichen geschlechtlichen Scheidelinie, auch wenn nicht alle gesellschaftlichen Hierarchisierungen auf Geschlecht allein rückführbar sind. Die Geschlechterordnung ist keine kontingente, sondern eine notwendige, d. h. historisch gewachsene Form der Organisation, des Erlebens und der symbolischen Reproduktion von Geschlecht und Politik.“116 Cornelia Klinger spricht von der Notwendigkeit für feministische politische Theorie, die „Universalität der Geschlechterhierarchie, die einer Partikularität und 117 Vielfalt ihrer Erscheinungsformen gegenüber steht“ mit ein zu beziehen, um „die von politische Produktion Zweigeschlechtlichkeit im und Reproduktion Zusammenspiel mit anderen hierarchisierender gesellschaftlichen Strukturmustern aufzudecken.“118 Und es gilt mit Birgit Sauer einen weiteren wesentlichen Aspekt in die Diskussion um die Infragestellung der universellen Gültigkeit politischer Geschlechterhierarchie einzubringen: die Gleichzeitigkeit der neoliberalen Transformationsprozesse, die eine Auflösung des Politischen betreiben mit dem dekonstruk114 115 116 117 118 Becker-Schmidt, 2000: 144 Lorey, 1993: 20 Sauer, 2001a: 46 Klinger, 1999: 110 Sauer, 2001a: 51 38 tivistischen Anspruch des Bedeutungsverlustes von Geschlecht als politische Kategorie ist auffällig und bedarf der hinterfragenden Kritik. „Indem der Feminismus die Universalität politischer Geschlechterhierarchie bestreitet, verliert er sein politisches Ziel aus den Augen: die Überwindung der ungleichen Geschlechterverhältnisse.“119 Trotz der radikalen Hinterfragung normativer Subjektpositionen ist sich auch Judith Butler bewusst, dass es in vielen Kontexten strategisch sinnvoll und manchmal sogar unumgänglich ist, Politik im Namen der Frauen zu machen: „Ich meine, der Feminismus braucht die Kategorie Frauen, und es wäre tragisch, wenn er diese Kategorie verlieren würde; der Feminismus würde aber auch darunter leiden, wenn die Kategorie als etwas Fundierendes und unveränderlich Feststehendes aufgefasst würde.(...) In diesem Sinne lehne ich die Kategorie die Frauen als eine fundierende Kategorie des feministischen Denkens und der feministischen Politik ab. Ich bejahe aber die Kategorie die Frauen als einen diskursiven Ort der beständigen politischen Neuverhandlung.“120 Eine solcher Art verstandene Kategorie Frauen bzw. Geschlecht als kulturelle Größe, die in Form eines Aushandlungsprozesses kontextabhängig entsteht, ermöglicht es die Dimension des Geschlechtlichen mit anderen sozialen Subjektpositionen zu denken, aber: „Die Hierarchie und Asymmetrie zwischen den Geschlechtern ist von Epoche zu Epoche, von Kultur zu Kultur und innerhalb von Gesellschaften, Klassen, Positionen und letztlich sogar von Individuen unterschiedlich, die Existenz der Hierarchie ist unbestreitbar.“121 Der Feminismus kann und darf auf die analytische Kategorie Geschlecht nicht verzichten, will er die soziale Wirklichkeit von Frauen nicht aus dem Blick verlieren. Geschlecht ist ein Ordnungsprinzip der Gesellschaft, das als solches hinterfragt werden muss, um die hierarchisierende Ordnung zu verändern und auf zu heben. 3.4 Natur/Kultur – die sex/gender Debatte „Es gibt keine zufriedenstellende Geschlechtszugehörigkeit, 119 120 121 Sauer, 2001a: 38 Butler, 1993c: 10 Klinger, 1998: 254 die die humanbiologische Postulate der Definition Alltagstheorien der einlösen 39 122 würde.“ Ziel feministischer Theorien war und ist einer kausalen oder deterministischen entschieden Verknüpfung von Natur und gesellschaftlichem entgegenzutreten. Die Unterscheidung zwischen sex, Sein als natürlichem, anatomischen Geschlecht und gender, als kulturelle, soziale und historisch gewordene Ausformung von sex ist in diesem Zusammenhang in die feministische Theorie eingegangen. „Feministinnen haben schon früh die binäre Logik des Natur/Kultur – Dualismus kritisiert, aber sie dehnten ihre Kritik nicht auf die davon abgeleitete Unterscheidung zwischen sex und gender aus, weil diese immer noch zur Bekämpfung des vorherrschenden biologischen Determinismus in den hartnäckigen politischen Auseinandersetzungen um Geschlechterunterschiede in den Schulen, Verlagen, Krankenhäusern usw. tauglich war.