Übungsblatt 1 \(17 - Wiwi Uni-Frankfurt - Goethe

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Prof. Dr. Rainer Klump
Dr. Michael Grote
J.W. Goethe-Universität, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre,
insb. Wirtschaftliche Entwicklung und Integration
Schumannstr. 60, 60325 Frankfurt/M., Tel. 069 – 798-22288
Email: [email protected]
Grundzüge der Wirtschaftspolitik – WS 2002/03
Schlüsselbegriffe 4
Institution: Eine Institution ist ein auf ein bestimmtes Zielbündel abgestimmtes System von
Normen einschließlich deren Garantieinstrumente, mit dem Zweck, das individuelle Verhalten in
eine bestimmte Richtung zu steuern. Institutionen strukturieren unser tägliches Leben und
verringern auf diese Weise dessen Unsicherheiten. Institutionen können formal sein (Recht) und
informell. Zu unterscheiden ist im Fall formaler Institutionen zwischen Institution im Sinne
objektiven Rechts (z.B. das Grundgesetz oder das BGB) und Institutionen im Sinne subjektiven
Rechts (z.B. konkretes Eigentum oder der konkrete Anspruch zum Beispiel aus einem
Arbeitsvertrag).
Institutionen können sich im Extremfall „spontan“ aus dem Eigeninteresse der Individuen
entwickeln, d.h. sich selbst organisieren oder – im anderen Extremfall – komplett durch eine
Autorität organisiert werden. (Diese Beschreibung lehnt sich an Nobelpreisträger von 1993, Oliver
North an.)
Organisation: Planmäßigkeit der Anlage, des Aufbaus und der Gestaltung insbesondere in Staat,
Politik und Wirtschaft. Anders gesagt: Institutionen einschließlich der sie benutzenden Individuen.
Transaktionskosten: Die mit den Vereinbarungen über einen (als gerecht empfundenen)
Leistungsaustausch verbundenen Kosten. Transaktionskosten entstehen aufgrund
Marktunvollkommenheiten, z.B. unvollständiger Informationen der am Güter- und
Leistungsaustausch beteiligten Wirtschaftssubjekte. Transaktionskosten treten auf als
a) Anbahnungskosten, z.B. Informationssuche und -beschaffung über potentielle Tauschpartner und
deren Konditionen; b) Vereinbarungskosten, z.B. Intensität und zeitliche Ausdehnung von
Verhandlungen, Vertragsformulierung und Einigung; c) Kontrollkosten, z.B. Sicherstellung der
Einhaltung von Termin-, Qualitäts-, Mengen-, Preis- und evtl. Geheimhaltungsvereinbarungen; d)
Anpassungskosten, z.B. Durchsetzung von Termin-, Qualitäts-, Mengen- und Preisänderungen
aufgrund veränderter Bedingungen während der Laufzeit der Vereinbarung.
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Wirtschaftsordnung: Ordnung: Gesamtheit aller Regeln und Institutionen, die für den Aufbau, das
Funktionieren und den Erhalt eines bestimmten Bereiches notwendig sind. Die Wirtschaftsordnung
ist somit die Gesamtheit aller Regeln und Institutionen, die für den Aufbau, das Funktionieren und
den Erhalt der Wirtschaft notwendig sind. In der maßgeblich von Eucken entwickelten neoliberalen
Ordnungstheorie stehen dabei die Planungskompetenzen und der Mechanismus der
Plankoordinierung als Analysekriterien im Vordergrund. Eucken zufolge muss in jeder, wie auch
immer gearteten, Wirtschaft geplant werden. Diese Konstante des Wirtschaftsgeschehens wird beim
„Denken in Entwicklungen” übersehen. Die gesamtwirtschaftliche Ordnung der Planung ist für ihn
daher das elementare Klassifikationsmerkmal und der Ausgangspunkt seiner ordnungstheoretischen
Analyse („Denken in Ordnungen”). Je nach der Zahl der Planträger unterscheidet Eucken
idealtypisch zwischen der Verkehrswirtschaft (Marktwirtschaft) und der zentralgeleiteten
Wirtschaft.
