Historische Innovationen der Informatik: Seymour Papert von Freya Lohel 26.01.06 1 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 3 2 Biographie 3 3 Motivation 3 4 Perceptrons 4 4.1 4.2 4 5 5 Didaktik nach Seymour Papert 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 6 5 Paperts Didaktik am Computer . . . . . . . . . . . . . . Paperts Didaktik für Kinder jeden Alters . . . . . . . . . Paperts Didaktik in der Schule . . . . . . . . . . . . . . Ab welchem Alter können Kinder am Computer arbeiten Kritik an Paperts Didaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 . 9 . 11 . 11 Umsetzung seiner Didaktik 6.1 6.2 6.3 6.4 7 Der Inhalt des Buches damals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Inhalt des Buches heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LOGO . . . . . . . Lego Mindstorms . Meine Traumburg . MaMaMedia.com . . . . . . . . . 6 6 7 7 7 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2 1 Einleitung Im Rahmen des Proseminars Historische Innovationen der Informatik an der Technischen Universität Kaiserslautern habe ich mich im Wintersemster 2005/2006 mit Seymour Papert auseinander gesetzt. Papert befasste sich mit zwei sehr unterschiedlichen Themenbereichen zum einem mit der künstlichen Intelligenz, zum anderen mit dem Thema Lernen. Im Folgenden werde ich zuerst etwas zu seiner Person schreiben, danach folgt ein Abschnitt zu seinem ersten Buch Perceptrons, darauf folgt ein Kapitel zum Thema Didaktik von Seymour Papert und dann ein Absatz mit Beispielen zur Umsetzung seiner Theorien und abschließend eine kurze Zusammenfassung. 2 Biographie Seymour Papert wurde 1928 in Südafrika geboren und verbrachte dort auch seine Schulzeit. In den frühen Fünfziger arrangierte er sich als Antiapartheidsaktivist. Papert studierte ab 1948 an der Witwaterstrand Universität in Johannesburg und vertiefte sein Studium der Mathematik an der Cambridge Universität in England. Hier schrieb Papert an seiner Doktorarbeit und begann seine Studien zur Beziehung zwischen Mathematik und künstlicher Intelligenz. Ab 1958 arbeitet er in Genf, vier Jahre mit Jean Piaget, einem Schweizer Entwicklungspsychologen zusammen. Seymour Papert entwickelte dort, nachdem er sich in Cambridge mit künstlichem Lernen befasst hatte, seine Theorien zum kindlichem bzw. menschlichem Lernen. Von Piaget übernahm Papert auch einen großen Teil der Gedanken über das konstruktivistische Lernen. 1964 ging Papert an das Massachusetts Institute of Technology (MIT) und gründete zusammen mit Marvin Minsky das Artificial Intelligence Labortory. Gemeinsam mit Minsky entstand 1969 das Buch Perceptrons, das sich mit einem Bereich der künstlichen Intelligenz befasst. Am MIT entwickelte er außerdem speziell für Kinder die Programmiersprache LOGO und befasste sich mit dem Thema Computer und Lernen. In diesem Zusammenhang schrieb er 1980 das Buch Mindstorms: Children, Computers and Powerful Ideas. Im Jahr 1985 wurde er Mitglied der Media Laboratory. 3 Motivation Schon in sehr jungen Jahren befasste sich Seymour Papert mit dem Thema Lernen. Als Schüler fühlte er sich häufig ausgeschlossen bzw. unverstanden. Der junge Papert interessierte sich für viele Dinge, zum Beispiel auch mathematische Probleme, jedoch fand er niemand mit dem er sich über diese Themen unterhalten konnte. Auch in der Schule fand er keinen richtigen „Lernanschluß“ und war kein sonderlich guter Schüler. In seiner späteren Arbeit befasste er sich weiter mit dem Thema Lernen: mit der künstliche Intelligenz und mit dem Lernen von Kindern. In Cambridge machte er sich Gedanken darüber, wie Combuter ernen könnten und ob dies ähnlich wie beim Menschen funktionieren könnte, diese Arbeit führte er ab 1964 mit Marvin Minsky, der ungefähr