“123 Judith Butler stellt den sex/gender-Dualismus in Frage und verwirft ihn mit dem Argument, dass er die für das moderne Denken symptomatische Trennung von Körper und Geist reproduziere, dies vor allem auch deshalb, weil in der Moderne der Geist immer männlich, der Körper immer weiblich konotiert wäre. Butler löst die sex/gender- Trennung in gender auf, indem sie behauptet, dass das angeblich natürliche, das biologische Substrat am Geschlecht keine gegebene, natürliche objektive Tatsache, sondern ein Diskurseffekt sei. In der sex/gender Trennung ist das kulturelle Geschlecht gender immer noch kausal bezogen auf das biologische Geschlecht sex, als einer kulturell vorgängig gedachten Realität der anatomisch organisierten Geschlechterdifferenz, die im Repräsentationssystem der Kultur neu besetzt und in gender umgewandelt wird. Die soziokulturellen Differenzen der Geschlechter bleiben also in ihrem als natürlich gedachten Grund rückgekoppelt. Das körperlich-anatomische Geschlecht ist nichts anderes als eine epochenspezifische Denk- und Bedeutungsstruktur. In der feministischen Theorie gilt der Körper als Ort des biologischen Geschlechts und somit als „Natur“. Eine Entnaturalisierung von sex muss also zwangläufig zur Beschäftigung mit der Materialität des Körpers führen: Butler verweist den Körper in das Reich der materialisierten Sprache. „Man kann sich nicht außerhalb der Sprache begeben, um Materialität an sich und von selbst 122 123 Hagmann-White, 1989: 228 Haraway , 1984: 71 40 zu begreifen.“124 Butler behauptet, dass die angeblich natürlichen biologischen Tatsachen des Körpers immer schon in spezifischer Weise geformt, gedacht, genormt erlebt sind, sodass Körper sozusagen im Zitieren von Normen entsteht, wobei es nichts Vorgängiges, keinen Originalkörper gibt. „Es gibt keine Bezugnahme auf den reinen Körper, der nicht zugleich eine weitere Formierung 125 dieses Körpers wäre.“ Wenn also jemand behauptet, ihre Brüste seien zu klein, dann beschreibt sie damit keine natürliche Tatsache sondern sie konstruiert eine bestimmte Qualität ihres Körpers, die „geschichtlich“ im Sinn von endlos zitiert, performativ wiederholt, in einem sprachlichen Bezugsrahmen, der von wissenschaftlichen Diskursen, die eine hohe Definitionsmacht haben, benannt ist. Sie sind körperlich effektiv – das heißt sie materialisieren sich. „Wir können (...) entdecken, dass Materie vollständig erfüllt ist mit abgelagerten Diskursen um das biologische Geschlecht und Sexualität, die die Gebrauchsweisen, für die der Begriff verwendbar ist, präfigurieren und beschränken.“126 In „Körper von Gewicht“ präzisiert Butler ihre Körpervorstellungen: Körper entstehen erst durch die Norm, die sich durch zitieren des symbolischen Gesetzes materialisiert – der biologische Körper ist laut Butler von Anfang an ein Sozialkörper – also ein Stück Gesellschaft, die sich im Körper manifestiert und als Natur erscheint. Durch die performative Wiederholung von Normen entsteht eine Körpermorphologie, entstehen Körperumrisse und -bilder sowie eine Körperwahrnehmung. Die diskursive Herstellung von Körpern durch performative Wiederholung von Normen nennt Butler Naturalisierung. Naturalisierung ist ein Effekt, der den Schein eines der Bezeichnung vorgängigen Körpers vermittelt. besteht darauf, dass die Zusammenhänge von 127 Butler biologisch-körperlichem Geschlecht, Geschlechtsidentität und Sexualität nicht kausal, sondern historisch kontingent, durch historische Praktiken hervorgebracht werden. Ergebnis dieses Vorgangs ist ein „System der Zweigeschlechtlichkeit, die Körper aufgrund der kulturell vorgegebenen 128 codiert.“ 124 125 126 127 128 Binarität einer Geschlechtermatrix geschlechtlich Geschlechterdifferenz ist somit eine historische und kulturelle Butler, 1997: 99 ebenda: 33 ebenda: 52 Vgl. Bublitz, 2002: 43 Butler, 1991: 37 ff 41 Variable, die eine Auflösung der gesellschaftlichen Polarisierung und Hierarchisierung entlang der Geschlechtergrenze in den Bereich des Möglichen rückt. „Problematisch an Butlers theoretischen Überlegungen ist m.e., dass sie den Körper ausschließlich als Kategorie oder Begriff betrachtet, deren ontologische Natürlichkeit sie als Effekt einer Beziehungspraxis entschleiern will. So wird der Körper zum Text und seine Körperoberfläche zum Papier, auf dem der Text einer geschlechtlichen Bezeichnungspraxis zu lesen ist.“129 Lorey kritisiert die Unmöglichkeit der realen Selbstwahrnehmung des Körpers durch das Fehlen eines aktuellen Selbst, was nur einen Blick der Anderen auf die Körperoberfläche ermöglicht; damit rücken die Praktiken des eigenen Selbst als Mann oder Frau aus dem Blickfeld der Analyse. „(...) hier der Körper, die Natur, die Biologie. Dort die soziale Umwelt, die Geschichte. Hier jene letztlich unveränderbar vorgestellte Leiblichkeit des Menschen, dort das weite Feld des Geschichtlichen in seiner grundsätzlichen Wandelbarkeit. Diese Grenzziehung hat historisch sowohl den Körper aus der Geschichte herauskatapultiert als auch die Vorstellung über ihn als einen blinden Fleck jenseits des Randes der sozialhistorischen Perspektive unerhellt gelassen.