Natur der Zahlen und Zahlen der Natur - Humboldt

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Natur der Zahlen und Zahlen der Natur
Teilnehmer:
Artur Wiebe
Immanuel-Kant-Oberschule, Berlin
Jonas Knapp
Ceciliengmynsium, Bielefeld
Pierre Vallon
Herder-Oberschule, Berlin
Ron Wenzel
Heinrich-Hertz-Oberschule, Berlin
Tobias Theis
Gymnasium Wülfrath
Vo Tran Van
Andreas-Oberschule, Berlin
Gruppenleiter:
Werner Kleinert
Humboldt-Universität zu Berlin
In der Natur gibt es viele unbequeme Zahlen, wie zum Beispiel das Verhältnis
von Kreisumfang und Durchmesser:
π.
Unsere Gruppe beschäftigte sich haupt-
sächlich damit, wie man solche Zahlen mithilfe von Brüchen approximieren kann.
Hierfür wurden sowohl die Kettenbrüche als auch die Farey-Folgen untersucht
und ihre Eigenschaften bewiesen. Desweiteren haben wir die interessanten mathematischen Eigenschaften der Fibonacci-Folge untersucht, die sehr häug in
der Natur auftaucht (wie zum Beispiel bei der Vermehrung von Hasen) und auch
in Verbindung mit dem ebenfalls häug in der Natur vorkommenden Goldenen
Schnitt steht. Neben den Zahlen, die häug in der Natur vorkommen, haben wir
uns zunächst mit der Natur der Zahlen also der Zahlentheorie beschäftigt.
Aus Platzgründen sind wir leider gezwungen, längere Beweise in ihren technischen Einzelheiten auszulassen.
Wir wünschen Ihnen viel Spaÿ, unseren Bericht über die Natur der Zahlen und
Zahlen der Natur zu lesen.
23
1
ggT und Euklidischer Algorithmus
Am Anfang unserer Gruppenarbeit standen einige grundlegende Ausschnitte aus
der Zahlentheorie (z.B. Primzahlen, ggT, ...). Im Zusammenhang mit dem gröÿ-
b (ggT (a, b)) haben wir
Bestimmung des ggT (a, b), be-
ten gemeinsamen Teiler zweier natürlicher Zahlen
den Euklidischen Algorithmus, ein Verfahren zur
a
und
handelt.
Der Euklidische Algorithmus lautet wie folgt:
a = v0 · b + r1
b = v1 · r1 + r2
r1 = v2 · r2 + r3
...
rk = vk+1 · rk+1 + rk+2
rk+1 = vk+2 · rk+2
Dabei ist der kleinste von Null verschiedene Rest (rk+2
6=
0 (rk+3
= 0))
der
ggT(a,b).
2
Kettenbrüche
Rationale Kettenbrüche
Sei (a,b)
∈ N × N.
Wir sind an
a
interessiert.
b
Diesen Bruch können wir mit Hilfe des Euklidischen Algorithmus wie folgt ermitteln:
a = v0 · b + r1 =⇒
a
b
= v0 +
r1
b
= v0 +
1
b
r1
.
b
können wir ersetzen, nachdem wir die zweite Zeile des Euklidir1
b
schen Algorithmus' umgeformt haben: b = v1 · r1 + r2 =⇒
= v1 + rr21 .
r1
Den Bruch
Dieses Verfahren lässt sich bis zur letzten Zeile des Euklidischen Algorithmus'
durchführen, sodass wir zum Schluss einen endlichen, abbrechenden bzw. rationalen Kettenbruch erhalten.
a
=
b
v1 +
1
1
v2 +
24
1
1
v3 + v +...
4
Denition: Sei (a0 , ....,
an ) ∈ N × N
ein Tupel natürlicher Zahlen.
Dann heiÿt der iterierte Bruch
1
a0 +
1
a1 +
1
a2 +
a3+...
1
1
an−1 + a1
n
der (endliche) Kettenbruch zu (a0 ,...,an ).
a
Fazit: Jeder Bruch
∈ Q, a > 0, ist durch einen Kettenbruch darstellbar.
b
Schreibweise, Motivation, Näherungsbrüche
Kettenbrüche lassen sich vereinfacht darstellen. Um nicht die u.U. sehr groÿen
Kettenbrüche ausschreiben zu müssen, haben wir folgende Schreibweise verwendet:
[a0 , ..., an ] = a0 +
1
a1 +
.