dieselben Ansichten zu diesem Thema vertrat, am MIT fort. Danach arbeitete er mit Jean Piaget in Genf zusammen. Papert gab damals seinen Erfahrungen als Kind einen wissenschaftlichen Rahmen und begann das Konzept des konstruktivistischen Lernens, in dem er von Jean Piaget geleitet wurde, zu ent- 3 wickeln. Die Erfahrungen als Kind beeinflussten sein späteres Wirken dahingehend, dass er im Internet eine große Chance für Kinder sah, die wie er außergewöhnliche Interessen hatten. Diese können sich heutzutage in speziellen Foren Gleichgesinnte treffen und über die Dinge, die sie fesseln, diskutieren. 4 Perceptrons Im Jahr 1969 schrieb Papert zusammen mit Marvin Minsky1 , mit dem er zusammen seit 1964 am MIT arbeitete, das Buch Perceptrons. In dem Buch geht es um neuronale Netze, einem Bereich der künstlichen Intelligenz. Die Wissenschaft der künstlichen Intelligenz befasst sich im Allgemeinen mit der Simulation intelligenten Handelns von Maschinen mit Mitteln der Mathematik und der Informatik [10]. Gegenüber dem Gebiet der neuronalen künstlichen Intelligenz steht der Bereich der symbolischen künstlichen Intelligenz. Papert und Minsky lassen sich eindeutig dem Bereich der symbolischen künstlichen Intelligenz zuordnen. Die symbolische künstliche Intelligenz verfolgt den top-down Ansatz, sie möchte sich lediglich den Intelligenzleistungen nähern. Die neuronale künstliche Intelligenz hingegen möchte das menschliche Gehirn möglich präzise nachbilden, dahinter steht der bottom-up Ansatz. Abbildung 1: Künstliche Intelligenz 4.1 Der Inhalt des Buches damals Sie bewiesen in ihrem Buch, dass einlagige Perzeptronen, die OR und AND Verknüpfungen darstellen konnten, nicht dazu in der Lage waren XOR Verknüpfungen darzustellen. Ein Perzeptron verfügt über mehrere Eingaben, das durch eine Funktion eine Ausgabe errechnet. Diese Funktion ist dadurch „lernfähig“, dass sie sich in der „Lernphase“ an Ausgabewerte, die sie vorher kennt anpasst um so zukünftige Ausgaben genauer berechnen bzw. sogar voraussagen kann. Daraus, dass einlagige Perzeptronen nicht in der Lage sind XOR Verknüpfungen darzustellen, schlossen sie, dass auch mehrlagige Perzeptronen (mit mehreren Funktionen) dazu nicht fähig wären. Papert und Minsky kritisierten das Gebiet der neuronalen künstlichen Intelligenz erfolgreich. Da das Gebiet der neuronalen künstlichen Intelligenz aber zu diesem Zeitpunkt ohnehin stagnierte, führte diese Schlussfolgerung dazu, dass Forscher auf diesem Gebiet in den nächsten Jahren fast keine Forschungsgelder, 1 „Wenn wir Glück haben, werden uns die Roboter als Haustiere behalten." 4 insbesondere keine Gelder von DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) bekamen. Diese Gelder wurden nun in die symbolische künstliche Intelligenz investiert. Die Forscher der neuronalen künstlichen Intelligenz forschten zwar weiter, aber in anderen Fachrichtungen zum Beispiel der Biologie und der Philosophie. Erst nach 15 Jahren stellte sich die Folgerung, dass mehrlagige Perzeptronen zu komplexeren Aufgaben, wie die XOR Verknüpfung nicht in der Lage wären, als Fehler heraus. Seit dem wird wieder auf diesem Gebiet geforscht. 4.2 Der Inhalt des Buches heute Seymour Papert schrieb 1988 in einem Buch [11] des MIT einen Artikel mit dem Titel „Verstehen von Differenzen“. In diesem Artikel erklärt er den damaligen Ablauf mit Hilfe einer Märchenmethaper: „Es waren einmal zwei Töchterwissenschaften, die der neuen Wissenschaft der Kybernetik geboren wurden. Eine Schwester war natürlich, mit von der Gehirnforschung vererbten Charakterzüge, die dem entsprachen, wie die Natur Dinge erzeugt. Die andere war künstlich, von Anfang an verwandt mit dem Gebrauch von Computern. Jede der Schwesternwissenschaften versuchte, wenn