© 2005 Carl Hanser Verlag, München www.metall-infocenter.de/BIF Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern. MANAGEMENT Betriebswirtschaft CONTROLLING Die etwas andere Sichtweise Eine Buchführung hat zwangsläufig jeder Betrieb. Deren Erkenntnisse sind allerdings höchstens für das Finanzamt nützlich; zur erfolgreichen Steuerung eines Unternehmens taugen sie kaum. Dafür braucht es ein leistungsfähiges Controlling-System. Es muss gar nicht aufwändig oder kompliziert sein. Wichtig ist vor allem die richtige ›Controlling-Sicht‹. FÜR FRANZ EDERER, hauptberuflich Controller in Diensten der MAN Nutzfahrzeuge AG in München und nebenberuflich Berater mittelständischer Unternehmen in Sachen Controlling sowie Autor zahlreicher einschlägiger Fachbeiträge, ist völlig klar: »Nicht jeder Betrieb braucht einen Controller, aber alle brauchen jemanden, der Controlling macht.« Das sieht das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit nicht anders. »Für eine erfolgreiche Unternehmensführung ist ein systematisches Controlling unerlässlich«, lässt es in seinem Internetauftritt (www.bmwi-soft- 20 warepaket.de/cp/) wissen. Zugleich stellt es dort eine Anleitung für ein komplettes und schon recht ausgefeiltes Controlling-System zur Verfügung. Denn, so die Botschaft aus Berlin: »In einer zunehmend wettbewerbsorientierten, komplexen und dynamischen Unternehmensumwelt reichen die begrenzten Instrumente des Rechnungswesens nicht mehr aus.« Basel II zwingt die Betriebe zur Eigenanalyse Es sind also »die Zeitläufe«, die – unabhängig von der Größe oder der Branche, von gerade erst gegründet oder alteingesessen – jedes Unternehmen dazu zwingen, sich weit detaillierter als bisher mit seinen Erfolgs-, aber auch seinen Misserfolgsfaktoren zu befassen, konstatiert Professor Burghard Feindor. Die werden, so der Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaft im Fachbereich Informatik an der Fachhochschule Rosenheim, beispielsweise von Basel II geprägt, den ab 2007 gültigen Vorschriften für Banken zur Eigenkapitalunterlegung von Krediten. Diese staatlichen Aufsichtsregeln sollen nämlich letztlich alle Kreditgeber zwingen, viel genauer als früher hinzuschauen, wofür ihr © Carl Hanser Verlag, München BLECH InForm 4/2005 Kreditnehmer sich eigentlich Geld leihen will. Bisher achteten Banken und Sparkassen bei der Kreditvergabe hauptsächlich darauf, wer vor ihnen steht und welche dinglichen Sicherheiten er zu bieten hat. Gefragt ist von den Kreditinstituten künftig schlicht mehr Transparenz, was das kreditsuchende Unternehmen eigentlich macht und wie es das tut. Das gilt für den Einzelhändler an der Ecke ebenso wie für global tätige Konzerne und für Betriebe der Blechbearbeitung gleichermaßen wie für Arztpraxen. Andere Beteiligte am Wirtschaftsgeschehen verlangen ebenfalls mehr Ein- und Durchblick, nicht zuletzt nach den bitteren Erfahrungen mit spektakulären kriminellen Machenschaften wie dem Enron-Skandal in den USA an der Spitze und den daraus resultierenden weltwirtschaftlichen Turbulenzen. Sarbanes Oxley Act. Neue Bilanzierungsvorschriften wie IAS oder IFRS sollen ebenfalls für mehr Transparenz sorgen. Investoren wie Kapitalmärkte schließlich erzwingen schlicht mit der Macht ihres – von den Unternehmen benötigten – Geldes immer detailliertere Informationen über interne Kosten-, Erlös- und Organisationsstrukturen, über Chancen und Risiken und ebenso über das Marktumfeld. Das Problem ist, weiß ControllingSpezialist Ederer, dass genau diese geforderten Daten in vielen Unternehmen oft nicht einmal intern zur Verfü- MANAGEMENT gung stehen. Besonders kleine und mittlere Unternehmen wissen aus der zwingend vorgeschriebenen Buchführung nach Abschluss des Geschäftsjahres nämlich oft nur, was unter dem Strich herausgekommen ist. Sie haben in der Regel allenfalls ein Bauchgefühl, wie dieses Ergebnis im Einzelnen zustande kam. Nicht minder gefährlich als das Fehlen aussagekräftiger Kennzahlen zum aktuellen Ist-Zustand ist in Zeiten immer schnelleren technologischen Wandels und immer stärkerer Globalisierung die Unkenntnis darüber, welche Viele Unternehmen bilanzieren oft ›aus dem Bauch heraus‹ Weltweit ergießt sich deshalb schon seit geraumer Zeit eine wahre Gesetzesflut über die Unternehmen. In Deutschland zählen dazu beispielsweise das KonTraG oder die CorporateGovernance-Regeln, in den USA der © 2005 Carl Hanser Verlag, München www.metall-infocenter.de/BIF Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern. Betriebswirtschaft BLECH InForm 4/2005 21 © 2005 Carl Hanser Verlag, München www.metall-infocenter.de/BIF Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern. MANAGEMENT Betriebswirtschaft komprimieren und laufend zu überwachen, wächst deshalb von den unterschiedlichsten Seiten. Wie stark das vor allem mittelständische Unternehmen inzwischen spüren, können Wissenschaftler Feindor und Praktiker Ederer als Dozenten des ›IHK-Controlling-Kollegs‹ – einem inzwischen seit gut zehn Jahren von der Akademie in Westerham der IHK für München und Oberbayern angebotenen, zehntägigen Seminar – deutlich an der im Laufe der Zeit veränderten Teilnehmerstruktur ablesen. Controlling übernimmt eine Lotsenfunktion Franz Ederer, Controller bei der MAN Nutzfahrzeuge AG in München und Autor zahlreicher Fachbeiträge: »Nicht jeder Betrieb braucht einen Controller, aber alle brauchen jemanden, der Controlling macht« oft gravierenden Veränderungen sich hinter den Endergebnissen in der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung verbergen. Selbst in konjunkturell guten Zeiten macht dieses Manko jede Unternehmensführung mittel- bis langfristig nahezu zwangsläufig zum reinen Glücksspiel. In der aktuell schwierigen Situation speziell vieler Mittelständler ist – nicht selten aus heiterem Himmel – der Gang zum Insolvenzgericht die unausweichliche Konsequenz. Das zuweilen allein aus dem Grund, dass die Kunden eines höchst erfolgreich am Markt operierenden Unternehmens zwar durchaus noch munter ordern, aber immer später oder gar nicht mehr zahlen. Selbst ein an sich kerngesundes Unternehmen gerät durch solch ein fehlendes Forderungsmanagement und den damit verbundenen Transparenzmangel ganz schnell in ein existenzielles Liquiditätsproblem. Zunehmender Druck zwingt den Chef auf die Schulbank Der Druck auf die Unternehmen, über das übliche Rechnungswesen hinaus strukturierte Daten ihres Betriebes – also beispielsweise einzelnen Abteilungen, Produkten, Absatzregionen oder Kunden zugeordnete Kosten und Erträge – zu ermitteln, zu Kennziffern zu 22 Aus den kleineren Firmen kam früher eher der für die Buchhaltung zuständige Mitarbeiter, oft also die Ehefrau des Unternehmers. Heute bemüht sich der Chef schon selbst. Bei größeren Unternehmen wurde, nicht selten als Fortbildung und zugleich eine Art Incentiv, ein junger Mitarbeiter aus dem Rechnungswesen zum IHK-Controlling-Kolleg geschickt. Mittlerweile drückt der Abteilungsleiter persönlich die Seminar-Bank. Und immer häufiger ›entdecken‹ auch öffentliche Verwaltungen sowie Non-Profit-Organisationen die Notwendigkeit eines effektiven Controllings. Denn auch dort wächst der Effizienzdruck. Allerdings, klagt Feindor, kommen immer noch viele erst dann, wenn es schon zu spät ist. Gerade inhabergeführte Betriebe, in denen häufig alle wichtigen Informationen im Kopf des Unternehmers gespeichert sind und die lange Zeit sehr erfolgreich waren, ruhen sich oft zu lange auf ihren Lorbeeren aus. Das bestätigt auch das Bundeswirtschaftsministerium. Werden Probleme dann offensichtlich, ist mit Controlling meist nicht mehr viel zu retten. Denn das ist in erster Linie zukunftsorientiert. Deshalb hat richtig verstandenes Controlling auch nur herzlich wenig mit Nachkontrollieren zu tun. Dafür aber viel mit einer Lotsenfunktion. Ziel ist nämlich einerseits eine präzise und vor allem aktuelle Standortbestimmung des Unternehmens und daraus abgeleitet das Aufzeigen von Wegen, wie und ob überhaupt die von der Unternehmensführung angepeilten Ziele erreicht werden können. Letzterem dienen permanente Soll-Ist-Vergleiche. Die machen in einem passgenau auf die Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens organisierten ControllingSystem jede Kursabweichung schnell erkennbar und ermöglichen so die rechtzeitige Einleitung von Korrekturmaßnahmen. Die Einführung eines ControllingSystems ist keineswegs zwangsläufig gleichzusetzen mit einem neuen Mitarbeiter oder gar einer ganzen zusätzlichen Fachabteilung und zwingend hochkomplexer Software. Es geht vielmehr um eine Art Gesamt- und Außensicht auf das Unternehmen, erläutert Controlling-Fachmann Franz Ederer. Wichtig ist außerdem, dass letztlich alle Mitarbeiter die Controlling-Philosophie verinnerlichen. Das zu vermitteln zählt für ihn deshalb nicht weniger zu den Kernaufgaben des Controllings wie die Analyse von Unternehmensstrukturen, die Auswahl der für die Unternehmensführung jeweils relevanten Daten und Kennziffern, deren laufende Fortschreibung und die Weitergabe dieser Informationen an genau die Adressaten, die sie tatsächlich benötigen. »Schließlich«, stellt er nüchtern fest, »soll Controlling ja dafür sorgen, dass an jeder Stelle im Unternehmen die größtmögliche Effizienz erreicht wird.« An diesem Ziel müssen sich Controller – und muss sich Controlling – selbstverständlich auch selbst messen lassen. ■ Reinhold Müller ist Wirtschaftsjournalist in Fürstenfeldbruck [email protected] © Carl Hanser Verlag, München BLECH InForm 4/2005