1
a2 +
1
a3 +
a4 +...
1
1
an−1 + a1
n
Doch warum wandeln wir Brüche in unter Umständen äuÿerst unübersichtliche
und komplexe Kettenbrüche um?
a
durch Näheb
rungsbrüche aus der Kettenbruchentwicklung zu approximieren. Die verwendeten
a
haben.
Näherungsbrüche sollen dann kleinere Zähler und Nenner als
b
Das Ziel der Kettenbruchentwicklung besteht darin, einen Bruch
Denition: Sei [a0 ,...,an ] ein endlicher Kettenbruch, also
[a0 , ..., an ] = a0 +
und sei
1
a1 +
1
a2 +
a3+...
1
1
an−1 + a1
n
0 ≤ k ≤ n.
Dann heiÿt der (Teil-)Kettenbruch [a0 ,...,ak ] der k -te Näherungsbruch von
[a0 , ..., an ].
Zu erwähnen ist noch, dass die Kettenbruchentwicklung nur dann nicht eindeutig
ist, wenn
an
= 1 gilt. Daher werden nur Kettenbrüche mit
an 6= 1
als regulär
bezeichnet.
Beispiel Näherungsbruch
a
1355
Aufgabe: Finde einen Näherungsbruch
für den Bruch
derart, dass
b
946
1355
a
−4
b < 100 und | 946 − b | < 10
25
a < 100,
Lösung:
1355
946
= 1+
= 1+
409
946
= 1+
1
2+ 125
3+ 128
1
946
409
= ...
= 1+
= 1+
1
128
2+ 409
=
128
1
2+
= [1,2,3,5,8,3]
1
3+
1
1
2+ 409
5+
1
1
8+ 1
3
Näherungsbrüche:
2. Näherungsbruch:
1+
1+
3. Näherungsbruch:
1+
1. Näherungsbruch:
1
2
=
3
,
2
| 1355
− ab | ≈ 0,068
946
1355
, |
− 10
| ≈ 0,00378
= 10
7
946
7
1
2+ 13
1
2+ 1 1
=
3+ 5
53
,
37
| 1355
−
946
53
|
37
≈ 8,57 · 10−5
Beispiel Sonnensystem
Approximationen von rationalen Zahlen durch Näherungsbrüche aus der Kettenbruchentwicklung hat es schon in der Vergangenheit gegeben.
Im nächsten Teil unserer Gruppenarbeit haben wir den Physiker Christiaan Huygens (1629-1695) und sein Zahnrad-Modell betrachtet. Huygens wollte die Umlaufzeiten der Planeten unseres Sonnensystems um die Sonne darstellen. Dabei
sollte jeder Planet durch ein Zahnrad symbolisiert werden und jedes Zahnrad
sollte genau so viele Zähne haben, wie der Planet Minuten für eine Sonnenumrundung braucht.
Das Problem, das sich für Huygens ergab, sowie dessen Lösung wollen wir exemplarisch anhand des Saturns und der Erde darstellen:
a=
Zahnradzahl
Saturn
Zahnradzahl
Erde
=
Umlaufzeit
Saturn
Umlaufzeit
=
Erde
77708431
.
2640853
Huygens hätte also riesige Zahnräder mit Millionen von Zähnen benötigt, welche
weder technisch noch nanziell zu beschaen waren.
Für ein realistisches Modell brauchte er einen Bruch mit deutlich kleinerem Zähler
und Nenner, der aber nicht zu stark vom Original-Bruch abweicht. Zur Lösung
seines Problems bildete er erst den Kettenbruch von
a = [29,2,2,1,5,1,4,1,1,2,1,6,1,10,2,2,3]
206
. Die Abwei7
chung vom Original-Bruch beträgt hierbei weniger als 0.003, was für Huygens
und benutzte für sein Modell den 3. Näherungsbruch [29,2,2,1]=
akzeptabel war.
Bemerkung: Leser, die unseren, ohne Rechnung aufgeführten Zahlen nicht trauen,
dürfen gerne selbst nachrechnen.
26
Beispiel Kalendermodelle
104629
Die Umlaufzeit der Erde um die Sonne beträgt 365 +
Tage
432000
104629
=
[0,4,7,1,3,6,2,1,170]
Kettenbruchentwicklung von x :=
432000
0. Näherungsbruch: 0
Verwendet man 0 als 0. Näherungsbruch, so rechnete man mit einer Jahreslänge
von 365 Tagen. Historisches Beispiel: alte Ägypter.