auch mit sehr verschiedenen Mitteln, Modelle von Intelligenz zu konstruieren. Die natürliche Schwester baute Modelle (neuronale Netzte genannt) aus mathematisch erzeugten Neuronen. Die künstliche Schwestern baute ihre Modelle aus Computerprogrammen. ... Ihre Beziehung änderte sich in den frühen 60ern, als ein neuer Monarch erschien, der die größten Schatztruhen besaß, ... : Lord DARPA. Die künstliche Schwester wurde eifersüchtig ... . Die natürliche Schwester sollte erschlagen werden. Ausgeführt wurde die blutige Tat durch zwei heimliche Freier der künstlichen Schwester, Marvin Minsky und Seymour Papert,... die ausgesendet wurden, um Schneewittchen zu töten und ihr Herz zurückzubringen als Beweis der Tat. Ihre Waffe war nicht der Dolch, sondern der mächtigere Stift, aus dem ein Buch entstand -Perceptrons-, das den Beweis zum Inhalt hat, daß neuronale Netze niemals ihr Versprechen erfüllen würde, ... . Der Sieg schien der künstlichen Schwestern sicher zu sein. Und tatsächlich fielen in der nächsten Dekade alle Schätze des Königreichs ihrer Nachkommenschaft zu, ... . Aber Schneewittchen war nicht tot. Was Minsky und Papert der Welt als Beweis gezeigt hatten, war nicht das Herz der Prinzessin, es war das Herz eines Schweins. ...“[11] In diesem Auszug will Papert klar machen, wie er von anderen gesehen wird: als Mörder, der doch nicht getötet hat. Er selbst sieht in dem Buch Perceptrons heute nicht mehr den Beweis das mehrlagige Perzeptronen nicht zu komplexeren Lernprozess in der Lage wären, als vorrangig, sondern dass Minsky und er sich mit den neuronalen Netzen befasst haben und sogar neue Erkenntnisse über Perzeptronen erhielten. Papert stellt heute nicht in Frage ob das „Ding“ [11] lernt, sondern ob es effektiv lernt. Papert fragt „Klug oder dumm?“[11]. Eine direkte Antwort gibt er zwar nicht, aber aus dem Text wird erkennbar, dass er die Zukunft von Schneewittchen nicht rosig sieht. 5 Didaktik nach Seymour Papert Papert wurde in seiner Meinung zur Didaktik sehr stark von Jean Piaget, der als Vordenker des Konstruktivismus gilt, geprägt. Ein Beispiel für konstruktivistischen Lernens gibt Papert in einem Text [14], den er über Piaget schrieb. Piaget fragt ein fünf jähriges Mädchen wer den Wind macht und dieses antwortet ihm: „Die Bäume“. Auf die Frage Piagets woher sie das wisse, sagt sie, sie habe gesehen wie sie ihre Arme bewegen. Piaget möcht nun wissen wie diese den 5 Wind machen und sie antwortet ihm: „So“ und wedelt mit ihrer Hand vor seinem Gesicht, „Nur dass sie viel größer sind und es sehr viele Bäume gibt“. An diesem Beispiel lässt sich erkennen wie Kinder denken, sie leben in ihrer eigenen kleinen Welt, Papert nennt diese Welt Mikrowelt, und versucht darin sich verschiedene Phänomene mit ihrem beschränkten Wissen zu erklären. Auf den ersten Blick wirkt das kleine Mädchen sehr naiv. Kritiker des Konstruktivismus erwidern, dass das Mädchen auf die Frage Piagets keinen richtige Antwort weiß, aber dies ist für die Konstruktivisten nicht der Punkt, für sie spielt es viel mehr einen Rolle, dass das Mädchen in ihrer Mikrowelt logisch gedacht hat. Sie hat eine Erfahrung, dass wenn man mit der Hand wedelt Luft entsteht, auf ein anderes Thema, ihm bis dahin unbekannt, übertragen. Papert nennt dieses Lernen auch häusliches Lernen, bzw. nach Piaget natürliches Lernen. Die Kinder lernen in alltäglichen Lebenssituationen, durch die Anwendung ihres Wissens oder durch ausprobieren. Im Gegensatz dazu sieht Papert das schulische Lernen, hier wird meist durch Frontalunterricht den Kindern der Lernstoff auferlegt und für die eigenen speziellen Interessen des Kindes in seiner Mikrowelt bleibt kein Platz. Papert meint, dass ein Kind so nicht richtig Lernen kann, da es keinen