NEWSLETTER Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang The Business Designers Compliance Pharma 4 – 7 Die Einführung der GDPLeitlinien 2013 im deutschen Rechtsraum IS/CSV Consulting 11 –13 Informationsvorsprung und Effizienzgewinn durch Datenanalyse Strategy Consulting 14 –16 Einsatzfähige Szenarien für die Life-Sciences Supply-Chain Compliance Medtech 20 Unangekündigte Audits bei Herstellern und Lieferanten von Medizinprodukten The Technology Designers The Technology Designers Energie und Infrastruktur 1 – 3 Energie im Pharma-Umfeld Pharma Design 8 –10 Verpackung von hochaktiven Substanzen – Grundlagen, Herausforderungen und Lösungsansätze Q/V Compliance 17 –19 Fälschungssicherheit durch individualisierte Verpackungen empfiehlt Kommission Europäische e Audits! gt unangekündi 0 hr auf Seite 2 Lesen Sie me Energieeffizienz als Brückenschlag Energie im Pharma-Umfeld Die Energiekostendiskussion hat schon seit Längerem auch die Pharma­ branche erreicht. Die Zeit ist reif für einen Paradigmenwechsel: Weg von der Optimierung einzelner Inseln, hin zur gesamtheitlichen Betrachtung aller am Standort eingesetzten Stoff­ und Energieströme. Die steigenden Energiekosten machen vor niemandem halt. Seit Beginn des Millenniums sind die Preise für Strom, Gas und Erdöl um durchschnittlich 70 %1 gestiegen. Deshalb sind die Herausforderungen für Anlagenbetreiber der energieintensiven Industrien, denen die pharmazeutische zugeordnet werden kann, eindeutig: Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, müssen Betriebskosten gesenkt werden – ohne dabei die Produktionssicherheit oder Produktqualität negativ zu beeinflussen. Diese scheinbar entgegengesetzten Anforderungen sind von Beginn an bei der Herangehensweise an Energieoptimierungsprojekte zusammenzuführen. Verschwendete Energiekosten sind entgangener Gewinn Bei einem typischen Anlagenprojekt, gleich ob es sich um eine neue Produktionsanlage auf der grünen Wiese handelt oder um die Erweiterung einer bestehenden Anlage, gilt: Der Grossteil der Planungskapazitäten wird auf die Kernprozesse verwendet. Dies ist umso verständlicher, als dort der Hauptteil der Wertschöpfung eines Betriebes generiert wird. Ebenso werden die meist wesentlich höheren Investitionskosten als unmittelbarer wirtschaftlicher Faktor herangezogen. Betrachtet man jedoch den Total Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang 1 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser Mit unserer Präsenz im Februar an den Lounges in Karlsruhe, der Technopharm im April in Nürnberg und der Ilmac im Oktober in Basel hatten wir dieses Jahr drei wichtige Messetermine. Die Möglichkeit, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen, ist für uns die Motivation, an diesen Messen teilzunehmen. In vielen Gesprächen mit Ihnen als Branchenvertretern zeigte sich der Ehrgeiz, die führende Stellung der europäischen Life-Sciences-Industrie zu verteidigen und auszubauen. Dazu gehört der Anspruch, über fortlaufende Innovationen, über Prozessoptimierungen und über das Denken und Handeln in Szenarien die besten Produkte herzustellen. Wer Branchenführer ist, hat immer auch mit Nachahmern und Fälschern zu kämpfen. Damit Plagiate nicht den eigenen Ruf oder gar die Gesundheit der Patienten schädigen, sind vielfältige Massnahmen notwendig. Auf organisatorischer Ebene geben die Leitlinien für «Good Distribution Practices» wichtige Anhaltspunkte. Diese Richtlinien – seit 1994 im Einsatz – werden jetzt überarbeitet, um den gestiegenen Ansprüchen an das Qualitätsmanagement Rechnung zu tragen. Ab sofort müssen diese neuen Leitlinien umgesetzt werden. Topaktuell kommt hinzu, dass die Europäische Kommission am 24. September 2013 eine Empfehlung herausgegeben hat, dass bei Herstellern und Lieferanten von Medizinprodukten zusätzliche, unangekündigte Audits durchgeführt werden sollen. Lesen Sie in diesem Newsletter, wie unsere Business Designers Sie mit spezifischem Know-how zur guten Vertriebspraxis und behördlicher Überwachung unterstützen können. Ein wirkungsvolles Instrument im Kampf gegen Arzneimittelfälschung ist der konsequente Einsatz von «Track and Trace»-Systemen. Eindeutige Seriennummern machen jede Verpackungseinheit zu einem individuell identifizierbaren Objekt. Was andere Industrien wie z.B. die Automobilindustrie schon lange kennen, ist für die Life-Sciences-Industrie noch oft Neuland. Unsere Technology Designers haben bereits einige Projekte umgesetzt. Lesen Sie die Erkenntnisse auf Seite 17. Chemgineering kann Sie also zum Thema Fälschungssicherheit ganzheitlich beraten. Wertvolle Synergien entstehen, wenn das Consulting und das Engineering Hand in Hand arbeiten: Dann ist die Summe mehr als die Gesamtheit seiner Einzelteile. Wenn bei der Planung von neuen Produktionsanlagen von Beginn an auch auf Energieeffizienz geachtet wird, können massgebliche Einsparungen realisiert werden. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, bei allen Projekten der Technology Designers immer auch der Energie- und Medienversorgung einen angemessenen Stellenwert einzuräumen. So erhalten Sie als Kunde von Chemgineering automatisch einen Mehrwert, der sich sofort bezahlt macht. Lesen Sie dazu unseren Leitartikel. Eine inspirierende Lektüre wünscht Ihnen Gerhard Bauer-Lewerenz 2 Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang Cost of Ownership (TCO), so treten Sekundärkosten wie Energie, Reparatur und Wartung über die Lebensdauer einer Anlage stark in den Vordergrund. Mit einem Anteil von 50% an den Gesamtenergiekosten2 eines Betriebes sind die wirtschaftlichen Auswirkungen von ineffizienten Produktionsprozessen besonders hoch. Dabei kann von zwei Szenarien ausgegangen werden, welche sich nicht gegenseitig ausschliessen: · ineffizienter Einsatz der zur Verfügung gestellten Energien und Medien · ineffiziente Erzeugung von Energien und Medien am Standort Deshalb ist es notwendig, durch gezielte Planung eine Brücke von den Versorgungsanlagen zu den Kernprozessen zu schlagen, um gesamtwirtschaftlich zu handeln. Waren früher die Hauptverursacher für Betriebskosten die Prozessdampferzeugung und die Bereitstellung von Kühlsole, so treten jetzt Klimakälte und -wärme in den Vordergrund. Energieeinsparung durch innovative Lösungen contra Regularien Durchschnittlich 65% des Energieverbrauches in einem pharmazeutischen Betrieb sind auf Heizung, Lüftung und Klimatisierung zurückzuführen. Der Grossteil dieses Bedarfs stammt von klassifizierten Reinräumen, welche den GMP-Regeln und Produktanforderungen bezüglich des Raumklimas unterliegen. In der Regel werden jedoch aus Angst vor Abweichungen allgemeine GxP-Anforderungen überinterpretiert und dann in den entsprechenden User Requirement Specifications (URS) niedergeschrieben. Klassisches Beispiel ist die Vorgabe von starren Luftwechselraten. Innovative Lösungen, wie beispielsweise die Anpassung der Luftwechselrate durch Online-Partikelmessung, werden dadurch von vornherein behindert. Deshalb muss schon bei der Erstellung dieser Dokumente darauf geachtet werden, Raum für zukünftige Entwicklungen zu lassen, um spätere, teure und aufwendige Requalifizierungs- und Validierungsmassnahmen zu vermeiden. Sind die Anforderungen an die Infrastrukturanlagen spezifiziert, sollte man frühzeitig mit der Planung beginnen. Gleich ob Energiezentrale oder dezentrale Einheiten, es gibt keine Patentlösung, da unterschiedliche Prozesse unterschiedliche Anforderungen haben. Es ist Abb. 1: PDCA­Zyklus nach Deming für Energiemanagementsysteme · Energiepolitik · Ernennung Energiebeauftragter · Erstbewertung der Energiesituation · Massnahmen und Ziele festlegen Plan Do Act Check · Bewertung durch das Topmanagement · Management-Review · Ableitung neuer Ziele · Verbesserung des Systems jedoch wichtig, nicht getrennte Inseln zu betrachten, sondern insbesondere mögliche Synergien aufzudecken und zu nutzen, und dies über Projektgrenzen hinweg. Die Summe ist mehr als die Gesamtheit der Einzelteile Da bei der Anlagenplanung oft einzelne Arbeitspakete an unterschiedliche Firmen vergeben werden, wird auf die Identifikation von Effizienzsteigerungspotenzialen durch Ausnutzung von Synergien unbewusst verzichtet. Hier können nur übergeordnete Strukturen helfen, welche nicht nur über ein Projekt, sondern über das gesamte Vorhaben die Verantwortung für optimierte Energie- und Medienversorgungsanlagen haben. Erst die Einbeziehung aller verbundenen Systeme ermöglicht die bestmögliche Auslegung von Anlagen, damit diese die Mehrzahl der Stunden im optimalen Betriebspunkt arbeiten. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass meist eine Kette an «Sicherheitsfaktoren» den tatsächlichen Anforderungen hinzugefügt werden. Als Resultat ergeben sich überdimensionierte Aggregate, welche im Teillastbereich in unwirtschaftlichen Betriebsbereichen operieren müssen und unter Umständen sogar den Produktionsprozess gefährden. Hier ist es besonders wichtig, mit Erfahrung und vernünftigem Augenmass dieser Entwicklung von Anfang an gegenzusteuern. Für Effizienzbetrachtungen gleicher Anlagen untereinander kann man sich der EnPIs (Energy Performance Indizes) bedienen, welche aus Herstellerdaten errechnet werden können, aber idealerweise im tatsächlichen Betrieb gemessen werden sollten. · Bereitstellung der notwendigen Ressourcen · Verwirklichung der Massnahmen · Kommunikation innerhalb des Unternehmens · Überprüfung · Analyse · Korrektur- und Vorbeugemassnahmen · interne Audits · Energieberichte ein ähnliches Gesetz im Entstehen. Einer der wichtigsten Kernpunkte der neuen Norm ist die strukturierte Erfassung der Energieverbräuche, um daraus einen detaillierten Massnahmenkatalog abzuleiten. Gemäss dem Zirkel «Plan – Do – Check – Act» (Abb. 1) ergibt sich nicht nur die Notwendigkeit, Massnahmen zu erfassen, umzusetzen und zu kommunizieren, sondern diese auch auf Wirksamkeit hin zu kontrollieren und gegebenenfalls nachzubessern. Hauptsache Nebensache Es ist natürlich verständlich, dass bei neuen Projekten das Hauptaugenmerk auf die Produktionsanlagen selbst gelegt wird. Faktum ist aber auch, dass je früher Energieeffizienz thematisiert wird, desto besser auf die speziellen Anforderungen eingegangen werden kann. Chemgineering hat es sich zum Ziel gesetzt, Nebenanlagen wie Energie- und Medienversorgung einen angemessenen Stellenwert einzuräumen. Standardprojekte werden gezielt unter der Führung der Gruppe Energie & Infrastruktur nach Gesichtspunkten der Energieeffizienz untersucht und Optimierungspotenziale kommuniziert. Selbstverständlich sind auch reine Energieoptimierungs- oder Infrastrukturprojekte Aufgabenbestandteil des Dienstleistungsportfolios. Kontaktieren Sie uns, wir beraten Sie gerne. 1 Austrian Energy Agency, http://www.energyagency.at 2 Ch. Galitsky, et.al.; Energy Efficiency Improvement and Cost Saving Opportunities for Pharmaceutical Industry; Ernest Orlando Lawrence Berkeley National Laboratory; March 2008 Dr. Alexander Slanina PDCA­Managementsysteme Während die ISO 14001 die Umweltleistung einer Organisation definiert, kann die ISO 50001 (seit 2012 als Nachfolgerin der DIN EN 16001) für den systematischen Aufbau von Energiemanagementsystemen herangezogen werden. In Deutschland ist sie schon Grundbedingung für die teilweise Befreiung von der EEG-Umlage (Erneuerbare-Energien-Gesetz), in Österreich ist Gruppenleiter Energie & Infrastruktur Chemgineering – The Technology Designers [email protected] Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang 3 The Business Designers Der Grosshandel mit Humanarzneimitteln Die Einführung der GDP-Leitlinien 20131 im deutschen Rechtsraum Die erste Fassung der Leitlinien für die gute Vertriebspraxis (Good Distribution Practices, GDP) von 19942 ist durch eine Aktualisierung ersetzt worden, welche am 8. September 2013 in der Europäischen Union in Kraft getreten ist. Es wird in diesem Artikel erörtert, welche neuen Anforderungen vorliegen und wie diese mit einer gezielten Lücken­ analyse (Gap­Analyse) in das bestehende Qualitätsmanagementsystem integriert werden können. Einleitung Die Europäische Kommission erliess erstmalig 1994 die Leitlinien für die gute Vertriebspraxis. Seit deren Erscheinen sind die Vertriebswege im Rahmen von globalen Kooperationen und weitverzweigten Herstellungsprozessen vielfältiger und unübersichtlicher geworden. Das Eindringen gefälschter Arzneimittel in die legale Handelskette ist zu einem weltweiten Problem geworden. Damit ist die Handelskette zunehmend in den Fokus der überwachenden Behörden gerückt. Mit der «Fälschungsrichtlinie» 2011/62/EU wurden wesentliche Aspekte des Vertriebs von Humanarzneimitteln überarbeitet. Hervorzuheben sind die folgenden Neuerungen: · Definition des gefälschten Arzneimittels3 · Definition der Arzneimittelvermittlung4 4 Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang · Registrierungspflicht für Arzneimittelvermittler5 · Anforderungen an Arzneimittelvermittler6 · Einführung von Sicherheitsmerkmalen für verschreibungspflichtige Arzneimittel7 · Führung von Chargennummern in den Bezug- und Abgabebelegen von Arzneimitteln, die die Sicherheitsmerkmale tragen8 · Einführung des Risikomanagements9 · Regelungen zum Versandhandel10 In diesem Zusammenhang sind die GDP-Leitlinien überarbeitet worden. Die Neuregelungen zielen darauf ab, dass das Eindringen von gefälschten Arzneimitteln in die legale Lieferkette verhindert oder zumindest erschwert wird. Die GDPLeitlinien 2013 begründen in sich keine über die in der Richtlinie 2001/83/EG gemachten Anforderungen. Sie regeln, wie diese umzusetzen sind. Der Geltungsbereich erstreckt sich auf Humanarzneimittel. Es ist dabei unerheblich, ob der Vertrieb innerhalb Deutschlands, innerhalb der Europäischen Union oder in Drittländer erfolgt. Davon betroffen sind Grosshandelsbetriebe, Vermittler und Hersteller von Arzneimitteln. Die GDPLeitlinien 2013 gelten nicht für den Vertrieb von Arzneimitteln für die klinische Prüfung, Veterinärarzneimittel und den Transport von Halbfertigwaren innerhalb von Herstellungsstätten eines Herstellers oder zwischen den Betriebsstätten von verschiedenen Herstellern. Anforderungen der GDP­Leitlinien 2013 Qualitätsmanagementsystem Die GDP-Leitlinien 2013 orientieren sich sowohl in der Struktur als auch im inhaltlichen Aufbau an den EG-GMP-Leitlinien. Die folgenden Elemente des Qualitätsmanagements aus der Welt der «Guten Herstellungspraxis» sind in die Welt der «Guten Vertriebspraxis» aufgenommen worden: · Änderungskontrollsystem · Abweichungsmanagement · Korrektur- bzw. Vorbeugemassnahmen (CAPA) · Regelung der Verwaltung ausgelagerter Tätigkeiten · Überprüfung des Qualitätssicherungssystems durch die Geschäftsführung · Risikomanagement Mit der Einführung des Risikomanagements sind bislang vorliegende Regelungen neu zu bewerten. Das bedeutet: Reichte es früher aus, Abläufe und Verfahren festzulegen und zu beschreiben, muss nun teilweise, zum Beispiel bei der Rücknahme von Arzneimitteln, begründet werden, warum eine Regelung so und nicht anders getroffen worden ist. Personal Die verantwortliche Person ist mit einem Katalog an Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten ausgestattet worden. Sie kann bestimmte Aufgaben delegieren, nicht aber die Verantwortung abgeben. Für die verantwortliche Person sowie für Mitarbeiter in Schlüsselpositionen sind Aufgabenbeschreibungen erforderlich. Für alle Mitarbeiter sind Schulungen zur Einarbeitung und eine ständige Weiterbildung vorzusehen. Die Schulungsaktivitäten sind anhand schriftlicher Verfahren festzulegen. Für alle Mitarbeiter ist ein Schulungsprogramm zu erstellen. Die Schulungen sind auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Betriebsräume und Ausrüstung Die Eignung der Betriebs- und Lagerräume ist durch eine Temperaturverteilungsstudie unter repräsentativen Bedingungen zu belegen. Gefälschte Arzneimittel, abgelaufene und zurückgewiesene Produkte sind physisch abzusondern und in einem eigenen Bereich zu lagern. Arzneimittel aus Drittländern, die nicht für den Unionsmarkt bestimmt sind («Import for Export»), sind ebenfalls physisch getrennt zu lagern. Wird die physische Trennung durch die Verwaltung mittels eines computergestützten Systems gewährleistet, so ist dieses zu validieren. Sämtliche Ausrüstungsgegenstände, die einen Einfluss auf die Lagerung und den Vertrieb von Arzneimitteln haben, sind formalisierten Verfahren bezüglich der Reparatur, Wartung und Kalibrierung zu unterwerfen. Hierzu werden Gerätschaften gezählt, die der Überwachung von Umgebungsbedingungen dienen, sowie sämtliche temperaturführenden Systeme wie zum Beispiel Klimaschränke. Auch Einbruchmeldesysteme und Zugangskontrollsysteme werden aufgeführt. Ein neues Kapitel ist computergestützten Systemen gewidmet. Diese sind im Grunde entsprechend dem Annex 11 der EG-GMP-Leitlinien zu verifizieren. Wie kann eine Umsetzung aussehen? Es erscheint vernünftig, zunächst sämtliche computergestützte Systeme zu erfassen (IST-Zustand). Danach sollten die Systeme entsprechend den anerkannten GAMP511 -Regularien kategorisiert werden. Darauf aufbauend kann dann die Verifizierung erfolgen. Die Validierungs- und Qualifizierungsaktivitäten sind auf der Basis eines «dokumentierten Risikobewertungsansatzes» festzulegen. Das heisst im Klartext, dass der Betreiber hier abgestufte Aktivitäten in Betracht ziehen kann. Mit der erfolgreichen Validierung bzw. Qualifizierung sind Ausrüstungen und Schlüsselverfahren der Änderungskontrolle zu unterwerfen, um den validierten bzw. qualifizierten Status aufrechtzuerhalten. Dokumentation Ziel der Dokumentation ist es, eine eindeutige Nachverfolgbarkeit aller Bezüge, der Lagerung und der Abgabe zu ermöglichen sowie alle sonstigen betrieblichen Aktivitäten transparent darzulegen. Dokumente (Vorgabedokumente, Aufzeichnungen) sind im Wesentlichen von der verantwortlichen Person zu genehmigen. Diese rückt damit in den Mittelpunkt aller Aktivitäten, die unter die Begrifflichkeit des Grosshandels fallen. Betrieb Ein eigenständiges Kapitel ist dem Betrieb gewidmet. Im Grundsatz ist im laufenden Betrieb zu gewährleisten, dass · die Identität eines Arzneimittels in der Vertriebskette nicht verloren geht, · der Vertrieb entsprechend den (Lager-)Vorgaben auf der äusseren Umhüllung erfolgt, · das Risiko des Eindringens gefälschter Arzneimittel in die legale Lieferkette minimiert wird. Die in der Europäischen Union vertriebenen Arzneimittel müssen über eine Zulassung verfügen. Sofern ein Arzneimittel aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführt wird, muss dem Zulassungsinhaber und der zuständigen Behörde des Mitgliedstaates, in welchen das Arzneimittel eingeführt werden soll, die Absicht zur Einfuhr des Arzneimittels mitgeteilt werden. Zulieferer müssen qualifiziert werden. Für in der Europäischen Union ansässige Unternehmen gilt hierbei grundsätzlich eine Erlaubnispflicht.12 Ferner ist eine Due-Diligence-Prüfung des Zulieferers durchzuführen. Das ist eine risikobasierte Eignungsprüfung, ob die angebotene Dienstleistung entsprechend den rechtlichen Vorgaben zuverlässig und nachvollziehbar erbracht werden kann. Die zu überprüfenden Kriterien sind Ansehen und Zuverlässigkeit des Zulieferers, Fälschungswahrscheinlichkeit sowie ungewöhnliche Mengen und Preise angebotener Arzneimittel. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Auswahl der Zulieferer nicht mehr im Ermessen des Einkaufs liegt. Zulieferer sind durch die verantwortliche Person zu genehmigen.13 Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang 5 Auch Kunden sind zu qualifizieren. Sofern an einen weiteren Grosshändler geliefert wird, muss dieser über eine behördliche Erlaubnis verfügen. Die Abgabe an Partner, die zur Abgabe an den Endverbraucher befugt sind, ist ebenfalls erlaubt (zum Beispiel Apotheken, Einzelhändler freiverkäuflicher Arzneimittel, Tierärzte). Die seit Langem in der EU-Richtlinie 2001/83/EG formulierte Verpflichtung, dass in einem anderen Mitgliedstaat geprüfte und freigegebene Chargen von Arzneimitteln bei der Einfuhr durch einen Kontrollbericht begleitet werden müssen,14 soll jetzt ebenfalls umgesetzt werden. Die Ausgestaltung des Berichtes ist aber noch nicht festgelegt. Die Lagerung von Arzneimitteln bleibt unberührt. Neu ist die Verpflichtung zur Durchführung von Inventuren. Unregelmässigkeiten im Lagerbestand sind zu untersuchen. Über die vernichtete veraltete Ware sind Aufzeichnungen zu führen. Dies soll eine missbräuchliche Verwendung verworfener Arzneimittel unterbinden. Die einer Lieferung beiliegende Dokumentation muss ab dem Jahr 2017 die Chargennummern der Arzneimittel, welche die Sicherheitsmerkmale tragen, aufführen.15 Die tatsächlichen Lagerorte und Empfangsadressen sind auf den der Lieferung beigefügten Unterlagen anzugeben. Die Ausfuhr in Drittländer (Länder ausserhalb der Union) unterliegt in vollem Umfang dem Begriff des Grosshandels mit Arzneimitteln. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass in Drittländern nur berechtigte Personen und Unternehmen beliefert werden. Beschwerden, Rückgaben, Verdacht auf gefälschte Arzneimittel, Arzneimittelrückrufe Es ist zu unterscheiden zwischen Beschwerden, welche die Qualität des Arzneimittels betreffen, und solchen, die den Vertrieb betreffen. In jedem Fall ist der Ursache der Beschwerden nachzugehen. 6 Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang Die Rückgabe von Arzneimitteln ist neu geordnet worden. Zwar gilt nach wie vor der Überprüfungskatalog der AM-HandelsV16. Dieser wird nun ergänzt durch eine risikobasierte Herangehensweise zur Überprüfung der Verkehrsfähigkeit. Der angegebene Zeitrahmen von 10 Tagen zu Rücknahme mag hier eher als Erwartungshorizont denn als feste Vorgabe gewertet werden. Für Arzneimittel, die eine Lagerung bei besonderen Temperaturen erfordern, müssen darüber hinaus Nachweise existieren, dass eine Lagerung während des gesamten Zeitraumes bei den zulässigen Lagerungsbedingungen erfolgt ist. Die Definition für gefälschte Arzneimittel findet sich seit der nationalen Implementierung der Fälschungsrichtlinie 2011/62/ EC im deutschen Arzneimittelgesetz.17 Für den Grosshandel relevant ist hierbei die Definition, dass eine Fälschung bereits dann vorliegt, wenn falsche Angaben über den Vertriebsweg vorliegen. Sollten gefälschte Arzneimittel entdeckt werden, sind die zuständigen Behörden und der Zulassungsinhaber unverzüglich zu informieren. Die Wirksamkeit der Vorkehrungen für die Durchführung von Arzneimittelrückrufen ist nun einmal pro Jahr zu überprüfen («Mock-Recall»). Ausgelagerte Tätigkeiten/Tätigkeiten im Auftrag Erfasst werden alle Tätigkeiten, die unter den Begriff des Grosshandels fallen.18 Es ist ein Vertrag abzuschliessen. Angemietete Vertriebsräume sollten über eine eigenständige Grosshandelserlaubnis verfügen. Zur Qualifizierung des Auftragnehmers sowie bei jeder Änderung der beauftragten Tätigkeit sollte ein (risikobasiertes) Audit durchgeführt werden. Selbstinspektionen Die Durchführung von Selbstinspektionen ist bereits seit Langem in der AM-HandelsV geregelt.19 Der Umfang der durch die Selbstinspektion abzudeckenden Themenbereiche und die Organisation sind jetzt festgelegt worden. Die Berichte der Selbstinspektionen sind der Geschäftsführung vorzulegen. Transport Für den Transport sind wenige Grundsätze von Bedeutung: · Die auf der Verpackung angegebenen Lagerbedingungen sind für alle Arzneimittel während des Transportes einzuhalten. · Der ausliefernde Grosshändler ist verantwortlich für die Einhaltung angemessener Transportbedingungen. · Bei Abweichungen bei der Einhaltung der Transporttemperaturen sind risikobasierte Bewertungen hinsichtlich der Verkaufsfähigkeit der Arzneimittel durchzuführen. Daraus folgt, dass der ausliefernde Grosshändler den Transportweg kennen und einer entsprechenden Risikoanalyse unterwerfen muss. Die bislang gepflegte Argumentation, dass mit der Abgabe der Arzneimittel an den Spediteur die Verantwortung für die Ware endet, dürfte zukünftig nicht mehr haltbar sein. Um die neuen Anforderungen bezüglich des Transportes abzudecken, ist eine Qualifizierung der eingesetzten Behältnisse und Fahrzeuge durchzuführen. Kurzum, der Transport ist als «bewegte» Lagerung anzusehen und somit als qualitätsrelevanter Prozess zu qualifizieren. Bei temperaturempfindlichen Arzneimitteln sind auf Verlangen des Kunden Angaben zur Einhaltung der vorgegebenen Transporttemperatur auszuhändigen. Diese Forderung dürfte auf eine 100-prozentige Kontrolle der Transporttemperatur bei kühl- und kühlkettenpflichtigen Arzneimitteln hinauslaufen. Für nicht temperaturempfindliche Arzneimittel ist ein risikobasierter Ansatz zu wählen. Eine Temperaturüberwachung während kritischer Passagen bzw. extremer klimatischer Gegebenheiten ist sinnvoll (Bracketing-Ansatz). Besondere Vorschriften für Vermittler Arzneimittelvermittlung ist «jede berufs- oder gewerbsmässig ausgeübte Tätigkeit von Personen, die, ohne Grosshandel zu betreiben, selbstständig und im fremden Namen mit Arzneimitteln […], die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, handeln, ohne tatsächliche Verfügungsgewalt über diese Arzneimittel zu erlangen.»20 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Die wesentliche Frage bei der Einstufung als Vermittler dürfte die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die Arzneimittel sein. Der Arzneimittelvermittler darf im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur tätig werden, wenn er seinen Sitz im Geltungsbereich dieses deutschen Gesetzes, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (Island, Liechtenstein, Norwegen) hat. Er muss seine Tätigkeit bei der zuständigen Behörde anzeigen. Ein grundlegendes Qualitätssicherungssystem ist aufrechtzuhalten. Durchführung einer Lückenanalyse (Gap-Analyse) Die GDP-Leitlinien 2013 gehen in ihren Detailregelungen deutlich über die GDP-Leitlinien 1994 hinaus. Darüber hinaus sind mit der Einführung des Risikomanagementsystems, des Änderungskontrollsystems, des Abweichungsmanagements und des CAPA-Gedankens eine grundsätzliche Neustrukturierung der Abarbeitung betrieblicher Vorgänge erforderlich. Es ist sinnvoll, eine systematische Lückenanalyse (englisch: Gap-Analysis) vorzunehmen, um das Qualitätsmanagement anzupassen. Diese kann für die einzelne Fragestellung wie folgt vorgenommen werden: Anforderung: Welche neue Anforderung liegt vor? Anwendbarkeit: Ist die neue Anforderung für den Betrieb anwendbar? Identifizierung: Welche Dokumente sind anzupassen? Beschreibung: Was genau muss geändert werden? Risikorelevanz: Ist die Regelung dem Risikomanagementsystem zu unterwerfen? Aktualisierung: Formulierung der Änderung Verantwortlichkeit: Wer ist für die Anpassung verantwortlich? Zeitlimit: Bis wann muss die Umsetzung erfolgen? Fazit Die GDP-Leitlinien 2013 für den Grosshandel mit Humanarzneimitteln sind ab September 2013 umzusetzen. Mit den GDP-Leitlinien 2013 nähern sich die Anforderungen an den GMP-Standard an. Die Chemgineering unterstützt Sie bei der Umsetzung mit spezifischem Know-how zur guten Vertriebspraxis mit eigener Erfahrung aus Industrie und behördlicher Überwachung. Leitlinien vom 7. März 2013 für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln (2013/C 68/01) («GDP-Leitlinien 2013»). Leitlinien für die Gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln (94/C 63/03). Artikel 1 Nr. 33 der Richtlinie 2001/83/EG. Artikel 1 Nr. 17a der Richtlinie 2001/83/EG. Artikel 85b Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG. Artikel 85b der Richtlinie 2001/83/EG. Artikel 54a der Richtlinie 2001/83/EG. Artikel 80(e) letzter Spiegelstrich der Richtlinie 2001/83/EG. Artikel 80(h) der Richtlinie 2001/83/EG. Artikel 85(c) ff. der Richtlinie 2001/83/EG. Dr. Martin Melzer GAMP 5, A Risk-based Approach to Compliant GxP Computerized Systems, ISPE. Senior Consultant GMP Compliance Artikel 77 Absatz 1 der Richtlinie 2001/83/EG Chemgineering – The Business Designers GDP Leitlinien 2013, Kapitel 2.2 Satz 9 (vi). Artikel 51 Absatz 1 b Satz 3 der Richtlinie 2001/83/EG. [email protected] Siehe auch § 4 a Abs. 2 Nr. 5 sowie § 6 Abs.2 Nr. 4 AM-HandelsV. § 7c Absatz 3 AM-HandelsV. § 4 Absatz 40 AMG. § 4 Absatz 22 AMG, vergleiche auch Artikel 1 Nr. 17 der Richtlinie 2001/ 83 / EG. § 7c AM-Handels-V. § 4 Abs. 22a Arzneimittelgesetz. Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang 7 The Technology Designers Achtung, hochaktiv! Verpackung von hochaktiven Substanzen – Grundlagen, Herausforderungen und Lösungsansätze Nahezu 50 Prozent der marktgängigen Arzneimittel bestehen bereits aus hochaktiven Pharmawirkstoffen und aktuelle Schätzungen zeigen, dass der Anteil solcher Wirkstoffe künftig beträchtlich ansteigen wird. Doch was sind eigentlich hochaktive Wirkstoffe? Was ist im Umgang mit ihnen zu beachten? Dieser Artikel gibt Ihnen eine Einführung und zeigt auf, wie Verpackungsanlagen für solide Darreichungsformen und deren Umgebung ausgerüstet sein müssen, um einen adäquaten Personen­ und Umgebungsschutz zu bieten. Hochaktive Wirkstoffe zeichnen sich durch eine hohe pharmakologische Wirkungsweise bei geringen Dosen und meist abnehmender Löslichkeit aus. Beispiele stellen Zytostatika, Antibiotika und Hormone dar. Auch wenn keine harmonisierte Definition hochaktiver Substanzen existiert, ist es unumstritten, dass bei deren Verwendung höchste Vorsicht geboten ist. Hauptaugenmerk liegt bei der Handhabung solcher Substanzen sowohl auf dem Personen- und Umgebungsschutz als auch auf dem Produktschutz. Im Folgenden wird eine Methodik erläutert, anhand derer die Schutzmassnahmen eindeutig bestimmt werden können. Drei simple Schritte – eine Containment­Strategie Schritt 1 Um eine erste grobe Einstufung des Gefährdungspotenzials einer Substanz zu erhalten, wird das sogenannte Occupational Exposure Limit (OEL) bestimmt. Dieses quantifiziert die Menge Wirkstoff je Normkubikmeter Atemluft, der ein Mensch über acht Stunden ausgesetzt sein darf, ohne dass seine Gesundheit beeinträchtigt wird. Da Anlagen nicht für einzelne 8 Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang Grenzwerte, sondern für Grenzwertbereiche geplant werden, ordnet man das ermittelte OEL in sogenannte Occupational Exposure Bands (OEB) ein. Diese werden in der Praxis und im Verlauf des Artikels als Hazard Groups bezeichnet. Abbildung 1 veranschaulicht ein Beispiel zur Kategorisierung. Stoffe mit einem OEL kleiner als 10 µg/m3 werden mehrheitlich als hochaktiv bezeichnet, allerdings ist die Definition den Pharmazeuten überlassen. Schritt 2 Um Risiken im Umgang mit hochaktiven Substanzen zu erkennen und geeignete Schutzmassnahmen, im Folgenden Containment-Strategien (CS), ableiten zu können, ist es unabdingbar, einen risikobasierten Ansatz zu wählen. Neben der Hazard Group hängt das Gefährdungspotenzial von Substanzen von weiteren Faktoren ab: · Staubpotenzial · Dauer des Prozessschritts · Substanzmenge pro Charge Abb. 1: Schritt 1 – Bestimmung der Hazard Group F <0,01 0,01 – <1 E Ge fä hr du ng sp ot en zia l 1 – <10 D 10 – <100 C 100 – <1000 B >1000 A Hazard Group OEB (µg/m3) Abb. 2: Schritt 2 – Ermittlung des Expositionspotenzials Menge an Substanz (pro Charge) Klein (g – 10 kg) Mittel (10 – 100 kg) Gross (> 100 kg) Staubpotenzial Prozessdauer Gering1 · Pellets · Kapseln · Tabletten Mittel2 · Kristalline · körnige Feststoffe · Granulat Hoch3 · feine, leichte Puder · trockene Pulver EP 1 EP 1 EP 2 kurz (< 30 Min) EP 1 EP 2 EP 3 lang (> 30 Min) EP 1 EP 2 EP 3 kurz (< 30 Min) EP 2 EP 3 EP 3 – 4 lang (> 30 Min) EP 2 EP 3 EP 3 kurz (< 30 Min) EP 3 EP 4 EP 4 lang (> 30 Min) 1 Geringe Menge an Staub sichtbar während der Verarbeitung 2 Staub ist während der Verarbeitung sichtbar, setzt sich aber schnell ab 3 Bei der Verarbeitung bilden sich Staubwolken, die mehrere Minuten in der Luft bleiben Nach der Ermittlung des OEL und der Einordnung in die Hazard Group folgt im zweiten Schritt die Bestimmung des Expositionspotenzials (EP). Siehe hierzu Abbildung 2. Nun werden die Substanzmenge, das Staubpotenzial und die Prozessdauer miteinander verknüpft. Schritt 3 Abschliessend wird das Expositionspotenzial mit der Hazard Group verknüpft, wie in Abbildung 3 veranschaulicht. Umsetzung je Containment­Strategie Die CS 1 und CS 2 bedürfen keiner besonderen Massnahmen hinsichtlich Personen- und Umgebungsschutz. Der Produktschutz und die GMP-Anforderungen stehen im Vordergrund. Bei CS 3 und CS 4 muss ein Containment-System (geschlossene Handhabung) implementiert werden. Der Personen- und Umgebungsschutz steht vor dem Produktschutz. Für CS 3 muss mindestens ein Restricted Access Barrier System (RABS) installiert werden – bei CS 4 zumindest ein closed RABS oder ein Isolator. Bei CS 3 sollte das Containment-System unter negativem Druck betrieben werden, bei CS 4 ist dies unabdingbar. Grundsätzlich soll bei diesen Containment-Strategien die Primärverpackung in einer Kabine erfolgen. Generell wird für CS 3 und CS 4 ein Druckstufenkonzept, wie in Abbildung 4 vereinfacht dargestellt, empfohlen. CS 5 hat ein enormes Gefährdungspotenzial. Hier sind mindestens die Anforderungen gemäss CS 4 anzuwenden. In der Regel erfolgt bei CS 5 die Handhabung völlig automatisiert in abgetrennten Bereichen ohne Personal. Herausforderungen des Anlagendesigns Neben der geeigneten Umgebung müssen bereits auf der Anlage Vorkehrungen getroffen werden, um die Schutzziele zu erreichen. Nicht in Vergessenheit geraten darf, dass diese nicht nur im normalen Produktionsbetrieb, sondern auch im Störungsbetrieb und während technischer Instandhaltungsmassnahmen sicher eingehalten werden müssen. Einerseits müssen die Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang 9 Abb. 3: Schritt 3 – Festlegung der Containment­Strategie Hazard Group EP 1 EP 2 EP 3 EP 4 F 5 5 5 5 E 4 4 4 4 D 3 3 4 4 C 2 3 3 4 B 1 2 2 3 A 1 1 1 2 Abb. 4: Druckkaskadierung für CS 3 und CS 4 0 + Luftströmung ++ – Schleuse –– Reinraum Anlage Druckkaskade [p] Staubbildung und der Reinigungsaufwand gering gehalten werden, andererseits ist den spezifischen Anforderungen des Produkts gerecht zu werden. Generell ist es empfehlenswert, ein sogenanntes Zwei-Barrieren-Konzept anzuwenden. Hauptgedanke dieses Konzepts ist es, durch die sinnvolle Kombination mehrerer, aber jedoch mindestens zweier Schutzeinrichtungen eine ausreichende Sicherheit zu gewährleisten. Durch die Anwendung dieses Konzepts wird sichergestellt, dass bei Ausfall einer Barriere oder bei einer Havarie Personen und Umgebung durch eine weitere Barriere geschützt sind. Mögliche Barrieren, die in Kombination miteinander angewendet werden, sind: · Statische Barrieren: Maschinenabdeckungen und -verkleidungen mit oder ohne lokale Absaugungen, Primärverpackung in einer separaten Kabine etc. · Dynamische Barrieren: Speziell konzipierte Mouseholes beim Zonenübergang (Primär- zu Sekundärverpackung) bzw. beim Verlassen des Containments. Zu den möglichen Barrieren zählt auch die persönliche Schutzausrüstung (PSA) der Mitarbeiter. Generell bilden technische Lösungen die sicherere und langfristigere Lösung, jedoch kann PSA auch gut in Kombination mit diesen angewendet werden. Was heisst das für eine Blisteranlage? Ein grosses Problem liegt in der Gefahr der Verschleppung und Ausbreitung von hochaktivem Material, ausgehend vom Containment, z.B. durch den Transport der Blisterfolien in das und aus dem Containment über die dafür erforderlichen Mouseholes. Mit der richtigen Konzeption der Mouseholes (Luftführung, Druckstufenkonzept etc.) zwischen Containment und Umgebung kann die Gefahr der Verschleppung von hochaktivem Material verhindert werden. Verbesserungspotenzial besteht zudem bei der Installation der Kamera zur Füllgutkontrolle. Diese ist in ihrer Standardausführung sehr komplex und eher sensibel gegenüber Reinigungsmitteln. Verpackungsarten – ein Vergleich Für die Verpackung von soliden, hochaktiven Substanzen eignen sich vor allem Blister, Flaschen und Stickpacks. Die Wahl der geeigneten Verpackungsart für hochaktive Arzneimittel trägt wesentlich zum Schutz von Personen und Umgebung bei. So eignen sich beispielsweise Stickpacks sehr gut für Pulver und Puder, jedoch sind spätestens ab CS 4 