Veröffentlicht auf universimed.com (http://universimed.com) Startseite > Reports & News > Wie werden Schmerzen bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmkrankheiten behandelt? Wie werden Schmerzen bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmkrankheiten behandelt? Erstellt 9 Mai 2014 - 14:01 Chronisch entzündliche Darmkrankheiten (CED) sind chronische, häufig stark einschränkende intestinale Erkrankungen. Die Ätiologie von CED ist bis heute nicht abschliessend geklärt. Sie sind gekennzeichnet durch rezidivierende Erkrankungsschübe, welche mit Diarrhö, abdominellen Schmerzen, Gewichtsabnahme, Allgemeinsymptomen wie Abgeschlagenheit und Fieber sowie Blutabgang ab ano einhergehen. Schmerzen treten aber nicht nur im Bereich des Abdomens auf, sondern können sehr oft auch die Gelenke oder Muskeln betreffen. Die Therapie der chronischen oder rezidivierenden Schmerzen stellt eine wichtige Herausforderung in der Betreuung von Patienten mit CED dar. Die Colitis ulcerosa (CU) und der Morbus Crohn (MC) sind chronisch entzündliche Darmkrankheiten, welche schubförmig verlaufen und unter anderem mit teils blutiger Diarrhö und abdominellen Schmerzen sowie Gewichtsabnahme, Allgemeinsymptomen wie Abgeschlagenheit und Fieber, häufig auch Gelenkbeschwerden und Muskelschmerzen einhergehen.[1–3] Die Ätiologie der CED ist bis heute nicht abschliessend geklärt, verschiedene Studien diskutieren den Einfluss des Immunsystems und dessen Dysregulation in der Immunantwort auf intestinale Bakterien.[4] Ausserdem ist eine Störung der Darmbarriere typisch, so dass vermehrt Bakterien in den Körper eindringen können. Die aktuellen Therapiemöglichkeiten sind in den meisten Fällen effektiv in der Behandlung der Symptome und der Unterdrückung der Entzündung, führen jedoch zu keiner Heilung. Die Hauptsymptome, die bei Diagnose einer CED vorliegen, sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Das häufigste Symptom ist die Diarrhö, welche im Falle der CU meist blutig ist.[5] Fast genauso häufig werden von den betroffenen Patienten Schmerzen angegeben. Diese entstehen durch die Freisetzung, inflammatorischer Zytokine und Mediatoren, die afferente Neuronen aktivieren.[6] Jedoch ist bei vielen IBD-Patienten eine anhaltende oder schwere Entzündung nicht allein verantwortlich für Schmerzen, ungefähr 20% der CED-Patienten, welche sich in klinischer und endoskopischer Remission befinden, berichten über anhaltende Schmerzen. In den USA werden sogar bis zu 1/6 der CED-Patienten über längere Dauer mit Opioiden behandelt. In einer kürzlich publizierten Studie von Hazratjee et al zeigte sich, dass Schmerzen bei CED-Patienten mit 48% der häufigste Grund für eine stationäre Wiederaufnahme vier Wochen nach Entlassung aus dem Spital sind.[7] In einer Arbeit von Schirbel et al, welche sich mit den Auswirkungen von Schmerzen auf die Lebensqualität auseinandersetzt, berichteten nur 12,1% der CED-Patienten, keine Schmerzen zu haben. 39,7% hatten Schmerzen während eines Schubs der zugrunde liegenden CED, 48,2% der Befragten sogar persistierende Schmerzen.[8] Bei näherer Analyse der Schmerzlokalisationen liess sich dabei ein merklicher Unterschied in der Schmerzverteilung zwischen männlichen und weiblichen CED-Patienten nachweisen. Während das Abdomen bei beiden Geschlechtern die Hauptlokalisation der Schmerzen war, berichteten Frauen deutlich häufiger über Gelenk- und Rückenschmerzen.