Korrektur: Nach einem längerem Zeitram wird ein Jahr um gleich mehrere Tage
verlängert.
1
1. Näherungsbruch:
4
1
Hierbei ist
als Näherungsbruch etwas zu groÿ.
4
Historisch: Caesar (46 v.Chr.) führt dieses Modell ein.
Nachteil: Kalenderzeit eilt der meterologisch Zeit etwas voraus.
Ausgleich: Einführung von Schaltjahren (alle 4 Jahre ein Schaltjahr).
Eekt: Im 16. Jhd betrug dennoch die Dierenz zwischen julianischer Kalenderzeit und meterologischer Kalenderzeit ca. 10 Tage.
2. Näherungsbruch: nicht verwendet! Weitere Näherungsbrüche wurden ebenfalls
nicht verwendet wegen numerischer Kompliziertheit.
.
.
.
Variante: Papst Gregor XIII (1582): Einführung des gregorianischen Kalenders.
194
< 104629
< 41 Dabei
Idee: Verwenden des 5. Näherungsbruch: [0,4,7,1,3,6] =
801
432000
194
etwas zu klein, aber bei der Verwendung dieses Näherungsbruches eilt nun
ist
801
die meteorologische Jahreszeit der Kalenderjahreszeit etwas voraus.
Festlegung:
→
Ein Jahr hat 365 Tage.
→
Alle 4 Jahre ist ein Schaltjahr.
→
Innerhalb von 800 Jahren müssen 6 Schaltjahre ausfallen!
→
Regelung: Es fallen diejenigen Jahre als Schaltjahre aus, deren Jahreszahl
duch 100 teilbar ist, nicht aber duch 400.
27
3
Approximation irrationaler Zahlen durch
Brüche
a
∈ Q, a > 0, b >
b
0, durch die Näherungsbrüche ihrer Kettenbrüche ist aber die Approximation
Viel wichtiger als die Approximation von rationalen Zahlen
irrationaler Zahlen α ∈ R \ Q durch rationale Zahlen. (Man möchte für α ∈ R \ Q
a
a
Brüche
nden derart, dass | α −
| beliebig klein gemacht werden kann.)
b
b
Algorithmus zum Erstellen von Kettenbrüchen irrationaler
Zahlen
Sei
α∈R\Q
und
α > 0.
Dann kann man mit folgendem Algorithmus den (unendlichen) Kettenbruch von
α ermitteln. α = bαc + (α − bαc),
α = bαc + 11 ; bαc =: a0
wobei
bαc
das gröÿte Ganze von
α
ist.
α−bαc
α = a0 +
1
1
α−a0
0 < α − a0 < 1
1
α1 := α−a
; a1 = bα1 c
0
α = a0 + a1 + 1 1
Wegen
wird
1
α−a0
>1
α1 −a1
So fortfahrend, ergibt sich eine nicht abbrechende Kettenbruchentwicklung für
α:
α = [a0 , a1 , a2 , . . .]
Konvergenz von Kettenbrüchen
Sei
(an )n∈Z ≥ 0
eine Folge von natürlichen Zahlen, wobei
a0
auch 0 sein darf.
Frage: Konvergiert die rationale Zahlenfolge der endlichen Kettenbrüche
für
[a0 , . . . , an ]
n → ∞?
Antwort: Ja!
Hauptsatz über Kettenbrüche
α ∈ R \ Q eine irrationale Zahl, α > 0. Dann liefert der Kettenbruchalgoα die Näherungsbrüche [a0 , . . . , an ], n ∈ N. Die Folge ([a0 , . . . , an ]n∈N )
konvergiert gegen α. Weiterhin gilt die Abschätzung
Sei
rithmus für
| α − [a0 , . . . , an ] |<
28
1
1
< 2.
n(n + 1)
n
Satz (Euler-Lagrange)
Eine besondere Rolle spielen die periodischen Kettenbrüche, so ist zum Beispiel
√
[a, 2a] = a2 + 1. Im folgendem werden die periodischen Kettenbrüche charakterisiert:
α
kann durch einen periodischen Kettenbruch
gestellt werden, genau dann, wenn
α
[a0 , . . . , ak , b1 , . . . , br ]
dar-
eine quadratische Irrationalzahl ist, d.h.:
ax2 + bx + c = 0 mit a ∈ Z, b ∈ Z, c
ist Nullstelle einer ganzzahligen Gleichung
α
∈
Z, a 6= 0.