“130 Barbara Duden weist in ihren Forschungen nach, dass die Verschiedenheit der Körper erst mit der Formierung eines „bürgerlichen Körperverständnisses“ 131 zu einer fundamentalen Differenz wird. Konsequenz daraus ist, dass die Bestimmung der Frau zur Mutterschaft als Grundlage ihrer gesellschaftlichen Rolle fixiert wird. Nach Barbara Duden besteht die Geschichtlichkeit des Geschlechtskörpers in historisch unterschiedlichen Körperwahrnehmungen und in den unterschiedlichen Wahrnehmungen einzelner Individuen und muss bei einer Analyse der Materialität von Körpern immer mitgedacht werden. „Dass ein Leben, Sterben, Atmen und Altern des Körpers stattfindet, ist unbestritten. Die Behauptung, dies alles seien soziale und diskursive Praktiken, bedeutet ja nicht, dass diese Phänomene grundsätzlich zu leugnen seien.“132 Eingedenk der Tatsache, dass zwischen uns und der Realität immer die Sprache steht heißt das nichts anderes, als dass der Zugang zu unserem Körper nur innerhalb 129 130 131 132 und Lorey, 1993: 16 Duden, 1991: 8 ebenda: 13 Butler, 1993c: 10 durch Sprache möglich ist. Die Wahrnehmung unserer 42 Körperempfindungen ist nur innerhalb der sprachlichen Ordnung möglich, die aber gleichzeitig unsere Wahrnehmungen konstituiert. Ist der Körper also nur Schein? „Was geschieht denn in dem Augenblick, in dem wir uns dieser Tatsachen des Lebens vergewissern wollen? Dann erfolgt stets ein Konfigurieren des Todes, des Lebens, des Atmens, des Alterns, und dabei handelt es sich nicht einfach um Interpretationen, die diesen Phänomenen übergestülpt werden; vielmehr sind es die eigentlichen Bedingungen unseres Zugangs zu ihnen, die Art und Weise, in der sie uns erscheinen, in der sie in uns leben und wie wir leben.“133 So gesehen könnte frau sagen, dass Fiktionen Realität besitzen, indem sie materielle Wirkungen erzeugen, jedoch ist auch Materialität etwas historisch Entstandenes und muss daher historisch analysiert und präzisiert werden. 3.5 Der Priesterinnenbetrug 134 „Zukünftige feministische Politik formiert sich nicht um feste Gruppenzusammenhänge, Organisationen, Parteien oder Programme, sondern entlässt das Politische in eine Zukunft vielfältiger Bedeutungen“135 Ziel einer politischen Theorie Butlers ist das Offenlegen des Konstruktionscharakters von Geschlecht um die Reintegration des Ausgeschlossenen zu bewerkstelligen und zu einer Erweiterung des gesellschaftlich Anerkannten zu kommen, sowie die Pluralisierung und Integration ausgegrenzter und verworfener Identitätsformen. Sie entwirft eine Politik der Performativität, die sie als Macht performativer Sprechakte in einem System gesellschaftlicher Machtstrukturen verortet. Die Annahme der sozialen Wirkmächtigkeit von Sprechakten wird mit dem politischen Programm des „gender trouble“, der Geschlechtsverwirrung verknüpft. Zentrum der Politik der Performativität ist die Möglichkeit die wiederholte Konstitution derjenigen Kategorien, die dafür sorgen, dass etwas als normal oder als abweichend gilt, durch performative Verschiebung zu durchbrechen. Butler besteht in nahezu all ihren Texten auf der „Möglichkeit des 136 Sprechakts als Akt des Widerstandes“ 133 als Kern und Ansatzpunkt einer Butler, 1993c: 10 Cornelia Klinger bezeichnet das ihrer Meinung nach zentrale Defizit des Butler’schen Politikbegriffs- nämlich die Kategorie Frau abzulehnen und sie aus politischer Verlegenheit wiedereinzuführen als Als-ob-Politik mit einer Als-ob-Kategorie als Priesterinnenbetrug (Klinger, 1999: 103) 135 Butler, 1993c: 10 136 Butler, 2006: 244 134 43 politischen Handlungsmöglichkeit. Sie meint damit zum Beispiel die kritische Aneignung eines verletzenden sexistischen oder rassistischen Begriffs durch die Verletzten und die Resignifizierung im Sinn von Bedeutungsumwendung des Begriffs. Ihr Ansatz politischer Handlungsfähigkeit ist die Tatsache, dass performative Sprechakte immer auch nicht konventionale Bedeutung annehmen können. In der performativen Fehlaneignung liegt die Möglichkeit das binäre System der Geschlechtercodierung zu unterlaufen. Zur Erinnerung: Macht ist dem Diskurs immanent, weder Macht noch Subjekt stehen außerhalb des Diskurses. Doch Diskurse sind widersprüchlich, polyvalent und heterogen, sie kreuzen sich, das heißt, dass Widerspruch der Macht ebenso immanent ist und dass keine, auch nicht die kritische, Position sich außerhalb des Diskurs- oder Machtfeldes befindet. Das heißt weiter, dass die Werkzeuge zur Kritik, zur performativen Fehlaneignung ausschließlich von der kulturellen Matrix bereitgestellt werden. Umdeutung, Verschiebung und Variation sind nur als Fehlaneignung derjenigen Konventionen bzw. Normen möglich, die den Rahmen für den Wiederholungszwang bilden. Die Fähigkeit des Subjekts zu Kritik und Widerstand ist Teil des Machtspiels und damit kulturell konstruiert. „Die kritische Potenz von Sprechakten liegt in der Sprache immanenten Fähigkeit mit normativen Kontexten zu brechen – Normen, Rituale und Konventionen werden verändert, indem sie dekontextualisiert werden und damit Bedeutungen und Funktionen erhalten, für die sie niemals bestimmt waren.