Wirtschaftskultur: Eine allgemeine Definition von Kultur stammt wiederum von Nobelpreisträger
North: „Übertragung von Wissen, Werten und anderen verhaltensrelevanten Faktoren vermittels
Lehre und Nachahmung von einer Generation auf die nächste.“ Mithilfe von u.a. der
Wirtschaftssoziologie können solche Faktoren in den institutionellen Rahmen aufgenommen
werden, um insbes. die langfristige wirtschaftliche Entwicklung zu erklären.
Bsp.: die traditionellen asiatischen Werte als Ursache für den Aufschwung der „Tigerstaaten“.
Kapitalistische Marktwirtschaft: Konzeption der Wirtschaft, bei der Privateigentum an
Produktionsmitteln vorherrscht und die Koordinierung des wirtschaftlichen Geschehens und die
Allokation der Ressourcen über den Markt geregelt werden. Das Privateigentum an den
Produktionsmitteln stellt insbesondere die dezentrale Planung von Produktion und Investition
sicher. Durch das Gewinnstreben der Kapitalbesitzer und durch die Tätigkeit der von Ihnen
eingesetzten Unternehmensleitungen soll die bestmögliche Orientierung des Güterangebots an den
Konsumwünschen der Nachfrager sichergestellt und die optimale Nutzung der Produktionsfaktoren
erreicht werden.
Kapitalistische Planwirtschaft: Konzeption der Wirtschaft, bei der die Eigentumsverhältnisse über
Privateigentum, aber die Koordinierung des wirtschaftlichen Geschehens und die Allokation der
Ressourcen ganz oder zum großen Teil zentral geregelt wird. Diese Konzeption kann z.B. in
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Ausnahmesituationen der Fall sein (Krieg, Notstand etc.). Ferner kann diese Situation auch dann
eintreten, wenn das Vertrauen in den Preis in der Marktwirtschaft als bester Knappheitsmesser
verloren geht.
Sozialistische Planwirtschaft: Konzeption der Wirtschaft, in der es nur Kollektiveigentum an den
Produktionsmitteln gibt und der Allokationsmechanismus zentral geregelt wird. Verzicht auf das
Preissystem als Allokationsmechanismus und Orientierung der Betriebe an Plan- und
Mengengrößen anstatt am Gewinn.
Sozialistische Marktwirtschaft: Konzeption der Wirtschaft, in der es nur Kollektiveigentum an
den Produktionsmitteln gibt aber die Allokation dezentral über den Markt abläuft. D.h. unter der
Bedingung, daß die Produktionsfaktoren immer noch Kollektiveigentum sind, haben innerhalb
dieser Konzeption die Betriebe die Möglichkeit, selber über ihren Einsatz zu entscheiden.
Neoliberalismus: Hier werden Forderungen des klassischen Liberalismus. werden aufgegriffen;
dieses Konzept wird jedoch aufgrund der Erfahrungen mit dem Laisser-faire-Liberalismus,
sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften und dem konzeptionslosen Interventionismus, der
spätestens seit Beginn des 20. Jh. die Wirtschaftspolitik der meisten marktwirtschaftlichen
Ordnungen kennzeichnet, korrigiert. Betont wird wieder die Ordnungsabhängigkeit des
Wirtschaftens und die Bedeutung privatwirtschaftlicher Initiative. Stärker als dies im klassischen
Liberalismus der Fall ist, wird jedoch berücksichtigt, daß der Wettbewerb durch
privatwirtschaftliche Aktivitäten bedroht ist, da sich ihm die Marktteilnehmer durch die Erlangung
von Marktmacht zu entziehen versuchen. Daher soll der Staat den freien Wettbewerb aktiv vor dem
Entstehen privatwirtschaftlicher Marktmacht wie auch vor staatlich verursachter Marktmacht
schützen.