Bezug zu dem Erlernten hat. 5.1 Paperts Didaktik am Computer Die Erkenntnisse aus der Arbeit mit Piaget, seiner eigenen Kindheit und seiner mathematischinformatischen Ausbildung brachte Papert dazu die Theorie des Konstruktivismus auf das Arbeiten am Computer zu übertragen. Seiner Meinung nach ist der Computer der ideale Platz für Kinder zum Lernen, da sie dazu in der Lage sind Informationen zu erlangen, mit diesen zu arbeiten, zum Beispiel durch das Erstellen von Präsentationen und diese abschließend sogar noch mit Gleichgesinnten in Foren zu diskutieren. 5.2 Paperts Didaktik für Kinder jeden Alters Seine Theorie gilt seiner Meinung aber nicht nur für kleine Kinder, sondern für Kinder jeden Alters in seinem Buch „ Die vernetzte Familie“ beschreibt er in einer so genannten Lerngeschichte, wie selbst seine damals achtzig jährige Mutter lernt mit dem Computer zu arbeiten. Paperts Mutter hatte an den Fingern Arthrose und konnte deshalb keine Briefe mehr an ihre Freunde schreiben. Er bracht ihr bei wie sie in einem Textverarbeitungsprogramm einen Brief tippt und diesen danach ausdrucken kann. Die alte Frau lernte sehr schnell mit den intuitiven Bildchen des Schreibprogramms umzugehen. Sie konnte ihrem Sohn wirklich dankbar sein uns zwar aus zwei Gründen zum Einen, weil ihr Sohn ihr das Programm erklärt hatte, zum Anderen weil es ohne Papert wahrscheinlich kein so benutzerfreundliches Textverarbeitungsprogramm geben würde, denn er war einer der Ersten, der sich damit auseinander setzte wie man die Benutzung des Computers intuitiver machen könnte. In Paperts Didaktik geht es also darum für Menschen eine Lernumgebung zu schaffen, in der sie in ihrer Mikrowelt durch ihre subjektive Wahrheit Dinge erlernen. Dieses Lernen soll nach Papert durch Selbstorganisation geschehen, das heißt der Lernende entscheidet frei, was er sich aneignet und wie intensiv er dies tut. Der Mensch kann dies durch den Computer sehr gut tun, da dieser ihm die Möglichkeit gibt explorativ nach dem try and error Prinzip zu lernen. Für das konstruktivistische Lernen ist es wichtig, dass der Lernende keine für ihn erkennbarer Grenzen sieht, das bedeutet in der Umsetzung das für ein junges Kind ein ganz einfaches Malprogramm etwas Tolles ist, aber für einen Erwachsenen bedeutet ein einfaches Malprogramm, der auch Bilder übereinander legen möchte oder Schatteneffekte hervorrufen möchte, eine Einschränkung. Ein junges Kind jedoch, wäre mit einer solch spezialisierten Software vollkommen überfordert. Software nach konstruktivistischem Vorbild muss also intuitiv für den jeweiligen Benutzer sein. 6 5.3 Paperts Didaktik in der Schule Für die Schule bedeutet Seymour Paperts Theorie eine absolute Veränderung des Systems. Schüler sollen in Projekten Stoff selbstständig erarbeiten und diesen danach in der Gruppe diskutieren. Lehrer die sonst im Unterricht meist durch Vorträge arbeiten, sollten nach Papert eher als Lernhelfer dienen die den Kindern bei Problemen helfen und zwar im Idealfall, so dass nur ein Denkanstoß nötig ist und der Schüler sein Problem danach alleine lösen kann. Papert möcht den Computer nicht in den Unterricht mit einbeziehen, sondern will die Schule, den Unterricht um den Computer herum bauen. Die Situation wie der Computer heute integriert wird, sieht Papert eher mit Schrecken, der Computer wird eher als weiteres Mittel genutzt den Schüler abzufragen, als dass der Schüler denn Computer nutzen könnte. Ein Beispiel für ein solches Abfragen sind zum Beispiel Vokabeltrainer, in denen durch ständiges Wiederholen dem Schüler Vokabeln eingetrichtert werden. Paperts Lösung zum Erlernen einer neuen Sprache wäre zum Beispiel ein Chat oder einen Voicechat mit ausländischen Schülern, die die Sprache des anderen Schülers erlernen, so könnten sie sich unterhalten und sich gegenseitig helfen und wenn keiner der Schüler eine Übersetzung für das Wort hätte, könnte in diesem Fall ein Lehrer weiter helfen. 