65 5 Der Beobachtungsraum C(Z) als Banachverband stetiger Funktionen Es sei Z ein kompakter, metrisierbarer Raum und C(Z) die Menge aller stetigen beschränkten reellwertigen Funktionen auf Z. o n Z∗ = C(Z) = f : Z − → R f −1 (U) ∈ O, ∀U ∈ OR Diese Definition ist rein algebraisch, nicht metrisch! Es ist sinnvoll, alle Beweise durchzuprobieren. Da endliche Linearkombinationen stetiger Funktionen wieder stetig und auch beschränkt sind, ist C(Z) ein linearer Raum. Mit einer geeigneten Norm (sup-Norm), Multiplikation (punktweise) und Ordnung (punktweise) wird C(Z) ein B-Raum, eine B-Algebra und ein B-Verband. • 1∈C • 1A ∈ C ⇐⇒ A ist offen und abgeschlossen (Zusammenhangskomponente) • Sinnvoll sind Überdeckungen statt Zerlegung. Der Raum zerfällt nicht mehr. • linearer Raum (d.h. αf + βg ist stetig) • ∃ gmin , gmax , d.h., R(g) ist abgeschlossen und beschränkt ∃ zmin , zmax Genauer: g −1(x) ∈ F für alle x ∈ R(g) und nicht leer. Insbesondere gibt es zmin ∈ g −1 (gmin ), zmax ∈ g −1 (gmax ) • Intervall: C[a,b] = g ∈ C : [gmin , gmax ] ⊂ [a, b] • R = C[0,1] . Diese Menge spielt etwa die Rolle der “Einheitskugel”. Sie ist konvex aber nicht kompakt (in der starken Topologie, die später noch definiert wird). • Extremale Elemente von R: Die extremalen Elemente sind die charakteristischen Funktionen, also nur die Funktionen 1A , wobei A eine Zusammenhangskomponente ist. ÜA 7: Beweise die letzte Aussage. D.h.: Es sei Z ein zusammenhängender Raum. Beweise, daß sich zu jedem g ∈ R mit g 6= 0 und g 6= 1 solche f 6= h ∈ R finden lassen, daß g = 21 f + 21 h. Beweis:. Es sei g ∈ R und h = 2g−g 2 und f = g 2 . Dann ist g = 12 f + 21 h und offensichtlich f = g 2 ∈ R und h = 2g − g 2 = 1 − (1 − g)2 ∈ R. f 6= g ist für g 6= 1 erfüllt. • Satz von Urysohn: Es seien A, B ∈ F, A ∩ B = ∅. Dann existiert eine stetige Funktion f : Z− → [0, 1] mit f (A) = 0 und f (B) = 1. Beweis: Zum eigentliche Beweis wird eine ineinandergeschachtelte Folge von offenen und abgeschlossenen Mengen konstruiert, die mit rationalen Zahlen indexiert werden. Zum Beweis der Stetigkeit, wird ein folgendes Lemma benutzt. Lemma: Es sei C ∈ [0, 1] eine dichte Menge. Wir betrachten eine Abbildung C − → O(Z), a− → Ua mit der Eigenschaft: a < b =⇒ Ua ⊂ Ub . Dann ist die Funktion f : Z − → [0, 1], definiert als f (z) = inf {a ∈ C} z∈Ua 66 5 DER BEOBACHTUNGSRAUM C(Z) stetig. Erläuterung: Die Ua sind ineinandergeschachtelt. Mit zunehmendem a werden die Ua größer. f (z) wird das kleinste a (im inf-Sinne) zugeordnet, für das z gerade noch in Ua ist. Beweis des Lemmas: Wir zeigen, daß die Urbilder der offenen Mengen [0, x), (x, 1] ⊂ [0, 1] unter f offen sind. Da diese Mengen eine Subbasis in [0, 1] bilden, ist das der Beweis. Es ist [ Ua f −1 [0, x) = {z|f (z) < x} = a<x als Vereinigung offener Mengen offen. Des weiteren ist [ (Z \ Ub ) f −1 (x, 