“137 Der Ort an dem sich der Bruch mit einem vorgegebenen Bedeutungskontext ereignet, ist der Körper, der von Butler als dasjenige „was bei einer Anrufung 138 zusammenbricht und eine Entgleisung von innen her ermöglicht“ 139 wird. „Die Inkongruenz des sprechenden Körpers“ bezeichnet ist der Ort, der die Performativität außer Kraft setzt und politische Aktivität ermöglicht. „Das Sprechen wird nämlich durch den gesellschaftlichen Kontext nicht nur definiert, sondern zeichnet sich auch durch die Fähigkeit aus, mit diesem Kontext zu brechen. Die Performativität besitzt eine eigene Zeitlichkeit, indem sie gerade durch jene Kontexte weiter ermöglicht wird, mit denen sie bricht. Diese ambivalente Struktur im Herzen der Performativität beinhaltet, dass Widerstands- und Protestbedingungen innerhalb des 137 138 139 Butler, 2006: 208 Butler, 2006: 220 Butler, 2006: 221 44 politischen Diskurses teilweise von den Mächten ermöglicht werden, denen man entgegentritt.“140 Durch Dekonstruktion des heterosexuellen Zwangscharakters öffnet Butler einen Raum für Geschlechterverwirrung, indem alternative Formen von Geschlecht und Geschlechtsidentität erprobt werden können. Der Körper, vollständig politisch besetzte Materialität, wird zum Experimentierfeld von Parodie, Travestie und Queer-Praktiken, indem die Kontingenz von anatomischen Körpermerkmalen und performativer Geschlechteridentität aufgedeckt wird. Ihre politische Theorie stellt den Versuch dar, innerhalb der heterosexuellen Diskurse „zur Geschlechter141 verwirrung“ beizutragen. Das Ziel besteht darin, die konstitutiven Strategien der Geschlechteridentität zu überschreiten. An Stelle eines Geschlechts treten eine Vielzahl von Geschlechtern und subversiven Stilisierungen, sowie grenzüberschreitendes Geschlechterhandeln, was zu einer Dezentrierung und Destabilisierung von Geschlecht führt. Butler plädiert dafür „die subversiven Möglichkeiten von Sexualität und Identität im Rahmen der Macht selbst neu zu 142 überdenken.“ Es kann politisch wirksam sein, sichtbar zu machen, dass „das Geschlecht nicht länger als innere Wahrheit der Anlagen und der Identität gelten kann, sondern performativ inszenierte Bedeutung ist (und also nicht ist)“ 143 und damit die Entnaturalisierung von Geschlecht in öffentlichen Kontexten zu betreiben. Crossdressing, drag, Travestie, übertriebene Theatralität in der Geschlechterdarstellung sind Formen, die der Annahme eines natürlichen, eindeutigen Geschlechts entgegenstehen und politisch subversiv eingesetzt werden können. Dass sie nicht zwangsläufig subversiv sind, liegt in der Tatsache begründet, dass Geschlechterhandeln im Sinne der performativen Wiederholung von Normen immer eine Inszenierung darstellt, als eine zitatförmige Wiederholung von Normen, die keine Kopie eines Originals ist. Das Ziel ihrer politischen Theorie ist verkürzt gesagt die Anerkennung des anderen, des Differenten, des Ausgeschlossenen. 140 141 142 143 Butler, 2006: 69 Butler, 1991: 61 ebenda: 57 ebenda: 61 45 „Kritisiert, geschweige denn aufgehoben sind mit der bloßen Forderung nach breiterer Anerkennung heterogener Identitäten die gesellschaftlichen Antagonismen aber keineswegs.“144 Denn die Verhältnisse, die gesellschaftlichen Gegebenheiten, die eine multiple Identität möglicherweise erforderlich machen bleiben bei Butler konsequent unhinterfragt. Ein solcher Begriff von Politik schürt die Gefahr der Wiederholung und Bestätigung gesellschaftlicher Prozesse und wirkt endgültig entpolitisierend: „Gegenwärtig, wo soviel von einer Pluralisierung der Lebensstile, dem Anwachsen räumlicher, politischer und sozialer Mobilität, der Zunahme biographischer Wahlmöglichkeiten und ähnlichem die Rede ist, wenn es um die Entwicklungstendenzen in den kapitalistischen Zentren geht, kann eine Vervielfältigung der Bedeutungen und Pluralisierung der Identitäten auch einer Anpassung an die Erfordernisse dieser Entwicklungen gleichkommen. Es ist noch nicht lange her, da wurde die Anforderung an Frauen, vielfältig und flexibel, Mutter und Vater, Kumpel und Freundin, Geliebte und Kampfgefährte, Karriere- und Putzfrau zu sein, als Teil der sexistischen Arbeitsteilung begriffen und als Zumutung zurückgewiesen. Heute hingegen könnte frau mit Butler glauben, hinter dieser Aufforderung das Licht der Freiheit aufblitzen zu sehen.