5.4 Ab welchem Alter können Kinder am Computer arbeiten Seymour Paper wurde laut seinen Aussagen sehr häufig zu dem Thema befragt, ab wann ein Kind mit einem Computer arbeiten könnte bzw. dürfte. Ein Computer ist seiner Meinung nach kein Gerät mit einer einseitigen Nutzungsweise.[2]und deshalb kann es da pauschal keine Antwort zu geben.„Wenn man sich ein Baby vor einem Computerbildschirm vorstellt, ist das ein erschreckendes Bild. ..“[20]. Wenn sich die Form des Computers ändert und für Kinder ansprechen ist, sieht ein Kindercomputer vielleicht bald aus wie ein Schmuseobjekt, das ein Baby von Geburt an besitz und nutzt.„Das Baby wird zuerst darauf herumklopfen, es berühren, es anbrabbeln oder anbellen, beobachten, was dieses Ding kann, und die Geräusche, die es erzeugt, anhören.“[2] Papert benutzt hier ganz bewusst das Wort Ding, für ihn ist es wichtig, dass der Computer das Objekt ist und nicht das Kind. Papert sieht in einer schon sehr frühen Einsetzung des Computers, wenn es denn richtig geschieht, ein Chance für die Kinder, denn so müssten sie nicht wie es von anderen gefordert wird noch früher in eine Schule gehen, in der sie belehrt werden. 5.5 Kritik an Paperts Didaktik Die konstruktivistische Denkweise wird jedoch häufig kritisiert. Das Erwerben von Wissen ist meist nicht zielgerichtet, da der Lernende nach seinen persönlichen Präferenzen lernt. Außerdem wäre es auch möglich, dass die Lernenden sich falsche Dinge aneignen, sowie das Mädchen, das sich mit Piaget über den Wind unterhält. Dadurch dass der Schüler sich eher mit Dingen befasst, die ihn selbst auch interessieren, kommt es zwangsläufig dazu, dass er sich mit anderen Dingen nicht so sehr befasst. Dies führt zu einer Spezialisierung, aber auch zu einem eingeschränkten Wissen. Kritiker bemängeln außerdem, dass es Dinge gibt die man sich nicht selbstständig beibringen kann. Ein Beispiel hierfür wäre eventuell das Schreiben einer Steuererklärung. Denn sich durch das undurchsichtige System der Bestimmungen und ihrer verschiedenen Ausnahmeregelungen zu durchschauen, ist nur sehr schwer möglich, wenn man nicht gewisse Vorkenntnisse hat, die nach Meinung der Kritiker des Konstruktivismuses am Besten durch instruktives Lernen (Frontalunterricht) vermittelt werden können. Ein weiterer Punkt, der häufig kritisiert wird, ist ein wirtschaftlicher Punkt, denn nach Papert sollte jedes Kind in der Schule und eigentlich müsste auch jede Familie ein Computer besitzen. In Europa hat ein sehr großer Prozentteil der Familien einen PC, anders sieht es jedoch zum Beispiel an deutschen Schulen aus. Meist gibt es einen Computersaal, der je nach Schulform eher gut oder eher schlecht ausgestattet ist, den die Schüler circa einmal pro Woche sehen. In Ländern wie Afrika würde man sich wünschen, wenn 7 man überhaupt eine geringe Anzahl an Computern zu Verfügung hätte. Die Kritiker fragen sich also zurecht, wie eine Didaktik nach Papert aussehen soll, wenn pro Schüler nur sowenig Computer vorhanden sind. Seymour Papert befasst sich in diesem Punkt nur sehr wenig mit der Umsetzbarkeit seiner Theorie. Nach Papert wird das traditionelle Schulsystem sowieso nur noch höchstens 20 Jahre bestehen [20]. 6 Umsetzung seiner Didaktik Zur Umsetzung seiner Didaktik sind seiner Meinung nach verschiedene Möglichkeiten vorhanden, an den folgenden hat er aktiv oder indirekt mitgearbeitet. An diesen Beispielen wird deutlich wie er sich die Umsetzung vorstellt. 