Ordoliberalismus: Die in Deutschland vertretene Ausgestaltung des neoliberalen Konzeptes wird
als Ordoliberalismus bezeichnet, der auf die in den 30er Jahren begründete Freiburger Schule
zurückgeht.
Freiburger Schule: Aus der Freiburger Universität hervorgegangene Schule (Denk- und
Forschungsrichtung), der Namen wie Eucken, Böhm, Großmann-Doerth, Rüstow angehören. Durch
die Überwindung des „Denkens in Entwicklungen” (Historische Schule, Marxismus) leistete die
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Freiburger Schule einen wesentlichen theoriegeschichtlichen Beitrag. Das „Denken in Ordnungen”,
d. h. die Ermittlung der für jede Wirtschaftsordnung konstitutiven Ordnungsformen (Morphologie)
und die Analyse der Interdependenzen zwischen den wirtschaftlichen Teilordnungen, rückte in den
Vordergrund.
Soziale Marktwirtschaft:
I.
Charakterisierung: Von A. Müller-Armack und L. Erhard konzipiertes wirtschaftspolitisches
Leitbild, das ab 1948 in der BRD verwirklicht worden ist. Es greift die Forderung des
Ordoliberalismus nach staatlicher Gewährleistung einer funktionsfähigen
Wettbewerbsordnung auf, ergänzt jedoch den Katalog wirtschaftspolitischer Staatsaufgaben
unter Betonung sozialpolitischer Ziele. Mit diesem Leitbild wird versucht, Ziele und
Lösungsvorschläge des Liberalismus, der christlichen Soziallehre und der
sozialdemokratischen Programmatik miteinander zu verbinden. Sie ist kein streng in sich
geschlossenes Konzept, wodurch der Gestaltungsauftrag an die Träger der Wirtschaftspolitik
umfassender und elastischer als beim Ordoliberalismus ist.
II.
Aufgaben/Instrumente: Neben der Gewährleistung einer freiheitlichen Wettbewerbsordnung
wird eine soziale Ausrichtung der Wirtschaftspolitik gefordert. Die Kennzeichnung als
sozial erhält diese Konzeption vorrangig nicht durch eine staatliche Umverteilung von
Vermögen oder Einkommenschancen, vielmehr wird eine sozialpolitisch motivierte
Verteilung der Einkommenszuwächse, die durch eine sinnvolle Ordnungspolitik erst
ermöglicht werden, sowie eine sozialorientierte Beeinflussung der Marktprozesse bei
Gewährleistung der Marktkonformität der Instrumente angestrebt. Sozial unerwünschte
Marktergebnisse sollen durch Beschränkung oder indirekte Beeinflussung der
privatwirtschaftlichen Initiative korrigiert werden, tiefgreifende strukturelle Umbrüche
werden mittels staatlicher Anpassungsinterventionen in ihren sozialen Folgen gemildert. Die
ordoliberale These der prinzipiellen Stabilität des privatwirtschaftlichen Sektors wird nicht
vollkommen geteilt und hieraus die Notwendigkeit einer maßvollen staatlichen
Konjunkturpolitik mit primär geld-, aber auch fiskalpolitischen Instrumenten abgeleitet. In
den sozialpolitisch relevanten Bereichen, in denen Marktversagen zu befürchten ist (soziale
Versicherungssysteme), hat der Staat unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips
unterstützend einzugreifen oder die Bereitstellung entsprechender Güter und
Dienstleistungen selbst zu organisieren. Weitere Aufgaben des Staates sind eine aktive
Arbeitsmarkt-, Vermögens-, Wohnungsbau- und Bildungspolitik, Gewährleistung einer
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sozialen Ausgestaltung der Unternehmensverfassung sowie Bereitstellung der für die soziokulturell und wirtschaftliche Entwicklung notwendigen materiellen und immateriellen
Infrastruktur.
III.