“145 Die gesellschaftspolitische Perspektive bleibt bei Butler ungeklärt, weil sie die Verwobenheit von Differenz und Identität nicht im Bezug auf die Gründe und den Zweck, dieses Verhältnisses thematisiert. Was Butler in ihrer Theorie also völlig außer Acht lässt, ist die Frage nach der Ungleichheit bzw. Ungerechtigkeit, denn die Anerkennung aller möglichen Identitäten schafft noch nicht per se Egalität. Wenn geschlechtliche Differenzen zwangsläufig Hierarchisierung, Herrschaft und strukturelle Ungleichheit bedeuten können, dann ist eine gründliche Analyse der Bedingungen, Gründe, 146 Ungleichheit machen. Zwecke und Modi notwenig, die aus Differenzen Butler verzichtet gänzlich auf eine empirische Abstütz- ung ihrer Argumente, was ihrer Theorie als eklatanter Mangel angelastet wird. „Dekonstruktion und Infragestellung von Geschlechterkonstruktionen, die Absage an Essentialisierung und Naturalisierung der Verbindung von Geschlecht und Sexualität sind ohne Zweifel politische Praxen. Aber dies allein macht das Politische nicht aus. Die Schlagseite des dekonstruktivistischen Politikbegriffs liegt in seiner Entgrenzung bis hin zur Auflösung ins Kulturelle bzw. Soziale begründet.“147 Birgit Sauer kritisiert den dekonstruktivistischen Politikbegriff als entgrenzt und dadurch beliebig, so dass die feministische politische Theorie in Gefahr gerät die 144 Annuß,1996: 508 Eichorn, 1994 146 Vgl. Holland-Cunz, 2003a: 226ff 147 Sauer, 2001a: 37 145 46 „Entkoppelung von Politik als Handlung und Politik als 148 Struktur“ zu übernehmen, und sich damit ihrer gesellschaftsverändernden, macht- und herrschaftskritischen Potenzen beraubt. „Feministische Politikwissenschaft braucht also einen starken Begriff des Politischen, der die strukturelle Herrschaftlichkeit von Politik und die herrschaftliche Hartnäckigkeit von Geschlechterpolitiken ebenso erfassen kann wie Politik als vermachtetes strategisches Handlungsfeld.“149 Feministische Politik sollte ein Konzept sein, das „bestehenden Differenzen, die Ungleichheit und Ungerechtigkeit erzeugen, ein generelles Egalitätspostulat 150 entgegensetzt“ um in herrschafts- und machtkritischer Absicht Veränderung für Menschen zu bewirken. Die dekonstruktivistische Theorie allerdings verabsäumt die Theoretisierung der Reproduktion von Hierarchie und Ungleichheit. „Ungleichheit droht damit zur Differenz positiviert zu werden und Hierarchien geraten durch die Unterbelichtung von sozialen Institutionen, gesellschaftlichen Strukturen und ökonomischen Bedingungen als die Gesellschaft strukturierenden Dimensionen insgesamt aus dem Blick.“151 Die gesellschaftlichen Konstruktionsmechanismen von Geschlechterhierarchie im Bezug auf Strukturen, Ökonomie und alltäglichen Lebenswelten werden nicht in die Theorie integriert. Birgit Sauer und Sabine Lang diagnostizieren „strukturelle, 152 ökonomische, institutionelle und strategische Defizite“ postmoderner Theorie. 4. Dekonstruktivismus und feministische politische Praxis „Wissenschaft ist Politik mit anderen Mitteln (...) selbstverständlich mehr als Politik, aber sie ist auch das.“ 153 Wissenschaft ist Das Verhältnis von feministischer Wissenschaft und feministischer Politik ist seit einigen Jahren geprägt von gegenseitigem Misstrauen, Skepsis, gestörter Kommunikation und schließlich einer 148 149 150 151 152 153 ebenda: 38 ebenda: 39 Vgl. Appelt, 2000: 11 Sauer ,Lang, 1998: 83 Vgl. ebenda: 82 ff Harding, 1994: 22 47 „faktischen Trennung zwischen der wissenschaftlichen und politischen Teilöffentlichkeit des Feminismus (...), wobei der unterschwellige Anspruch der Dominanz des Politischen fortbesteht, was weder kritisch reflektiert noch revidiert wird.“154 Frauenbewegung und feministische Politikerinnen kritisieren an der akademischen Wissensproduktion deren Distanz zu den alltäglichen Lebensrealitäten von Frauen und die Abwendung vom leitenden Prinzip der Gesellschafts-und Herrschaftskritik. „In dem Maß, in dem sich akademischer Feminismus von der Gesellschaftskritik zur Wissenschaftskritik entwickelt, scheinen sich viele Feministinnen in der Akademie einzurichten, ohne sich noch auf die sozialen Verhältnisse außerhalb des Seminars zu beziehen.“155 Frühe Frauenforschung war geprägt von 3 Schlagworten: „Parteilichkeit, 156 Betroffenheit, Respektlosigkeit.