6.1 LOGO LOGO ist ein Programmiersprache, die 1968 am MIT speziell für Kinder entwickelt wurde. Dies spiegelt sich auch in der Namensgebung wider, denn dieser wurde durch eine Umfrage bei Kindern ausgesucht. Das LOGO eine Kinderprogrammiersprache ist, bedeutet in erster Linie, das keine großen mathematischen Kenntnisse vorhanden sein müssen um mit LOGO arbeiten zu können, größere mathematische Probleme können durch intuitives Denken umgangen werden. Einige der wichtigsten Eigenschafen von LOGO sind:[15] • LOGO ist eine prozedualen Sprache Das bedeutet, das Logoprogramme gebildet werden indem man Grundbefehle zu so genannten Prozeduren zusammenfasst, diese können baukastenartig geschaltet werden. Die Prozeduren können über Ein- und Ausgaben Daten austauschen. • LOGO ist eine interaktive Sprache Das bedeutet, dass jede Logoprozedur ausgeführt werden kann, indem man ihren Namen mit der Tastatur eingibt, man muss sich nicht mit getrennten Compilern oder anderen Sytemprogrammen befassen. • LOGO ist eine listenverabeitende Sprache Die Objekte in Logo sind nicht nur Zahlen- und Zeichenketten, sondern auch daraus zusammengesetzte Strukturen, Listen. Die Listen in Logo sind funktionelle Einheiten, die durch einzelne Operationen transformiert werden können. Daraus folgt, dass diese Sprache besonders für Anwendungsgebiete in der Symbolverarbeitung geeignet ist. Außerdem kann der Benutzer direkten Einfluss darauf nehmen, wie Befehle interpretiert werden. An diesen Punkten ist erkennbar, das LOGO eine Programmiersprache ist, die obwohl sie in erster Linie für Kinder gedacht war, auch in anderen Gebieten angewendet werden kann. Gerade für Kinder ist die Turtelgraphik (Igelgeometrie) in LOGO eine Eigenschaft, die sie sehr einfach nutzen können um spielerisch Programmieren zulernen. Etwas besonders ist, dass man in verschieden Sprachen in LOGO programmieren kann, neben einer englischen,einer französischen ist auch eine deutsche Version erhältlich. Der Vorteil hier gegenüber anderen Programmiersprachen ist, dass die Kinder nicht noch eine Sprachbarriere durchbrechen müssen. Um zum Beispiel ein Dreieck zu zeichnen, muss man folgende Befehle eingeben: PROZEDUR VIERECK VORWÄRTS 20 LINKS 90 VORWÄRTS 20 LINKS 90 VORWÄRTS 20 LINKS 90 8 VORWÄRTS 20 ENDE Dies bedeutet, dass der Igel sich in seiner Anfangsposition um 90 Grad nach links dreht und von da aus 20 Schritte vorwärts geht, sich dann wieder um 90 Grad nach links dreht und dann 20 Schritte vorwärts läuft, danach sich wieder um 90 Grad nach links dreht und dann 20 Schritte geradeaus läuft, abschließend dreht sich der Igel wiederum um 90 Grad und läuft die fehlenden 20 Schritte zum Anfangspunkt zurück. Der Vorteil einer solchen Programmierung liegt auf der Hand, jeder kann sich in den Igel hereinversetzten und somit begreifen was passiert. Dieses Programm könnte mal jetzt natürlich durch eine Wiederholungsschleife effektiver machen. Dies geht einfach mit dem Befehl WIEDERHOLHE Anzahl der zu wiederholenden Schritte [Anweisungsfolge]. In dieser Tabelle sind die größten Unterschiede zwischen LOGO und Java aufgelistet: Ein großer Unterschied ist wohl Einstiegsschwelle, die wegen der oben genannten Dinge bei LOGO recht niedrig ist. Bei Java dagegen ist eine lange Einarbeitungszeit, vor allem um sich mit den Prinzipien der objektorientierten Programmierung vertraut zumachen. Ein Anfänger bräuchte sehr lange, um zum Beispiel ein Viereck zu zeichnen, wie oben beschrieben. Ein kleineres Kind wäre dazu wahrscheinlich überhaupt nicht in der Lage. Ein andere Unterschied ist, die Art der Programmierung, in LOGO kann man sehr gut rekursiv programmieren gerade beim Zeichnen von Fraktalen bietet sich dies an. In Java dagegen, ist das rekursive Programmieren nicht so beliebt, da es unter anderem sehr viel Rechenzeit kostet und viel Speicherbedarf belegt wird. Da hat LOGO mit seiner Listenstruktur Vorteile. Der größte Unterschied zwischen den beiden Sprachen ist wohl die die Verbreitung, bedingt durch die unterschiedlichen Einsatzgebiete. LOGO ist abgesehen vom Schulunterricht nur sehr wenig verbreitet und selbst da sind andere Programmiersprachen, wie zum Beispiel Pascal verbreiteter. Java hingegen wird in der Praxis sehr häufig verwendet, vor allem seit dem Internetboom. 