Strömungsabriss

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Strömungsabriss
Strömungsabriss an einem Profil im Windkanal
Auftriebsbeiwert in Abhängigkeit vom Anstellwinkel
Als Strömungsabriss (englisch: stall) bezeichnet man in der Aerodynamik die Ablösung
der Luftströmung von der Oberfläche eines angeströmten Gegenstandes. In der Praxis
sind darunter Tragflächen, Steuerungsflächen, Propeller, Rotorblätter oder im
Triebwerksbereich auch Verdichterschaufeln gemeint. Dabei kann es sich
gleichermaßen um die Ablösung einer laminaren als auch einer turbulenten Strömung
handeln.
Ursachen
Zwei Ursachen sind für den Strömungsabriss verantwortlich:
1. Ein Anstellwinkel, der über einem für das jeweilige Profil charakteristischen Wert liegt.
2. Erhöhung der Geschwindigkeit an einem Unterschallprofil in den schallnahen Bereich.
Dies wird in der Fachsprache als Highspeed Stall bezeichnet.
Auswirkungen
Die Folge ist eine Verringerung des Auftriebs (beim Propeller: des Vortriebs).
Kontrollierter Sackflug; das Fehlen einer Luftumströmung der Tragflächen ist an den
angebrachten Fäden erkennbar
Der Pilot eines Starrflüglers kann einen Strömungsabriss gezielt herbeiführen, um bestimmte
Manöver durchzuführen (z. B. Landung, Sackflug, Trudeln, Luftkampfmanöver).
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Die normale Reaktion eines Flugzeugs auf einen (vollständigen) Strömungsabriss ist ein
Abkippen beziehungsweise Abtauchen nach vorne. Aerodynamisch stabile Flugzeuge fangen
sich dabei im Idealfall nach kurzer Zeit wieder ab.
Die Auswirkung eines Strömungsabrisses hängt von der Beschaffenheit des Profiles und der
Tragflächenkonstruktion ab. Bei Nutz- und Verkehrsflugzeugen wird bei der Konstruktion auf
eine „gutmütige Stall-Charakteristik“ (weniger abruptes Abkippen) geachtet, damit bei
unbeabsichtigtem Eintreten in den Stall keine abrupten Auftriebsverluste auftreten.
Ein Stall-Zustand, der meistens zum Absturz führt, ist der sogenannte Deep Stall mit Verlust
der Höhenruderwirkung.
Stallgeschwindigkeit
Das Auftreten eines Strömungsabrisses hängt ausschließlich vom Anstellwinkel ab. Dennoch
kann man diesem Winkel in der Praxis eine Geschwindigkeit zuordnen. Je geringer die
Geschwindigkeit eines Flugzeuges wird, desto mehr muss der Anstellwinkel erhöht werden,
damit das Flugzeug ohne an Höhe zu verlieren geradeaus fliegt. Will man zudem noch ohne
Höhenverlust eine Kurve fliegen, muss der Anstellwinkel zusätzlich erhöht werden.
Die Geschwindigkeit, bei der es im Geradeausflug zum Strömungsabriss kommt, nennt man
Abrissgeschwindigkeit[1], halbenglisch Stall-Geschwindigkeit, oder auch als englisches
Fremdwort Stallspeed. Fliegt ein Flugzeug schneller als Stallspeed, aber langsamer als mit der
vom Hersteller festgelegten Mindestgeschwindigkeit, dann gerät es in den Sackflug. Die
Strömung an den Tragflächen ist bereits turbulent, der Auftrieb stark vermindert, das
Flugzeug „sackt durch“. Die Strömung ist aber noch nicht völlig abgerissen und das Flugzeug
bleibt – eingeschränkt – steuerbar.
Gewicht, Schwerpunktlage und Lufttemperatur haben Wirkung auf die Stallgeschwindigkeit.
Eisansatz am Flügel verändert das Profil und erhöht dadurch die Abrissgeschwindigkeit in
unvorhersehbarer Weise.