“ 157 forschung“ In den „methodischen Postulaten zur Frauen- von Maria Mies ging es zunächst darum, in parteilicher Forschung die sozialen Realitäten von Frauen und gesellschaftliche Geschlechterverhältnisse von einem Betroffenheitshintergrund aus sichtbar und damit veränderbar zu machen und die gewonnenen Erkenntnisse zu abstrahieren und in einem weiten 158 weltgesellschaftlichen Kontext zu reflektieren. Immer unter dem Aspekt, dass die Befreiung oder Emanzipation von Frauen die Gesellschaft an sich verändern und verbessern wird. Feministische Theorie und frauenbefreiende Praxis sind hier ein unmittelbarere Sinnzusammenhang, der Wissen aus der Praxis der Frauenbewegung zieht, das wiederum unmittelbar der Praxis zugute kommt. Frauenforschung und politische Aktion gehören in diesem Sinn zusammen. Bald zeigt sich, dass die Erkenntnisse und Ergebnisse der im Namen der Postulate induzierten Forschungen nicht von allen Feministinnen geteilt werden. „Dass alle Frauen unterdrückt und ausgebeutet sind, ist (…)eine so allgemeine Erkenntnis, dass sie sich nicht als tauglich erweist, um als Klammer, als Brücke in der Interaktion von Frauen, auch nicht der wissenschaftlichen Interaktion, zu dienen. (...) je individueller und konkreter diese Interaktion wird (…), desto deutlicher wird, dass eine allgemeine politisch-moralische Position sich nicht einfach in die persönliche wissenschaftliche Interaktion zwischen spezifischen untersuchenden und spezifischen untersuchten Frauen hineinverlagern lässt.“159 154 155 156 157 158 159 Vgl. Holland-Cunz, 2003b: 16 Grimm, 1994: 154 Haug, Hauser, 1992: 115 Vgl. Mies, 1978: 41-63 Vgl. Mies, 1978: 41-63 Thürmer-Rohr, 1984: 73 48 Die Frauenforschung entfernt sich immer mehr von der Frauenbewegung, um einerseits „widersprüchlich und widersprechend zu bleiben,“160 andererseits um die Spannung zwischen universeller Ungleichbehandlung und der analytischen Notwendigkeit, Differenzen zwischen Frauen in den Blick zu nehmen, zu bewältigen. Wie ist es also möglich die feministische Wissenschaft und frauenbewegte Politik zu versöhnen um wissenschaftliche Erkenntnisse fruchtbar zu machen für feministische Politik und zu garantieren, dass die realen Lebenswelten von Frauen im Sinn eines Wortes von Karl Marx, der da sagt: „Kritische Theorie ist die Selbstverständigung (...) der Zeit, über ihre Kämpfe und Wünsche“161 Eingang und Beachtung finden im weiten Feld der feministischen Theorie. „Eine feministische Sichtweise, die sich nur auf die Frauen als Gleiche einlassen will, macht den Begriff weiblich wieder zu einer Subsumationskategorie, wie es immer schon war.“162 Birgit Sauer plädiert dafür Frauenforschung und Frauenbewegung, „als Formen feministischer Praxis und Politik zu begreifen, Praxen freilich mit unterschiedlichen Logiken Wissenschafterinnen Praxiszusammenhang, Gemeinschaft“164 und sowie eigenen Politikerinnen den bezeichnet, Lynn der Interessen handeln Hankinson darauf in einem Nelson hinweist, und als dass Zielen.“163 feministischen „epistemische sowohl Wissen- schafterinnen als auch Politikerinnen in einem Entdeckungs- und Begründungszusammenhang denken und handeln, der aus ihrer politischen wie sozialen Situierung entsteht: ihre Gemeinsamkeit besteht in der Unterrepräsentanz und Marginalisierung sowohl in Wissenschaft als auch in Politik. Parteilichkeit bedeutet in diesem Kontext innerwissenschaftliche Maxime und nicht Verpflichtung von Wissenschaft zu außerwissenschaftlicher Aktivität.165 Feministisches Denken und Handeln muss dem komplexen Zusammenhang zwischen „der strukturellen und subjektiven Dimension von Macht, Herrschaft und Gewalt nachgehen, um dabei zugleich der feministischen Utopie einer (möglichst) herrschaftsfreien Gesellschaft zu einem höheren Grade an Konkretion zu verhelfen.“166 160 Sauer, 2001b: 9 Marx, 1975: 57 162 Becker-Schmidt, 1984: 233 163 Sauer, 2001b: 10 164 Hankinson Nelson, 1993, zit. nach Sauer, 2001b: 10 165 Vgl. Sauer, 2001b: 11 ff 166 Kurz-Scherf, 2002: 45 161 49 Ins Zentrum feministischer Analyse und Kritik muss also die Kritik von Herrschaft in den unterschiedlichsten Praxisbereichen, nämlich Herrschaft zwischen Männern und Frauen, aber auch zwischen Frauen – rücken, in den unterschiedlichen Arenen von Wissenschaft und Frauenbewegung. Nach Birgit Sauer ist das Verhältnis von Wissenschaft und Politik als „Kritisches Netzwerk“ zu konstruieren, das sich im Spannungsfeld von Theorie und Praxis sowie von institutionalisierter Politik und außerinstitutionellen Organisationen stets neu wiederherstellt.167 Diese „Kritischen Netzwerke“ sollten in der Lage sein, neue Bündnisse mit anderen gesellschaftlich benachteiligten und diskriminierten Gruppen einzugehen, um der radikalen neoliberalen Transformation unserer Gesellschaften nicht ohnmächtig gegenüberzustehen und die vielfältigen Erscheinungsformen von Ausbeutung, Marginalisierung und Ausschluss benennen und kritisieren zu können. Kurz-Scherf plädiert für die sogenannte „Mutandis-putandis-Bedingung“168: Feministisches Denken und Handeln setzt in seiner „Emanzipationsvision nicht nur einen grundlegenden Wandel der Umstände voraus, in denen sich die Geschlechterverhältnisse formieren, sondern es macht sich diesen Wandel auch zum eigenen Anliegen. (...) Damit wird Herrschaft und Emanzipation zur zentralen Handlungs- und Forschungsperspektive des Feminismus.