Entwicklung: Seit Mitte der 60er Jahre wurde die Ordnungspolitik zunehmend von der
Prozeßpolitik verdrängt, die Fiskalpolitik erhielt Vorrang vor geldpolitischen Instrumenten
und eine weitgehend paternalistische Politik der Einkommens- und Vermögensumverteilung
trat an die Stelle der das Subsidiaritätsprinzip betonenden freiheitlichen Sozialordnung
(Wohlfahrtsstaat). Diese konzeptionellen Veränderungen sind durch die
wirtschaftspolitische Umorientierung seit 1982 bisher nur teilweise rückgängig gemacht
worden.
Marktkonformität: Auswahl- und Beurteilungskriterium wirtschaftspolitischer Maßnahmen, nach
der diese mit der marktwirtschaftlichen Rahmenordnung übereinstimmen sollen, so daß der MarktPreis- Mechanismus nicht beeinträchtigt wird. Marktkonformität ist in der Systemkonformität bei
marktmäßiger Koordination enthalten, aber nicht jede marktkonforme Maßnahme ist auch
systemkonform. Beispiel: Zölle tasten nicht den Preismechanismus an; sie sind jedoch
systemverschlechternd, da ausländische Anbieter diskriminiert werden (Verstoß gegen die
systemnotwendige Bedingung des Diskriminierungsverbots zwischen Marktteilnehmern). Vertreter
des Ordoliberalismus und des Konzepts der Sozialen Marktwirtschaft fordern die strikte Beachtung
der Marktkonformität. Zunehmende wohlfahrtsstaatliche Eingriffe (Wohlfahrtsstaat,
gesamtwirtschaftliche Planung) werden von ihnen auch aus diesem Grund abgelehnt.
Ordnungskonformität: Die Bedingung der Ordnungskonformität erfordert, daß die
ordnungspolitischen Maßnahmen dem Grundtypus der Wirtschaftsordnung (zentrale oder dezentrale
Planung und Koordination des Wirtschaftsprozesses) entsprechen (vgl. z.B. Marktkonformität). Die
Wahl des Grundtypus (und ggf. seine Transformation in den jeweils anderen) determiniert den
Inhalt der ergänzenden ordnungspolitischen Maßnahmen.
Sozialstaat: Art. 20 Abs. 1 GG, Sozialstaatsprinzip. BRD hat die Verpflichtung zur Vermeidung
des Entstehens einer extrem ungerechten Einkommensverteilung. Bezüglich der Einkommens und
Vermögensverteilung wird nicht nur die Leistungsgerechtigkeit berücksichtigt, sondern auch die
Bedarfsgerechtigkeit.
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Globalsteuerung: Wirtschaftspolitische Steuerung aller Wirtschaftsbereiche oder –sektoren nach
dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz; im Gegensatz zur sektoralen Wirtschaftspolitik.
Transformation im monetären Sektor: 1. Reform der Preisbildung und Abbau von
Preissubventionen (Ablösung adminstrativer Preis- und Lohnbildung. Beispiel: baltische Staaten
verloren Zugang zu billiger, weil subventionierter, Energie und Rohstoffen)
2. Reform des Geld- und Kreditwesens. Dies bedeutet die Schaffung eines zweistufigen
Bankensystems (unabhängige Notenbank und Geschäftsbanken) und das Verbot staatlicher
Defizitfinanzierung durch die Notenbank.
3. Außenwirtschaft, insbesondere Herstellung von Währungskonvertibilität.
Transformation im realen Sektor:1. Reform des Unternehmenssektors durch Sicherung der
Gewerbefreiheit, Privatisierung staatlicher Unternehmen durch Verkauf oder unentgeltliche Abgabe
von Anteilen (Überführen bestehender Betriebe in privatrechtliche Organisationsformen).
Lässt man die Geschwindigkeit und die Reihenfolge vorerst außer Betracht, kann die Privatisierung
in folgenden Grundtypen erfolgen:
i) Verschenken des "Volkseigentums" an Bürger und/oder Belegschaften oder
ii) Verkaufen, wobei prinzipiell
a) die informelle Vergabe an einzelne Käufer,
b) die Vergabe durch Auktion und
c) die Umwandlung der zu privatisierenden Betriebe in Aktiengesellschaften und Verkauf
der Anteile am Aktienmarkt mögliche Wege darstellen.