Highspeed Stall
Beim Highspeed Stall kommt es durch die für den schallnahen Geschwindigkeitsbereich
typische Ausbildung einer Stoßwelle zum Strömungsabriss hinter der Stoßwelle. Sofern nicht
extrem viel Energie zugeführt wird (zum Beispiel durch einen Sturzflug), beendet sich dieser
Zustand von selbst, da die Stoßwelle enormen Widerstand erzeugt und sich dadurch die
Geschwindigkeit wieder reduziert.
Compressor Stall
Ein Compressor Stall ist ein Strömungsabriss an einer einzelnen Verdichterschaufel innerhalb
eines Strahltriebwerks. Die grundlegende Ursache hierfür ist eine Instabilität des Luftflusses
innerhalb des Verdichters oder eine Veränderung der Luftgeschwindigkeit innerhalb des
Verdichters ohne eine kompensierende Drehzahländerung (was letztlich zu einer Veränderung
des Anströmwinkels der Verdichterschaufeln führt).
Geschieht der Strömungsabriss an mehreren Schaufeln, kommt es zu einem
Verdichterpumpen, Surge genannt. Dabei kommt es zu einer Rückströmung der Luft aus
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nachgeordneten Verdichterstufen, bis wieder genügend Druck vorhanden ist. Dieses
wiederholt sich nun periodisch (Frequenz 5 bis 30 Hertz) solange der Gegendruck der
Verdichterstufe auf der Höhe bleibt, die diesen Vorgang auslöste.
Die Schäden, die ein Compressor Stall bzw. Compressor Surge bewirkt, können einen
Triebwerkswechsel erforderlich machen.
Einseitiger Strömungsabriss
Wenn es im Langsamflug durch unterschiedliche Geschwindigkeiten der Tragflächen
(Kurvenflug) an der langsameren Tragfläche zu einem einseitigen Strömungsabriss kommt,
kann dies zum Trudeln führen. Aus diesem Grund ist es vor allem im Langsamflug bei hohen
Anstellwinkeln wichtig, "koordiniert" zu fliegen.
Nichts mit dem Trudeln zu tun hat der sogenannte Spiralsturz. Während beim Trudeln die
Strömung nur einseitig abgerissen ist, liegt sie beim Spiralsturz an beiden Flächen an.
Gefahren
Bei einem Fluggerät kann ein Strömungsabriss in Bodennähe fatale Folgen haben. Der
Auftriebsverlust sowie der erhöhte Luftwiderstand lassen es wie den sprichwörtlichen Stein zu
Boden fallen; reicht die Höhe nicht mehr zum Ausleiten des Strömungsabrisses aus, kommt es
zu einem harten Aufschlag auf dem Boden.
Viele Flugzeuge verfügen daher über eine Überziehwarnanlage, die dem Piloten einen
drohenden Abriss signalisiert.
Bei Drehflüglern (Hubschraubern) kann der Strömungsabriss zu einem plötzlichen
Auftriebsverlust am Haupt- oder Heckrotor führen. Der Strömungsabriss entsteht, wenn der
Anstellwinkel der Rotorblätter zu groß gewählt ist. Dies kann geschehen, wenn die Maschine
durch eine zu schwere Last am Transporthaken oder falsche Flugtaktik im Gebirge überlastet
wird. Nur geübte Piloten sind im Stande, solche Notfallsituationen zu meistern und den
Hubschrauber wieder in eine reguläre Fluglage zu bringen.
Beabsichtigter Strömungsabriss
Der geringe Auftrieb bei abgerissener Strömung wird in manchen Fällen gezielt eingesetzt.
Bei Hängegleitern und Vögeln erlaubt ein völliger Strömungsabriss kurz vor der
Bodenberührung eine stehende Landung.
Im Gleitschirmsport ist der Strömungsabriss ein Mittel, um im Notfall Leinenüberwürfe
und Verhänger zu beseitigen.
3D-Kunstflugfiguren werden unter Strömungsabriss geflogen.
Die Betriebsparameter vor allem kleinerer Windkraftanlagen sind so ausgelegt, dass
bei zu hoher Windgeschwindigkeit die Strömung abreißt. Dadurch kann ohne
Verstellung der Rotorblätter die Belastung des Rotors begrenzt werden.
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