6.2 Lego Mindstorms Seymour Papert suchte, als er die Rolle des Spielzeugs in der Entwicklung des Kindes wahrnahm, einen Spielzeughersteller mit dem er ein Projekt nach seinen Vorstellungen entwickeln konnte. Dort traf er auf „knallharte Burschen“[20], die nicht das Wohlergehen der Kinder im Auge hatten, sondern nur das Geld der Eltern, „Ich war sehr naiv"[20]’, gibt er in einem Interview zu. Im Lego-Team lernte er hingegen sanftere und freundlichere Menschen kennen. Laut Papert gibt es kein anderes Unternehmen, dem es so wichtig ist, dass Kinder lernen, Dinge zu bauen und selbst zu konstruieren. Aus dieser Zusammenarbeit entstand Lego Mindstorms, es ist ein pädagogisches Spielzeug, durch das Kinder reale Modelle mit dem Computer verbinden können. Zuerst wird ein Modell mit Legosteinen 9 gebaut, die das Kind wahrscheinlich durch Lego und Lego Technik schon kennt. Danach wird durch einen programmierbaren Stein eine Verbindung mit dem Computer aufgebaut. Dies kann mit Hilfe verschiedener Programmiersprachen geschehen, zum Beispiel auch LOGO, jedoch ist es nicht unbedingt nötig programmieren zu können, denn durch die Software kann über den Bildschirm auch unter Befehlen wie Vorwärts, Melodie oder Tanzen ausgewählt werden. Lego Mindstorms wird auch in Schulen eingesetzt, um Schülern einen Einstieg in die Grundideen der Programmierung zu vermitteln. Mindstorms ist aber nicht nur ein Spielzeug für Kinder, viele Erwachsene beschäftigen sich in ihrer Freizeit damit und es wird auch im universitärem Bereich eingesetzt, da damit viele Roboter modelliert werden können. Seymour Papert ist jedoch mit der Umsetzung Legos nicht ganz zufrieden, denn seiner Meinung nach, steht das Roboterhafte zu sehr im Mittelpunkt. Dadurch wird die Zielgrup- 10 pe zu sehr auf männliche Kinder eingeschränkt. Was laut Papert einen Verlust für Mädchen bedeutet, da diese Thematik für Mädchen mindestens genauso interessant ist. Papert hofft, dass sich das bei den nächsten Produkten von Lego Mindstorms ändern wird, dies ist jedoch unwahrscheinlich, da das Roboterhafte beim nächsten Modell dem NXT noch verstärkt wurde. 6.3 Meine Traumburg Meine Traumburg wurde von Seymour Papert mitentwickelt. Es ist eine Software, mit deren Hilfe auch schon sehr kleine Kinder in die Lage versetzt werden, bestimmte Situationsabfolgen mit verschiedenen Charakteren und Piktogrammen herbeizuführen. Papert hat hier eine Mikrowelt entwickelt, in der kleinere Kinder durch die Charaktere und Piktogramme im kleinen Stil programmieren, denn nachdem auf Start gedrückt wird passiert genau das, was das Kind zuvor eingegeben hat. In diesem Spiel sind keine Dinge vorgegeben, wie zum Beispiel ein Ziel das erreicht werden muss, sondern das Kind kann sich seine Ziele selbst festlegen, wie zum Beispiel die Hexe soll auf der Bananenschale ausrutschen und gleichzeitig soll der Prinz in ein Wasserloch fallen. Eine solche Software regt so die Phantasie des Kindes an. 6.4 MaMaMedia.com MaMaMedia.com ist eine Seite von Idit Harell einer Mitarbeiterin Paperts, er selbst hat nur indirekt an dieser Seite mitgewirkt. Diese Seite bietet Spiele für Kinder und deren Eltern an, die nach konstruktivistischem Vorbild gestaltet sind. Die Kinder werden zum Beispiel angeregt, sich mit bestimmten Wochenthemen zu befassen, eigene Zeichentrickfilme herzustellen oder in „Clubs zu gehen“ um dort Meinungen auszutauschen und zu diskutieren. Außerdem ist es möglich für Kinder eigene selbst gemachte Zeichentrickfilme zu bauen, die sie abspielen können. Außerdem können die Kinder diese Filme auch an andere per E-Mail verschicken. MaMaMedia.com ist eine der wenigen Seiten, die sich auch mit dem Persönlichkeitsrecht von Kindern befasst (Children’s Online Privacy Protection Act (COPPA)). 