Verschiedene Privatisierungsansätze erzeugen verschiedene trade-offs zwischen verschiedenen
Zielen! Privatisierende Länder wollen typischerweise viele Dinge:
ƒ
Erhöhung der Effizienz der Verwendung der Vermögensgüter; Depolitisierung der Firmen,
ƒ
schnelle "Erzeugung" von Eigentümern, die die weiteren Reformen stützen;
ƒ
Verbesserung des Zugangs der Firmen zu Kapital und Erfahrung;
ƒ
Aufpolsterung der staatlichen Einnahmen; Ermöglichung einer fairen Verteilung der
Gewinne aus der Privatisierung!
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2. Entflechtung alter Wirtschaftsstrukturen, also insbesondere die Entflechtung von Bürokratien und
Großunternehmen (Kombinate und Konglomerate) sowie die Liberalisierung des Güter- und
Kapitalverkehrs („Einfuhr“ von Wettbewerb).
Transformation des Rechts- und Verwaltungssystems:
1. Aufbau eines geeigneten Wirtschaftsrechts mit Handelsrecht, Insolvenzrecht, Wettbewerbsrecht
und der Definition von Eigentumsrechten (Property Rights) zur Sicherung eines anreizkompatiblen
institutionellen Rahmens zur Leistungsmotivation (Institutionenökonomie)
2. Aufbau eines funktionsfähigen Steuersystems, also die Etablierung von Unternehmenssteuern,
Einkommensteuern und Verbrauchssteuern. Eine Empfehlung des Internationalen Währungsfonds
(IWF) war, Steuern zu erhöhen, anstatt Ausgaben zu senken. Dies führte in vielen Fällen zu
Steuerhinterziehung. (Wegen geringerem Wirtschaftswachstum war auch noch die Steuerbasis
verkleinert.)
3. Umfassende Verwaltungsreform, also die Zerschlagung bürokratischer Machtstrukturen und der
Aufbau einer öffentlichen Verwaltung.
Eine Alternative zur Unterteilung in monetären, realen und Verwaltungssektor ist die
Unterteilung der zu reformierenden Elemente in Ordnungs-, bzw. Prozesspolitik:
Reformelemente der Ordnungspolitik:
-
Freie Preisbildung (Preisbildung auf den Märkten),
-
Privateigentum an Produktionsmitteln,
-
Unternehmensverfassung,
-
Durchsetzung sonstiger Elemente der Rechtsordnung eines Rechtsstaates (Polizei, Justiz),
-
Funktionierende Verwaltung (Gewerbeaufsicht, Grundbuchämter usw.),
-
Geldverfassung (selbständige Zentralnotenbank; zweistufiges Bankensystem),
-
Liberalisierung von Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr (insbes. Bzgl.
ausländischer Direktinvestitionen).
Reformelemente der Prozesspolitik:
-
Neuordnung der Finanzpolitik (Steuersystem, sonstige Staatseinnahmen, Staatsausgaben),
-
Geldpolitik in alleiniger Kompetenz der Zentralnotenbank,
-
Änderung des Wechselkursregime,
-
Konvertibilität der Währung,
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-
Reform der Sozialpolitik
-
Maßnahmen zur Infrastrukturpolitik (Verkehrswege, Telekommunikation).
Schocktherapie: Diese Transformationsstrategie entspricht ordoliberalen Überlegungen: Wie der
Name schon sagt, soll es eine schnelle und gleichzeitige Liberalisierung, Privatisierung und
Deregulierung geben. Alle drei werden möglichst bald begonnen und so schnell wie möglich
vollzogen. Probleme:
-
(Zumindest vorübergehend) hohe bis sehr hohe Arbeitslosigkeit
-
Engpässe bei personellen und administrativen Kapazitäten
Letzteres führt zwangsläufig zu einer ungewollten Streckung, d.h. Verlangsamung des Prozesses.