[8] Des Weiteren konnte sowohl bei Patienten mit MC als auch mit CU ein deutlicher Zusammenhang zwischen zunehmender Schmerzintensität und Einschränkung der Lebensqualität nachgewiesen werden. Wann kommt es zu Schmerzen bei CED? Schmerzen bei CED können verschiedenste Ursachen haben. Bei einem akuten Krankheitsschub sind Schmerzen u.a. durch die entzündliche Reaktion des Darmes bedingt. Häufig kann Schmerz das einzige Symptom bei zunehmender Krankheitsaktivität sein, was dann eine Anpassung des therapeutischen Regimes erzwingt. Des Weiteren können Komplikationen der CED, wie Darmobstruktionen, Darmstrikturen, Bauchabszesse oder Fisteln mit Schmerzen einhergehen. Spezifische extraintestinale Manifestationen, wie das Erythema nodosum oder das Pyoderma gangraenosum und Arthitiden oder Arthralgien können ebenfalls mit Schmerzen verbunden sein. Schmerzen können sich auch als unspezifische extraintestinale Manifestation präsentieren. Zusätzlich sollten Medikamentennebenwirkungen als Ursache unspezifischer Schmerzen immer mit in Betracht gezogen werden. So ist bekannt, dass Sulfasalazin oder Azathioprin Gelenkschmerzen oder abdominelle Schmerzen auslösen können. Jedoch werden bei einem Teil der CEDPatienten chronische Schmerzen beobachtet, ohne dass eine aktive Entzündung oder Obstruktion vorliegt.[6] Schmerztherapie bei CED 1 Bei akuten Schüben der CED sollte eine antiinflammatorische Therapie gemäss den aktuellen Leitlinien durchgeführt werden. Diese können auf der Homepage der ECCO (European Crohn's and Colitis Organisation) oder im Journal of Crohn’s and Colitis (JCC) nachgelesen werden.[9, 10] Des Weiteren kann eine kurzzeitige symptomatische Schmerztherapie initiiert werden. Dabei ist zu beachten, dass bei der Verwendung von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) die Gefahr der Auslösung eines CED-Schubs besteht, deshalb sollten diese Substanzen, soweit möglich, gemieden werden. Die Verwendung von selektiven COX-2-Inhibitoren ist dahingehend sicherer, bei Paracetamol, Novalgin und Opioiden besteht dieses Risiko nicht. Bei Komplikationen der CED wie intestinalen Strikturen kommen chirurgische Massnahmen oder endoskopische Dilatationen zum Einsatz. Bei Abszessen sollten eine antibiotische Therapie und eine chirurgische Drainage durchgeführt werden, auch bei Fisteln steht eine chirurgische Therapie im Vordergrund. Bezüglich der extraintestinalen Manifestationen muss bei den peripheren Arthralgien zwischen der Typ-I- und der Typ-II-Arthropathie/Arthritis nach Orchard unterschieden werden. Der Typ I ist pauciartikulär, es sind dabei weniger als 5 Gelenke betroffen, meist mit einer asymmetrischen Verteilung. Die unteren Extremitäten sind häufiger betroffen und es zeigen sich häufig parallel auch andere extraintestinale Manifestationen. Besonders wichtig ist, dass die Typ-I-Arthropathie meist im Rahmen eines Schubs der zugrunde liegenden CED auftritt.[11] Es zeigt sich meist ein selbstlimitierender Verlauf über weniger als 10 Wochen. Als Therapie kommt daher primär die Therapie der zugrunde liegenden CED zum Einsatz, mit 5-ASA, systemischen Steroiden und Immunsuppressiva, gemäss den aktuellen Leitlinien.[9, 10] Die Typ-II-Arthropathie ist polyartikulär, d.h., es sind 5 oder mehr Gelenke betroffen. Es kann zu einer persistierenden, teilweise sogar erosiven Entzündung über Monate oder Jahre kommen. Es sind sowohl kleine als auch grosse Gelenke betroffen, mit symmetrischem und auch asymmetrischem Befall, und die Typ-II-Arthropathie kann mit einer Uveitis assoziiert sein. Der klinische Verlauf ist, im Gegensatz zur Typ-I-Arthropathie, unabhängig von der Krankheitsaktivität der zugrunde liegenden CED.[11] Die Behandlung gestaltet sich daher deutlich schwieriger. Es gibt Daten, die Erfolge einer Therapie mit Sulfasalazin und auch einer immunsuppressiven Therapie mit Methotrexat zeigen. Des Weiteren zeigt sich ein Ansprechen auf Anti-TNF-Antikörper. Aufgrund des langwierigen Verlaufs der Typ-II-Arthropathie sollten Steroide zurückhaltend, und wenn, nur kurzzeitig eingesetzt werden. Der Erfolg einer Anti-TNF-Therapie mit Infliximab zur Behandlung von Arthralgien bei Patienten mit Morbus Crohn konnte eindrücklich gezeigt werden.[12] Vor Therapiebeginn zeigten 75% der MC-Patienten klinische Symptome und 25% klinische Zeichen einer Arthritis. Nach einer 12-wöchigen Therapie mit Infliximab hatten 46% der Patienten keine Symptome einer Arthritis oder Arthralgie mehr. Medikamentöse Schmerztherapie bei CED Bei der medikamentösen Schmerztherapie stehen als am häufigsten angewendete Präparate Paracetamol, Metamizol, die nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), die COX-2-Inhibitoren und Opioide zur Verfügung. Während Paracetamol und Novalgin keinen negativen Einfluss auf die Krankheitsaktivität der CED haben, muss dies bei den NSAR unbedingt beachtet werden. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)/COX-2-Inhibitoren NSAR-Präparate werden häufig bei Patienten mit CED eingesetzt, um abdominelle Schmerzen oder muskuloskelettale Beschwerden zu behandeln. Besonders der antiinflammatorische Effekt dieser Substanzgruppe hat einige Vorteile gegenüber Paracetamol, Metamizol und den Opioiden. Jedoch besteht unter dem Einsatz von NSAR das Risiko, eine Denovo-Kolitis zu entwickeln, eine sogenannte „NSAR-Kolitis“.[13] Ausserdem konnte in verschiedenen Studien ein signifikant erhöhtes Risiko für das Auftreten eines Rezidivs oder Schubs der CED gezeigt werden. In einer Studie von Takeuchi et al zeigte sich nach dem Einsatz von verschiedenen NSAR-Präparaten (Naproxen, Diclophenac, Indomethacin) innerhalb von 4 Wochen bei bis zu 28% der Patienten ein klinisches Aufflammen der CED, während es bei keinem der Patienten unter Acetaminophen (resp. Paracetamol) zu einem Rezidiv kam (siehe Tab. 2).[14] Der Einsatz von COX-2-Inhibitoren ist ebenfalls relativ sicher. In verschiedenen Studien konnte zwar auch ein CED-Schub unter COX-2-Inhibitoren nachgewiesen werden, jedoch scheint dieses Risiko deutlich niedriger als bei den konventionellen NSAR zu sein.[15] Sandborn et al konnten 2006 zeigen, dass eine Schmerztherapie über 14 Tage mit dem COX-2-Hemmer Celecoxib gegenüber Placebo zu keinem erhöhtem Risiko für einen CED- Schub führte.[16] Opioide Der Einsatz von Opioiden variiert stark zwischen verschiedenen medizinischen Zentren und geografischen Regionen. Während in der Schweiz Opioide relativ selten zum Einsatz kommen, erhalten z.B. in den USA 5–13% der ambulanten und bis zu 70% der hospitalisierten CED-Patienten Opioidpräparate.[15, 17] Opioide sind zwar sehr wirksam in ihrer analgetischen Wirkung, jedoch haben sie eine Reihe von unerwünschten Nebenwirkungen, welche zu Komplikationen führen können. Sie können die Kolontransitzeit und die intestinale Sekretionsrate deutlich verringern, des Weiteren supprimieren sie die Gallenblasenmotilität und können den Tonus des M. sphinkter oddii erhöhen. Sie verlangsamen den hepatischen Abbau von Toxinen und können auch zum „Narcotic bowel“-Syndrom führen.[18] Dies birgt die Gefahr, dass Komplikationen (wie Abszesse, Phlegmone oder Perforationen) oder schwere Verlaufsformen der CED (wie tiefe 2 Ulzerationen) verdeckt werden. Zusammenfassung Schmerzen sind ein häufiges Problem bei chronisch entzündlichen Darmkrankheiten. Sie werden häufig nicht ernst genug genommen und die Therapie ist, insbesondere bei chronischen Schmerzen, nicht immer einfach. Der angemessene Umgang mit Schmerzen bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmkrankheiten umfasst zunächst eine genaue Anamnese und körperliche Untersuchung. Des Weiteren sollten eine Blutabnahme und je nach Klinik zur Evaluation von Komplikationen oder schweren Krankheitsverläufen eine erweiterte Bildgebung und/oder ein konsiliarischer Beizug eines Chirurgen erfolgen. Wenn Schmerzmedikamente eingesetzt werden, sollte dies vorsichtig geschehen, unter engmaschigen klinischen Verlaufskontrollen. Paracetamol und Novalgin haben keinen negativen Einfluss auf die Krankheitsaktivität der CED, NSAR sollten aufgrund der Gefahr, einen Schub auszulösen, vermieden werden. Die COX-2Inhibitoren scheinen, aufgrund der aktuellen Datenlage, im Hinblick auf eine Schubauslösung deutlich sicherer zu sein. Opioide sollten, wenn möglich, auch vermieden werden. 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Jonas Zeitz Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie UniversitätsSpital Zürich 2013 6 Leading Opinions Innere Medizin Quellen-URL: http://gastroenterologie.universimed.com/artikel/wie-werden-schmerzen-bei-patienten-mit-chronisch-entz%C3%BCndlichen-darmkrankh 4