nur gepresste Formen (z.B. Tabletten oder Kapseln) einzusetzen. Die Containment-Grösse bei Flaschen- und Stickpack-Anlagen ist im Gegensatz zu jener der Blisteranlagen gering. Blisterverpackungen haben den grossen Vorteil, dass die Arzneimittel einzeln entnommen werden können. Bereits dieser kleine Exkurs zu den Verpackungsarten verdeutlicht, dass aufgrund spezifischer Produkteigenschaften und einzelner Vor- und Nachteile der genannten Verpackungsarten die geeignete Verpackung im Einzelfall zu bestimmen ist. Sicherlich sind hier auch Packmittel-Neuentwicklungen in Betracht zu ziehen. Schlussendlich stehen die Arzneimittelhersteller in der Sorgfaltspflicht. Es wird erwartet, dass in naher Zukunft das Interesse der Behörden steigen wird und striktere Vorgaben und Marktstandards veröffentlicht werden. Chemgineering verfügt in diesem Gebiet aufgrund laufender und realisierter Projekte sowie durch die Erarbeitung von ContainmentGuidelines für die Verpackung von hochaktiven Arzneimitteln für global operierende Pharmahersteller bereits über einen grossen Erfahrungsschatz. Vera Hangst Projektingenieurin Eine weitere Herausforderung stellt bei konventionellen Blisteranlagen die Siegeleinheit dar. Diese muss aus Schutzgründen (Verschluss der Blister) innerhalb des Containments installiert werden. Aufgrund ihrer Komplexität und Abkühldauer führt dies jedoch zu Verlust von verfügbarer Prozesszeit für die Verpackung bei Wechsel des Blisterformats. 10 Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang Chemgineering – The Technology Designers [email protected] The Business Designers Data­Mining: Wissen Sie, was in Ihren Daten steckt? Informationsvorsprung und Effizienzgewinn durch Datenanalyse Immer mehr Unternehmen realisieren das Potenzial der heute verfügbaren Datenmengen insbesondere im Hinblick auf den potenziellen betriebswirtschaftlichen Nutzen, der aus einer Datenauswertung gezogen werden kann. Das immer grösser werdende Datenvolumen, welches beispielsweise während einer gesamten pharmazeutischen Produktentwicklung bis hin zur Vermarktung generiert wird, zieht die Suche nach schnelleren und effizienteren Analysemethoden nach sich. Data­Mining befasst sich mit Methoden und Algorithmen zur Analyse von Mustern und Abhängigkeiten in Daten mit dem Ziel, diese für Vorhersagen und damit für schnellere und sinnvollere Entscheidun­ gen und Massnahmen auf allen Geschäftsebenen zu nutzen. Der Data­Mining­Prozess «Wir ertrinken in Informationen, aber wir hungern nach Wissen …»1 (J. Naisbitt) Die Fortschritte auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologien haben die Grundlage geschaffen, um Daten massenhaft aufzunehmen und zu speichern. Oftmals weiss man zunächst gar nicht, wonach man eigentlich sucht, und vielfach bleiben bis dato generierte Daten ungenutzt und die darin enthaltenen Zusammenhänge verborgen; d.h., in grossen Datenmengen liegen oftmals «versteckte» Informationen, welche nutzlos sind, solange sie nicht herausgefiltert und interpretiert werden können. Das Verfahren des Data-Minings (engl. «to mine» = schürfen, graben, abbauen) bietet eine Reihe von unterschiedlichen, leistungsstarken Verfahren und Werkzeugen an, um aus riesigen Datenmengen interessante Beziehungen, Regelmässigkeiten oder Unregelmässigkeiten, Muster und Zusammenhänge mittels Computeralgorithmen zu extrahieren, aus denen durch Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang 11 Abb. 1: Etappen des Data­Minings Interpretation/ Evaluation Data­Mining Transformation Daten­ Vorverarbeitung Selektion Original­Daten Ziel­Daten bereinigte Daten bereinigte/ transformierte Daten Muster Wissen/ Information Selektion: Auswahl der geeigneten Datenmengen (Benutzerziele) Datenvorverarbeitung: Normalisieren, Skalierung, Ausreisser, Entfernen von Störsignalen Transformation: Umwandlung in adäquate Datenformate, Dimensionsreduktion Data­Mining: Regression, Klassifikation, Clusteranalyse, Assoziationsanalyse, Mustersuche Interpretation/Evaluation: Interpretation der Ergebnisse und Auswertung, Dokumentation und Visualisierung, Iteration falls notwendig geeignete Interpretation Wissen abgeleitet werden kann. Hierbei handelt es sich um ein interdisziplinäres Feld, welches Konzepte des maschinellen Lernens, der Mustererkennung, Statistik, künstlichen Intelligenz und von Datenbanksystemen miteinander verbindet. Die klassischen statistischen Methoden (deskriptive und induktive Statistik) setzen formulierte Hypothesen voraus, wonach die sehr aufwendige Analyse der Zusammenhänge anschliessend manuell erfolgt. Data-Mining erlaubt die automatisierte Bearbeitung hoher Datenmengen mit zahlreichen Merkmalen und hoher Dimensionalität wie beispielsweise Sequenzdaten, Zeitseriendaten, Graphen, Bilder, Text und Webdaten und geht aufgrund der Integration von Methoden aus der künstlichen Intelligenz sowie des maschinellen Lernens weit über die Statistik hinaus. Der Analyseprozess in der Praxis Im Vorfeld des Prozesses werden Wissen über den gewünschten Anwendungsbereich gesammelt sowie die Zielsetzung der Analyse festgelegt und die Rahmenbedingungen analysiert (Abb. 1). 12 Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang Während der Datenselektion wird geprüft, welche Daten, die vom Anwender für die angeforderte Analyse geeignet erscheinen, verfügbar sind, um das durch den Anwender gesetzte Ziel zu erreichen. Daten werden in diesem Schritt determiniert und aus den gegebenen Datenquellen extrahiert, wobei sich hierbei die Auswahl auf eine repräsentative Teildatenmenge des Gesamtdatenbestands beschränken kann. In der Phase der Datenvorverarbeitung wird die Qualität des Zieldatenbestands untersucht und ggf. durch den Einsatz geeigneter Verfahren auf einen homogenen Stand gebracht. Rauschen und Unschärfen werden hierbei entfernt, falsche Daten und Ausreisser erkannt und bereinigt. Im Rahmen der Datentransformation wird der analyserelevante Zieldatenbestand in ein Datenbankschema transformiert, welches von dem verwendeten Data-Mining-System verarbeitet werden kann. Darauffolgend wird, nach Analyse der Aufgabe (z.B. Klassifizierung oder Cluster-Bildung), das Data-Mining-Verfahren angewendet und mit der Suche nach interessanten Mustern in den Daten begonnen. Letztendlich folgt die Evaluation und Interpretation der gefundenen Muster und Beziehungen, wobei die Kriterien nicht-trivial, bisher unbekannt und potenziell nützlich gelten sollen. Aufgabenstellung und Einsatzgebiete Die Analyse von Massendaten mittels Data-Mining-Werkzeugen wird bereits in diversen Einsatzgebieten wie z.B. Marketing und Vertrieb, Forschung und Entwicklung sowie Produktion angewandt. Dabei werden Datenbestände nach Mustern, Strukturen, Beziehungen und Regelmässigkeiten untersucht. Da es sich beim Data-Mining um einen kreativen, dynamischen Prozess handelt, werden laufend Hypothesen erstellt und überprüft, wofür eine ganze Reihe unterschiedlicher Methoden zur Verfügung steht. Bei der Assoziationsanalyse werden verknüpfte Eigenschaften in den Daten mittels Data-Mining-Verfahren ermittelt wie z.B. interessante Zusammenhänge und Abhängigkeiten zwischen einzelnen Untersuchungsobjekten. Ein verbreiteter Anwendungsbereich der Assoziationsanalyse ist die Warenkorbanalyse in Supermärkten, um Zusammenhänge zwischen dem Kauf von unterschiedlichen Produkten herzustellen und dadurch das Kaufverhalten des Kunden zu untersuchen. Das folgende Verhaltensmuster ist ein klassisches Ergebnis einer Warenkorbanalyse: «Wenn Kunden Kaffee und Milch kaufen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch Kuchen mit eingekauft wird.» Ergo könnte eine Marketingstrategie darin bestehen, Produkte, die besonders häufig zusammen gekauft werden, auch in räumliche Nähe zu bringen. Klassifikationsanalysen haben zum Ziel, Datenobjekte, deren Zugehörigkeit unbekannt ist, so korrekt wie möglich zu klassifizieren. Folgende Klassifikationstechniken finden hierbei Anwendung: Entscheidungsbäume, maschinelles Lernen, regelbasierte Methoden, Nearest-Neighbour-Klassifikation, statistische Verfahren (Bayes-Theorem), Support-VectorMaschinen und neuronale Netze. Praktische Anwendung finden Klassifikationsanalysen beispielsweise in der Bewertung der Kreditwürdigkeit von Bankkunden, wo mithilfe eines Entscheidungsbaumes der Kunde bei der Kreditvergabe in Zukunft anhand ausgewählter Faktoren wie Alter, Verschuldungsgrad, Einkommen als «kreditwürdig» oder «nicht kreditwürdig» eingeordnet werden kann. Im Fall der Clusteranalyse handelt es sich um ein multivariates Verfahren der Datenanalyse. Ziel ist die Zusammenfassung von ähnlichen Datenobjekten in Cluster. Dabei kann es sich beispielsweise um Datensätze oder Messwerte handeln, die gemeinsame Eigenschaften aufweisen, also homogen sind. Im Gegensatz zur Klassifikationsanalyse sind die Klassen der Objekte im Voraus nicht bekannt. Vielfältige Anwendung findet die Clusteranalyse u.a. in der: · Mustererkennung · Datenkompression (Vektor-Quantisierung von Bild-, Ton- oder Videodaten) · Marktforschung (Kaufverhalten von Kunden