4
Fibonacci-Zahlen
Denition
Die rekursiv denierte Zahlenfolge
F0 := 0
F1 := 1
Fn = Fn−2 + Fn−1
(Fn )n∈N ≥ 0
mit
heiÿt auch Fibonacci-Folge.
Mit Matrizen kann man das Bildungsgesetz für die Fibonacci-Zahlen
Fn
bequem
so interpretieren.
Fn Fn−1
Fn−1 Fn−2
=
1 1
1 0
n
1 1
Fn−1 Fn−2
=
•
Fn−2 Fn−3
1 0
Kettenbruchentwicklung bei Fibonacci-Zahlen
n ∈ N gilt für
Fn und Fn+1 :
Für alle
Zahlen
die Quotienten zweier aufeinanderfolgender Fibonacci-
Fn+1
ist [1, . . . ,1,2] = [1, . . . ,1,1,1]. Zudem exisFn
√
Fn+1
Fn+1
1+ 5
. Es gilt: lim
=
α
=
tiert der Limes lim
2
n→∞ Fn
n→∞ Fn
Die Kettenbruchentwicklung von
α
ist hierbei der Goldene Schnitt und hat die Kettenbruchentwicklung
[1, 1].
Bemerkung (Goldener Schnitt)
Sei eine Strecke der Länge 1 gegeben. Sei die Strecke unterteilt in zwei Teilstrecken, so dass das Teilungsverhältnis von der kleineren Strecke zu gröÿeren Strecke
gleich dem
Teilungsverhältnis von
√ der gröÿeren Strecke zu Gesamtstrecke ist. Dann ist das
1+ 5
Teilungsverhältnis
.
2
29
Satz 6 (Formeln von Binet)
Die Formel von Binet gibt die explizite Formel für die n-te Fibonaccizahl an:
√
√
1
1− 5 n
1+ 5 n
Fn = √ · ((
) −(
) ).
2
2
5
5
Farey-Folgen oder Farey-Brüche
Neben der Verwendung von Kettenbrüchen zur Approximation von reellen Zahlen
durch rationale Zahlen, spielen auch die sogenannten Farey-Folgen eine wichtige
Rolle. Diese wollen wir kurz erklären.
Denition
∈ N, n ≥ 2.
a
∈ Q|b 6= 0, b > 0, b ≤ n, ggT (a, b) = 1 heiÿt Farey-Menge vom Typ n.
b
a
Bem.: Sei
∈ Fn0 . Dann ist a = q · b + r, 0 ≤ r < b und damit ab = q·b+r
= q · rb ,
b
b
q ∈ Z, rb ∈ Fn0 ∩ [0,1]
0
Anders gesagt: Fn ist die Menge, derjenigen gekürzten Brüche, deren Nenner eine
Sei n
Fn0 =
vorgegebene Zahl n nicht übersteigt.
0
Bez.: Fn := Fn ∩ [0,1]
0
Damit: Fn = Z + Fn := {m + α|m ∈
Def: Eine Farey-Folge von Typ
Z, α ∈ Fn }
n ist die Folge der Elemente aus Fn , die der Gröÿe
nach (aufsteigend) geschrieben sind.
Satz 1
Sei
Fn
n ≥ 2.
0
|a · b − b · a0 | = 1.
eine Farey-Folge vom Typ
Glieder von
Fn ,
so gilt
Dann gilt: Sind
a
a0
und 0 benachbarte
b
b
Satz 2
Seien wieder
a
b
<
a+a0
b+b0
<
a
a0
und 0 benachbarte Elemente aus
b
b
Fn .
Für die Mediante
a0
.
b0
Auÿerdem ist die Mediante der Brüche, die zwischen
mit dem kleinsten Nenner.
30
a+a0
gilt:
b+b0
a
a0
und 0 liegen, derjenige
b
b
Der folgende Satz gibt Auskunft über die Approximationsgüte mittels FareyBrüchen:
Satz 3 (Approximationssatz von G. L. Dirichlet)
Sei
r ∈ R, 0 < r < 1,
und sei
approximierende Brüche für
r.
n ∈ N
eine vorgegebene Nennerschranke für
a
∈ Fn mit
b
Dann existiert ein Farey-Bruch
a
1
1
1
|r − | <
≤
< .
b
b(n + 1)
n+1
n
31
32
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