11 7 Zusammenfassung Seymour Paperts historischen Innovationen sind meiner Meinung in seinen Didaktischen Theorien zu suchen, er war einer der Ersten, der sich damit befasst hat, wie Software für alle Menschen verständlicher und intuitiver wird. Es wäre möglich, dass es ohne ihn noch unmöglicher wäre, einen Fahrscheinautomaten zu bedienen, als es momentan sowie so schon ist. Papert ist verantwortlich für die Verbreitung des konstruktivistischen Lernens, er hat die Theorien von Jean Piaget auf die Computerebene ausgeweitet und so größere Anwendungsgebiete für die Theorien geschaffen. Er hat somit die beiden gegensätzlichen Gebiete Technik und Philosophie miteinander vereinigt. Seine Vorstellungen zur modernen Schule mögen für uns heute noch abwegig klingen, jedoch weiß man nicht wie es in 20 Jahren aussehen wird, wenn seiner Meinung das traditionelle Schulsystem nicht mehr existiert. Vielleicht täte der Schule heute ein wenig Papert auch schon sehr gut. 12 Literatur [1] Minsky, Marvin, Papert, Seymour: Perceptrons, An Introduction to Computational Geometry, Massachusetts: MIT, 1969. [2] Papert, Seymour: Kinder, Computer und Neues Lernen, Basel: Birkhäuser Broschur, 1985. [3] Papert, Seymour: Die vernetzte Familie, Kinder und Computer, Stuttgart: Kreuz, 1998. [4] Papert, Seymour: Seite zum Buch von Papert:„The Connected Familiy“, http://www.connectedfamily.com (aufgerufen am 03.11.05). [5] Papert, Seymour: Papert, http://www.papert.org/ (aufgerufen am 03.11.05). [6] Wikipedia: Seymou Papert, http://en.wikipedia.org/wiki/Papert (aufgerufen am 03.11.05). [7] Uni Klagenfurt: Seymour Papert, http://www.uni-klu.ac.at/ gossimit/lv/02/s/smt/web/opitz/SeymourPapert -Pr%E4sentation/HTML-Version/index.htm (aufgerufen am 03.11.05). [8] Wikipedia: Perzeptron, http://de.wikipedia.org/wiki/Perzeptron (aufgerufen am 04.12.05). [9] Wikipedia: Perceptrons, http://en.wikipedia.org/wiki/Perceptrons (aufgerufen am 20.11.05). [10] Wikipedia: Künstliche Intelligenz, http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BCnstliche_Intelligenz 03.11.05). (aufgerufen am [11] Papert, Symour: Verstehen von Differenzen in:Graubard, Stephen R.: Probleme der künstlichen Intelligenz, Wien: Springer-Verlag, 1996. [12] Uni Münster: Einführung in Neuronale Netze, http://wwwmath.uni-muenster.de/SoftComputing/lehre/material/wwwnnscript/ geschichte.html (aufgerufen am 04.12.05). [13] Wikipedia: Konstruktivismus, http://de.wikipedia.org/wiki/Konstruktivistische_Didaktik (aufgerufen am 03.11.05). [14] Papert, Seymour: Papert on Piaget, http://www.papert.org/articles/Papertonpiaget.html (aufgerufen am 03.11.05) [15] Wikipedia: Didaktik, http://de.wikipedia.org/wiki/Didaktik (aufgerufen am 03.11.05). [16] Abelson, Harold: Einführung in LOGO, 2.Auflage, München: iwt, 1985. [17] Wikipedia: Logo (Programmiersprache), http://de.wikipedia.org/wiki/Logo_%28Programmiersprache%29 (aufgerufen am 03.11.05). [18] Wikipedia: Lego Mindstorms, http://en.wikipedia.org/wiki/Lego_mindstorms (aufgerufen am 03.11.05). [19] Lego: Lego Mindstorms, http://mindstorms.lego.com/eng/products/ris/index.asp (aufgerufen am 03.11.05). 13 [20] Harell, Idit: MaMaMedia.com, http://www.mamamedia.com/ (aufgerufen am 03.11.05). [21] Feibel, Thomas: Großer Kinder Sofware- Ratgeber 1999, München: Markt und Technik, 1999. 14