erforschen) · Bioinformatik (z.B. um Genexpressionsdaten zu clustern, welche das Erkennen genetischer Muster für krankhafte Veranlagung ermöglichen) · effizienteres Suchen im WWW durch Clustern von Suchbegriffen beispielsweise bei Krankheiten oder Betrugsfällen (Kreditkartendaten, Versicherungsbetrug). Neben dem klassischen Data-Mining, wo im Allgemeinen die Suche nach Mustern in strukturierten Datenbeständen wie Tabellen oder Matrizen stattfindet, entstanden im Laufe der Zeit erweiterte Formen wie das Web- oder Text-Mining. Unter Web-Mining versteht man die Übertragung von Techniken des Data-Minings zur (teil-)automatischen Extraktion von Informationen aus dem Internet, speziell dem World Wide Web. Hierbei stehen die Analyse von Internetseiten und das Navigationsverhalten des Benutzers im Vordergrund. Text-Mining ist der Prozess, in dem speziell designte Computerprogramme Texte auf Ähnlichkeiten hin analysieren und klassifizieren und so Informationen aus einer grossen Textmenge extrahieren können. Dies ermöglicht es Wissenschaftlern, diese Daten gründlicher zu analysieren, als es auf eine andere Art und Weise überhaupt möglich wäre. Auch die FDA nutzt die Verfahren des Text-Minings zum Zwecke der Pharmakovigilanz, wofür sie eigens ein computerisiertes Text-Mining-System entwickelt hat. Dieses soll Wissenschaftlern helfen, Berichte zu evaluieren, welche beim Vaccine-Adverse-Event-ReportingSystem VAERS2 eingereicht wurden, um Nachweise für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, die nach einer Vakzinierung auftraten, zu erbringen. Fazit Data-Mining ist ein Verfahren, welches unterschiedliche Werkzeuge anbietet, um grosse Datenmengen zu analysieren und daraus Informationen zu gewinnen. Dadurch wird Wissen generiert und durch datengestützte Entscheidungen, vorausschauendes Handeln und beschleunigte Prozesse an Effizienz gewonnen. Die reine Masse an Daten und die technischen Möglichkeiten der Integration und automatisierten Auswertung allein bringen jedoch noch keinen Erkenntnisgewinn. Der Anwender von Data-Mining-Verfahren muss ein fundiertes Wissen über die zu analysierenden Daten, die damit verfolgte Aufgabe und die zu erreichende Zielsetzung haben. Hierbei ist eine sehr sorgfältige Bewertung und Validierung der Ergebnisse vorzunehmen. Chemgineering kann Sie bei der Auswahl und Validierung von Analysemethoden unterstützen, und Ihnen damit einen Informationsvorsprung und Effizienzgewinn bieten. 1 Megatrends. Ten New Directions Transforming Our Lives. J. Naisbitt, 1982. 2 http://www.fda.gov/BiologicsBloodVaccines/SafetyAvailability/ReportaProblem/ VaccineAdverseEvents/Overview/default.htm Dr. Stella Ryu Management Desk Officer Chemgineering – The Business Designers [email protected] Auch die Erkennung von Ausreissern kann durch Clusteranalyse identifiziert werden und Aufschluss über Anomalien geben, Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang 13 The Business Designers Zurück in die Zukunft: Einsatzfähige Szenarien für die Life­Sciences Supply­Chain So wird ein bewährter Ansatz aufschlussreich und praktikabel zugleich Heutzutage würden die meisten Entscheidungsträger beipflichten, dass Zukunftsszenarien, in welcher Form auch immer, zu ihrem Planungsprozess gehören. Auch wenn dieses Tool in den Entscheidungen des Alltagsgeschäfts nicht grundsätzlich benötigt wird, glauben wir, dass Firmen dadurch ein beträchtliches Potenzial ausschöpfen könnten. Hierfür müssten sie jedoch ihren Planungsansatz und die Art und Weise, wie sie ihr Supply­Chain Risikomanagement analysieren, ändern. Unser Ziel ist es, hier einen neuen Ansatz vorzuschlagen, wie die Anwendung von Szenario­ Planung zu einem unmittelbaren Nutzen für das Supply­Chain Risikomanagement führen kann. Weshalb überhaupt Szenarien planen? Offenbar gibt es immer wieder Skeptiker, die den geschäftlichen Nutzen von Szenarien in Frage stellen. Trotz zweifellos möglicher Falschanwendung dieses Ansatzes zeigte die jüngste Finanzkrise, wie wichtig der Einsatz von Szenarien ist. Bei der Simulation wurden oft nur wenige Jahre zurückliegende Daten benutzt, so dass die tatsächlichen Ereignisse dann wie aus heiterem Himmel eintrafen. So hätten beispielsweise 14 Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang die Asienkrise in den späten 1990er-Jahren und viele andere Einbrüche im 20. Jahrhundert ein Indiz dafür sein können, dass der Subprime-Markt in eine Sackgasse steuerte. Royal Dutch Shell ist wohl der berühmteste Vorreiter in der Nutzung von Szenarien zur Einschätzung zukünftiger Unwägbarkeiten. Das Unternehmen gab bereits Mitte 1971 die ersten Ölpreis-basierten Szenarien an die höhere Führungs- Abb. 1: Vorschlag für einen veränderten Planungsansatz beim Einsatz von Szenarien Konzept von Unwägbarkeiten beim Szenario Entscheidungen ergebnisabhängig, üblicherweise zeitverzögert Minderungsmassnahmen bis Unwägbarkeiten beim Szenario operative Engpässe für das jeweilige Szenario prognostiziert ebene weiter. Schon ab 1972 konnte sich Shell somit seinen Weg erfolgreich durch ein hektisches Jahrzehnt der Ölpreisschocks und des wirtschaftlichen Chaos bahnen. Hier geht es uns aber nicht darum, Wissen zu rekapitulieren, das jeder mit wenigen Klicks online nachlesen kann. Vielmehr möchten wir einen pragmatischeren Blick auf dieses leistungsstarke Tool werfen, wobei der Fokus auf den Bedingungen im Bereich Life-Sciences liegen soll. Auch Life-Sciences-Unternehmen nutzen seit vielen Jahren die Power der Szenario-Planung, um klinische und kommerzielle Prioritäten bei Schwerpunkt-Entscheidungen zu eruieren. Es bleibt trotz alledem die Frage: Ist es möglich, über diese Marktstrategie-Anwendung hinauszugehen und Szenarien zu nutzen, um auch auf der operativen und Supply-ChainEbene Wertsteigerungen zu erzielen? Klassische Fehlannahmen und Bedenken Die ersten Missverständnisse treten bereits bei der Frage auf, nach welchem Ansatz Szenarien überhaupt entwickelt werden sollten. Tatsächlich ist es so, dass die Wahl des Ansatzes von den Umständen, Zielen und persönlichen Vorlieben der unternehmerischen Planer abhängig ist. Viele Life-Sciences-Unternehmen entscheiden sich bei der langfristigen Planung für die Logik «ungünstigster Fall (worst case), Normalfall (base case) und günstigster Fall (best case)», auch inkrementeller Ansatz genannt. Diese Logik ist zwar etwas deterministisch, eignet sich jedoch zur Budgetierung, da sie mit dem Gedanken der Sensitivitätsanalyse gut vereinbar ist. Langfristig (mehr als 10 Jahre) scheint die deduktive Methode ein guter Kompromiss zu sein (im Gegensatz zu der analytisch komplexeren induktiven Methode), die sich auf zwei wesentliche Ungewissheiten beim zukünftigen Geschäft konzentriert, so dass eine 2×2-Matrix mit vier Szenarien entsteht. Der dänische Physiker und Nobelpreisträger Niels Bohr war nicht nur bahnbrechend in der Quantenphysik, sondern hatte scheinbar auch einen ausgeprägten Sinn für Humor. Er sagte einmal: «Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.» Minderungsmassnahmen So ist es. Szenario-Planung bedeutet nicht, die Zukunft korrekt vorherzusagen. Es geht vielmehr darum, bereits im Vorfeld Entscheidungsfaktoren zu bestimmen, um zu gegebener Zeit mit unternehmerischer Disziplin danach zu handeln. Szenarien werden erst dann wirklich wertvoll, wenn sie enger an konkrete geschäftliche Entscheidungen geknüpft werden. Unternehmen setzen zwar in der Regel erfolgreich die Schlussfolgerungen von Szenario-Diskussionen um und nähern sich ihren Zielen an, verpassen es jedoch, Frühwarnsignale festzulegen, die es zu überwachen gilt und hierfür geeignete Aktionspläne festzulegen. Durch Unterlassen des letzten Schrittes werden viele Bemühungen zunichtegemacht. Szenario­Übungen fungieren als praktisches Risiko­ management Längerfristige Supply-Chain Aufgaben bieten die ideale Möglichkeit, um die Anwendbarkeit der Szenario-Planung zu testen. Das erwartete Endergebnis jedes Szenarios aus Sicht der Supply-Chain ist alles andere als unkompliziert, auch wenn es so scheint. Zum einen drängen Produktteams auf strategische Kapazitäten und Wahrung maximaler Flexibilität, zum anderen wissen die Beschäftigten dort, dass sie als Ausgleich für Ausfallzeiten und zur Überbrückung der Bestände eine hohe Auslastung garantieren und Zeitpläne optimieren müssen. Vor allem ein leicht verändertes Planungsdenken könnte sich für die praktikablere Gestaltung der Szenario-Übungen und Teillösungen des Kernkonflikts als nützlich erweisen (siehe Abb. 1). Planer neigen manchmal dazu, auf die Folgen bestimmter Unsicherheiten zu «warten», bevor sie konkrete Entscheidungen treffen und erst dann Gegenmassnahmen entwickeln. Ein Umdenken bei dieser Logik, dass zuerst potenzielle Engpässe berücksichtigt und mögliche Massnahmen ermittelt werden, führt zu einer realistischeren Risk-Map. Einzelnen Funktionen (hier der Supply-Chain) wird so eine wichtigere Rolle bei der Arbeit mit den zukünftigen Szenarien beigemessen. In einem zweiten Schritt würde den Unternehmen nahegelegt, über die Analyse ihrer Abhilfemassnahmen