Gradualismus: Schrittweise Transformation. Hierbei spielen industrie- und sozialpolitische
Überlegungen eine Rolle. Die Wirtschaftsstruktur wird einigermaßen beibehalten.
Staatsunternehmen werden, soweit sanierungsfähig, weiterhin unterstützt. Privatisierung,
Liberalisierung und Deregulierung werden hinausgezögert. Probleme: Mit dem Unterstützen der
großen Industrieunternehmen ist eine fortdauernde Unsicherheit vorhanden. Dazu gehört, dass die
Notenbank (noch) nicht wirklich unabhängig sein kann. Fraglich ist auch die Entscheidung über
Reihenfolge und Zeitpunkte der Deregulierungen geschützter Wirtschaftszweige. Die Unsicherheit
reduziert die Investitionsneigung der inländischen Unternehmer und ausländischer
Direktinvestoren. Positiv ist hingegen die abgemilderte Wirkung der Transformation auf
Arbeitsmarkt und Sozialsystem.
Sequencing: führt zu unterschiedlichen Phasen des Transformationsprozesses: Antizipationsphase
(von der Bekanntgabe von Plänen bis zur Durchführung von ersten grundlegenden Maßnahmen zur
Schaffung einer neuen Wirtschafts-Ordnung), Kernphase (Konstruktion und Implementierung neuer
Regeln und Institutionen) und Lernphase (Anpassung des Verhaltens an die neuen
Rahmenbedingungen). Ein weiteres Problem liegt dann aber in der richtigen Sequenz der Schritte:
(1) Geht die Sanierung der Privatisierung voraus? (2) Muss zuerst die Marktstruktur verbessert
werden, bevor man die Preise freigibt? Soll die Dezentralisierung vor oder nach der Realisierung
marktwirtschaftlicher Rahmenbedingungen (Schaffung eines Finanzsektors oder Verbesserung der
Infrastruktur) erfolgen?
Einige Wissenschaftler verweisen auf Erfahrungen mit Entwicklungsländern und schlagen folglich
eine genau ausgearbeitete Reihenfolge der Schritte vor: (1) Reduktion der Staatsausgaben und breite
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Basis für Steuereinnahmen (zur Reduktion oder Vorbeugung einer zunehmenden
Staatsverschuldung); (2) Privatisierung und Liberalisierung der Finanzmärkte; Begrenzung des
Kreditwachstums zur Inflationsvorbeugung; (3) Freigabe der inländischen Preise und
Liberalisierung des Außenhandels. An letzter Stelle erst steht dann (4) die Währungskonvertibilität
und die Aufhebung der internationalen Kapitalverkehrsbeschränkungen (vergleiche McKinnon,
1991).
Zusammenfassend kann man allerdings fragen, ob es die prinzipielle Möglichkeit zwischen dem
"big bang" oder einem "langsamen Übergang" zu wählen überhaupt gab. Die Weltbank und der
IWF sind der Auffassung, das es nur den "big bang" gibt und gab – alle osteuropäischen Länder
nahmen den Big-Bang-Ansatz mit einem tiefen Fall des outputs (bzw. BSP) – im Prinzip hatten sie
gar keine andere Wahl, als schnell zu freien Preisen und konvertiblen Währungen überzugehen.
Diese Strategie sei durch die politischen Umstände und die Wirtschaftsstruktur diktiert! [China und
Vietnam, die Länder, die die Kritiker als Gegenbeispiele hervorheben, begannen ihre Reformen
nicht im "Morgengrauen" großer revolutionärer politischer Veränderungen!]
Freihandelszone: Zwischen den Integrationspartnern werden alle tarifären (Zölle) und nichttarifären Handelshemmnisse (sonstige Handelsbeschränkungen wie Importquoten, etc.) abgebaut,
aber die jeweiligen nationalen Außenhandelsregulierungen gegenüber Drittstaaten beibehalten.
Zollunion: Zusätzlich zu den Maßnahmen einer Freihandelszone wird eine gemeinsame
Außenhandelspolitik gegenüber Drittstaaten praktiziert.
Gemeinsamer Markt: Zusätzlich zur Liberalisierung des Güterhandels werden administrative
Beschränkungen der Faktormobilität zwischen den Partnerländern aufgehoben. Dies bedeutet
Liberalisierung des Kapitalverkehrs, Freizügigkeit für Arbeitskräfte und Niederlassungsfreiheit für
Unternehmen. Um die optimale Allokation der Produktionsfaktoren zu sichern, ist eine
Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen nötig, z.B. in der Wettbewerbs- oder Steuerpolitik.
Wirtschaftsunion: Aufbauend auf dem Gemeinsamen Markt werden Bereiche der Ordnungspolitik
(Wettbewerbspolitik, Sozialpolitik), der Strukturpolitik (Verkehrspolitik, Industriepolitik) und der
Prozesspolitik harmonisiert.
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Wirtschafts- und Währungsunion: Aufbauend auf einer Wirtschaftsunion (oder auch unabhängig
davon) wird eine gemeinsame Währungspolitik eingeführt. Dies bedeutet entweder unwiderruflich
feste Wechselkurse und absolut freie Konvertibilität der Mitgliedswährungen oder die Einführung
einer einheitliche gemeinsamen Währung.
Montanunion / EGKS: ("Pariser Vertrag", 18.4.51, inkraftgetreten 23.7.52) Die EGKS
(Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl) oder Montanunion ist der erste freiwillige
Zusammenschluß Europäischer Staaten, vor allem der BRD, Frankreich, Italien und die
Beneluxländer. In Zeiten der Brennstoffknappheit sollte die EGKS eine gleichmäßige Verteilung
der Energieträger vor allem für den Wiederaufbau und die in enormem Wachstum begriffene
Wirtschaft gewährleisten. Durch die Aufhebung der Handelsschranken und die Schaffung einer
überstaatlichen Organisation mit weitgehenden Hoheitsrechten konnte in diesem Bereich ein
enormes Umsatzwachstum erzielt werden.
EWG - Europäische Wirtschaftsgemeinschaft: ("Römische Verträge" 1957) Vorläufer der
Europäischen Gemeinschaft bzw. Union (EG, EU). Erweiterung der Zollunion auf alle Sektoren:
„Abschaffung aller Zölle und mengenmäßigen Beschränkungen bei der Ein- und Ausfuhr von
Waren sowie aller sonstige Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen Mitgliedsländern. Einführung
eines gemeinsamen Zolltarifs und einer gemeinsamen Handelspolitik gegenüber Drittländern.“
Vier Grundfreiheiten wurden festgeschrieben: 1. Freier Waren- und 2.Freier Dienstleistungsverkehr,
3. Uneingeschränkte Kapitalmobilität, 4. Freizügigkeit von Arbeitskräften und
Niederlassungsfreiheit
Cassis de Dijon-Urteil (1979): 20.2.1979: Im Cassis-de-Dijon-Urteil erklärt der Europäische
Gerichtshof, daß die Verbraucher ein Recht auf unbeschränkten Zugang zu Produkten aus anderen
Mitgliedstaaten haben, sofern das betreffende Erzeugnis rechtmäßig hergestellt und vertrieben wird
und eine Einfuhr unter gesundheitlichen und ökologischen Gesichtspunkten unbedenklich ist.
Anwendung des Ursprungslandprinzips. Dies bedeutet, dass nationale Vorschriften zwar von
Bedeutung sind, aber gegenseitige Anerkennung zu erfolgen habe. Dieses Urteil diente der EUKommission als Basis für ihre Binnenmarktstrategie, da Harmonisierungen nun nur Regelungen
betreffen, für die zwingende nationale Erfordernisse gelten.