“169 Eingedenk der Tatsache, dass, wie der Dekonstruktivismus deutlich gemacht hat, Frauen immer auch involviert sind in die Strukturen, gegen die sie opponieren, sind sie seit je her aktiv und passiv beteiligt an Herrschaft. Der Dekonstruktivismus weist zurecht darauf hin, dass wissenschaftliches Forschen immer das eigene „Warum?“ klären und den Bezug zu den eigenen Aussagebedingungen herstellen muss, denn „Freiheit, Befreiung und Widerstand sind letztlich Effekte der Macht, sind Teilaspekte von Herrschaftsverhältnissen und nicht ihr würdiger, herrschaftsfreier, unvereinnahmbarer Gegenpart.“170 Und damit ist klar, dass feministische Wissensproduktion immer auch Ergebnis kultureller, sozialer, ökonomischer und politischer Verhältnisse ist, immer lokal und perspektivisch beschränkt, und prinzipiell immer in Frage gestellt werden 167 Vgl. Sauer, 2001b: 12 ff Kurz-Scherf, 2002: 44 169 ebenda: 44 170 Foucault, 1991 168 50 kann. Jegliche Differenzen – aber auch möglicherweise daraus hervorgehende Unterdrückung und Unfreiheit sind demnach ebenfalls Teilaspekte der Macht- und Herrschaftsverhältnisse, einerseits als Differenzen zwischen Individuen, andererseits als Differenzen zwischen Geschlechtern, Angehörigen verschiedener Klassen, verschiedenen sexuellen Begehrens, verschiedenen Rassen oder Ethnien, etc. Laut Donna Haraway besteht die Aufgabe darin, zwischen den Differenzen differenzieren zu können: „Some differences are playful; some are poles of world historical systems of domination. Epistemology is about knowing the difference.“171 Handlungsfähigkeit und Verantwortung stehen im Vordergrund feministischer Wissenschaft, wenn “die feministische Wissensproduktion mit Wirklichkeitssinn verbunden ist und Ermächtigung und Gerechtigkeit als Möglichkeitssinn befördert.“172 Um allerdings zu verhindern, dass sich die feministische Wissensproduktion, die sich nicht unmittelbar in politische Handlungsanleitungen übersetzen lässt, von Frauenbewegung und Frauenpolitik abkoppelt, braucht es nach Birgit Sauer „Übersetzungsleistungen bzw. Transmitter-Institutionen (...). Politikberatung bzw. Wissenschaftstransfer sind deshalb voraussetzungsvolle und komplexe Unternehmungen und können nicht auf instrumentelle Austauschverhältnisse reduziert werden. Sie müssen als Prozesse gestaltet werden, als Voraussetzung dafür, günstige Momente der Politikformulierung, des geschlechtskritischen Agenda-Settings und der Intervention nutzen zu können.“173 5. Fazit Der feministische Dekonstruktivismus von Judith Butler bietet keine befriedigenden Antworten, an Hand derer die gesellschaftlichen und politischen Transformations- und Globalisierungsprozesse in ihrer Wechselwirkung mit staatlichen Institutionen und in Bezug einerseits auf Partizipationschancen von Frauen, andererseits zusammenhänge von auf ihre Frauen Auswirkungen kritisch auf erklärt die werden konkreten Lebenskönnen. Aber die Feministische Theorie verdankt dem Dekonstruktivismus wichtige Erkenntnisse für eine erneuerte feministische Theorie und Praxis: 171 172 173 Haraway, 1991 zit. nach Singer, 2004: 264 Vgl. Singer, 2004: 265 Vgl. Sauer, 2001b: 18 51 ß Die Betonung von Dekonstruktion als Analyseverfahren und Denkform, die die androzentrischen Grundlagen westlicher Theorie und deren Kategorien und Konzepte als universalisierend und ausgrenzend entlarvt, bewirkt, dass Begriffe wie Subjekt und Identität, Kultur und Natur kritisch hinterfragt und als kulturelle Konstrukte erkannt werden und nimmt heilsamen Einfluss auf die vermeintliche Wahrhaftigkeit von Wissen und Wissensproduktion. ß Die zentrale Rolle von Sprache bei der Konstruktion von gesellschaftlicher Wirklichkeit wird als wirksam für Geschlechter-und Klassenbeziehungen, für gesellschaftliche Verhältnisse erkannt und verweist auf die machtbildende Potenz von Diskursen, die in allen gesellschaftlichen Beziehungen verankert ist. ß Die Marginalisierung und Unterdrückung von Frauen als ausschließliche Opfer von Macht und Herrschaft wird korrigiert zu Gunsten der Erkenntnis, dass auch Frauen Teil der Macht sind und somit nicht nur Opfer sondern auch Täterinnen. Die Betonung der Differenz zwischen Frauen, die eine abstrakte Gleichheitsvorstellung, mit der unzulässige Verallgemeinerungen über die Interessen von Frauen gemacht werden, kritisiert und die Einsicht fördert, dass Verallgemeinerungen niemals für alle Frauen gelten können und daher die Ausgeschlossenen dadurch marginalisiert, diffamiert und entpolitisiert werden. ß Die Aufdeckung der Heterosexualität als Zwangs -Herrschaftsprinzip und soziale Konstruktion, die Gesellschaft strukturiert und symbolisch ordnet. Eingedenk dessen, dass das zentrale Anliegen dekonstruktivistischer Ansätze nicht darin liegt, alternative Theoriemodelle oder emphatische Auswege aus festgelegten Denksituationen auszuarbeiten, sondern sich als vielfältige Beschreibungsversuche lesen lassen, mit welchen ausgewählte Themenfelder immer neu bearbeitet werden, ist ihr Verdienst um die feministische Theorie hoch einzuschätzen. Insofern möchte ich auch die oben genannten Thesen Judith Butlers, als unverzichtbaren Teil einer umfassenden feministischen Theorie verorten, die um die Dimensionen menschlicher Lebenswelten in gesellschaftlichen, ökonomischen, globalen und politischen Zusammenhängen erweitert und präzisiert werden muss, um wieder zu einer leidenschaftlichen feministischen politischen Theorie und Praxis für eine gerechtere Welt zu gelangen. 52 6. Schlussbemerkungen Feministische Theorie befindet sich heute in einem Spannungsfeld zwischen einer Gesellschaftstheorie, die sich historisch von marxistischen oder materialistischen Ansätzen ableitet, im deutschsprachigen Raum ist das die Kritische Theorie, und poststrukturalistischen und dekonstruktivistischen Ansätzen. Im Prinzip geht es also um eine Positionierung feministischer Theorie zwischen Ideologiekritik und Dekonstruktion. Meiner Meinung nach ist es im Sinne einer erneuerten feministischen Theorie notwendig keine Entweder-Oder-Entscheidung zu favorisieren, sondern die positiven Aspekte beider Ansätze für eine feministische Macht- und Herrschaftskritik produktiv zu machen. Ich halte es für wichtig auch in Zukunft am Begriff der Herrschaft und damit verbunden an der Frage ihrer Legitimation festzuhalten, allerdings unter der Prämisse dass Macht keine ausschließlich repressive Wirkung hat, sondern definiert als Machtfeld auch produktiv sein kann. Die Aufwertung der Differenzen erscheint mir unverzichtbar, allerdings muss unterschieden werden, welcher Art sie sind und welche Wirkungen sie haben. Auch würde ich am Begriff Frau als politisches Subjekt festhalten, solange Frauen Unterdrückung, Marginalisierung und Gewalt ausgesetzt sind – allerdings sind Herrschaftsverhältnisse, die neben Geschlecht auch in Rasse, Klasse und Kulturimperialismus begründet sind, mit zu denken und nicht hierarchisch zu gewichten. Es wäre in diesem Sinn von Vorteil, über Identitätsgrenzen hinweg Allianzen und Bündnisse mit den marginalisierten und unterdrückten Menschen dieser Welt einzugehen, ohne auf den Anspruch der Emanzipation als Frauen gegenüber herrschaftlicher Unterdrückung zu verzichten. Aber auch hier müssen Erkenntnisse, muss Wissen als situiert angesehen werden, um der Verlockung der universalisierenden Geltungsansprüche zu entgehen, denn mit Fatima Mernissi glaube ich: „Was wir brauchen ist eine Landkarte der Feminismen. Wir müssen genau analysieren, welche Gruppen in welcher Region der Erde welche Erfahrungen, Bedürfnisse und Forderungen haben. Mit einer solchen Landkarte in der Hand können wir dann endlich gemeinsame und unabhängige Ziele feststellen, die Strategien bedenken und die Bündnisse herstellen, die zur Erreichung der Ziele notwendig sind.“174 174 Mernissi,1992 zit. nach Lutz, 1999: 154 53 Der Dekonstruktivismus von Judith Butler ist meiner Meinung nach kein postmoderner Mythos sondern eine Bereicherung für einen erneuerten politischen Feminismus, der die Erkenntnisse feministischer Wissensproduktion und die Erkenntnisse frauenpolitischer Praxis so miteinander verschränken müsste, dass Feminismen zu machtvollen hegemonialen Diskursen werden, die in herrschaftsund machtkritischer Absicht die politischen Gestaltungsmöglichkeiten von Menschen aufzeigen und begründen. Dass ein solcher Art erneuerter politischer Feminismus dringend erforderlich ist, macht ein Zitat von Bourdieu nur allzu deutlich: „Der Jargon der Globalität ist bis ins Innerste der beherrschten Klasse der europäischen Nationen vorgedrungen und hat dort einen ökonomistischen Fatalismus, eine angesichts des ökonomischen Kräftetreibens mehr oder minder verzweifelte Resignation um sich greifen lassen, die zur Entpolitisierung und Demobilisierung führt.“175 Und: Frauen in feministischer Wissenschaft und Politik brauchen neue Bündnisse mit Gruppen, die dem neoliberalen Umbau der Gesellschaft ebenfalls skeptisch gegenüber stehen und durch radikal sozial-emanzipatorisches Denken und Handeln der Hegemonie des Neoliberalismus Demokratie als strikte Opposition zu Herrschaft entgegenstellen. 175 Bordieu, 1997: 14 54 7. 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