1] = {z|f (z) > x} = b>x eine Vereinigung abgeschlossener Mengen, über die man ersteinmal nichts aussagen kann. Wir zeigen, daß [ a>x (Z \ Ua ) = [ (Z \ Ua ) a>x S S Die Inklusion a>x (Z \ Ua ) ⊃ a>x (Z \ Ua ) ist offensichtlich, da Ua ⊂ Ua =⇒ (Z \ Ua ) ⊃ S (Z \ Ua ). Zum Beweis der Rückrichtung betrachten wir ein z ∈ a>x (Z \ Ua ). Es gibt also ein a > x mit z ∈ (Z \ Ua ). Gilt z ∈ (Z \ Ua ) ist alles bewiesen. Es sei z 6∈ (Z \ Ua ). Wir betrachten ein b ∈ C mit a > b > x, daß es wegen der Dichtheit von C stets gibt. Nach Voraussetzung ist Ub ⊂ Ua und damit z ∈ Z \ Ua ⊂ Z \ Ub . Wegen b > x ist dann auch S z ∈ a>x (Z \ Ua ). . Bemerkungen: – Es werden die rationalen Zahlen als Ordinalzahlen verwendet, die für die Mengen zwischen A und Z \ B eine Ordnung herstellen: A ⊂ U0 ⊂ ... ⊂ Ub ⊂ ... ⊂ Ua ⊂ ... ⊂ U1 ⊂ Z \ B – Es gibt also ein stetiges f mit f −1 (0) ⊃ A und f −1 (1) ⊃ B. Gleichheit der Menge ist genau dann zu erreichen, wenn A und B (die abgeschlossen sein müssen) als Durchschnitt abzählbar vieler offener Mengen dargestellt werden können. – Da es nur noch offene und abgeschlossene Mengen als sinnvolle Mengen gibt, spielen keine Zerlegungen mehr eine Rolle, dafür aber Überdeckungen. – 1A ist nicht stetig. • Fortsetzungssatz: • Lemma (Zerlegung der 1): n Es sei (Ui )ni=1 eine endliche, minimale offene Überdeckung von Z. Es existieren S (ϕi)i=1 ∈ C(Z) mit ϕi (z) ∈ [0, 1], ϕi (z) = 0, z ∈ Z \ Ui , ϕi (z) = 1, z ∈ Ui \ und j6=i Ui Pn i=1 ϕi = 1. 67 5.1 C(Z) ist Banachraum • • Ideal: A ∈ F, IA = {f ∈ C|f (z) = 0, z ∈ A} • Satz von Heine: Eine stetige Funktion ist gleichmäßig stetig. • Satz von Dini: Wenn eine monotone Folge stetiger Funktionen punktweise gegen eine stetige Funktion konvergiert, dann ist die Konvergenz gleichmäßig. • Folgenstetigkeit: zn − → z =⇒ f (zn ) − → f (z) • Zwei kompakte Hausdorff-Räume Z1 und Z2 sind genau dann homöomorph, wenn ihre Ringe von stetigen reell-wertigen Funktionen C(Z1 ) und C(Z2 ) isomorph sind. Siehe auch Semadeni. (Wie ist das gemeint?) Vermutlich muß der Isometrie-Operator auch die Multiplikativität erhelten, d.h. ein invertierbarer deterministischer Markowoperator sein. • f ist stetig und bijektiv =⇒ f −1 ist stetig. Es stellt sich heraus, daß die natürlichen Eigenschaften des Raumes stetiger Funktionen (metrische, algebraische, Ordungseigenschaft) in perfekter Weise zusammenpassen, was diesen Raum zum idealen Startobjekt für die weiteren Untersuchungen macht. Z − topologischer Raum (kompakt, Hausdorff, 1. AA) w w Menge der Beobachtungen Z∗ = C(Z) w w linearer Raum Metrik (Norm) =⇒ 5.1 normierter Raum =⇒ Banach-Raum Halb-Gruppe =⇒ Algebra =⇒ Banach-Algebra Ordnung Verband =⇒ =⇒ Riesz-Raum =⇒ Banach-Verband C(Z) ist Banachraum Ein Banachraum ist ein vollständiger (d.h., jede Cauchyfolge konvergiert) normierter linearer Raum. C(Z) ist linearer Raum, d.h., Summe, Produkt mit Skalar sind auch stetige Funktionen. Wir können in C(Z) eine Norm definieren: kgk = sup |g(z)| z∈Z Mit dieser Norm C(Z) ein normierter Raum. Die Norm definiert eine Metrik und damit eine Topologie in C(Z). In dieser Topologie ist: • Vollständigkeit: In der definierten Norm ist C(Z) vollständig und damit ein Banachraum. Beweis: Der Raum C(Z − → E) ist genau dann vollständig, wenn E vollständig ist. Der Beweis vollzieht sich in drei Schritten: 68 5 DER BEOBACHTUNGSRAUM C(Z) 1. Aus der Cauchy-Eigenschaft der Folge (fn ) folgt die Existenz eines punktweisen Grenzwertes f . 2. Es wird gezeigt, daß f stetig ist. Dazu wird die Differenz zweier Funktionswerte in vier Summanden zerlegt, die aus verschiednene Gründen klein werden: f (z1 ) − f (z2 ) ≤ f (z1 ) − fn1 (z2 ) klein wegen punktweiser Konvergenz + fn1 (z1 ) − fn2 (z1 ) klein wegen Cauchy-Eigenschaft + fn2 (z1 ) − fn2 (z2) klein wegen Stetigkeit + fn2 (z2 ) − f (z2 ) klein wegen punktweiser Konvergenz 3. Es wird gezeigt, daß fn − → f in der Norm konvergiert. • Konvergenz = Folgenkonvergenz • ÜA 8: Beweise explizit, daß auf C([0, 1]) die Funktionenfolge fn (z) = z n keine Cauchyfolge ist. Beweis: Wir konstruieren eine Teilfolge, die nicht gleichmäßig konvergiert. Es sei n > m und gmn (z) = z m − z n . Diese Funktion hat auf [0, 1] ihr Maximum bei z0 mit mz0m−1 = nz0n−1 oder z0 = (m/n)1/(n−m) . An dieser Stelle ist gmn (z0 ) = (m/n)m/(n−m) −(m/n)n/(n−m) . Wählt man jetzt n = 2m, ergibt sich gm,2m (z0 ) = (1/2)1 − (1/2)2 = 1/4. Diese Folge konvergiert nicht gegen 0. 5.2 C(Z) ist Banachalgebra Ein linearer Raum wird zu einer (kommutativen) Algebra, wenn in ihm eine (kommutative) Multiplikation definiert ist. Gibt es ein neutrales Element bezüglich dieser Multiplikation, so heißt die Algebra “Algebra mit Eins”. Ein Banachraum wird zu einer (kommutativen) Banachalgebra, wenn in ihm eine (kommutative) Multiplikation definiert ist, bezüglich der die Norm submultiplikativ ist. • Wir definieren eine Multiplikation f · g in C(Z) durch (f · g)(z) = f (z) · g(z) (punktweise Multiplikation). • Da das Produkt stetiger Funktionen wieder stetig ist, ist C(Z) abgeschlossen bezüglich dieser Operation. Das macht C(Z) zu einer kommutativen Algebra. • Die Multiplikation ist submultiplikativ, d.h. es gilt kf · gk ≤ kf k kgk. Daher ist C(Z) eine Banachalgebra. • Da 1 ∈ C und 1 · f = f , ist C(Z) eine Banachalgebra mit Eins. 5.3 Mathematische Grundlagen: Verbände, Rieszräume 5.3 5.3.1 69 Mathematische Grundlagen: Verbände, Rieszräume Geordnete Mengen Eine Menge heißt geordnet, wenn zwischen einigen ihrer Elemente eine Ordnungsrelation ≤ definiert ist. Diese Ordnungsrelation läßt sich mit verschiedener Schärfe definieren. Eine Ordnungsrelation ϕ ist eine Teilmenge der Produktmenge X × X mit folgenden Eigenschaften: 1. 2. 3. 4. 5. Für alle x ∈ X gilt (x, x) ∈ ϕ. (Reflexivität) (x, y) ∈ ϕ, (y, z) ∈ ϕ =⇒ (x, z) ∈ ϕ (Transitivität) (x, y) ∈ ϕ, (y, x) ∈ ϕ =⇒ x = y (Antisymmetrie) ∀ x, y ∈ X gilt (x, y) ∈ ϕ oder (y, x) ∈ ϕ (Totalität) ∀X: ∅= 6 X ⊆ X ∃ x ∈ X : x ≤ x′ , ∀ x′ ∈ X Der Zusammenhang zur üblichen Ordnungsrelation besteht in (x, y) ∈ ϕ ⇐⇒ x ≤ y. Eine Menge X mit einer Ordnungsrelation ≤ ist eine geordnete Menge und wird mit (X, ≤) bezeichnet. Ohne Totalität heißt eine Ordnung Halbordnung. Je nachdem, welche Bedingungen erfüllt sind, heißt X • • • • teilgeordnet, wenn 1) und 2) geordnet, wenn 1), 2) und 3) total geordnet, wenn 1), 2), 3) und 4) linear geordnet, wenn 1), 2), 3) und 4) (äquivalent zu total geordnet, intuitiver, aber weniger gebräuchlich) • wohl geordnet, wenn 1), 2), 3), 4) und 5) Uns interessieren im Weiteren nur die reellen Zahlen (linear geordnet) und punktweise geordnete Mengen von Funktionen (geordnet oder halbgeordnet). Für letztere sind nur die Eigenschaften 1), 2) und 3) von Interesse. Im Gegensatz zu Ordnungsrelationen werden für eine Äquivalenzrelation die Eigenschaften 1) und 2) und anstelle der Eigenschaft 3) die Eigenschaft 3’) (x, y) ∈ ϕ =⇒ (y, x) ∈ ϕ (Symmetrie), gefordert. Das führt dazu, daß eine Ordnungsrelation die Menge X zusammenhält, wogegen eine Äquivalenzrelation die Menge X zerfallen läßt. Macht man aus einer Ordnungsrelation ϕ eine Äquivalenzrelation durch symmetrisieren: (x, y) ∈ ϕ =⇒ (y, x) ∈ ϕ, dann stimmen die Äquivalenzklassen mit Ketten überein. Eine Majorante bezüglich der Teilmenge X ∈ P(X) ist ein Element x ∈ X, für das gilt x′ ≤ x, ∀ x′ ∈ X. Das Supremum einer Teilmenge X ∈ P(X) ist eine Majorante x+ ∈ X, für die gilt x+ ≤ x für alle Majoranten x von X. x+ = sup X. x+ = sup X ⇐⇒ (∀ x ∈ X : x ≤ x+ ) und (∀ x ∈ X : x ≤ x′ =⇒ x+ ≤ x′ ) In einem geordneten Raum (im Gegensatz zum teilgeordneten) ist das Supremum einer Teilmenge eindeutig, falls es existiert. ◮Es sei x1 = sup X und x2 = sup X. Dann gilt nach Definition für alle x ∈ X: x ≤ x1 und x ≤ x2 . Betrachtet man x1 als Supremum und x2 als x′ in der Definition, muß also x1 ≤ x2 gelten. Im umgekehrten Fall x2 ≤ x1 . Da der Raum geordnet ist, folgt x1 = x2 . ◭ Analog werden Minorante und Infimum definiert, wobei das Infimum im geordneten Raum eindeutig bestimmt ist (falls es existiert). Die fehlende Eindeutigkeit des Infimum und Supremum machen den teilgeordenten Raum uninteressant. 70 5 DER BEOBACHTUNGSRAUM C(Z) 5.3.2 Boolesche Algebren und Boolesche Ringe Eine Boolesche Algebra B = (X, ∨, ∧,′ , 00, 1) ist eine nichtleere Menge mit zwei binären und einer unitären Operation und zwei neutralen Elementen, die gewissen Axiomen genügen. Es ist sinnvoll, sich parallel dazu die Mengenoperationen als Beispiel vorzustellen. Ist Z eine Menge, dann bildet die Potenzmenge mit den bekannten Mengenoperationen eine Boolesche Algebra: B(2Z , ∪, ∩,′ , ∅, Z). Hier ist A′ = Z \ A das Komplement. Die Operationen werden deshalb auch Vereinigung, Durchschnitt, Komplement genannt. Es sollen folgende Axiome gelten: • • • • Kommutativität: x ∧ y = y ∧ x, x ∨ y = y ∨ x Neutralität: x ∨ 00 = x, x ∧ 1 = x Distributivität: x ∨ (y ∧ z) = (x ∨ y) ∧ (x ∨ z), x ∧ (y ∨ z) = (x ∧ y) ∨ (x ∧ z) Komplement: x ∨ x′ = 1, x ∧ x′ = 00 Dieses Axiomensystem ist selbstdual. Die Axiome gehen ineienadnre über, wenn man ∨ ⇐⇒ ∧ und 1 ⇐⇒ 00 vertauscht. Aus diesem Grund gibt es auch immer ein Paar Sätze, von denen man nur einen zu beweisen braucht. Aus diesen Axiomen folgen weitere Eigenschaften: • Assoziativität: x ∨ (y ∨ z) = (x ∨ y) ∨ z, x ∧ (y ∧ z) = (x ∧ y) ∧ z • Absorptionsgesetze: x ∨ (x ∧ y) = x, x ∧ (x ∨ y) = x Ein Ring R = (X, +, ·, 1) heißt Boolescher Ring, wenn er eine 1 enthält und wenn x2 = x für alle x ∈ X gilt. Die Definitionen von Booleschen Algebren und Booleschen Ringe erscheinen auf den ersten Blck nichts miteinander zu tun zu haben. Tatsächlich besteht zwischen beiden Klassen einen Bijektion, die durch folgende Zusammenhänge vermittelt wird: Angenommen, wir haben eine Boolesche Algebra gegeben, dann können wir die Operationen in einem Booleschen Ring folgendermaßen definieren: x + y := (x ∧ y ′) ∨ (x′ ∧ y) x · y := x ∧ y (15) (16) Angenommen, wir haben einen Booleschen Ring gegeben, dann können wir die Operationen in einer Booleschen Algebra folgendermaßen definieren: x∧y x∨y x′ 00 := := := := x·y x + y+x · y 1+x 1′ (17) (18) (19) (20) ÜA 9a: Beweise, daß durch (15)–(16) ein Boolescher Ring definiert wird. ÜA 9b: Beweise, daß durch (17)–(20) eine Boolesche Algebra definiert wird. ÜA 9c: Beweise, daß durch (17)–(20), wenn man + durch − ersetzt, eine Boolesche Algebra definiert wird. Ein – neben der Potenzfunktion und den Mengenoperationen – weiteres Beispiel für eine Boolesche Algebra könnte C(Z) sein, wenn man ∧ = inf und ∨ = sup setzt. Dann ist 00 = −∞ und 1 = +∞. Allerdings gibt es kein Komplement. Es gibt kein g ′ mit sup(g, g ′) = +∞. 5.3 Mathematische Grundlagen: Verbände, Rieszräume 5.3.3 71 Verbände In einer linear geordnete Menge umfaßt die Ordnungsrelation alle Elemente der Menge. Eine (Teil-)Ordnungsrelation kann man für eine beliebige Teilmenge einer Menge definieren. Oft ist es aber sinnvoll, wenn die Menge eine gewisse Mindestgröße hat und z.B. ausreichend viele Suprema und Infima enthält. Zu diesem Zweck kann man in Mengen algebraische Operationenen definieren bezüglich derer die Menge abgeschlossen ist und die mit der Ordnungsrelation im Zusammenhang steht. Eine solche Struktur ist eine Verbandsstruktur. Ein Verband V (es sei x, y, z ∈ V) ist eine Menge mit zwei Operationen ∨ und ∧, die kommutativ x ∧ y = y ∧ x, x ∨ y = y ∨ x und assoziativ x ∧ (y ∧ z) = (x ∧ y) ∧ z, x ∨ (y ∨ z) = (x ∨ y) ∨ z sind und außerdem noch sogenannte Absorptionsgesetze • x ∨ (x ∧ y) = x • x ∧ (x ∨ y) = x erfüllen. Der Zusammenhang mit einer Halbordnung ist folgender: x ≤ y ⇐⇒ x ∧ y = x ⇐⇒ x ∨ y = y Das ist so zu verstehen: Falls eine Verbandsstruktur definiert ist, definieren wir x ≤ y falls x ∧ y = x gilt (der Ausdruck x ∨ y = y folgt aus den Absorptionsgesetzen). Falls eine Ordnungsstruktur definiert ist, definieren wir x ∨ y = sup{x, y}, x ∧ y = inf{x, y}. Es läßt sich leicht nachprüfen, daß die geforderten Gesetze erfüllt sind. ÜA 10: Beweise diesen Zusammenhang. Eine geordnete Menge ist somit ein Verband, wenn eine zweielementige Menge (und damit folgt induktiv die Eigenschaft für beliebige endliche Mengen) ein Supremum und ein Infimum hat. In diesem Sinn ist die Ordnungsrelation in einem Verband abgeschlossen. Wir interessieren uns im weiteren vor allem für Räume von Funktionen in die reellen Zahlen, bei denen die Ordnungsstruktur die von den reellen Zahlen induzierte punktweise Ordnung ist. sup und inf sind dann die punktweisen Extrema. Zusätzlich kann man Distributivgesetze fordern x ∨ (y ∧ z) = (x ∨ y) ∧ (x ∨ z) x ∧ (y ∨ z) = (x ∧ y) ∨ (x ∧ z) dann heißt der Verband distributiver Verband. Wir werden im weiteren stets distributive Verbände betrachten. Eigenschaften: • Es gilt (Idempotenz) x ∧ x = x, x ∨ x = x. • Falls es ein kleinstes Element in der Menge gibt (genannt 00), dann ist es bezüglich ∨ neutral. Es gilt x ∨ 00 = x und x ∧ 00 = 00. 72 5 DER BEOBACHTUNGSRAUM C(Z) • Falls es ein größtes Element in der Menge gibt (genannt 1), dann ist es bezüglich ∧ neutral. Es gilt x ∧ 1 = x und x ∨ 1 = 1. • Ein Element x heißt Komplement zu x, falls x∨x = 1 und x∧x = 00. Das Komplement muß nicht einzig sein. Ein Verband heißt beschränkt, falls es zu jedem Element ein Komplement gibt. • In einem beschränkte, distributiven Verband ist das Komplement einzig. Manchmal ist des sinnvoll, neutrale Elemente künstlich einzuführen, obwohl sie eigenlich nicht zur Menge gehören und mit den anderen Strukturen in der Menge nicht verträglich sind. Wir nennen solche Elemente −∞ (das kleinste Element) und +∞ (das größte Element). Es kann sein, daß in einem Verband eine weitere Operation ⊕ definiert ist, die mit den Verbandsoperationen in folgendem Zusammenhang steht (x ∨ y) ⊕ (x ∧ y) = x ⊕ y = (x ∨ 00) ⊕ (y ∧ 1) (21) Dieser Zusammenhang heißt Satz von Sylvester oder Inklusions-Exklusions-Prinzip oder Siebverfahren. In der folgenden Tabelle sind einige Beispiele aufgeführt. Sie zeigen außerdem alle interessanten Objekte in speziellen Verbänden. Verband (x ∨ y) ⊕ (x ∧ y) Menge (A ∪ B) ⊔ (A ∩ B) N>0 [x, y] · (x, y) C sup(x, y) + inf(x, y) = = = = x⊕y A⊔B x · y x+y = (x ∨ 00) ⊕ (y ∧ 1) = (A ∪ ∅) ⊔ (B ∩ Z) = [x, 1] · (y, 0) = sup(x, −∞) + inf(y, +∞) Das Symbol ⊔ bedeutet die “disjunkte Vereinigung”. Sie entspricht der üblichen Vereinigung, falls die Mengen disjukt sind und erzeugt Kopien der Elemente, die in beiden Mengen vertreten sind. So ist {x, y} ⊔ {x, z} = {x1 , x2 , y, z}. Die disjunkte Vereinigung wird verwendet, wenn spezielle Operationen, wie z.B. die Kardinalität oder das Maß additiv sein sollen. Es ist |A∪B| ≤ |A| + |B| aber |A ⊔ B| = |A| + |B|. Als Gesamtmenge ist dann anstelle von Z die Menge N · Z. Formel (21) läßt sich auf endlich viele Objekte verallgemeinern und hat im Falle dreier Objekte die Form (x ∨ y ∨ z) ⊕ (x ∧ y) ⊕ (y ∧ z) ⊕ (z ∧ x) = x ⊕ y ⊕ z ⊕ (x ∧ y ∧ z) Analog gibt es eine Variante für n Objekte (geschrieben für Mengenoperationen): n n n n n \ X [ X X n+1 A A = |A | − |A ∩ A | + |A ∩ A ∩ A | − +...(−1) i i i i j i j k i=1 i=1 i<j i<j<k i=1 ÜA 11: Die Euler-ϕ-Funktion gibt für jede natürliche Zahl n an, wie viele zu n teilerfremde natürliche Zahlen es gibt, die nicht größer als n sind. ϕ(n) := {a ∈ N | 1 ≤ a ≤ n ∧ ggT(a, n) = 1} Beweise: ϕ(n) = Y p|n p kp −1 (p − 1) = n Y p|n 1 1− p 5.3 Mathematische Grundlagen: Verbände, Rieszräume 5.3.4 73 Riesz-Räume Ein linearer Raum mit Ordnungsstruktur, der auch ein Verband ist (d.h. sup und inf zweier Elemente müssen im Raum liegen) heißt Riesz-Raum, wenn folgende Verträglichkeitsbedingungen gelten: • Für alle f, g, h ∈ X gilt: f ≤ g ⇒ f + h ≤ g + h • Für alle f, g ∈ X und a ∈ R+ gilt: f ≤ g ⇒ a · f ≤ a · g In einem Riesz-Raum kann man positiven Teil, negativen Teil und den Betrag eines Elementes definieren: • x+ = x ∨ 0 • x− = (−x) ∨ 0 = −(x ∧ 0) • |x| = x+ + x− = x ∨ (−x) Für x, y, z ∈ X und α ∈ R gelten folgende Rechenregeln: • • • • • • • • • • • • • (x + z) ∨ (y + z) = (x ∨ y) + z (x + z) ∧ (y + z) = (x ∧ y) + z (αx) ∨ (αy) = a(x ∨ y) (αx) ∧ (αy) = α(x ∧ y) (−x) ∨ (−y) = −(x ∧ y) (−x) ∧ (−y) = −(x ∨ y) x ∨ y = 21 (x + y + |x − y|) x ∧ y = 21 (x + y − |x − y|) (x ∨ y) + (x ∧ y) = x + y (x ∨ y) − (x ∧ y) = |x − y| (x ∨ y) ∧ z = (x ∧ z) ∨ (y ∧ z) (x ∧ y) ∨ z = (x ∨ z) ∧ (y ∨ z) x = x ∧ y + 0 ∨ (x − y) ÜA 12: Beweise die (nichtoffensichtlichen) Rechengesetze. Die Menge X+ = {x ∈ X|x ≥ 0} heißt positiver Kegel. Man kann – umgekehrt – eine Ordnung mithilfe eines Kegels definieren: Ein Kegel C ⊂ X ist eine Teilmenge eines lin. Raumes, die neben x auch alle λx mit λ ≥ 0 enthält. Es ist f ≥ g falls f − g ∈ C. 5.3.5 Normierte Riesz-Räume. Banachverbände Ist der Riesz-Raum ein normierter Raum und die Norm erfüllt die Verträglichkeitsbedingung |x| ≤ |y| =⇒ kxk ≤ kyk so heißt die Norm Riesznorm. Hieraus folgt, daß Elemente mit selbem Betrag – insbsondere x und |x| – dieselbe Norm haben. ÜA 13: Beweise folgende Ungleichungen: kx ∧ z − y ∧ zk ≤ kx − yk kx ∨ z − y ∨ zk ≤ kx − yk Ein Riesz-Raum mit Riesznorm, der vollständig ist, heißt Banach-Verband. 74 5 DER BEOBACHTUNGSRAUM C(Z) 5.3.6 AM- und AL-Räume Üblicherweise wird bei der Definition der Norm in Funktionenräumen (z.B. der sup-Norm in C) explizit verwendet, daß die Elemente Funktionen sind. Riesz-Räume sind abstrakte lineare Räume, deren Elemente nicht Funktionen auf einer Menge sein müssen. Trotzdem lassen sie sich häufig normieren. Sinnvoll ist es natürlich, wenn die Norm mit der Ordnung in Einklang steht. Das erreicht man, wenn man die Norm mit Hilfe der Ordnung definiert. So eine Norm heißt Ordnungsnorm. In Rieszräumen gibt es dazu zwei ganz besondere Normen. Ein positives Element 1 ∈ V+ heißt Einheit (oder Einheit bezüglich der Ordnung oder Ordnungseinheit um sie von einer algebraischen Einheit zu unterscheiden), wenn für alle f ∈ V ein λ ∈ R+ mit −λ1 ≤ f ≤ λ1 existiert. Sind die Elemente von V Funktionen und ist V+ der Kegel der positiven Funktionen, dann kann jede Funktion, die keine Nullstelle hat, eine Einheit sein. Mit Hilfe der Einheit kann man Extrema und Norm (genannt Riesz-Norm) definieren. Es seien gmax = inf{λ : λ1 ≥ g} gmin = sup{λ : λ1 ≤ g} die obere und untere Grenze von g und kgk = inf{λ : λ1 ≥ |g|} = inf{λ : −λ1 ≤ g ≤ λ1} die Norm. (Es läßt sich leicht zeigen, daß das tatsächlich eine Norm ist.) Es gelten folgende Eigenschaften: • k 1k = 1 • Aus der Norm-Konvergenz folgt die Ordnungs-Konvergenz • Die folgende Eigenschaft verbindet die Norm mit der Ordnung: ka − bk ≤ ε ⇐⇒ b − ε1 ≤ a ≤ b + ε1 Die Norm hat eine besondeer Eigenschaft. Sie läßt sich mit dem Supremum vertauschen: ka ∨ bk = max{kak, kbk}, a, b ∈ V+ Das ist auch die Definition eines AM-Raumes (ein normierter Riesz-Raum mit dieser Eigenschaft heißt AM-Raum). Es gibt eine weitere ausgezeichnete Norm in Rieszräumen. Ein normierter Riesz-Raum, dessen Norm sich mit der Addition vertauschen läßt ka + bk = kak + kbk, a, b ∈ V+ heißt AL-Raum. Es wird sich herausstellen, daß AM- und AL-Räume in einem besonderen Verhältnis zueinander stehen. 5.4 C(Z) ist Banachverband 5.4 75 C(Z) ist Banachverband Wir zeigen im Weiteren, daß C(Z) ist Banachverband ist und daß die übliche sup-Norm und die Ordnungsnorm inihm identisch sind, wenn als Ordnungseinheit die algebraische Einheit gewählt wird. • Definition der Ordnung: f ≤ g ⇐⇒ f (z) ≤ g(z), z ∈ Z • Der positive Kegel C+ sind die positiven Funktionen. • Definition der Verbandsoperationen: (f ∨ g)(z) = max{f (z), g(z)}, (f ∧ g)(z) = min{f (z), g(z)} • Da f ∨ g und f ∧ g stetige Funktionen sind, ist C(Z) ein Riesz-Raum. • Wie üblich definieren wir g+ = sup{g, 0}, g− = sup{−g, 0}, |g| = g+ + g− . • Wegen |f | ≤ |g| =⇒ kf k ≤ kgk ist C(Z) Banachverband. • Da alle stetigen Funktionen beschränkt sind, kann man 1 (die algebraische Einheit) als Ordnungseinheit wählen. Es ist gmax = inf{λ : λ1 ≥ g} gmin = sup{λ : λ1 ≤ g} • Es sei kgks die Supremumsnorm und kgko die Ordnungsnorm. Es gilt kgks = kgko. ÜA 14: Beweise das.