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Delors-Plan (1989): Konzept für den Übergang zu einer Wirtschafts- und Währungsunion in drei
Stufen: Prinzipiell nur nach Deutschem Muster möglich, da sonst keine Teilnahme Deutschlands
(der mit Abstand wirtschaftlich größten Landes in Europa. Dieser Plan sah deshalb eine
Haushaltsdisziplinierung (ohne Sanktionen) vor, um die Grundlage für strenge( re) Geldpolitik zu
erreichen.
Europäisches Währungsinstitut, EWI: Errichtet in der zweiten Stufe de Delors-Plans (seit 1.1.94)
als institutionelle Voraussetzung zur Durchführung der Währungsunion. Abgelöst durch die
Europäische Zentralbank, EZB.
Europäische Zentralbank, EZB: Nachfolge des EWI (seit Beginn der 3.Stufe am 1.1.99):
zentraler Pfeiler des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und daher für die gesamte
EU zuständig, d.h. prinzipiell für alle Mitgliedsstaaten. Organisationsstruktur: Oberstes Organ ist
der EZB-Rat, der aus z.Zt. 12 Notenbankpräsidenten und den sechs Mitgliedern des EZBDirektoriums besteht. Alle zwei Wochen wird getagt. Er ist zuständig für die Leitlinien und
strategische Fragen der Geldpolitik, z.B. geldpolitische Strategie (Geldmengensteuerung, Inflation
targeting, Wechselkursziel) oder die Position der EZB bzgl. eigener Transparenz. Er fasst
Beschlüsse zur Festsetzung der Zinssätze und geldpolitischen Zwischenzielen. Das Direktorium
besteht aus Präsidenten, Vizepräsidenten, und vier weiteren Mitgliedern, die zur Wahrung der
Unabhängigkeit auf einmalig 8 Jahre berufen werden. Politische Probleme gab es bekanntlich bei
der Ernennung Wim Duisenbergs. Eine Erweiterung der EU (nach Osten) würde den Einfluß des
Direktoriums von derzeit 1/3 auf 22% (bei gleicher institutioneller Struktur und 27
Mitgliedsländern) sinken lassen. Eine neue Struktur, die ein abgestuftes Rotationsprinzip für die
Verterter der Länder vorsieht, ist gerade in der Diskussion.
Oberstes Ziel der EZB ist die Wahrung der Preisstabilität. Weitere Zuständigkeiten sind die
Stabilität des Finanzsystems, Konsultationstätigkeit der EZB, die Erhebung statistischer Daten und
die Berichterstattung (Monatsberichte, Jahresbericht)
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Konvergenzkriterien: Im Maastrichter Vertrag wurde festgelegt, welche Konvergenzkriterien ein
Land erfüllen muss, um an der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) teilnehmen zu können.
Diese Teilnahmekriterien enthielten Bestimmungen zu Preisen, Zinsen, Staatsfinanzen,
Wechselkursen und nationalen Notenbanken. Voraussetzung ist, dass nur solche Länder Zutritt zur
WWU bekamen, die glaubwürdig ihre Stabilitätsdisziplin nachgewiesen hatten. Im einzelnen lauten
die Konvergenzkriterien wie folgt:
Preisstabilität: Inflation darf nicht mehr als 1,5% über dem Durchschnitt der drei
preisstabilsten Länder liegen.
Zinssätze: Langfristige Zinsen dürfen nicht mehr als 2% über dem Durchschnitt der drei
preisstabilsten Länder liegen.
Defizit: Staatliches Budgetdefizit (Nettoneuverschuldung) darf nicht mehr als 3% des BIP
betragen.
Schulden: Staatsschulden dürfen nicht mehr als 60% des BIP betragen.
Währungsstabilität: Die Währung darf in den letzten zwei Jahren nicht abgewertet worden
sein und sollte in einer „normalen Bandbreite“ von ursprünglich 2,25% des
Wechselkursmechanismus im Europäischen Währungssystem (EWS) schwanken. Da das
letzte Kriterium im Zuge der EWS-Krise 1992/1993 auf eine Schwankungsbreite von 15%
gelockert worden ist, herrscht hier Uneinigkeit über die Anwendung des Kriteriums bei der
Osterweiterung.
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