nachzudenken. Projekte zur Minderung des operativen Risikos sind in der Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang 15 Abb. 2: Mögliche Priorisierungsanalyse zwecks Auswahl der Minderungsmassnahmen bei übergreifenden Szenarien Ausmass: Beispiel Kriterien: Auswirkung der Engpässe durch operative Engpässe gefährdete strategische Kapazität Ablehnung Aufwand höher als Nutzen Vertiefung weitere Untersuchung der Lösungen zwecks Kostenoptimierung stetige Verbesserung budgetabhängige Implementierung Priorisierung zu bewältigende zentrale Risikoquellen Massnahmekosten Y-Achse Massnahmekosten erwartete Kosten für die Massnahmenprognose Blasen-Grösse X-Achse Dringlichkeit erforderliche Reaktionszeit in Monaten zur Implementierung der Massnahme Auswirkung Realität wesentlich spezifischer, als die Wahrscheinlichkeitsanpassung den Anschein vermitteln kann (so ergibt es beispielsweise nur wenig Sinn, lediglich auf 25 % eines Granulat- oder Verpackungsengpasses einzugehen). Konkret liesse sich dieses Problem etwa durch Erwägung einer dreidimensionalen Priorisierung aller ermittelten Massnahmen (siehe Abb. 2) angehen. Ausschlaggebend sind dabei nicht nur Gemeingrössen wie Kosten und operative Auswirkung dieser Massnahmen, sondern auch Bewertungskriterien für ihre «Dringlichkeit» einzubinden. Bei diesem Ansatz werden potenzielle Optionen geordnet und diejenigen ermittelt, die ohnehin realisiert werden sollten, egal auf welches Szenario es letztendlich hinausläuft. Brückenschlag zwischen Entscheidungsträgern und Machern Auch bei noch so guten Analysen und Priorisierungen brauchen Manager weitere Tools, um die Szenario-Planung optimal zu nutzen. Die Formulierung eines klaren Prozesses samt Entscheidungsforen sowie Einzelheiten zu den erforderlichen Inputs und beteiligten Rollen sind ebenfalls massgeblich. Und wie bei jeder Veränderung sind ein Coaching und die Unterstützung ausgewählter Manager zur Förderung der internen Akzeptanz zielführend. Fazit Szenario-Übungen können Handlungen und Entscheidungen vorantreiben, wenn nicht nur bei ihrer Entwicklung angemessene Sorgfalt angewandt wird. Der wahre Wert liegt darin, Vorkehrungen für mögliche Folgen zu planen und ein einheitliches operatives Vokabular zu schaffen, das Unternehmen und Strategie miteinander vereint. Laut zahlreicher Aussagen von Shell-Mitarbeitern sind die Teilhabe an und die Verknüpfung mit allen organisatorischen Prozessen von zentraler Bedeutung bei der Arbeit mit Szenarien. Chemgineering kann diesen verbesserten Ansatz aufgrund der grossen Erfahrung in Langzeitplanung, in Unternehmensstrategie und Operations nutzen, um Ihr Szenario-Planungspotenzial zu erweitern und konkreten Nutzen für Ihre SupplyChain Entscheidungen zu bringen. João Paulo Lopes Managing Consultant Strategy Consulting Chemgineering – The Business Designers Literaturnachweis: KUPERS, Roland and WILKINSON, Angela. Living in the Futures. Harvard Business Review, 2013 SCHWARTZ, Peter. The Art of the Long View: Planning for the Future in an Uncertain World. Currency, 1996 WACK, Pierre. Scenarios: Uncharted Waters Ahead. Harvard Business Review, 1985 16 Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang [email protected] The Technology Designers Track & Trace – sind Sie bereit? Fälschungssicherheit durch individualisierte Verpackungen Eine anspruchsvolle Herausforderung für die Zukunft der Verpackung in der Pharmaindustrie stellen sogenannte «Track and Trace»­Systeme dar. Wo andere Industriesektoren wie z.B. die Automobilindustrie bereits standardisiert sind, hinkt die Pharmaindustrie noch hinterher. Dies soll bald der Vergangenheit angehören. Hintergründe, Fakten, Herausforderungen und Aussichten dazu werden in diesem Artikel komprimiert behandelt. Kontext und Ist­Situation Das erschreckende Ausmass von Arzneimittelfälschungen weltweit ist bekannt. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation und der Food and Drug Administration sind etwa 10 % der global vorhandenen Medikamente Fälschungen. In manchen Regionen dieser Welt soll der Marktanteil über 50 % betragen. Dabei betrifft dies nicht nur freiverkäufliche, sondern auch verschreibungspflichtige Arzneimittel. Fälschung ist jedoch nicht gleich Fälschung. Die Palette ist vielfältig: Es gibt solche ohne jegliche Wirkstoffe, Produkte mit richtigem Wirkstoff, aber falscher Dosierung, jene mit falschem Wirkstoff oder toxischen Bestandteilen bzw. Verunreinigungen, Kopien des Originalproduktes und Arzneimittel mit gefälschter Verpackung bzw. gefälschten Verpackungsbestandteilen. Somit variieren auch die Auswirkungen solcher Arzneimittelfälschungen vom wirkungslosen Placeboeffekt bis hin zu gesundheit- lichen Schäden und tödlicher Vergiftung. Dass dagegen angegangen werden muss, ist klar, aber wie? Nicht nur durch die Verabschiedung der sogenannten Fälschungsrichtlinie (RL 2011/62/EU)1 im Jahr 2011 auf europäischer Ebene, sondern auch durch die weltweiten Bewegungen im Kampf gegen die Arzneimittelfälschungen soll Track and Trace (T&T) bald selbstverständlich zum Verpackungs-Alltag der Pharmaindustrie gehören. Welche Vorgaben gibt es und was muss man sich darunter vorstellen? Elementares Know­how Durch die Verfolgbarkeit (Tracking) und Rückverfolgbarkeit (Tracing) von Arzneimitteln soll es möglich sein, den Weg durch die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zum eindeutigen Ursprungsort jedes einzelnen Medikaments zu analysieren. Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang 17 Dies bedeutet, dass jede einzelne Verkaufseinheit eines Arzneimittels eindeutig identifizierbar sein muss. Auf regulatorischer Ebene in der EU ist bis dato durch die Richtlinie nur vorgeschrieben, dass im Bereich der Rückverfolgung eine eindeutige Identifikation gewährleistet sein muss, aber nicht wie. Die Daten sollen sowohl in Klarschrift als auch maschinenlesbar aufgedruckt sein. Etwaige Details zur Umsetzung sind möglicherweise mit der Veröffentlichung der Delegierten-Rechtsakte im Sommer 2014 zu erwarten. Bis dahin ist «nur» der bisherige Entwurf2 einzusehen. Die Basis für Fälschungssicherheit (T&T) bleibt aber die gleiche, dabei lassen sich folgende Abhängigkeiten erklären: Serialisierung Durch die sogenannte Serialisierung wird jeder Verpackungseinheit eine eindeutige Identität durch eine weltweit einzigartige individuelle Nummer zugewiesen. Bestenfalls ist diese randomisiert, um die Fälschungssicherheit zu erhöhen und damit sich dadurch kein Datenalgorithmus erkennen lässt. Serialisierung kann somit als Vorstufe zu T&T gesehen werden. Mittels einer Seriennummer lässt sich durch Datenbankabgleiche ermitteln, ob ein Hersteller dieses serialisierte Produkt erzeugt hat. Der Weg durch die Wertschöpfungskette lässt sich jedoch nicht rekonstruieren, da Serialisierung nur auf der Faltschachtel-Ebene ausgeführt wird. In der Apotheke, bei Abgabe an den Kunden, wird die Seriennummer der Packung gegen die Herstellerdaten verifiziert, es findet eine sogenannte End-toEnd-Verification statt. Diese Variante ist beispielsweise für die EU ab 2017 vorgesehen. Aggregierung / Aggregation Mittels Aggregation lässt sich eine Packhierarchie (unit-to-case hierarchy oder parent-child relationship) erstellen. Die Produkte werden, angefangen bei der Faltschachtel, über das Bündel, die Versandbox bis zur Palette, mit individuellen Seriennummern gekennzeichnet und einander zugeordnet. Aggregation ist somit die Voraussetzung für das Funktionieren eines T&T-Systems. T&T Wie bereits erwähnt, wird bei T&T das Arzneimittel anhand der Serialisierungs- / Aggregationsinformationen verfolgt/rückverfolgt. Die Verpackungs-ID muss bei jedem physischen Schritt in der Wertschöpfungskette eingelesen und auf dem Datenträger gespeichert werden, so dass die Rückverfolgbarkeit gewährleistet werden kann. Liegt am Ende vor der Abgabe an den Kunden keine vollständige Produkthistorie vor, darf das Produkt nicht an den Kunden weitergegeben werden, da es sich um eine mögliche Fälschung handelt. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass der Begriff «Track and Trace» oftmals fälschlicherweise für die reine Serialisierung verwendet wird. Eine Implementierung eines ganzheitlichen T&T-Systems ist zunächst nur von den Vereinigten Staaten (z.B. E-Pedigree) vorgesehen – Zuwachs garantiert! Konzepte zur Codierung Abb. 1 veranschaulicht die notwendigen Schritte der Codierung bis hin zu T&T, während Abb. 23 ein weiteres Codierungsbeispiel zeigt. In Abb. 2 ist rechtsbündig der 2D-Data Matrix Abb. 1: Kennzeichnung der Faltschachtel von on­line coding bis T&T Schritt 1 On­line Coding der Verkaufseinheit Schritt 2 Serialisierung & Produktidentifizierung der Verkaufseinheit Schritt 3 Produktverfolgung aggregierter Einheiten Klarschrift variabler Daten on-line aufgedruckt + Global Trade Item Number (GTIN) + Maschinenlesbarer Data Matrix Code (DMC) Variable Daten on-line aufgedruckt + GTIN + Maschinenlesbarer DMC + Seriennummer – einzigartige individuelle Nummer per Verkaufseinheit Variable Daten on-line aufgedruckt + GTIN + Maschinenlesbarer DMC + Seriennummer + Aggregation + Produkthistorie Pallet level Case level Bundle level Unit level Lot#: T12343 Exp: 29-10-2014 GTIN:12345678910 18 Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang Lot#: T12343 Exp: 29-10-2014 GTIN:12345678910 Serial#: V83BY038 Lot#: T12343 Exp: 29-10-2014 GTIN:12345678910 Serial#: V83BY038 Abb. 2: Codierungsbeispiel3 Produkt#: (01)09876543210982 Batch: (10)A1C2E3G4I5 MHD: (17)140531 S/N: (21)12345AZRQF1234567890 Code 200 zu sehen, welcher als favorisierter Datenträger gilt. In Klarschrift sind die Bezeichnungen, die Application Identifiers (AI) (Anwendungsbezeichner) und die dazugehörigen alphanumerischen Codes zu sehen. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Seriennummer zu integrieren, z.B. die Einbettung dieser in die GTIN (Global Trade Item Number). Zu beachten und nicht zu unterschätzen sind überdies die Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette und die damit verbundenen Kosten. Der Einfluss und die Veränderungen einer Serialisierungsimplementierung auf die Systeme der Stakeholder scheinen im Gegensatz zu einem ganzheitlichen T&T-System noch überschaubar zu sein. Herausforderungen bei der Implementierung Keine (!) Standardlösungen sind kennzeichnend für T&T, da jede Verpackung, jeder Prozess, jede Gegebenheit und die Anforderungen dazu individuell sind. Die verschiedenen Verwendungszwecke bzw. verschiedene länderspezifische Anforderungen technisch auf den Verpackungsanlagen umzusetzen, sind dabei eine besonders komplexe Herausforderung. Ferner muss erwähnt werden, dass solche Systeme keinen ganzheitlichen Schutz vor Fälschungen bieten. Nur eine Kombination verschiedener Sicherheitsmerkmale wie Serialisierung, Erstöffnungsgarantie (Tamper Evident Feature) etc. geben eine annähernde Fälschungssicherheit. Des Weiteren wird z.B. in Indien die Serialisierung bereits auf Primärpackmittelebene umgesetzt, Ansätze für die Codierung einzelner Tabletten sind auch schon vorhanden. Es bleibt also spannend: Die nächsten 3 bis 5 Jahre sind entscheidend für die Zukunft von Verfolg- und Rückverfolgbarkeit von Arzneimitteln. Somit kann die Behauptung, dass solche T&T-Systeme auch in Zukunft eine Herausforderung für die Verpackung in der Pharmaindustrie bleiben, nach Meinung der Autorin bestätigt werden. Nicht zu vernachlässigen ist, dass jedes Land seine Eigenheiten hinsichtlich Sprachen/Schriftzeichen und Kennzeichnungen hat. Diese Anforderungen sollten bereits in die Auslegung der Anlage einfliessen. Die Anlagen sollten dabei so flexibel konstruiert sein, dass eine Anpassung an neue regulatorische Vorschriften o.Ä. jederzeit möglich ist (Planen mit Weitblick!). Herausforderungen sind weiterhin fehlende Standards, die sich stetig verändernde, weltweite gesetzliche Basis und gleichzeitig die schnelle und effiziente Implementierung. Nachrüstungen von Serialisierung und/oder Aggregation auf Maschinen werden dabei zunächst überwiegen, was sich bei älteren Anlagen (ab 5 Jahren) schon als problematisch erweisen kann. Bedeutend für alle T&T-Systeme sind ausserdem das sensible Datenhandling, das Datenmanagement sowie die Datenintegrität. Weitere Herausforderungen und Voraussetzungen stellen die richtige Wahl des Druck- und Kamerasystems, aber auch die mechanischen Möglichkeiten zur Aggregation dar. Es gilt generell: Ohne Daten keine Zuordnung, ohne Zuordnung kein Verkauf. Entscheidend ist dabei, JETZT mit den entsprechenden Vorkehrungen zu beginnen. Chemgineering als kompetenter Partner ist diesen Herausforderungen gewachsen und hilft Ihnen bei der Implementierung solcher Systeme. Simone Glasbrenner Projektingenieurin Chemgineering – The Technology Designers [email protected] 1 http://ec.europa.eu/health/files/eudralex/vol-1/dir_2011_62/dir_2011_62_de.pdf 2 http://ec.europa.eu/health/files/counterf_par_trade/safety_2011-11.pdf 3 http://www.esm-system.eu/about-us/what-we-do.html Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang 19 The Business Designers Aktuell ! Unangekündigte Audits Die Zukunft für Hersteller und Lieferanten von Medizinprodukten Neben den bevorstehenden grossen Änderungen der Direktiven über Medizin­ produkte und In­vitro Diagnostika hat die Europäische Kommission am 24. September 2013 eine Empfehlung herausgegeben, die einen wichtigen Aspekt vorwegnimmt: Benannte Stellen (BN) sollen bei Herstellern und Lieferan­ ten von Medizinprodukten zusätzliche, unangekündigte Audits durchführen. Theoretisch könnten unangekündigte Audits schon heute auf Basis der bestehenden Direktiven durchgeführt werden – die Praxis sieht anders aus. Mit der Empfehlung wird jetzt vorgespurt auf die zukünftige verpflichtende Anforderung, mindestens einmal in drei Jahren ein unangekündigtes Audit durchzuführen. Die Empfehlung beinhaltet einen Tag Audit durch zwei Auditoren vor Ort, die eine Produktbewertung und eine Bewertung des Qualitätsmanagementsystems (QM) vornehmen. Bei Produktrisiken und Zweifeln an der Konformität können unangekündigte Audits häufiger stattfinden. Dieses Audit wird sich nicht auf den Hersteller selbst beschränken, sondern auch seine wichtigen Unterlieferanten miteinbeziehen. Es wird dem Hersteller empfohlen, die bestehenden Zertifizierungsverträge mit der Benannten Stelle und die Verträge mit den Unterlieferanten zu aktualisieren, damit der Zutritt der Auditoren gewährleistet werden kann. Für die Konformitätsüberprüfung der Produkte können aktuelle Proben aus der Herstellung gezogen und geprüft werden. Die Anforderungen an Auslegung, Herstellung, Verpackung, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit der Produkte und deren Umsetzung sollen überprüft werden. Dabei wird grosse Aufmerksamkeit auf vorhandene Risiken und deren Verringerung gelegt, einschliesslich der Bewertung klinischer Daten und Rückmeldungen aus dem Markt. Bei Zweifeln an der Konformität des Produktes können die BN Produkttests durchführen oder in Auftrag geben. Bei der verstärkten Einbeziehung und Überwachung von Lieferanten ist darauf zu achten, dass der Hersteller seine Pflichten wahrnimmt – «ungeachtet jeder teilweisen oder vollständigen Auslagerung der Produktion auf Unterauftragnehmer oder Lieferanten». Dazu wird dann auch eine vollständige technische Dokumentation / QMSystem beim Hersteller erwartet – ein Verweis auf die Dokumentation / QM-System beim Lieferanten wird nicht mehr genügen. Die Empfehlung der Kommission ist an die Mitgliedsländer gerichtet; daher ist noch unklar, wann mit der verbindlichen Umsetzung zu rechnen ist. Man darf aber davon ausgehen, dass die Zeit bis zum «In-Kraft-Treten» der neuen Medizinprodukteverordnung (ca. 2017) zumindest im Bereich der Überwachung damit überbrückt werden soll. Stellen Sie sich die zukünftige Praxis vor: Morgens um 8 Uhr stehen zwei Personen vor der Tür und wollen ein Audit durchführen. Ihre Organisation ist gefordert, · innert kürzester Zeit eine fachliche Betreuung aufzubieten · geeignete Räumlichkeiten zu organisieren · den «Notfallplan» und die interne Kommunikation zu aktivieren · genügend geschulte Leute (inkl. Stellvertreter) aufzubieten, die den Audit-Prozess beherrschen · das Tagesgeschäft hintenanzustellen und geplante Aktivitäten abzusagen Mit Beginn der Fragen der Auditoren ist dann die zu prüfende Dokumentation zu beschaffen und bereitzustellen – wie in einem heute geplanten Audit. Die Dokumente müssen selbstverständlich verfügbar, korrekt und à jour sein. Sind Sie parat für ein unangekündigtes Audit? Wollen Sie wissen, wo Sie stehen? Chemgineering Business Design: Wenn Sie uns rufen, kommen wir auch gerne «unangekündigt». Dr. Rolf Lietzke, Senior Consultant Chemgineering – The Business Designers 1 2013/473/EU; EMPFEHLUNG DER KOMMISSION vom 24. September 2013 zu den Audits und Bewertungen, die von benannten Stellen im Bereich der Medizinprodukte durchgeführt werden 20 Nr. 68 | November 2013 | 19. Jahrgang Chemgineering Gruppe The Business Designers Chemgineering Business Design AG Spengler Park Areal Binningerstrasse 2 4142 Münchenstein | Schweiz T +41 61 467 89 00 Chemgineering Business Design GmbH Kreuzberger Ring 13 65205 Wiesbaden | Deutschland T +49 611 77 88 70 Chemgineering Business Design GmbH Gusshausstrasse 22 1040 Wien | Österreich T +43 1 255 74 13 The Technology Designers Chemgineering Technology AG Spengler Park Areal Binningerstrasse 2 4142 Münchenstein | Schweiz T +41 61 467 54 54 Chemgineering Technology GmbH Kreuzberger Ring 13 65205 Wiesbaden | Deutschland T +49 611 77 88 70 Chemgineering Technology GmbH Gusshausstrasse 22 1040 Wien | Österreich T +43 1 255 74 13 13 Chemgineering d.o.o. Suboticka 23 11000 Belgrad | Serbien T +381 11 241 25 55 Impressum Herausgeber: Chemgineering Holding AG Unternehmenskommunikation, Maya von Krannichfeldt Spengler Park Areal | Binningerstrasse 2 4142 Münchenstein | Schweiz www.chemgineering.com Gestaltung: WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck: Schwabe AG, Muttenz / Basel Auflage: 8000 Exemplare Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier