Kundendatenschutz Leitfaden für die Praxis Herausgegeben von der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung e.V., Bonn und dem Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e.V., Berlin mit Unterstützung durch den Deutschen Industrie- und Handelskammertag e.V., Berlin 2. Auflage 2008 Kundendatenschutz Leitfaden für die Praxis, 2. Auflage, 2008 Herausgeber: Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e.V. (ZAW) und Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung e.V. (GDD) - Alle Rechte vorbehalten 2008 Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e.V. (ZAW) Am Weidendamm 1A 10117 Berlin Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung e.V. (GDD) Pariser Str. 37 53117 Bonn Nachdruck und Vervielfältigung jeder Art sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung des ZAW bzw. der GDD gestattet. Verlag edition ZAW ISBN 978-3-931937-40-9 Die Auslieferung erfolgt durch die DATAKONTEXT GmbH, Frechen. Vorwort Die persönliche Ansprache des zielgruppengerechten Konsumenten durch die Anbieter von Waren oder Dienstleistungen gehört zu den effizientesten Mitteln der Kundengewinnung und -bindung. Allerdings: Nicht alles, was technisch möglich ist - und betriebswirtschaftlich vielleicht durchaus interessant erscheint - lässt sich auch einwandfrei realisieren. Der Grund liegt in den engen rechtlichen Grenzen, die zahlreiche Gesetze - z.B. das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb oder das Bundesdatenschutzgesetz - dem Gestaltungs- und Variantenreichtum von Direktmarketingmaßnahmen setzen. Die vorliegende Schrift soll zum einen einen praxisorientierten Überblick vermitteln: über rechtmäßige Maßnahmen, aber auch unerlaubte Aktionen, über die Rechtspositionen des umworbenen Kunden als dem sog. „Betroffenen“ und über die bestehenden Kontrollmechanismen. Zum anderen soll sie - und das ist das eigentliche Anliegen der beiden Herausgeberorganisationen - Hilfestellung denjenigen Unternehmen bieten, die das Medium der Direktwerbung und Methoden des Customer Relationship Managements in ihre Vertriebsstrukturen integriert haben. Eine Überfrachtung der Darstellung mit wissenschaftlichen Diskussionen und entsprechenden Nachweisen wurde bewusst vermieden. Die angegebenen Fundstellen sind keine erschöpfenden Nachweise von Gerichtsentscheidungen und Literaturmeinungen, sondern sie stellen nur eine - allerdings für entscheidungserheblich gehaltene - Auswahl dar. Die Arbeit nimmt nicht für sich in Anspruch, vollständig und abschließend die Praxis abzubilden oder alle Rechtsfragen erschöpfend zu behandeln. Sie beschränkt sich vielmehr auf die Beschreibung typischer Abläufe, Fallgestaltungen und rechtlicher Probleme und will damit auch die Möglichkeit einer „Parallelwertung“ anderer vergleichbarer, hier ausdrücklich nicht angesprochener Verfahren eröffnen. Die zweite Auflage berücksichtigt zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung mit Bezug zum Kundendatenschutz, entsprechende aktuelle Literatur sowie die neuesten Tätigkeitsberichte der Datenschutzaufsichtsbehörden. Darüber hinaus wurde eine Anpassung des Leitfadens an das zwischenzeitlich in Kraft getretene Telemediengesetz (TMG) vorgenommen und eine Vielzahl von neuen praxisrelevanten Fragestellungen des Kundendatenschutzes aufgearbeitet bzw. vertieft. Beispielhaft seien hier etwa die Themen Lifestyle-Datenerhebungen und Verbraucherbefragungen, der Mitarbeiter als Kunde, „Virales Marketing“ und der Umgang mit Webcams und RFID-Chips genannt. Dr. Georg Wronka Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft e.V. - ZAW Prof. Peter Gola Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung e.V. - GDD Dezember 2007 Kundendatenschutz Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Kapitel I: Kundendatenschutz - Worum geht es? ....... 13 1. Daten als Grundlage der Kundenbeziehung ....................13 2. Die Datenschutzregeln des BDSG ....................................15 2.1 Die informationelle Selbstbestimmung ...............15 2.2 Der Anwendungsbereich des BDSG.....................17 2.3 Transparenz gegenüber dem Betroffenen ..........19 2.4 Fazit .....................................................................20 3. Datenschutz und unlauterer Wettbewerb.......................20 3.1 Wettbewerbswidrige Kundenansprache.............20 3.2 Wechselbeziehungen zwischen UWG und BDSG ...................................................25 Kapitel II: Wie kann ich Kontakt mit dem Kunden aufnehmen? .............................................. 27 1. Daten als Ausgangsbasis ..................................................27 2. Die rechtliche Situation....................................................28 3. Grundsatz der Direkterhebung ........................................29 4. Unterrichtung bei der Datenerhebung ............................31 4.1 Allgemeines .........................................................31 4.2 Hinweis auf Zweckbestimmung ...........................32 4.3 Empfehlung fremder Produkte bzw. Versand fremder Werbung..................................35 4.4 Hinweis auf Kategorien von Datenempfängern .........................................................36 4.5 Hinweispflicht bei Couponheften und Verbundwerbung.................................................36 5. Folgen fehlender oder unvollständiger Information .......37 6. Allgemeine Ansprache mit Responseelementen.............37 7. Die Kontaktaufnahme per Online-Kommunikation.........40 5 Inhaltsverzeichnis Kundendatenschutz 7.1 Der Ablauf der Online-Kommunikation...............40 7.2 Erhebung im Internet - Inhaltsebene.................. 42 7.3 Erhebung zur/bei der Nutzung von Onlinediensten - Diensteebene...........................48 7.4 Informationspflichten.......................................... 54 Kapitel III: Welche Stellen liefern Daten zur Kundenansprache? .....................................59 1. Geschäftsmäßiger Adresshandel ..................................... 59 2. Lifestyle-Datenerhebungen und „Verbraucherbefragungen“ ............................................. 60 3. Nicht geschäftsmäßige Weitergabe von Adressdaten ..................................................................... 62 3.1 Das Listenprivileg.................................................62 3.2 Entgegenstehende schutzwürdige Interessen............................................................64 3.3 Grenzen des Listenprivilegs................................. 65 4. Lettershop und Listbroking .............................................. 68 Kapitel IV: Wie kann man allgemein zugängliche Quellen nutzen? .........................................69 1. Allgemein zugängliche Quellen........................................69 2. Erleichterte Erhebungs- und Verarbeitungsbedingungen ....................................................................71 Kapitel V: Welche Möglichkeiten bestehen zur Optimierung von Adressmaterial? ..............73 1. Allgemeines...................................................................... 73 2. Aussortieren durch Waschabgleich ................................. 73 3. Bewertung mit Hilfe soziodemografischer Daten ...........74 6 Kundendatenschutz Inhaltsverzeichnis Kapitel VI: Wie können Kundendaten zur Werbung eingesetzt werden? ................................... 77 1. Die Interessen von Werbenden und Umworbenen.........77 2. Briefwerbung/Mailings ....................................................79 2.1 Die informierte Duldung......................................79 2.2 Information über die „verantwortliche Stelle“ ..................................................................82 2.3 Ausübung des Widerspruchs ...............................83 2.4 Handlungspflichten des Unternehmens ..............83 2.5 Die Robinsonliste .................................................85 3. Telefon-, Fax- und E-Mail-Werbung.................................86 3.1 Allgemeines .........................................................86 3.2 Werbung per Telefon ..........................................87 3.2.1 Allgemeines .............................................87 3.2.2 Telefonwerbung gegenüber Privatpersonen........................................90 3.2.3 Einwilligung im Rahmen von AGB ...........92 3.2.4 Vermutete Einwilligung im geschäftlichen Bereich ............................93 3.2.5 Persönlichkeitsrechtsschutz im nicht geschäftlichen Bereich ...................94 3.2.6 Handlungsanleitung ................................94 3.2.7 Exkurs: Ermittlung von Kundenverhalten im Rahmen der Marktforschung .......................................96 3.3 Werbung per Fax .................................................98 3.4 Werbung per E-Mail ............................................98 3.4.1 Zulässigkeit des Versands von E-Mail-Werbung ......................................98 3.4.2 Der Werbehinweis nach TMG .................99 3.4.3 Exkurs: „Virales Marketing“ ....................99 7 Inhaltsverzeichnis Kundendatenschutz 3.5 Robinsonlisten...................................................101 4. Vertreterbesuche ...........................................................102 5. Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche .............102 Kapitel VII: Welche Daten werden für den Vertrag mit dem Kunden benötigt?........... 105 1. Die Zweckbestimmung des Vertrages ...........................105 2. „Nebenbei“ mitgeteilte Daten .......................................106 3. Daten zur Identifikation des Kunden .............................107 4. Bezahlung mittels EC-Karte............................................109 5. Storno und Umtausch ....................................................110 6. Kommunikationsdaten ..................................................111 7. Daten zur Bonität des Kunden .......................................112 7.1 Die Berechtigung zur Überprüfung der Kreditwürdigkeit................................................112 7.2 Das Schuldnerverzeichnis..................................114 7.3 Interne und externe Warndateien ....................116 7.4 Auskunfteien .....................................................118 7.5 Bewertung durch Scoring ..................................122 7.6 Soziodemografische Adressenbewertung .........127 8. Exkurs: Der Mitarbeiter als Kunde.................................127 Kapitel VIII: Welche Daten können zur Fortsetzung der Kundenbeziehung genutzt werden?....131 1. Die Löschungs- und Sperrungspflichten nach Wegfall der Zweckbestimmung .....................................131 2. Die Möglichkeit der Zweckerweiterung oder -änderung ..............................................................133 3. Mehr Wissen über den Kunden .....................................135 3.1 Methoden der Zielgruppenfindung...................135 8 Kundendatenschutz Inhaltsverzeichnis 3.2 Kundenbefragung ..............................................136 3.2.1 Allgemeines ...........................................136 3.2.2 Eigene Kundenbefragung ......................136 3.2.3 Beauftragung eines spezialisierten Instituts .................................................137 3.3 Verbraucherscoring/soziodemografische Bewertung .........................................................139 3.4 Datawarehouse/Datamining .............................141 3.5 Profilbildung ......................................................141 4. Wie erhalte ich die Kundenbeziehung? .........................142 4.1 Customer Relationship Management (CRM).....142 4.2 Kundenkonto .....................................................143 4.3 Kundenkarten ....................................................144 Kapitel IX: Welche Grenzen bestehen bei der technischen Überwachung von Kunden?......... 147 1. Schutz vor unerwünschten Kunden durch Maßnahmen der Videoüberwachung............................147 1.1 Regelungsvorgaben des BDSG...........................147 1.2 Der allgemeine Schutzanspruch ........................149 1.3 Praxisbeispiele ...................................................150 2. Datenerhebung per RFID ...............................................150 2.1 Die Überwachungstechnik .................................150 2.2 Probleme beim Kundendatenschutz .................151 2.3 Handlungsvorgaben...........................................152 Kapitel X: Wann dürfen Kundendaten weitergegeben werden? .......................... 155 1. Allgemeines....................................................................155 2. Inanspruchnahme von Dienstleistern/Auftragsdatenverarbeitung ...................155 9 Inhaltsverzeichnis Kundendatenschutz 3. Weitergabe von Kundendaten an Stellen im Ausland .....................................................................158 3.1 Freier Datenfluss innerhalb der EU ...................158 3.2 Weitergabe in Drittländer.................................158 4. Firmenzusammenschlüsse und -verkäufe .....................160 5. Adressenvalidierung ......................................................163 Kapitel XI: Welche Möglichkeiten bestehen im Umgang mit säumigen Kunden? ............... 165 1. Allgemeines....................................................................165 2. Einschaltung eines Rechtsanwaltes ...............................165 3. Einschaltung eines Inkassounternehmens ....................166 3.1 Auftragsdatenverarbeitung oder Funktionsübertragung.......................................166 3.2 Einschaltung von Inkassounternehmen bei Bestehen einer besonderen Schweigepflicht (§ 203 StGB) ............................167 3.3 Das Eintreibungsverfahren................................168 4. Verkauf bzw. Abtretung „unsicherer“ Forderungen .....169 5. Auskunftsersuchen bei Meldeämtern ...........................170 6. Recherchen durch Detektive .........................................172 Kapitel XII: Eigenwerbung mit Kundendaten............... 173 1. Allgemeines....................................................................173 2. Verwendung von Kundenbildern zu Werbezwecken ....173 3. Übertragung von Kundenbildern im Internet................175 4. Sonstige Formen der Werbung mit Kundendaten.........176 Kapitel XIII: Welche Rechte kann der Betroffene geltend machen? ......................................179 1. Unabdingbare Rechtspositionen ...................................179 10 Kundendatenschutz Inhaltsverzeichnis 2. Transparenzrechte.........................................................179 2.1 Information bei der Direkterhebung .................179 2.2 Information beim Einsatz von mobilen Speichermedien.................................................179 2.3 Benachrichtigung ...............................................181 2.4 Auskunft.............................................................185 2.5 Einsicht in das Verfahrensverzeichnis ...............186 3. Gestaltungsrechte ..........................................................188 3.1 Allgemeines .......................................................188 3.2 Berichtigung.......................................................188 3.3 Löschung............................................................189 3.4 Sperrung ............................................................189 3.5 Allgemeines Widerspruchsrecht........................190 Kapitel XIV: Wer achtet auf die Einhaltung der „Spielregeln“?.......................................... 193 1. Ein komplexes Kontrollsystem.......................................193 2. Der Kunde ......................................................................193 3. Die Aufsichtsbehörde.....................................................197 4. Mitbewerber, Wettbewerbs- und Verbraucherverbände....................................................197 5. Staatsanwaltschaft/Gericht ...........................................199 6. Datenschutzbeauftragter...............................................201 Abkürzungsverzeichnis ................................................ 203 Stichwortverzeichnis ................................................... 205 11 Kundendatenschutz - Worum geht es? Kapitel I: 1. Kapitel I Kundendatenschutz - Worum geht es? Daten als Grundlage der Kundenbeziehung Kundengewinnung und Kundenbindung sind für jedes Unternehmen existenzielle Fragen. Bei den hierzu beschrittenen Wegen ist jedoch der Konflikt mit dem Datenschutz häufig nicht fern 1. 1 So mag der Versender von Dritte-Welt-Waren, der Adressen von Käufern einer Blindenwerkstatt in der Hoffnung erworben hatte, hier eine karitativ eingestellte Kundschaft ansprechen zu können, nicht damit gerechnet haben, anschließend in eine Auseinandersetzung mit der Datenschutzaufsichtsbehörde verwickelt zu werden, die den Erwerb der Daten als rechtswidrig beurteilte 2. 2 Auch wenn es auf den ersten Blick nur um Adressen ging: Es handelt sich um vom Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) geschützte personenbezogene Daten. Dazu zählen nicht nur qualifizierte, den Betroffenen besonders kennzeichnende Angaben, sondern auch so simple Merkmale wie Anschrift oder Telefonnummer. Hier kam jedoch mit besonderer Relevanz die Klassifizierung des Adresseninhabers als Blindenwarenkäufer hinzu. 3 BDSG § 1 Abs. 1: Zweck dieses Gesetzes ist es, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird. § 3 Abs. 1: Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person (Betroffener). 1 2 Podlech/Pfeifer, Die informationelle Selbstbestimmung im Spannungsfeld zu modernen Werbestrategien, RDV 1998, S. 139. Vgl. Hamburgischer Datenschutzbeauftragter, 5. Tätigkeitsbericht (1987), S. 106. 13 Kapitel I Kundendatenschutz - Worum geht es? 4 Ähnlich ging es dem Inhaber eines Auktionshauses, dem die Versteigerung des Inventars eines insolventen Bauunternehmens übertragen war. Nachdem er sich die Faxnummern der Bauunternehmen der Region verschafft hatte, lud er diese per Fax zu der lukrative Schnäppchen bietenden Versteigerung ein. Dass er anschließend auf Grund der Klage eines seiner potenziellen Kunden zur Unterlassung derartiger Werbung und zur Übernahme der angefallenen Gerichts- und Anwaltskosten verurteilt werden würde3 , hatte er wohl nicht vorausgesehen. Unzulässig war diese Art der werblichen Ansprache u.a. wegen der unzumutbaren persönlichkeitsrechtswidrigen Belästigung durch die Werbung. 5 Zielgerichtetes Marketing setzt voraus, dass man seine Kunden kennt und ihnen ihren Bedürfnissen entsprechende Angebote unterbreiten kann. Hierzu dient z.B. die Ausgabe von Kundenkarten. Gegen Gewährung eines (geringfügigen) Rabatts, von Prämien oder sonstigen Sonderkonditionen erhält das Unternehmen Kenntnis vom Konsumverhalten seiner Kunden und damit wichtige Hinweise für sein Produktangebot und seine Vertriebsstrategien. Nicht verwundern sollte die Zahl der Unternehmen, die sich nach Einführung solcher Karten in datenschutzrechtliche Auseinandersetzungen - vornehmlich mit Verbraucherschutzorganisationen - verstrickt sahen4 . Erforderlich ist nämlich, dass der Kunde weiß, worauf er sich einlässt und erst nach vollständiger Information über die Verwendung seiner Daten seine Bereitschaft zur entsprechenden Nutzung erklärt. 6 Insoweit nicht nur datenschutz-, sondern zugleich auch wettbewerbswidrig ist es, wenn der Kunde bewusst über die eigentlichen Zwecke der Verwendung seiner Daten getäuscht wird, so z.B. wenn ein Unternehmen unter Vorspiegelung einer Marktund Meinungsumfrage in Wirklichkeit Werbung für ein bestimmtes Produkt macht oder dem Betroffenen Daten entlocken 3 4 14 Vgl. OLG Hamm vom 18.01.2005 - 4 U 126/04 -, RDV 2005, S. 118. Zur Praxis der AGB-Verbandsklage vgl. Heidemann-Peuser, Rechtsko nforme Ausgestaltung von Datenschutzklauseln, DuD 2002, S. 389. Kundendatenschutz - Worum geht es? Kapitel I will, die anderen Werbungtreibenden für Marketingzwecke zur Verfügung gestellt werden sollen. Schließlich hilft es auch nicht immer weiter, wenn man auf „Nummer Sicher“ gehen will und die Einwilligung des Kunden zu der beabsichtigten Verwendung seiner Daten einholt. Bescheinigen lassen musste sich das der Veranstalter eines Sweepstakes, dessen Teilnahmebedingungen die Veröffentlichung von Name und Bild 5 der Gewinner vorsah. Das Gericht erkannte hierin eine mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zu vereinbarende pauschale Ermächtigung zum Eingriff in das Persönlichkeitsrecht6. 2. Die Datenschutzregeln des BDSG 2.1 Die informationelle Selbstbestimmung Das Bundesverfassungsgericht7 geht davon aus, dass grundsätzlich jeder selber darüber bestimmen soll, wer durch die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten Wissen über ihn ansammelt. Der Gesetzgeber hat daher den Umgang mit personenbezogenen Daten unter ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gestellt (§ 4 Abs. 1 BDSG). Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist danach grundsätzlich verboten und nur gestattet, wenn - sich eine gesetzliche Erlaubnisregelung findet oder - der Betroffene (= Kunde) in der gesetzlich vorgeschriebenen Art und Weise eingewilligt hat. Erlaubnis- aber auch Verbotsregelungen können sich aus Vorschriften ergeben, die die Nutzung von Kundendaten speziell regeln (so z.B. im Handels-, Gewerbe- oder Steuerrecht). Ansonsten erlaubt aber auch das BDSG selbst unter bestimmten Vor5 6 7 Vgl. zur Werbung mit Kundenbildern nachstehend Rdnr. 396 ff. OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.07.1987- 14 U 234/85 -, RDV 1988, S. 146. BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1. 15 7 8 9 Kapitel I Kundendatenschutz - Worum geht es? aussetzungen die Verarbeitung von Kundendaten zu Marketingzwecken (§§ 28, 29 BDSG). 10 Findet sich kein gesetzlicher Erlaubnistatbestand für die beabsichtigte Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung, so ist die Einholung einer Einwilligung erforderlich, d.h. eine in voller Kenntnis der beabsichtigten Verarbeitungen freie und jederzeit widerrufliche, in der Regel schriftlich abzugebende Zustimmungserklärung des Betroffenen (§ 4a Abs. 1 BDSG). § 4a Abs. 1 BDSG: Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Er ist auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie, soweit nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich oder auf Verlangen, auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen. Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, ist sie besonders hervorzuheben. 11 Eine Einwilligung sollte allerdings nur dann eingeholt werden, wenn kein gesetzlicher Verarbeitungstatbestand vorhanden ist, da ansonsten bei dem Betroffenen der Eindruck entstehen könnte, dass die Verarbeitung gänzlich im Rahmen seines informationellen Selbstbestimmungsrechts liegt und damit ggf. durch den Widerruf der Einwilligung wieder beendet werden kann. 12 Kritisch ist die Einholung einer Einwilligung, wenn bei Abschluss eines Vertrages ein so erhebliches Verhandlungsungleichgewicht besteht, dass der Kunde seinen informationellen Selbstschutz nicht eigenverantwortlich und selbstständig sicherstellen kann. So entschied das Bundesverfassungsgericht 8 unlängst, dass die im Rahmen von Berufsunfähigkeitsversicherungen erhobe8 16 Beschluss vom 23.10.2006 - 1 BvR 2027/02 -, RDV 2007, S. 20. Kundendatenschutz - Worum geht es? Kapitel I nen pauschalen Schweigepflichtentbindungen mit dem Recht auf informationellen Selbstschutz unvereinbar sind und den Betroffenen daher von den Versicherungsunternehmen eine Alternative zur pauschalen Preisgabe der Daten angeboten werden müsse. Bevorzuge der betroffene Kunde statt einer pauschalen Einwilligung die Einholung der Schweigepflichtentbindung im Einzelfall, dürften ihm allerdings auch - im angemessenen Umfang - die dadurch verursachten Kosten auferlegt werden, so das Gericht. Auch dass es auf Grund des aufwändigeren Verfahrens ggf. zu einer gewissen Zeitverzögerung bei der Bearbeitung komme, sei vom Kunden zu akzeptieren. 2.2 Der Anwendungsbereich des BDSG Das BDSG reglementiert nicht nur die Verarbeitung im eigentlichen Sinne, d.h. das Speichern, Verändern (hierzu gehört auch das Pseudonymisieren und das Anonymisieren), Übermitteln, Sperren und Löschen von personenbezogenen Daten (§ 3 Abs. 4 BDSG), sondern auch die vorgelagerte Phase des Erhebens (Beschaffens) und die nachgelagerte Phase des Nutzens (interne Verwendung gespeicherter Daten). Dabei steht jede dieser Phasen unter dem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, d.h., sie ist ggf. gesondert auf ihre Zulässigkeit zu prüfen. Andererseits ist die Erhebung, Speicherung und ggf. Übermittlung aber häufig auch durch die gleiche Zweckbestimmung legitimiert. Unterschiedliche und ggf. auch erst nachträglich erweiterte Zweckbestimmungen liegen z.B. vor, wenn zur Vertragsdurchführung erhobene Daten von vorneherein oder zumindest später auch Werbezwecken dienen sollen 9 . Keine unter das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt fallende Veränderung oder Nutzung ist die anonymisierte Auswertung personenbezogener Daten. 9 13 Vgl. nachstehend Rdnr. 284 ff. 17 14 Kapitel I Kundendatenschutz - Worum geht es? Umgang mit personenbezogenen Daten Erheben Speichern Verarbeiten Verändern Übermitteln Nutzen Sperren Löschen Anonymisieren Pseudonymisieren 15 Die Regelungen des BDSG stellen im Wesentlichen auf die durch die Möglichkeiten automatisierter Verarbeitung eintretenden Gefahren ab10. Seine Regelungen greifen im Bereich der Privatwirtschaft daher nur, wenn die Daten entweder automatisiert (d.h. unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen) oder aber zumindest in einer Auswertungen zulassenden Struktur (nicht automatisierte Datei) verarbeitet werden. Ausgenommen sind Verarbeitungen, die ausschließlich privaten oder familiären Zwecken dienen. 10 18 Das BVerfG (Rdnr. 8) begründet im Volkszählungsurteil das Erfordernis für den Persönlichkeitsrechtsschutz mit „den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung“. Kundendatenschutz - Worum geht es? Kapitel I Anwendung des BDSG bei privaten Stellen personenbezogene Daten = jede Einzelangabe über eine natürliche Person ja nicht ausschließlich für persönliche oder familiäre Zwecke ja automatisierte Datenverarbeitung nein ja nicht automatisierte Datei ja BDSG 2.3 Transparenz gegenüber dem Betroffenen Das BDSG verlangt Transparenz für den Kunden11. Der Kunde muss informiert werden, von wem welche Arten von Daten für welche Zwecke verarbeitet werden. Dies gilt bei der Datenerhebung beim Betroffenen (§ 4 Abs. 3 BDSG), der Speicherung von nicht beim Betroffenen erhobenen Daten (§ 33 Abs. 1 BDSG) ebenso wie bei der Einwilligung (§ 4a Abs. 1 BDSG). Will der Kunde Kenntnis über die Daten im Einzelnen haben, steht ihm ein Recht auf Auskunft zu (§ 34 BDSG). Bei unrichtigen oder unzulässigen Verarbeitungen kann er Korrekturrechte (§ 35 BDSG) geltend machen. 11 Vgl. im Einzelnen nachstehend Rdnr. 41 ff. 19 16 Kapitel I 2.4 17 Kundendatenschutz - Worum geht es? Fazit Gewährleistet wird das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen somit zum einen dadurch, dass die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner Daten entweder durch ein Gesetz oder von ihm selbst „freigegeben“ sein muss. Zum anderen sollen keine Verarbeitungen „hinter dem Rücken“ des Betroffenen stattfinden; deshalb werden durch das BDSG den verantwortlichen Stellen umfassende Informations- und Transparenzpflichten auferlegt. Der Datenschutz im BDSG 18 19 Verbot mit Erlaubnisvorbehalt Informations-/Korrekturrechte Gestattung durch -spezielle Rechtsnorm -Erlaubnisnorm des BDSG -Einwilligung des Betroffenen Transparenz durch - Information bei Datenerhebung - Benachrichtigung - Auskunft an den Betroffenen - Korrektur/Löschung/ Widerspruch Werden die Kontakte mit dem Kunden im Rahmen des E-Commerce über das Internet hergestellt, so wird der Datenschutz durch die speziellen Regelungen des Telemediengesetzes (TMG) sichergestellt12. 3. Datenschutz und unlauterer Wettbewerb 3.1 Wettbewerbswidrige Kundenansprache Auf die Möglichkeiten zur Gewinnung neuer Kunden geht auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ein. Dabei steht häufig die Art und Weise der Aufnahme des Kundenkontakts im Blickpunkt - sei es, dass der Kunde „über den Tisch ge12 20 Vgl. im Einzelnen nachstehend Rdnr. 77 ff. Kundendatenschutz - Worum geht es? Kapitel I zogen“ werden soll oder dass er sich in unzumutbarer Weise belästigt sieht. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG: Wettbewerbshandlung (ist) jede Handlung einer Person mit dem Ziel, zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz oder den Bezug von Waren oder die Erbringung oder den Bezug von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern. § 3 UWG: Unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, sind unzulässig. § 7 Abs. 1 UWG: Unlauter im Sinne von § 3 handelt, wer einen Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt. Beispiele unlauteren Handelns zählen die §§ 4 bis 7 UWG auf: - 13 20 Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit durch Ausübung von Druck (§ 4 Nr. 1 UWG): Hierunter kann z.B. das sog. „Anreißen“ von Kunden fallen, d.h. das gezielte Ansprechen von Passanten an öffentlichen Orten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Werbende zunächst als solcher nicht erkennbar ist und der Angesprochene sich auch nicht sofort dem Gespräch entziehen kann. Auch ein „übertriebenes Anlocken“ durch das Versprechen von Zusatzleistungen kann hierunter fallen. Dies ist dann der Fall, wenn die Art der Zusatzleistung die Rationalität der Nachfragentscheidung verdrängt13. Noch keine Bedenken hatte das OLG Hamburg dagegen (Urteil vom 10.04.2003 - I ZR 291/00 -, NJW 2003, S. 3197), dass bei Begründung einer zweijährigen Mitgliedschaft in einem Buchklub fünf Bücher unentgeltlich überlassen werden. Der BGH (Urteil vom 09.06.2004 - I ZR 187/02 -, EWiR 2004, S. 841) sah in der Werbung eines Fahrschulunternehmens, nach der jeder Fahrschüler zur bestandenen Prüfung einen Gutschein in Höhe von 250 €für einen Fahrzeugkauf in einem bestimmten Autohaus erhalte, ebenfalls noch kein unlauteres Wettbewerbsverhalten. 21 21 Kapitel I Kundendatenschutz - Worum geht es? - Ausnutzen der Unerfahrenheit von Kindern (§ 4 Nr. 2 UWG): Beispielsweise ist die Erhebung von Daten von Kindern als Mitglieder eines Kinder-Automobil-Clubs durch einen Autohersteller zwecks frühzeitiger Kundenbindung ohne Einwilligung der Eltern unzulässig14. - Verschleierung des Werbecharakters der Wettbewerbshandlung (§ 4 Nr. 3 UWG): Dies ist z.B. dann der Fall, wenn Daten unter Vorspiegelung einer Meinungsumfrage zu Werbezwecken erhoben werden sollen15 oder wenn Teilnehmer eines angeblichen Preisausschreibens zu einer Gewinnausgabe eingeladen werden und es sich tatsächlich um eine Verkaufsveranstaltung handelt. - Verschleierung der Teilnahmebedingungen bei Preisausschreiben oder Gewinnspielen mit Werbecharakter (§ 4 Nr. 5 UWG): Soll der Gewinner eines Wettbewerbs zu Werbezwecken mit Bild - auch Fotos können personenbezogene Daten i.S. des BDSG sein - veröffentlicht werden, genügt ein Hinweis in den AGB nicht 16. Unabhängig von derartigen Fallkonstellationen handelt unlauter, wer Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt (§ 7 Abs. 1 UWG). Eine derartige Belästigung kann etwa in einem Eindringen in die Individualsphäre durch „offensives“ Ansprechen auf der Straße oder durch einen unerbetenen Telefonanruf (sog. cold call) liegen. Für die Wettbewerbswidrigkeit bestimmend17 ist dabei nicht nur das Gewicht der Belästigung im kon14 15 16 17 22 OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 30.06.2005 - 6 U 168/04 -, RDV 2005, S. 270. OLG Köln, Urteil vom 22.11.1991 - 6 U 103/91 -. OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.07.1987 - 14 U 234/85 -, RDV 1988, S. 146. So die Rechtsprechung im Hinblick auf das sog. „Anreißen“ von Kunden (BGH, Urteil vom 01.04.2004 - I ZR 227/01 -, RDV 2004, S. 218) oder unerbetene telefonische Ansprache selbst für den Fall, dass in anderer Sache bereits Vertragsbeziehungen bestehen (zuletzt OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 21.07.2005 - 6 U 175/04 -, RDV 2005, S. 269). Kundendatenschutz - Worum geht es? Kapitel I kreten Einzelfall, sondern auch der Grad der Belästigung, der bei einem Umsichgreifen der Werbemethode eintreten würde. Für den Fall unerbetener telefonischer Kundenwerbung wird diesem Aspekt in § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG Rechnung getragen18. Unter verschiedenen Aspekten kann auch die Gewinnung von Kunden im Rahmen sog. Laien- oder Freundschaftswerbung unzulässig sein. Kunden zur Gewinnung neuer Kunden anzuleiten, ist zwar nicht generell unzulässig. Dies gilt insbesondere für Branchen, in denen diese Werbeformen üblich sind wie z.B. im Zeitschriftenhandel, im Bausparwesen oder im Rahmen sog. Sammelbestellungen. 22 Nach Aufhebung des Rabattgesetzes und der Zugabenverordnung zieht auch die Gewährung einer angemessenen Prämie im Falle eines Vertragsabschlusses für sich allein genommen nicht die Wettbewerbswidrigkeit derartiger Werbeformen nach sich. 23 Unlauterkeit kann aber z.B. daraus resultieren, dass die Werbung Waren oder Dienstleistungen betrifft, für die besondere Werbeverbote bestehen. Dies ist in § 7 Abs. 1 des Heilmittelwerbegesetzes der Fall, nach dem das Anbieten, Ankündigen oder Gewähren von Zuwendungen oder sonstigen Werbegaben beim Verkauf von Medizinprodukten unzulässig ist. Ein Verstoß hiergegen begründet zugleich eine unlautere Wettbewerbshandlung19. 24 Im Übrigen können weitere Begleitumstände zur unsachlichen Beeinflussung und unzumutbaren Belästigung des Umworbenen und damit zur Wettbewerbswidrigkeit führen. Letzteres ist anzunehmen, wenn private Beziehungen kommerzialisiert werden sollen und der Betroffene in seiner Privatsphäre - ggf. verdeckt für ihm nicht bekannte kommerzielle Zwecke ausgeforscht wird. Diese besonders problematische „verdeckte Laienwerbung“ liegt vor, wenn ein Kunde mit sensiblen Angaben versehene Adressen 18 19 Vgl. nachstehend Rdnr. 185 ff. BGH, Urteil vom 06.07.2006 - I ZR 145/03 -, NJW 2006, S. 3203. 23 25 Kapitel I Kundendatenschutz - Worum geht es? von Dritten ohne deren Einverständnis weitergibt und bereits dafür oder bei Gewinnung des Neukunden eine nennenswerte Provisionszahlung oder eine sonstige ins Gewicht fallende Belo hnung erhält. Richtet ein Automobilhändler an Käufer der von ihm vertriebenen Fahrzeuge brieflich die Aufforderung, ihm die Adressen anderer potenzieller Kaufinteressenten mitzuteilen, und verbindet er diese Aufforderung mit dem Versprechen, die Mitteilung den eventuellen Interessenten bei der werblichen Ansprache zu verschweigen und dem Informanten im Falle des Zustandekommens eines Kaufvertrages eine Geldprämie von 100,- DM zu zahlen, so ist dies unter mehreren Gesichtspunkten - in erster Linie wegen der damit angestrebten Laienwerbung in verdeckter Form - in Würdigung der Gesamtumstände sowie der bestehenden Nachahmungsgefahr wettbewerbswidrig i.S.d. UWG20. 26 Darüber hinaus kann eine unzulässige Zwangslage für den B eworbenen eintreten, wenn ein Unternehmen einen vermeintlichen Interessenten „auf Empfehlung“ eines anderen Kunden anspricht 21, da sich der angesprochene Kunde möglicherweise dem empfehlenden Kunden aus persönlichen Gründen verpflichtet fühlt. Rechtswidrig kann die Einschaltung des Laien schließlich deshalb sein, weil der Laie mangels Sachkenntnis keine hinreichende Produktinformation geben kann22. 20 21 22 24 BGH, Urteil vom 14.05.1990 - I ZR 2004/90 -, DB 1992, S. 646 = NJW 1992, S. 2419 = RDV 1993, S. 124. Vgl. Urteil des OLG Karlsruhe vom 12.07.1995 - 4 W 45/95 -, RDV 1997, S. 33: „Wird von einem Zeitungsverlag eine Prämie für die Mitteilung von Nichtbeziehern seiner Zeitung ausgelobt, denen er sodann „auf Empfehlung“ des Informanten ein Probeabonnement anbietet, so verstößt dies unter dem Gesichtspunkt unzulässiger Laienwerbung gegen § 1 UWG und ist zudem irreführend gemäß § 3 UWG.“ Vgl. zur unzulässigen Aktion einer Krankenkasse „Mitglieder werben Mitglieder“, wobei für 30 neue Mitglieder eine Reise im Wert von 1000,- DM ausgelobt war: OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.03.2000 - 20 U 66/99 -, WRP 2000, S. 1191. Kundendatenschutz - Worum geht es? 3.2 Kapitel I Wechselbeziehungen zwischen UWG und BDSG Bei den aufgezeigten Beispielen unlauteren Wettbewerbs han- 27 delt es sich regelmäßig auch um einen BDSG-Verstoß. Dies ergibt sich daraus, dass der potenzielle Kunde entgegen den Transparenzpflichten über die Zweckbestimmung der Datenerhebung nicht hinreichend informiert bzw. durch die Art und Weise der Datenerhebung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt wird. Hat ein Unternehmen Kundendaten eines Mitbewerbers „unter der Hand“ 23 von einem Mitarbeiter der Konkurrenz erworben, so kann zum einen der Konkurrent die Löschung der Daten verlangen; ein Löschungsrecht bezüglich rechtswidrig übermittelter Daten steht zum anderen aber auch dem Betroffenen zu. Allgemein gesprochen: Unter Verstoß gegen das UWG erfolgte Datenerhebungen oder -verarbeitungen können auch ein Verarbeitungsverbot nach dem BDSG zur Folge haben24. 28 Ein unlauteres Handeln kann schließlich darin liegen, dass Dienstleistungen angeboten werden, deren Durchführung einen Datenschutzverstoß indiziert. So räumte das OLG Düsseldorf25 einem Wettbewerber einen Unterlassungsanspruch gegenüber einem Unternehmen ein, der die Archivierung von Patientendaten durch Personen anbietet, die außerhalb der Untersuchungs- und Behandlungsstätte tätig sind, und dabei nicht darauf hinweist, dass vorab die Zustimmungserklärungen der betroffenen Patienten eingeholt werden müssen. 29 Eine weitere Frage ist, ob Verstöße gegen das BDSG zugleich unlauteres Handeln im Sinne des UWG darstellen. 30 23 24 25 Dieser Verrat von Geschäftsgeheimnissen ist untersagt und strafrechtlich sanktioniert (§ 17 UWG). Vgl. hierzu im Einzelnen Busse, Wechselwirkungen zwischen BDSG und UWG - Auswirkungen auf das Direktmarketing, RDV 2005, S. 260; Heil, Neues Wettbewerbsrecht: Wechselwirkungen zwischen UWG und Datenschutz, RDV 2004, S. 205; Schulze zur Wiesche, Die neuen Zulässigkeitsgrenzen für Direktmarketing, CR 2004, S. 742. Urteil vom 20.08.1996 - 20 U 139/95 -, CR 97, S. 536. 25 Kapitel I Kundendatenschutz - Worum geht es? Wechselwirkung zwischen BDSG und UWG Verstoß gegen verbraucherschützende Normen des BDSG = unlautere Wettbewerbshandlung BDSG - Persönlichkeitsschutz - UWG - Verbraucherschutz - Nach UWG unzulässige Datenerhebung führt i.d.R. zur BDSG-Löschungspflicht 31 Nach § 4 Nr. 11 UWG liegt ein unlauteres Handeln auch dann vor, wenn einer gesetzlichen Vorschrift zuwider gehandelt wird, „die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln“. Nach der Rechtsprechung hat das BDSG - jedenfalls mit der Gesamtheit seiner Normen - keine verbraucherschützende Funktion26. Selbst bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Belehrung über das gegenüber Werbung bestehende Widerspruchsrecht (§ 28 Abs. 4 S. 2 BDSG) hat die Rechtsprechung 27 einen gleichzeitigen UWG-Verstoß verneint. 32 Die Funktion des Verbraucherschutzes ist jedoch den Informationspflichten nach § 4 Abs. 3 BDSG zuzusprechen, insbesondere weil diese weitgehend mit den Informationspflichten beim Fer nabsatz (§ 312c Abs. 1 Nr. 1 BGB28) korrespondieren29. 26 27 28 29 26 Müller, Datenschutz als Verbraucherschutz, in: Bäumler/von Mutius (Hrsg.), Datenschutz als Wettbewerbsvorteil, 2002, S. 20; Wei chert, Datenschutz als Verbraucherschutz, DuD 2001, S. 264. HansOLG, Urteil vom 09.06.2004 - 5 U 186/03 -, RDV 2005, S. 119 (Leitsatz); OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.02.2004 - I 7U 149/03 -, RDV 2004, S. 222 = ZUM-RD 2004, S. 236. Vgl. ferner Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht - BGBInfoVO - in der Fassung der Bekanntmachung vom 05.08.2002 (BGBl. I 3002), zuletzt geändert durch Gesetz vom 02.12.2004 (BGBl. I 3102). Vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 02.02.2001 - 13 U 204/98 -, RDV 2001, S. 131. Kontaktaufnahme Kapitel II Kapitel II: Wie kann ich Kontakt mit dem Kunden aufnehmen? 1. Daten als Ausgangsbasis Um mit einer direkten Ansprache, also personenbezogen, werben zu können, benötigt man Kontaktadressen potenzieller Interessenten, seien es zunächst auch nur Name und Anschrift. Aber auch Telefon- oder Faxnummer und die E-Mail-Adresse sind für eine Kontaktaufnahme von großem Interesse. Der Erfolg der Werbung hängt jedoch davon ab, dass solche Interessenten angesprochen werden, die als Abnehmer der beworbenen Produkte überhaupt in Betracht kommen. Daher können z.B. der Beruf, die Vermögenssituation, ein Hobby oder das Alter für die „Zielgruppe“ eine Rolle spielen. 33 Die Wege zur Beschaffung von Daten sind vielfältig. Man kann sich per Couponanzeige, Postwurfsendung oder Vertreterbesuch an den Betroffenen wenden. Die Daten können von anderen Unternehmen oder geschäftsmäßigen Adresshändlern bezogen werden. Auch sog. allgemein zugängliche Quellen wie Telefonbücher, Zeitungsanzeigen oder sonstige Veröffentlichungen lassen sich auswerten. 34 Datenquellen Betroffener Dritte verantwortliche Stelle allgemein zugängliche Quellen eigene Erkenntnisse 27 Kapitel II 35 Auf welchem Wege auch vorgegangen werden soll, das BDSG stellt für das von ihm als „Erheben“ bezeichnete Beschaffen der Daten klare Kriterien auf. Werden diese nicht beachtet, so besteht die Gefahr, dass auch die gesamte nachfolgende Datenverarbeitung bzw. -nutzung als unzulässig anzusehen ist. 2. 36 Kontaktaufnahme Die rechtliche Situation Wegen des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt (§ 4 Abs. 1 BDSG) muss bereits bei der Datenerhebung - jedenfalls, wenn die Daten anschließend gespeichert werden - geprüft werden, ob sich eine gesetzliche Regelung findet, die die Erhebung legitimiert. Soweit nicht bereits eine spezielle Norm, also eine Vorschrift, die auf den konkreten Sachverhalt abstellt, die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit der Erhebung oder Verarbeitung regelt, ist auf § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG als zentrale Erlaubnisvorschrift abzustellen. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 BDSG: Das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke ist zulässig, 1. wenn es der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses oder vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses mit dem Betroffenen dient, 2. soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt, (...). 28 Kontaktaufnahme Kapitel II Es gilt neben dem Grundsatz der Datensparsamkeit und Datenvermeidung (§ 3a BDSG) das sog. Erforderlichkeitsprinzip. Dies bedeutet, dass nur solche Daten erhoben und gespeichert werden dürfen, die zur sachgerechten Informationszusendung notwendig sind. Abzuwägen sind das - grundsätzlich berechtigte Interesse des Werbungtreibenden an den für die werbliche Ansprache erforderlichen Daten und die möglicherweise entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen des Betroffenen (Umworbenen). 37 Soweit auch § 28 BDSG nicht zum Ziel führt, bleibt nur noch das Einholen einer Einwilligung des Betroffenen. 38 Erforderlich ist die Einwilligung regelmäßig, wenn sog. besondere Arten personenbezogener Daten betroffen sind. 39 § 3 Abs. 9 BDSG: Besondere Arten personenbezogener Daten sind Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben. Das BDSG gestattet die Verarbeitung dieser Daten nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen (§ 28 Abs. 6 bis 9), zu denen Zwecke des Marketing grundsätzlich nicht gehören. 3. 40 Grundsatz der Direkterhebung Das BDSG betont darüber hinaus den Grundsatz der Direkterhebung beim Betroffenen. Grundsätzlich sollen Informationen über den Betroffenen nicht hinter seinem Rücken beschafft werden. Er soll vielmehr bei der Erhebung mitwirken. Keine Direkterhebung liegt z.B. vor, wenn ein Kunde mittels Videokameras oder über den Einsatz von RFID-Chips heimlich beobachtet wird. Dem Betroffenen muss die reale Möglichkeit der Entscheidung über die Preisgabe seiner Daten verbleiben. 29 41 Kapitel II Kontaktaufnahme § 4 Abs. 2 BDSG: Personenbezogene Daten sind beim Betroffenen zu erheben. Ohne seine Mitwirkung dürfen sie nur erhoben werden, wenn 1. eine Rechtsvorschrift dies vorsieht oder zwingend voraussetzt oder 2. a) (…) der Geschäftszweck eine Erhebung bei anderen Personen oder Stellen erforderlich macht oder b) die Erhebung beim Betroffenen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden. 42 Voraussetzung für die Durchführung einer Direkterhebung ist es jedoch, dass es überhaupt möglich ist, den Betroffenen selbst anzusprechen. Sollen über einen Adresshändler Daten pote nzieller Kunden beschafft werden 30, entfällt diese Möglichkeit. Insoweit gilt aber: 43 Die Befugnis zur Beschaffung von Daten bei Dritten kann sich zunächst aus Rechtsvorschriften ergeben. Eröffnet eine Rechtsvorschrift die Möglichkeit, sich eine bestimmte Auskunft von einem Dritten einzuholen, ermöglicht sie damit zugleich auch eine Abweichung vom Grundsatz der Direkterhebung. 44 Zulässig ist es also, wenn ein Auskunftsrecht gegenüber den Behörden ausgeübt wird, um einen unbekannt verzogenen Schuldner aufzuspüren. Nach der Zivilprozessordnung dürfen Industrieund Handelskammern listenmäßige Abdrucke aus den Schuldnerverzeichnissen der Amtsgerichte erstellen und sie ihren Mitgliedern zum laufenden Bezug überlassen (§ 915 e und f ZPO) 31. 30 31 30 Zur Zulässigkeit des Adresshandels vgl. nachstehend unter Rdnr. 120 ff. Berliner Beauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Nr. 30 der Materialien zum Datenschutz, S. 24. Kontaktaufnahme Kapitel II Ausgewertet werden dürfen auch allgemein zugängliche Quellen32. Voraussetzung ist jedoch stets, dass die Datenerhebung und die nachfolgende Verarbeitung mit § 28 BDSG zu vereinbaren sind. Zulässig ist die Datenerhebung bei einem Dritten darüber hinaus, wenn der Geschäftszweck eine Dritterhebung erfordert. Dies kann etwa bei der Einholung von Bonitätsauskünften oder der Einschaltung eines Detektivs der Fall sein. 45 Der Grundsatz der Direkterhebung verfolgt den Zweck, Transparenz für die Kunden zu schaffen. Der Kunde soll wissen, wer zu welchen Zwecken Daten über ihn erhebt. Um dies zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber in § 4 Abs. 3 S. 1 BDSG eine spezielle Unterrichtungspflicht geschaffen. 46 4. Unterrichtung bei der Datenerhebung 4.1 Allgemeines Der „Befragte“ ist bei Datenerhebung gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 BDSG über die Zweckbestimmung derselben zu informieren. Zudem besteht die Pflicht solche Stellen zu benennen, an die die Daten weitergegeben werden sollen. 47 Die Unterrichtungspflicht entfällt, wenn der Betroffene bereits auf andere Weise Kenntnis erlangt hat. Erforderlich ist insoweit die positive Kenntnis des Betroffenen. Hinsichtlich der Empfänger der Daten genügt es, wenn nach den Umständen des Einzelfalles mit der Weitergabe an diese gerechnet werden muss. Die „Branchenüblichkeit“ einer Datenübermittlung oder sonstigen Datenweitergabe ist dafür zwar ein Indiz, allerdings kommt es immer auf den Blickwinkel des jeweils Betroffenen an. Es empfiehlt sich daher, den Betroffenen im Zweifelsfall zu unterrichten. 48 Dabei sind der Name und die postalische Anschrift der verantwortlichen Stelle anzugeben. 49 32 Vgl. nachstehend Rdnr. 137. 31 Kapitel II Kontaktaufnahme § 4 Abs. 3 BDSG: Werden personenbezogene Daten beim Betroffenen erhoben, so ist er, sofern er nicht bereits auf andere Weise Kenntnis erlangt hat, von der verantwortlichen Stelle über 1. die Identität der verantwortlichen Stelle, 2. die Zweckbestimmungen der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung und 3. die Kategorien von Empfängern nur, soweit der Betroffene nach den Umständen des Einzelfalles nicht mit der Übermittlung an diese rechnen muss, zu unterrichten. Werden personenbezogene Daten beim Betroffenen auf Grund einer Rechtsvorschrift erhoben, die zur Auskunft verpflichtet, oder ist die Erteilung der Auskunft Voraussetzung für die Gewährung von Rechtsvorteilen, so ist der Betroffene hierauf, sonst auf die Freiwilligkeit seiner Angaben hinzuweisen. Soweit nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich oder auf Verlangen, ist er über die Rechtsvorschrift und über die Folgen der Verweigerung von Angaben aufzuklären. 50 Die Erfüllung der Unterrichtungspflicht nach § 4 Abs. 3 S. 1 BDSG ersetzt nicht eine ggf. erforderliche und an den Anforderungen des § 4a BDSG auszurichtende Einwilligung 33. Sie setzt vielmehr voraus, dass der beabsichtigte Datenumgang nach § 28 BDSG gestattet ist. Ist jedoch die Einwilligung einzuholen, liegt regelmäßig eine Kenntniserlangung auf „andere Weise“ im Sinne von § 4 Abs. 3 S. 1 BDSG vor. 4.2 51 Hinweis auf Zweckbestimmung Der Hinweis auf den Zweck der Erhebung soll den Betroffenen darüber unterrichten, wozu die Daten benötigt werden, soweit 33 32 Vgl. zur Einwilligung auch nachfolgend Rdnr. 189 ff. Kontaktaufnahme Kapitel II die Zweckbestimmungen nicht offensichtlich sind. Dabei sind sämtliche Zwecke anzugeben. Soll also per Couponabschnitt Prospektmaterial oder ein Freiexemplar einer Zeitschrift angefordert werden und dient die Adresse ausschließlich der Zusendung der angeforderten Lieferung, ist eine Information über diese (offensichtliche) Zweckbestimmung entbehrlich. Soll der Interessent anschließend auch beworben werden, ist allerdings diese Absicht entsprechend mitzuteilen. 52 Formulierungsbeispiel: Wir speichern Ihre Daten zur Zusendung der angeforderten Probeexemplare und um Ihnen auch künftig Informationen über unsere aktuellen Produkte zukommen lassen zu können. Fällt die Entscheidung für die werbliche Nutzung von Datensätzen erst nach ihrer Erhebung, genügt ein im Zusammenhang mit der Werbebotschaft ergehender Hinweis, der zudem die erforderliche Belehrung über die Möglichkeit des Werbewiderspruchs enthalten kann34. 53 Die Unterrichtung kann wie im folgenden Beispielsfall mit der - in diesem Zusammenhang nicht zwingend gesetzlich vorgeschriebenen - Belehrung35 über die Rechte des Betroffenen versehen werden. 54 34 35 Anders Innenministerium Baden-Württemberg, Vierter Tätigkeitsbericht, 2007, S. 52: „Banken dürfen Kundendaten dafür verwenden, für bankeigene Produkte zu werben. Bei der Erhebung der Daten, zum Beispiel bei der Eröffnung eines Kontos, muss der Kunde allerdings über die Zweck bestimmungen der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung unterrichtet werden. Beabsichtigt ein Unternehmen, die personenbezogenen Daten erst nach der Erhebung für Werbezwecke zu verwenden, muss der Kunde nachträglich unterrichtet werden, weil er mit einer solchen Datenverwendung wegen der fehlenden Information bei Beginn der Vertragsbeziehungen nicht rechnen muss.“ Zur Informationspflicht bezüglich des Rechts auf Werbewiderspruch vgl. nachstehend Rdnr. 167 ff. 33 Kapitel II Kontaktaufnahme Formulierungsbeispiel, welches sich auf die - über § 28 BDSG legitimierte - Verwendung von Daten bezieht, die im Zusammenhang mit der Rabattkarte eines Zeitungsverlags an36 fallen : „Die Firma XY, Anschrift, erhebt, verarbeitet und nutzt die Abonnentendaten (Name, Anschrift, Abonummer) und die beim Einsatz der Kundenkarte anfallenden Daten, soweit dies für die Durchführung des Bonusprogramms erforderlich ist. Weiterhin können Name und Anschrift der Karteninhaber für Marktforschungs- und Marketingzwecke im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen genutzt werden. Eine Nutzung für Marketingzwecke erfolgt nur, soweit diese Vorteile, Vergünstigungen oder Ähnliches bieten. Eine Marktforschung muss zum Ziel haben, die Angebote im Rahmen der Kundenkarte zu verbessern. Gegen die Nutzung der Abonnentendaten für Marktforschungs- und Marketingzwecke kann bei der Firma XY Widerspruch eingelegt werden. Eine Übermittlung von Abonnentendaten an Dritte findet nicht statt. Seine Rechte nach dem Bundesdatenschutzgesetz, insbesondere auf Auskunft (§ 34 BDSG) sowie Berichtigung, Löschung und Sperrung (§ 35 BDSG) kann der Teilnehmer durch schriftliche Erklärung gegenüber der Firma XY ausüben.“ 55 Werden Daten erhoben, die für die Zusendung des Informationsmaterials oder des Probeexemplars nicht erforderlich sind (hierzu genügt regelmäßig die Adresse), so ist auf den Werbezweck und die Freiwilligkeit der Angaben hinzuweisen. 56 Ggf. können die auszufüllenden Datenfelder auch mit einem Sternchen versehen werden, das in einer Fußnote entsprechend erläutert wird. 36 34 2. Tätigkeitsbericht (2006) der Bayerischen Datenschutzaufsichtsbehörde für den nicht-öffentlichen Bereich, Ziff. 9.1.2, S. 46 f. Kontaktaufnahme Kapitel II Formulierungsbeispiel: Um Ihnen zukünftig Ihren Bedürfnissen entsprechende Produktinformationen zukommen lassen zu können, bitten wir Sie noch um folgende freiwillige Angabe: (...). 4.3 Empfehlung fremder Produkte bzw. Versand fremder Werbung Beabsichtigt ein Unternehmen die eigenen Kundendaten auch für Werbemaßnahmen Dritter einzusetzen, indem unter Rückgriff auf die eigenen Kundendaten ein Versand fremder Werbung erfolgt bzw. den eigenen Kunden Empfehlungsschreiben bezüglich der Produkte Dritter geschickt werden, ist auch über diese geplanten Datennutzungen zu informieren. 57 Formulierungsvorschlag: Wir verarbeiten die Daten zur Abwicklung Ihrer Bestellung sowie für eigene Werbezwecke. Des Weiteren werden die Daten von uns genutzt, um Empfehlungen bezüglich der Produkte unserer Partnerunternehmen auszusprechen bzw. Ihnen eigene Produktinformationen dieser Unternehmen zukommen zu lassen. Eine Weitergabe Ihrer Daten findet hierbei nicht statt. Wird Werbung von Kooperationspartnern versandt, ist in das Werbeanschreiben zum einen ein eindeutiger Hinweis auf die verantwortliche Stelle, d.h. den Versender des Werbeanschreibens aufzunehmen; zudem ist in den Schreiben auf die Kooperation hinzuweisen, da der Betroffene auf Grund seiner Kundenbeziehung zum versendenden Unternehmen nicht davon ausgehen muss, dass bei der Bestellung eines Produkts ein anderes, ihm ggf. bis dahin völlig fremdes Unternehmen Vertragspartner wird37. 37 Innenministerium Baden-Württemberg, Dritter Tätigkeitsbericht, 2005, S. 27. 35 58 Kapitel II 4.4 Kontaktaufnahme Hinweis auf Kategorien von Datenempfängern 59 § 4 Abs. 3 S. 1 BDSG verpflichtet dazu, über die Kategorien von Datenempfängern aufzuklären, soweit der Betroffene nicht nach den Umständen des Einzelfalles mit der Übermittlung an diese rechnen muss. 60 Sollen also die Daten im Rahmen des durch § 28 BDSG Erlaubten Dritten (z.B. dem Konzernverbund angehörenden Firmen) zu Werbezwecken zur Verfügung gestellt werden, ist auch dieses mitzuteilen. Formulierungsbeispiel: Wir verarbeiten die Daten, um Ihren Informationswunsch zu erfüllen sowie für eigene Werbezwecke. Des Weiteren stellen wir die Daten namhaften (alternativ: mit uns konzernverbundenen) Unternehmen der XY-Branche zur Verfügung, damit auch diese Ihnen Angebote zukommen lassen können. 4.5 61 Hinweispflicht bei Couponheften und Verbundwerbung Zur praxisgerechten Handhabung der Hinweispflicht ist bei Couponheften (Hefte mit mehreren an diverse Firmen adressierten Postkarten) und Verbundwerbung (Werbung zur Prospektanforderung von verschiedenen Unternehmen auf einer Postkarte) auch eine leicht modifizierte Verfahrensweise akzeptabel. Ist schon auf Grund der Größe des Coupons die Aufbringung der Information nach § 4 Abs. 3 BDSG nicht möglich, genügt ein genereller Hinweis (z.B. in einem Anschreiben der auf dem Deckblatt des Heftes)38. 38 36 Bei Coupons in Zeitschriften kann es ggf. genügen, wenn der Betroffene im Rahmen der Ausführung der Bestellung auf die weitere Werbeabsicht hingewiesen wird, so Innenministerium Baden-Württemberg, Dritter Tätigkeitsbericht, 2005, S. 51 f. Kontaktaufnahme 5. Kapitel II Folgen fehlender oder unvollständiger Information Gesetzlich ungeregelt ist die Frage, welche Rechtsfolgen die Nichtbeachtung dieser Informationspflichten nach sich zieht. 62 Ein Verstoß gegen die Informationspflicht nach § 4 Abs. 3 S. 1 BDSG wirkt sich jedenfalls dann auf die Zulässigkeit des Datenumgangs aus, wenn der Grundsatz von Treu und Glauben verletzt ist39. Dies ist nicht nur der Fall, wenn über die Zwecke der Datenerhebung getäuscht wird, sondern auch, wenn Verarbeitungen stattfinden sollen, auf die sich die Betroffenen bei Kenntnis der Zweckbestimmung möglicherweise nicht einlassen würden40. In diesem Fall besteht Grund zur Annahme, dass schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG). Eine insoweit unzulässige Datenerhebung hat zur Folge, dass die Daten nicht weiterverwendet (verarbeitet oder genutzt) werden dürfen und der Betroffene einen Anspruch auf Löschung dieser Daten hat (§ 35 Abs. 2 Nr. 1 BDSG). 63 Somit empfiehlt sich die korrekte Erfüllung der Informationspflicht aus § 4 Abs. 3 BDSG auch schon deshalb, weil sonst ein Risiko besteht, dass die gesamte anknüpfende Datenverarbeitung als unzulässig eingestuft wird. 64 6. Allgemeine Ansprache mit Responseelementen Werbemedien mit Coupons erleichtern es den Interessenten, in Kontakt mit dem werbenden Unternehmen zu treten. Gleichzeitig kann das werbende Unternehmen den Informationsfluss steuern und durch die Gestaltung der Coupons für seine Zwecke relevante Daten erfragen. 65 Dabei sind verschiedene Fallgestaltungen möglich. Zum einen ist an die reine Informationsanforderung zu denken. Diese kann 66 39 40 Innenministerium Baden-Württemberg, Hinweise zum BDSG Nr. 41 (RDV 2004, S. 234 ff.; im Internet bereitgestellt unter www.im.bwl.de). Vgl. auch Gola/Schomerus, BDSG, Kommentar, 9. Auflage, München 2007, § 4 Rdnr. 48. 37 Kapitel II Kontaktaufnahme etwa dergestalt erfolgen, dass Interessenten in einem allgemeinen Prospekt oder Flyer die Möglichkeit geboten wird, Spezialkataloge oder Informationen zu bestimmten Produkten anzufordern. Zum anderen können Preisausschreiben oder Gewinnspiele veranstaltet werden, die den potenziellen Interessenten einen zusätzlichen Anreiz zur Preisgabe ihrer Daten geben sollen. 67 68 69 70 Die Frage, welche Daten mittels dieser Werbemedien abgefragt werden dürfen, hängt entscheidend von der Art der angeforderten Information ab: Name und Anschrift Sollen die Informationen per Post übersandt oder soll der Gewinner eines Preisausschreibens ermittelt werden, sind Name und Anschrift naturgemäß erforderlich. E-Mail-Adresse Sollen die Informationen per E-Mail übermittelt werden, ist die Kenntnis der E-Mail-Adresse erforderlich. Ansonsten ist diese Angabe freiwillig und als solche zu kennzeichnen. Soll die E-MailAdresse für eigene Werbeaktionen verwendet werden, ist § 7 UWG zu beachten, der die Verwendung von E-Mail-Adressen für Werbezwecke ohne Einwilligung des Interessenten nur unter eingeschränkten Bedingungen zulässt41. Telefonnummer Die Telefonnummer kann beispielsweise abgefragt und genutzt werden, um Rückfragen zur Informationsanforderung (z.B. unleserliche Zustelladresse) zu ermöglichen. Da die Lieferung jedoch auch an Interessenten ohne Telefonanschluss erfolgen kann, ist die Angabe als freiwillig zu kennzeichnen. Soll die Telefonnummer für Werbeanrufe genutzt werden, muss dafür eine ausdrückliche Einwilligung des Interessenten eingeholt werden42. 41 42 38 Vgl. nachfolgend Rdnr. 207 ff. sowie Splittgerber/Zscherpe/Goldmann, Werbe-E-Mails - Zulässigkeit und Verantwortlichkeit, WRP 2006, S. 178. Vgl. im Einzelnen nachfolgend Rdnr. 185 ff. Kontaktaufnahme Kapitel II Unzulässig wäre es, die Bearbeitung einer Antwort-/Bestellkarte von der Vollständigkeit aller Angaben abhängig zu machen und dabei die Telefonnummer auch für Werbezwecke zu verwenden. 71 Überreicht der Interessent seine Visitenkarte, auf der neben der Adresse auch elektronische Kommunikationsdaten verzeichnet sind, so kann hieraus nicht ohne weiteres die konkludente (schlüssige) Einwilligung entnommen werden, allgemein zu Marketingzwecken angerufen werden zu wollen. 72 Freiwillige Angaben Werden für die unmittelbare Durchführung der Informationsanforderung nicht benötigte Daten abgefragt, so ist die Kennzeichnung „freiwillig“ kein Freibrief für jegliche Datenverarbeitung. Der Interessent muss darüber informiert werden, welche Verarbeitungen beabsichtigt sind und was mit den freiwilligen Angaben geschieht. Besonderheiten bei Gewinnspielen/Preisausschreiben Bei Gewinnspielen oder Preisausschreiben muss das sog. Kopplungsverbot (§ 4 Nr. 6 UWG) beachtet werden. 73 74 § 4 Nr. 6 UWG: Unlauter im Sinne von § 3 handelt insbesondere, wer (…) 6. die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel von dem Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig macht, es sei denn, das Preisausschreiben oder Gewinnspiel ist naturgemäß mit der Ware oder der Dienstleistung verbunden; (...). Demnach darf die Teilnahme an einem Gewinnspiel oder Preisausschreiben nicht von einer Informationsanforderung oder der Preisgabe von Daten abhängig gemacht werden. 39 75 Kapitel II 76 Kontaktaufnahme Bei der Gestaltung entsprechender Teilnahme-/Bestellformulare muss daher jeder Eindruck einer Verbindung von Informationsbestellung und Gewinnspielteilnahme vermieden werden. Gefordert ist eine optische und inhaltliche Trennung des Anforderungs- und des Gewinnspielteils. Der Hinweis auf den Gewinn muss so gestaltet werden, dass der verständige Verbraucher nicht annimmt, er müsse Informationen anfordern oder bestimmte Daten preisgeben, um seine Gewinnchance zu wahren oder zu erhöhen. Wenn allerdings diese Vorgaben ei ngehalten werden, ist ein Nebeneinander von Gewinnspiel und Informationsanforderung auf einem Werbemedium zulässig43. 7. Die Kontaktaufnahme per Online-Kommunikation 7.1 Der Ablauf der Online-Kommunikation 77 Inzwischen gibt es kaum noch ein Unternehmen, welches nicht versucht, mit - potenziellen - Kunden „elektronisch“ in Kontakt zu treten, sei es, dass man sich auf einer eigenen Homepage präsentiert und dort Informationen bereitstellt, sei es, dass man über eine E-Mail-Adresse erreichbar ist und seine Kunden per E-Mail (z.B. per Newsletter) über eigene Angebote informiert. 78 Bei der Beschaffung der Daten für die Online-Kommunikation sind gegenüber der zuvor betrachteten Offline-Kommunikation einige Besonderheiten zu beachten, wobei drei Ebenen der Datenerhebung zu unterscheiden sind: 79 Inhaltsebene (Ebene 1) Die Inhaltsebene bezeichnet die Ebene, auf der der Austausch der eigentlichen Kommunikationsinhalte stattfindet (z.B. Angabe der erforderlichen Informationen zur Bezahlung und Lieferung einer online gekauften Ware). Es handelt sich also um dieselben Informationen, die auch im Rahmen eines herkömmlichen Geschäftes preisgegeben werden. Es werden lediglich elektronische Formulare anstelle von solchen aus Papier verwandt. 43 40 BGH, Urteil vom 03.03.2005 - I ZR 117/02 -, GRUR 2005, S. 599. Kontaktaufnahme Kapitel II Auf die Inhaltsebene findet das BDSG Anwendung. 80 Diensteebene/Interaktionsebene (Ebene 2) Auf der Diensteebene findet die technische Interaktion zwischen Nutzer und Anbieter statt. Hierzu stellt der Anbieter die Plattform in Form eines sog. Telemediendienstes zur Verfügung. Beispiele für derartige Dienste sind: - Online-Angebote von Waren oder Dienstleistungen mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit, - die kommerzielle Verbreitung von Informationen über Waren-/Dienstleistungsangebote mit elektronischer Post (z.B. Werbe-Mails), - der Zugang zu einem besonders geschützten Bereich. 82 Im Hinblick auf diese zweite Ebene ist das Telemediengesetz (TMG) einschlägig. Die Datenschutzvorschriften des TMG (§§ 11 bis 15) finden Anwendung, soweit personenbezogene Daten bei der Nutzung von Telemediendiensten anfallen44. Hierzu gehören ausgehend von der IP-Adresse 45 des Internetnutzers auch Kennung und Passwort zur Nutzung eines Online-Dienstes oder sonstige personenbezogene Daten zur Anmeldung für einen OnlineDienst. Telekommunikationsebene/Transportebene (Ebene 3) Auf dieser Ebene findet der technische Datentransport (z.B. der Netzbetrieb) statt. Dieser erfolgt ganz oder überwiegend in der Form der Telekommunikation. Die maßgeblichen Datenschutzregeln für die entsprechenden Provider sind im Telekommunikati44 45 81 In § 11 Abs. 3 TMG ist eine Ergänzung zum Geltungsbereich der Datenschutzbestimmungen für solche Telemediendienste erfolgt, die zugleich dem Telekommunikationsgesetz unterliegen. Für diese Anbieter (InternetAccess, E-Mail-Übertragung) gelten die Datenschutzvorschriften des TKG und nur sehr eingeschränkt die des TMG. Vgl. hierzu AG Berlin Mitte, Urteil vom 27.03.2007 - 5 C 314/06 -, MIR 2007, Dok. 377 (mit weiteren Nachweisen). 41 83 84 Kapitel II Kontaktaufnahme onsgesetz (§§ 88, 91 ff. TKG) geregelt. 85 Da auf allen drei Ebenen unterschiedliche Rechtsgrundlagen maßgeblich sind, ist es für die Nutzung von online erhobenen Daten zu Marketingzwecken wichtig, festzustellen, auf welcher Ebene und in welchem Zusammenhang die Daten erhoben werden. Für Unternehmen, die nicht als klassische Telekommunikationsanbieter am Markt agieren, spielen die erste und zweite Ebene die größte Rolle. 7.2 Erhebung im Internet - Inhaltsebene 86 Soweit die Inhaltsebene betroffen ist, folgt die Datenerhebung im Internet und die weitere Nutzung der erhobenen Daten grundsätzlich den gleichen Spielregeln wie im Offline-Bereich, d.h., bei der Erhebung muss klar werden, wer für welche Zwecke Daten erhebt, wer die Daten nutzen soll und welche Angaben für den jeweiligen Zweck erforderlich (verpflichtend) und welche freiwillig sind. 87 Daneben können weitere Informationspflichten z.B. nach der Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht46 bestehen. 88 Webportale Besondere Beachtung muss die Gestaltung der Abfrageformulare finden. Häufig sind als „freiwillig“ gekennzeichnete Felder auf programmtechnischer Ebene als Pflichtfeld angelegt, so dass die Nutzer unzulässigerweise zur Eingabe der Daten gezwungen werden. Auch genügt es nicht, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder den Datenschutzhinweisen auf die Zweckbestimmung der Datenerhebung hinzuweisen. Vielmehr sollten die Angaben zur Zweckbestimmung unmittelbar bei dem Erhebungs46 42 Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht - BGBInfoVO - in der Fassung vom 05.08.2002 (BGBl. I 3002), zuletzt geändert durch Gesetz vom 02.12.2004 (BGBl. I 3102). Siehe auch § 312c BGB. Kontaktaufnahme Kapitel II vorgang erfolgen bzw. abrufbar sein. Zum Schutz der Daten muss der Anbieter ferner ein Datenschutz- und Datensicherheitskonzept für das Internetangebot implementieren. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft empfiehlt, bei der Gestaltung eines Web-Formulars auf folgende Punkte zu achten47: 89 1. leicht auffindbares Eingabefenster für E-Mail-Adresse 2. Grundsatz der Datensparsamkeit: Es sind nur Informationen abzufragen, die tatsächlich benötigt werden. Den Interessenten ist der Hintergrund der Abfrage zu erläutern. 3. Ermöglichung eines anonymen Bezugs verbunden mit explizitem Hinweis auf diese Option 4. leicht und schnell auffindbare Abbestell- und Änderungsmöglichkeit 5. Hinweis auf die Verwendung und Speicherung der online erhobenen Daten Newsletter Bei der Anmeldung für einen Newsletter muss die E-MailAdresse naturgemäß angegeben werden. Oft werden darüber hinaus weitere Daten wie Name und Anschrift erhoben. Diese werden zur Zusendung des Newsletters jedoch nicht zwingend benötigt und sind somit nicht als Pflichtfelder auszugestalten. Die Erhebung als freiwillige Angaben - z.B. mit der Zweckbestimmung „um Sie in dem Newsletter persönlich ansprechen zu können“ - bleibt unbenommen. Im Rahmen des Anmeldeformulars sollte auch eine einfache Abmeldemöglichkeit für den Newsletter vorgesehen werden. 47 eco Electronic Commerce Forum - Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V., Richtlinie für erwünschtes Online-Direktmarketing, Version 1.21 vom 10.09.2002, S. 10. 43 90 91 Kapitel II Kontaktaufnahme Beispiel (Online-Bestellformular): Bitte geben Sie Ihre Daten an: Rechnungsanschrift Vorname* Nachname* Firma/Organisation Straße/Nr.* TEL* FAX E-Mail* (* = Pflichtangaben) Wir verarbeiten Ihre oben angegeben Daten zur Abwicklung Ihrer Bestellung durch uns oder Logistik-Dienstleister sowie zur Information über unsere aktuellen Angebote. Darüber hinaus ermöglichen wir verbundenen Unternehmen, Ihnen interessante Informationen zukommen zu lassen. Die E-Mail-Adresse dient der Bestellbestätigung sowie der Information über vergleichbare Angebote unseres Hauses. Sollten Sie Letzteres nicht wünschen, können Sie diese Nutzung jederzeit untersagen, ohne dass andere als die Übermittlungskosten nach den jeweiligen Basistarifen entstehen. 44 Kontaktaufnahme Kapitel II Beispiel 48: Möchten Sie immer auf dem neuesten Stand sein, welche spannenden Neuigkeiten es auf unserer Website gibt? Dann abonnieren Sie doch einfach unseren kostenlosen Newsletter. Wir planen, Ihnen diesen E-Mail-Newsletter einmal pro Woche zu senden, um Sie auf dem Laufenden zu halten. So wird Ihr E-Mail-Eingang nicht überfüllt, dennoch Sie sind immer im Bilde, welche aufregenden Neuheiten wir zu bieten haben. Datenschutz Wir versichern, dass Ihre E-Mail-Adresse nur in Zusammenhang mit dem von uns abonnierten Newsletter verwendet wird. Kündigen Wenn Sie Ihr Abo kündigen möchten, dann können Sie das jederzeit tun, indem Sie auf diese Seite zurückkehren, Ihre E-Mail-Adresse eingeben, Kündigen anwählen und Senden anklicken. Neue E-Mail-Adresse Wenn sich Ihre E-Mail-Adresse geändert hat, kündigen Sie bitte Ihr Abo für diese alte Adresse (siehe oben) und melden Sie sich mit Ihrer neuen E-Mail-Adresse an. Anmelden Bitte geben Sie Ihre vollständige E-Mail-Adresse an (z.B. [email protected]), wählen Sie Anmelden und klicken Sie Senden an. E-Mail-Adresse: 48 Anmelden Absenden Kündigen eco Electronic Commerce Forum - Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V., Richtlinie für erwünschtes Online-Direktmarketing, S. 15. 45 Kapitel II 92 93 Kontaktaufnahme Produktregistrierung Immer mehr Produkte werden mit der Aufforderung verkauft, sich online registrieren zu lassen. Bei der Registrierung werden dann regelmäßig personenbezogene Daten des Käufers/Nutzers sowie das Interesse an weiteren Produktinformationen erfragt. Hierzu hat das Landgericht München 49 folgende Grundsätze herausgearbeitet: - Eine Registrierung darf nicht erzwungen werden, zumindest dann nicht, wenn dem Käufer nicht bereits beim Kauf die Registrierungspflicht bewusst war. - Es darf mit einer Registrierung nicht die Preisgabe personenbezogener Daten erzwungen werden, die dazu dienen, den Vertrieb des Produktes zu erleichtern, bzw. als Basis für weitere Werbemaßnahmen zu dienen. In dem Fall, der dem Landgericht München vorlag, war z.B. die Zeile „Möchten Sie Info-Post bekommen?“ bereits automatisch mit einem „Ja“ versehen. Einwilligung (Double-Opt-In) Im Bereich der Online-Medien gestaltet es sich schwierig, vom Betroffenen eine formgerechte Einwilligung50 zum Datenumgang zu erhalten. Die Einwilligung muss nach § 4a Abs. 1 S. 3 BDSG nämlich grundsätzlich schriftlich vorliegen, d.h. eigenhändig unterschrieben. 94 Als Ersatz für die Schriftlichkeit setzt sich in der Online-Praxis immer mehr das sog. „Double-Opt-In“-Verfahren durch. 95 Hierunter versteht man eine Methode, bei der eine Anforderung/Registrierung/Einwilligung erst dann endgültig wirksam wird, wenn diese noch ein zweites Mal bestätigt wurde. Bei diesem Verfahren erhält der Kunde nach der Anforderung/Registrierung/Einwilligung eine E-Mail, mittels der er über besondere 49 50 46 LG München I, Urteil vom 04.04.2000 - 7 O 115/00 -, RDV 2000, S. 175 ff. Vgl. auch bei Zscherpe, Anforderungen an die datenschutzrechtliche Einwilligung im Internet, MMR 2004, S. 723. Kontaktaufnahme Kapitel II Verfahren (z.B. einen individuell für ihn angelegten Link) seine ursprüngliche Entscheidung bestätigen muss. Hierüber soll die Autorisierung des Partners sichergestellt werden. Erst wenn die empfängerseitige Bestätigung erfolgt ist, wird z.B. ein Dienst wirksam. Beispiel Anmeldung: Sehr geehrter Nutzer, vielen Dank, dass Sie sich für unseren Newsletter angemeldet haben. Zum Schutz Ihrer Privatsphäre erhalten Sie nun zuerst eine E-Mail zugeschickt, in der Sie einen Link finden, mit dem Sie Ihre Anmeldung zum Newsletter bitte bestätigen. Beispiel Bestätigungsmail: Sehr geehrte/r ... , Sie haben sich zu unserem Newsletter angemeldet. Da uns der Schutz vor Spam sehr wichtig ist, müssen Sie die Anmeldung erst über folgenden Link bestätigen: <http://www.hr-international.de/dienste/newsletter/ bestaetigen.php? newsletterempfaenger email= & newsletterempfaenger schluessel= > Sie können den Link über einen Doppelklick/Klick aufrufen. Falls Ihr E-Mail-Programm das nicht unterstützt, markieren Sie den Link, kopieren Sie ihn mit [STRG+C] in die Zwischenablage und fügen Sie diesen mit [STRG+V] in die Internetadress-Zeile Ihres Browsers ein. Sie können auch auf unsere Webseiten gehen und dort über unser Newsletterformular (http://www.hr-international.de/ index.php? seite=newsletter bestaetigung) die Anmeldung mit folgendem Schlüssel komplettieren: (...) 47 Kapitel II Kontaktaufnahme Falls Sie diese Mail jedoch fälschlicherweise erhalten haben, können Sie Ihr Benutzerkonto sofort über folgenden Link wieder löschen: http://www.hr-international.de/dienste /newsletter/abmelden.php? newsletterempfaenger email= &newsletterempfaenger Schluessel= > Vielen Dank für Ihr Interesse. Mit freundlichen Grüßen 7.3 96 97 98 Erhebung zur/bei der Nutzung von Onlinediensten - Diensteebene Bei der Nutzung eines Telemediendienstes können drei unterschiedliche Arten von Daten anfallen, nämlich Bestands-, Nutzungs- und Abrechnungsdaten, für die auf Grund ihrer unterschiedlichen Zweckbestimmung verschiedene Verarbeitungserlaubnisse bzw. -verbote bestehen. Bestandsdaten Als Bestandsdaten werden personenbezogene Daten des Nutzers bezeichnet, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung des Vertragsverhältnisses über die Nutzung des Telemediendienstes erforderlich sind (§ 14 Abs. 1 TMG). Sie fallen nur bei solchen Anbietern von Telemediendiensten an, die mit dem Nutzer die Erbringung ihrer Dienstleistung regeln, z.B. weil sie die Leistung nicht unentgeltlich erbringen oder weil sie die Leistung nur einem bestimmten Kreis zugänglich machen wollen (z.B. geschützter Bereich auf einer Homepage, Anmeldung/Registrierung des Zugangs zu einem Bestellsystem). Inhalt der Regelung ist die Vermittlung bzw. die Gestattung des Zugangs zu den Telemediendiensten. Zu den Bestandsdaten zählen insbesondere der Name des Nutzers, Anschrift, E-Mail-Adresse, Identifizierungs- und Authentifizierungsinformationen sowie die je nach Art des Vertrages vereinbarten Nutzungsmodalitäten. Der Umgang mit Bestandsdaten ist auf die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung des Vertragsverhältnisses 48 Kontaktaufnahme Kapitel II über die Nutzung des Telemediendienstes zu beschränken. Werden Daten zur Durchführung des Dienstes erhoben und gespeichert, so ist eine Verwendung für andere Zwecke, zu denen auch die Werbeansprache 51 zählt, ohne Einwilligung verboten. Beispiel: Erhebung von Daten zur Freischaltung eines geschlossenen Bereichs im Internet: Die Daten sind erforderlich zur Prüfung der Legitimation des Beantragenden und zur Bestätigung der Freischaltung des Zugangs (E-Mail-Adresse). Passwort-Beantragung für Mitglieder-Service Die Nutzung des geschlossenen Bereichs steht nur Mitgliedern zur Verfügung. Wenn Sie bereits Mitglied sind, dann können Sie Ihr persönliches Passwort durch Eingabe Ihrer Mitgliedsnummer im unteren Formular anfordern. Vorname Nachname Firmenname Mitglieds-Nr. E-Mail-Adresse Wählen Sie ein Passwort Bestätigen Sie das Passwort Formular abschicken 51 Nach Auffassung des Hessischen Innenministeriums (vgl. Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich in Hessen, 31. Tätigkeitsbericht, Landtags-Drucksache 16/1680 vom 11.12.2003, S. 32 ff.) können die Bestandsdaten ohne Einwilligung z.B. zur E-Mail-Ansprache von eigenen Vertragskunden verwendet werden, soweit die Ansprache die inhaltliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses betrifft und nicht überwiegend Werbebotschaften oder konkrete reklameartige Waren- oder Dienstleistungsangebote enthält. Hinzuweisen ist j edoch darauf, dass diese Auffassung vor Inkrafttreten des neuen UWG geäußert wurde. 49 Kapitel II Kontaktaufnahme 99 Bei der Einholung einer Einwilligung hat der Diensteanbieter allerdings zu beachten, dass er die Erbringung des Dienstes nicht von einer Einwilligung des Nutzers in eine Verarbeitung oder Nutzung seiner Daten für andere Zwecke, z.B. in die Nutzung oder Vermarktung der Bestandsdaten zu Werbezwecken, abhängig machen darf, wenn dem Nutzer ein anderer Zugang zu dem Telemediendienst nicht oder nicht in zumutbarer Weise möglich 52 ist (sog. Kopplungsverbot nach § 12 Abs. 3 TMG) . Nutzungsdaten 100 Als Nutzungsdaten werden personenbezogene Daten eines Nut- zers bezeichnet, die erforderlich sind, um die Inanspruchnahme des Dienstes zu ermöglichen bzw. diesen abzurechnen. Sie fallen technisch bedingt an, um die Verbindung zum Telemediendienst herzustellen oder aufrecht zu erhalten. Erfasst werden insbesondere Merkmale zur Identifikation des Nutzers, Angaben über Beginn, Ende und Umfang der jeweiligen Nutzung sowie über die vom Nutzer in Anspruch genommenen Telemedien (§ 15 Abs. 1 S. 2 TMG). Die Nutzungsdaten setzen sich insbesondere aus der IP-Adresse des Nutzers, Zeitangaben, Angaben zum Browser und den besuchten Webseiten zusammen. Beispiel (Protokollierung von Nutzungsdaten): 68.142.251.XX - - [16/Dec/2005:06:47:25 +0100] "GET /Inhalt/ eintrag.htm HTTP/1.0" 200 1310 "-" "Mozilla/5.0 (compatible; Yahoo! Slurp; http://help.yahoo.com/help/us/ysearch/slurp)" 68.142.251.XX - - [16/Dec/2005:08:46:47 +0100] "GET /robots.txt HTTP/1.0" 404 1564 "-" "Mozilla/5.0 (compatible; Yahoo! Slurp; http://help.yahoo.com/help/us/ysearch/slurp)" 101 Nutzungsdaten führen ohne weitere Informationen - z.B. durch personenbezogene Zuordnung der IP-Adresse - nicht zur unmittelbaren Identifizierung des Nutzers, so dass hierüber nicht ohne 52 50 Vgl. hierzu die Entscheidung des OLG Brandenburg zur „Datenschutzerklärung“ von eBay (Urteil vom 11.01.2006 - 7 U 52/05 -, MMR 2006, S. 405). Kontaktaufnahme Kapitel II weiteres Kontakt zu einem Kunden aufgebaut werden kann. Dennoch hat das Amtsgericht Berlin Mitte die IP-Adresse als personenbezogenes Datum angesehen53. Der Umgang mit Nutzungsdaten ohne weitere Einwilligung des 102 Nutzers beschränkt sich darauf, die Inanspruchnahme von Diensten zu ermöglichen und abzurechnen (§ 15 Abs. 1 S. 1 TMG). Sie dürfen daher grundsätzlich nur für die Dauer der Nutzung des Dienstes gespeichert werden und sind mit Beendigung der Nutzung zu löschen, soweit sie nicht für Zwecke der Abrechnung mit dem Nutzer benötigt werden54. Sollen die Nutzungsdaten für sonstige Zwecke genutzt werden, 103 z.B. für Zwecke der Werbung, der Marktforschung oder um zur bedarfsgerechten Gestaltung des Dienstes Nutzungsprofile zu erstellen, ist die Einwilligung des Nutzers erforderlich. Werden die Nutzungsprofile pseudonym55 erstellt, so ist dies zulässig, soweit der Nutzer dem nicht widerspricht (auf dieses Recht ist der Nutzer hinzuweisen) und die Nutzungsprofile nicht mit Daten über den Träger des Pseudonyms zusammengeführt werden. Abrechnungsdaten Abrechnungsdaten sind Nutzungsdaten, die über das Ende des 104 Nutzungsvorgangs hinaus verarbeitet und genutzt werden, weil sie für Zwecke der Abrechnung mit dem Nutzer erforderlich sind (§ 15 Abs. 4 S. 1 TMG ). In der Regel werden zur Abrechnung der Nutzung eines Dienstes Bestandsdaten und Nutzungsdaten kombiniert. 53 54 55 AG Berlin Mitte, Urteil vom 27.03.2007 - 5 C 314/06 -. Das Urteil ist über die MIR Dok. Nr. 377 über nachfolgenden Link abrufbar: http://medieninternet-und-recht.de. Vgl. zuletzt AG Berlin Mitte, a.a.O., mit weiteren Nachweisen; zur Löschungspflicht beim Access-Provider vgl. nachstehend Rdnr. 105. Nach § 3 Abs. 6a BDSG ist Pseudonymisieren „das Ersetzen des Namens und anderer Identifikationsmerkmale durch ein Kennzeichen zu dem Zweck, die Bestimmung des Betroffenen auszuschließen oder wesentlich zu erschweren“. 51 Kapitel II Kontaktaufnahme 105 Dabei werden Angaben über Anbieter, Zeitpunkt, Dauer, Art, Inhalt und Häufigkeit bestimmter von einem Nutzer in Anspruch genommener Dienste nur dann erkennbar sein, wenn der Nutzer einen Einzelnachweis verlangt. Wird hingegen z.B. ein Telemediendienst auf Basis einer Flat-Rate abgerechnet, so soll nach hierzu ergangener Rechtsprechung 56 eine längerfristige Speicherung dynamischer IP-Adressen zu Abrechnungszwecken nicht 57 erforderlich sein . 106 Eine weitergehende Nutzung der Abrechnungsdaten ohne Ein- willigung des Nutzers ist nicht zuletzt durch das weitgehende Weitergabeverbot und die kurze Aufbewahrungsdauer von maximal sechs Monaten nach Versendung der Rechnung ausgeschlossen (§ 15 Abs. 7 TMG). Elektronische Einwilligung 107 Im Bereich des TMG ist für den Umgang mit Bestands-, Nut- zungs- und Abrechnungsdaten die Möglichkeit der Einholung einer elektronischen Einwilligung gesetzlich vorgesehen. 108 Insoweit wird im Gegensatz zu § 4a BDSG58 auf das grundsätzli- che Formerfordernis der Schriftlichkeit verzichtet. Daher wird auch in diesem Bereich das "Double-Opt-In"-Verfahren59 empfohlen und von den Datenschutzaufsichtsbehörden anerkannt 60. 56 57 58 59 60 52 AG Darmstadt, Urteil vom 30.06.2005 - 300 C 397/04 -, RDV 2005, S. 227; bestätigt durch LG Darmstadt, Urteil vom 25.01.2006 - 25 S 118/2005 -, DuD 2006, S. 178; anderer Ansicht: Aufsichtsbehörde für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich in Hessen, 31. Tätigkeitsbericht, LT-Drs. 16/1680 vom 11.12.2003, S. 26 ff. Vgl. aber auch AG Bonn, Urteil vom 05.07.2007 - 9 C 177/07 -, CR 2007, S. 640, wonach die Speicherung von Datenvolumen und IP-Adresse zur Missbrauchsbekämpfung für den Zeitraum von sieben Tagen verhältnismäßig sein soll. Vgl. insofern auch Rdnr. 190 f. Vgl. vorstehend Rdnr. 93 ff. Aufsichtsbehörde für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich in Hessen, 31. Tätigkeitsbericht, Landtags-Drucksache 16/1680 vom 11.12.2003, S. 32. Kontaktaufnahme Kapitel II Auch hier gilt das sog. Kopplungsverbot61. § 13 Abs. 2 und 3 TMG: (2) Die Einwilligung kann elektronisch erklärt werden, wenn der Diensteanbieter sicherstellt, dass 1. der Nutzer seine Einwilligung bewusst und eindeutig erteilt hat, 2. die Einwilligung protokolliert wird, 3. der Nutzer den Inhalt der Einwilligung jederzeit abrufen kann und 4. der Nutzer die Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen kann. (3) Der Diensteanbieter hat den Nutzer vor Erklärung der Einwilligung auf das Recht nach Abs. 2 Nr. 4 hinzuweisen. (…) Durch die Protokollierung und die Möglichkeit, den Inhalt der 109 Einwilligung jederzeit abzurufen, wird die abgegebene Einwilligung dokumentiert. Insoweit ist darauf zu achten, dass im Rahmen eines Versionsmanagements nicht die aktuelle Einwilligung, sondern die tatsächlich abgegebene Erklärung abgerufen wird. Beispiel einer elektronischen Einwilligung 62: Die AGB habe ich gelesen und akzeptiere sie. In die Übermittlung meiner gespeicherten personenbezogenen Daten (Adresse, Telefonnummer) an dritte Unternehmen für die Verwendung zu werblichen Zwecken willige ich ein. Näheres hierzu finden Sie in § ... der AGB (Link). Registrierung abschicken 61 62 Vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 01.11.2006 - 7 U 52/05 -, MMR 2006, S. 405 sowie vorstehend Rdnr. 74 ff. Bayerische Datenschutzaufsichtsbehörde für den nicht öffentlichen Bereich, 2. Tätigkeitsbericht (2006), S. 26 = RDV 2007, S. 86. 53 Kapitel II 7.4 Kontaktaufnahme Informationspflichten 110 Nach § 4 Abs. 3 BDSG ist der Betroffene, sofern bei ihm perso- nenbezogene Daten erhoben werden und er nicht bereits auf andere Weise Kenntnis erlangt hat, von der verantwortlichen Stelle über ihre Identität sowie die Zweckbestimmungen des Datenumgangs zu informieren. Auch über die Kategorien von Empfängern ist zu unterrichten, soweit der Betroffene nach den Umständen des Einzelfalles nicht mit der Übermittlung an diese rechnen muss. Neben den Informationspflichten, die nach dem BDSG zu beachten sind 63, ergeben sich für den Onlinebereich zusätzliche Informationspflichten in Bezug auf die Transparenz 64 der verantwortlichen Diensteanbieter und des Datenumgangs . Anbieterkennzeichnung 111 Es ist sicherzustellen, dass bei Onlinediensten der verantwortli- che Anbieter schnell und einfach ausgemacht werden kann. Diese sog. Anbieterkennzeichnung (§ 5 TMG) dient auch dazu, die verantwortliche Stelle im Sinne des Datenschutzrechtes zu identifizieren (sog. Transparenzgebot). 112 Dem Gesetzeswortlaut nach betrifft die Informationspflicht nur Dienste, die in der Regel gegen Entgelt angeboten werden. Damit sollen Informationsangebote, die keinen wirtschaftlichen Hintergrund haben (z.B. rein private Homepages) von dieser Verpflichtung ausgenommen werden. Fraglich ist, ob die jetzige Gesetzesformulierung so auszulegen ist, dass alle kommerziellen Webseiten, unabhängig davon, ob es sich um unmittelbar kostenpflichtige Angebote handelt oder nicht, von der Pflicht zur Anbieterkennzeichnung betroffen sein sollen. Nach dem Erwägungsgrund 18 der E-Commerce-Richtlinie (2000/31/EG) sollen nicht nur Dienste erfasst werden, bei denen online Verträge geschlos63 64 54 Vgl. vorstehend Rdnr. 47 ff. Zur Kennzeichnungspflicht bei E-Mail-Werbung vgl. Rdnr. 209 f. Kontaktaufnahme Kapitel II sen werden können. Im Falle wirtschaftlicher Betätigung sollen daneben auch Online-Informationsdienste, die von den Nutzern nicht vergütet werden, erfasst sein. § 5 Abs. 1 TMG: Diensteanbieter haben für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien folgende Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten: 1. den Namen und die Anschrift, unter der sie niedergelassen sind, bei juristischen Personen zusätzlich die Rechtsform, den Vertretungsberechtigten und, sofern Angaben über das Kapital der Gesellschaft gemacht werden, das Stamm- oder Grundkapital sowie, wenn nicht alle in Geld zu leistenden Einlagen eingezahlt sind, der Gesamtbetrag der ausstehenden Einlagen, 2. Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihnen ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post, 3. soweit der Dienst im Rahmen einer Tätigkeit angeboten oder erbracht wird, die der behördlichen Zulassung bedarf, Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde, 4. das Handelsregister, Vereinsregister, Partnerschaftsregister oder Genossenschaftsregister, in das sie eingetragen sind, und die entsprechende Registernummer, 5. (…) 6. in Fällen, in denen sie eine Umsatzsteueridentifikationsnummer nach § 27a des Umsatzsteuergesetzes oder eine Wirtschafts-Identifikationsnummer nach § 139c der Abgabenordnung besitzen, die Angabe dieser Nummer, 7. bei Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die sich in Abwicklung oder Liquidation befinden, die Angabe hierüber. Die Anbieterkennzeichnung muss auf der Homepage des Anbie- 113 55 Kapitel II Kontaktaufnahme ters von jeder Seite aus einfach per Hyperlink aufrufbar sein. Durchgesetzt hat sich hierbei die Bezeichnung als „Impressum“ 65. Für eine leichte Erkennbarkeit und unmittelbare Erreichbarkeit im Sinne der Bestimmung des TMG ist es nach der Rechtsprechung 66 ausreichend, wenn das Impressum eines InternetAuftritts über zwei Links erreichbar ist. Inzwischen hat der BGH67 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob neben der Nennung der E-Mail-Adresse auch die Angabe einer Telefonnummer bzw. die Ermöglichung eines zweiten Kommunikationsweges unter Verwendung von Anfragemasken notwendig ist. Die Rechtsprechung in Deutschland ist hierzu bislang uneinheitlich. Datenschutzerklärung 114 Soweit auf Grund der Nutzung des Dienstes personenbezogene Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, gehört es zu den Pflichten des Diensteanbieters, hierüber aufzuklären (§ 13 Abs. 1 TMG). § 13 Abs. 1 TMG: Der Diensteanbieter hat den Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten sowie über die Verarbeitung seiner Daten in Staaten außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. EG Nr. L 281 S. 31) in allgemein verständlicher Form zu unterrichten, sofern eine solche Unterrichtung nicht bereits erfolgt ist. (...) Der Inhalt der Unterrichtung muss für den Nutzer jederzeit abrufbar sein. 65 66 67 56 Für ein Muster siehe z.B. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen (Hrsg.), Datenschutzgerechtes Internetangebot der Wirtschaft, Kapitel 3.7.1. BGH, Urteil vom 20.07.2006 - I ZR 228/03 -, MMR 2007, S. 40. Beschluss vom 26.04.2007 - I ZR 190/04 -, MMR 2007, S. 505. Kontaktaufnahme Kapitel II Durchgesetzt hat sich hierzu die Verlinkung einer „Datenschutz- 115 erklärung“ oder „Privacy Policy“, die wie der Link zum „Impressum“ an zentraler, gut erkennbarer Stelle ins Webangebot eingebunden wird und von überall per Mausklick leicht erreichbar ist. Die Datenschutzerklärung bezieht sich im Wesentlichen auf den 116 Umgang mit Nutzungsdaten. Werden diese nicht protokolliert, sollte kurz dargestellt werden, dass keine personenbezogenen Daten gespeichert werden. Werden sie protokolliert, ist der Umgang mit den Daten kurz zu erläutern. Als vertrauensbildende Maßnahme können in die Datenschutzerklärung zudem weitere Aussagen zum Datenschutz eingebunden werden. Beispiel (Auszug): Zugriff auf das Internetangebot Jeder Zugriff auf unser Internetangebot wird in einer Protokolldatei gespeichert. In der Protokolldatei werden folgende Daten maximal 14 Tage gespeichert: - Name der abgerufenen Datei - Datum und Uhrzeit des Abrufs - übertragene Datenmenge - Meldung, ob der Abruf erfolgreich war Die gespeicherten Daten werden nur zur Optimierung des Internetangebotes ausgewertet. (...) IP-Adressen werden nicht über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus gespeichert. Die Datenschutzerklärung ersetzt nicht die konkrete Information 117 des Betroffenen bei der Erhebung von personenbezogenen Daten gemäß § 4 Abs. 3 BDSG. Cookies Sollen Besucher einer Internetseite individuell angesprochen 118 werden, werden häufig sog. Cookies eingesetzt. Dies sind kleine 57 Kapitel II Kontaktaufnahme Textdateien, die durch einen Webserver auf der Festplatte des Nutzers abgelegt werden, um ihn beim Besuch bestimmter We bserver wieder zu erkennen oder Daten über das Surfverhalten in dem Cookie zu hinterlegen. Damit handelt es sich um „automatisierte Verfahren“ im Sinne von § 13 Abs. 1 S. 2 TMG, die eine spätere Identifizierung des Nutzers ermöglichen und eine Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten vorbereiten. Der Nutzer ist daher zu Beginn des Verfahrens (d.h. beim Setzen des Cookies) zu unterrichten. Der Inhalt dieser Unterrichtung muss für den Nutzer jederzeit abrufbar sein. 119 Der Umgang mit Cookies kann regelmäßig durch den Benutzer eines Browsers selbst geregelt werden. Auch hierfür ist die Aufklärung über Sinn und Zweck der Cookies als Entscheidungsgrundlage hilfreich. Die Unterrichtung erfolgt in der Regel im Rahmen der „Datenschutzerklärung“. Beispiel68: Informationen über Personalisierung mit Cookies Cookies helfen uns, Ihre XY-Website genau auf Ihre Bedürfnisse zuzuschneiden. Cookies sind Text-Informations-Dateien, die Ihr Web-Browser auf Ihrem Computer abspeichert, wenn Sie eine Web-Site öffnen. XY.com verwendet diese Cookie-Technologie, um die XYWebsite für Sie auf Ihre Landessprache und das Alter Ihres Babys zugeschnitten einzurichten. Die meisten Browser akzeptieren Cookies automatisch, bieten aber die Möglichkeit an, Cookies abzulehnen, oder vor Speicherung eine Warnung anzuzeigen. Eventuell müssen Sie Ihren Browser entsprechend einrichten, um unser Informationsangebot vollständig nutzen zu können. Wenn Sie unsere Datenschutzerklärung sehen wollen, klicken Sie hier. 68 58 eco Electronic Commerce Forum - Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V., Richtlinie für erwünschtes Online-Direktmarketing, S. 16. Mögliche Datenlieferanten Kapitel III Kapitel III: Welche Stellen liefern Daten zur Kundenansprache? 1. Geschäftsmäßiger Adresshandel Zum Versand von Werbebotschaften können Adressen zunächst 120 von Unternehmen erworben oder bei diesen genutzt werden, die den Verkauf oder die Vermietung von Adressen geschäftsmäßig betreiben. Die Rechtsgrundlage für ihre Tätigkeit findet sich in § 29 BDSG. Entweder werden dabei die Daten - ggf. nur zur vorübergehenden Nutzung - an das werbende Unternehmen übermittelt. Oder der Versand wird von dem Adresshändler bzw. einem zwischengeschalteten Dienstleistungsunternehmen im Wege des sog. Lettershopverfahrens durchgeführt, indem der Adresshändler unter Nutzung eigener oder fremder Datenbestände - Letzteres geschieht dann im Auftrag des Listeigners - die Zusammenführung des Werbemittels mit den Adressdaten sowie den Versand übernimmt. § 29 Abs. 1 und 2 BDSG: (1) Das geschäftsmäßige Erheben, Speichern oder Verändern personenbezogener Daten zum Zweck der Übermittlung, insbesondere wenn dies der Werbung, der Tätigkeit von Auskunfteien, dem Adresshandel oder der Markt- und Meinungsforschung dient, ist zulässig, wenn 1. kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung hat, oder 2. die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können oder die verantwortliche Stelle sie veröffentlichen dürfte, es sei denn, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung offensichtlich überwiegt. § 28 Abs. 1 S. 2 ist anzuwenden. 59 Kapitel III Mögliche Datenlieferanten (2) Die Übermittlung im Rahmen der Zwecke nach Absatz 1 ist zulässig, wenn 1. a) (….) oder b) es sich um listenmäßig oder sonst zusammengefasste Daten nach § 28 Abs. 3 Nr. 3 handelt, die für Zwecke der Werbung oder der Markt- oder Meinungsforschung übermittelt werden sollen, und 2. kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat. (…) 121 Der Handel mit Adressen ist im Rahmen des § 29 BDSG zulässig, solange der Betroffene nicht widersprochen hat und die verantwortliche Stelle auch nicht aus sonstigen Gründen annehmen muss, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Übermittlung bzw. Nutzung seiner personenbezogenen Daten hat. 2. Lifestyle-Datenerhebungen und „Verbraucherbefragungen“ 122 Personenbezogene Datensätze sind aus Unternehmenssicht um- so wertvoller, je ausführlichere Informationen sie über die betroffenen Personen enthalten. Adresshändler versenden daher zwecks Beschaffung entsprechender Informationen detaillierte „Haushalts- bzw. Verbraucherbefragungen“ mit zum Teil mehr als 100 Fragen. Mittels der Bögen sollen etwa Angaben über das Haushaltseinkommen, Grundeigentum, bestehende Versicherungen, Kauf- und sonstige Lebensgewohnheiten, Freizeitverhalten oder den Gesundheitszustand gewonnen werden. Als Anreize zur Teilnahme werden vielfach Preisausschreiben oder Gewinnspiele eingesetzt69. 69 60 Siehe hierzu OLG Stuttgart, Urteil vom 27.11.1998 - 2 U 111/98 -, RDV 1999, S. 77 = DuD 1999, S. 296. Mögliche Datenlieferanten Kapitel III Derartige Datenerhebungen sowie die nachfolgende Datennut- 123 zung durch die werbenden Unternehmen werden i.d.R. über eine entsprechende informierte Einwilligung (§ 4a BDSG) der Befragten legitimiert. Zwar orientieren sich die entsprechenden Anbieter aus Akzeptanzgründen hinsichtlich der Gestaltung der Fragebögen - und zum Teil auch hinsichtlich ihrer Firmierung - gerne an den anerkannten Instituten der Markt- und Meinungsforschung. Im Hinblick auf die notwendige Information über die Zwecke der Datenverarbeitung (§ 4a S. 2 BDSG) bzw. die erforderliche Freiwilligkeit der Einwilligung ist es aus datenschutzrechtlicher Sicht allerdings erforderlich, Verwechslungen mit der herkömmlichen Markt- und Meinungsforschung, bei der die Antworten ausschließlich anonymisiert bzw. statistisch verwendet werden, in ausreichendem Maße auszuschließen. Soweit im Rahmen der Erhebung auch besondere Arten perso- 124 nenbezogener Daten abgefragt werden wie z.B. Informationen über das Vorliegen bestimmter Erkrankungen oder die politische Einstellung des Befragten betreffende Daten, muss die datenschutzrechtliche Einwilligung sich ausdrücklich auf diese beziehen (§ 4a Abs. 3 BDSG) . Schwierigkeiten kann im Einzelfall die Wahrung von § 4 Abs. 3 125 S. 1 Nr. 3 BDSG bereiten, wonach der Betroffene bei der D atenerhebung über die „Kategorien von Empfängern“ zu informieren ist. Als Empfänger kommen nämlich praktisch alle Unternehmen in Betracht, deren Angebot zu dem aus dem Fragebogen ableitbaren Interessenprofil der Betroffenen passt. Wird in der Einwilligungserklärung eine offene, beispielhafte Beschreibung gewählt wird, die geeignet ist, den Betroffenen die mögliche Bandbreite der potenziellen Empfänger bewusst zu machen, ist dies als ausreichend anzusehen70. 70 Vgl. 16. Bericht der Landesregierung über die Tätigkeit der für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich in Hessen zuständigen Aufsichtsbehörden, Landtags-Drucksache 16/1680 vom 11.12.2003, S. 45 (mit entsprechendem Formulierungsbeispiel). 61 Kapitel III Mögliche Datenlieferanten Vgl. Jahresbericht 2000 des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, 4.6.3 Marketing: „Die Bewag hat den Fragebogen an ihre 350.000 besten Kunden (Kunden mit dem höchsten Stromverbrauch) versandt. Um diese Kunden langfristig an die Bewag zu binden, ist beabsichtigt, an diese Kunden Geschenkgutscheine zu versenden. Der Fragebogen soll dazu dienen, die Kunden entsprechend ihren Neigungen und "Erlebniswelten" in Geschenkgutscheinklassen einzuteilen. Eine weitere Nutzung der personenbezogenen Daten ist nicht beabsichtigt. Da die Fragebogenaktion der Bewag nicht auf eine gesetzliche Ermächtigungsnorm gestützt werden kann, ist sie nur rechtmäßig, wenn eine wirksame Einwilligung des Betroffenen vorliegt. Dies setzt voraus, dass der Betroffene auf den Zweck der Speicherung hinzuweisen ist (vgl. § 4 Abs. 2 S. 1 BDSG). Für die Kunden der Bewag war aus dem Anschreiben der Bewag nicht nachvollziehbar, was genau mit den Daten geschehen sollte. Zu einer vollständigen Aufklärung waren die verwendeten Begriffe "interne Kundenbetreuung" bzw. "tolle Serviceangebote" zu unbestimmt. Wir haben der Bewag deshalb empfohlen, bei zukünftigen Befragungen den Zweck der Speicherung näher zu spezifizieren. Die Bewag hätte von Anfang an deutlich machen müssen, dass die Befragung zur Zuordnung von Werbegeschenken erforderlich ist. Hierdurch wären im Übrigen auch Irritationen vermieden worden, durch die der Wert der Werbekampagne geschmälert wurde.“ 3. Nicht geschäftsmäßige Weitergabe von Adressdaten 3.1 Das Listenprivileg 126 Auch den Adresshandel nicht geschäftsmäßig 71 betreibende Un- ternehmen (z.B. Versandhandelsunternehmen) und Organisatio71 62 Geschäftsmäßig ist jede auf eine gewisse Dauer angelegte Tätigkeit, vgl. Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 29 Rdnr. 4. Mögliche Datenlieferanten Kapitel III nen (z.B. Vereine) können ihre Adressdaten u.a. im Rahmen des sog. Listenprivilegs (§ 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BDSG) für Werbezwecke anderer Stellen nutzen bzw. die Daten an diese übermitteln. Häufig geschieht dies im Konzernverbund. § 28 Abs. 3 BDSG: (3) Die Übermittlung oder Nutzung für einen anderen Zweck ist auch zulässig: (....) 3. für Zwecke der Werbung, der Markt- und Meinungsforschung, wenn es sich um listenmäßig oder sonst zusammengefasste Daten über Angehörige einer Personengruppe handelt, die sich auf a) eine Angabe über die Zugehörigkeit des Betroffenen zu dieser Personengruppe, b) Berufs-, Branchen- oder Geschäftsbezeichnung, c) Namen, d) Titel, e) akademische Grade, f) Anschrift und g) Geburtsjahr beschränken und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung oder Nutzung hat, (…). In den Fällen des Satzes 1 Nr. 3 ist anzunehmen, dass dieses Interesse besteht, wenn im Rahmen der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses oder vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses gespeicherte Daten übermittelt werden sollen, die sich 1. auf strafbare Handlungen, 2. auf Ordnungswidrigkeiten sowie 3. bei Übermittlung durch den Arbeitgeber auf arbeitsrechtliche Rechtsverhältnisse beziehen. 63 Kapitel III Mögliche Datenlieferanten 127 Ggf. ist aber auch der Verkauf der Kundendaten eines der letzten Geschäfte, das ein in Insolvenz gegangenes Unternehmen noch tätigt. Dies ist nur im Rahmen der BDSG-Grenzen zulässig, auf deren Einhaltung auch der Käufer der Adressen zu achten hat 72. 128 Voraussetzung für eine Übermittlung oder Nutzung im Rahmen des Listenprivilegs ist, dass der Betroffene nicht widersprochen hat (§ 28 Abs. 4 BDSG) und kein sonstiges schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Übermittlung bzw. Nutzung besteht. 3.2 Entgegenstehende schutzwürdige Interessen 129 Ein entgegenstehendes Interesse besteht z.B. bei der Übermitt- lung der Bewohnerdaten eines Altenheims an den Veranstalter von Kaffeefahrten 73. Gleiches gilt für den Fall, dass ein Spezialversender auf dem Gebiet der Erotik, der Medizin oder eines anderen sensiblen Bereichs seine Kundendaten anderen Unternehmen zur Verfügung stellen wollte. 130 Vereine mögen ein Interesse haben, Daten ihrer Mitglieder z.B. an Sponsoren, Anbieter von Gruppenversicherungen oder Ausstatter weiterzugeben und dies vielfach auch als im Interesse ihrer Mitglieder liegend ansehen. Letzteres gilt jedenfalls dann, wenn die Mitglieder in den Genuss vergünstigter Angebote kommen sollen. Gleichwohl werden die Mitglieder bisweilen ein schutzwürdiges Interesse daran haben, nicht zum Gegenstand eines „Adresshandels“ gemacht zu werden. Vor allem Mitglieder örtlicher Vereine vertrauen regelmäßig darauf, dass der Verein personenbezogene Daten der Mitglieder grundsätzlich nicht für 74 vereinsfremde Zwecke verwendet . 72 73 74 64 Vgl. auch Landesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit NRW, 17. Tätigkeitsbericht (2005), 5.3 zur Weitergabe von Abonnentendaten durch insolvente Zeitungsverlage. Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Jahresbericht 2004, S. 96. Vgl. auch Leitfaden des Innenministeriums Baden-Württemberg zum „Datenschutz im Verein“, S. 15 (http://www.im.baden-wuerttemberg.de). Mögliche Datenlieferanten 3.3 Kapitel III Grenzen des Listenprivilegs Übermittelt werden dürfen im Rahmen des Listenprivilegs jedoch 131 nur im Gesetz aufgezählte listenmäßig oder sonst zusammengefasste Daten über Angehörige einer Personengruppe, soweit eine Beschränkung auf die folgenden Angaben stattfindet: Angabe über die Zugehörigkeit zur Personengruppe (z.B. Hobbygärtner), Berufs-, Branchen- oder Geschäftsbezeichnung, Name, Titel, akademische Grade, Anschrift, Geburtsjahr. Zu beachten ist, dass die Gruppenbeschreibung vielfach bereits bei Angabe der Datenquelle erfüllt sein wird (z.B. Kunden des Weinhändlers X). Berliner Landesbeauftragter für Informationsfreiheit und Datenschutz, Jahresbericht 2002, S. 132: „Ein Berliner Unternehmen hatte die Kundendaten des Hamburger Unternehmens aufgekauft, um die Kunden des Hamburger Unternehmens zu bewerben. Zwischen den Vertragspartnern wurde vereinbart, dass nicht nur die in der Werbewirtschaft üblichen und durch § 28 Abs. 3 Nr. 3 BDSG gestatteten Daten wie Name, Anschrift, Zugehörigkeit zu einer Personengruppe übermittelt wurden, sondern eine Vielzahl von Daten, durch die der Datenaufkäufer in die Lage versetzt wurde, bei den einzelnen potenziellen Neukunden auch festzustellen, ob es sich um „interessante Akquiseobjekte“ handelte. Im Einzelnen wurden folgende Daten übermittelt: Lieferadressen-/ Kundennummer, Liefername, Lieferstraße, Lieferort, Adressenabnahmestelle, Rechnungsadresse, Telefon-/Faxnummer, E-Mail-Adresse, Bankverbindung, Kontoinhaber, Zahlungsart, Kundenart, Besteuerung, Lieferbeginn und Verbrauch. Wir haben das Berliner Unternehmen darauf hingewiesen, dass es für den Kauf eines derartigen Datensatzes keine Rechtsgrundlage im Bundesdatenschutzgesetz gibt und somit die Erhebung und Speicherung dieser Daten rechtswidrig war und nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG auch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden könnte.“ 65 Kapitel III Mögliche Datenlieferanten 132 Da für eine zulässige Übermittlung die in der Liste zusammenge- fasste Personengruppe nur durch ein einziges Merkmal beschrieben sein darf, werden die Möglichkeiten, die sich aus dem Listenprivileg ergeben, in der Praxis vielfach als unzureichend angesehen. Oder anders ausgedrückt: Die Berufung auf § 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BDSG wird nur in wenigen Ausnahmefällen möglich sein. 133 Die Marketingzwecke privilegierende Zulässigkeitsregel des § 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BDSG schließt den Rückgriff auf die übrigen Übermittlungserlaubnisse des § 28 BDSG nicht aus. Danach kann sowohl das eigene berechtigte Interesse als auch ein solches des Datenempfängers die Übermittlung von Kundendaten zu Marketingzwecken rechtfertigen (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG bzw. § 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BDSG). Das Unternehmen muss aber davon ausgehen können, dass hierdurch schutzwürdige Interessen der Betroffenen nicht beeinträchtigt werden. 134 Kann Letzteres - wie es z.B. bei dem Bankgeheimnis unterworfe- nen Daten der Fall ist - nicht ausgeschlossen werden, so ist eine Einwilligung des Kunden einzuholen. Dabei sind zum einen die Datenflüsse, Zweckbestimmungen und konkreten Empfänger75 hinreichend zu beschreiben. Zum anderen ist der Kunde darauf hinzuweisen, dass er die Erklärung auch streichen bzw. jederzeit widerrufen kann. 75 66 So sind nach Ansicht der Aufsichtsbehörden bei Übermittlungen im Finanzverbund die möglichen Datenempfänger - die Angabe „Verbundpartner“ oder „inländische Tochtergesellschaften“ allein genügt nicht - ebenso zu nennen wie die zu übermittelnden Daten, wobei der Zusatz „und vergleichbare Daten“ der Kreditwirtschaft die Möglichkeit gibt, in gewissem Umfang auf veränderte Bedingungen zu reagieren (vgl. HambDSB, 16. Tätigkeitsbericht (1997), S. 88). Von der Benennung der selbständigen Außendienstmitarbeiter wird in der Praxis im Hinblick auf deren Vielzahl und Fluktuation abgesehen. Die abstrakte Angabe ist aber erforderlich (Beispiel: „des für ihren Bezirk zuständigen Außendienstmitarbeiters/Finanzberaters“). Ist der Empfänger mit Adresse benannt, so entfällt für ihn die Benachrichtigungspflicht nach § 33 BDSG. Mögliche Datenlieferanten Kapitel III Einwilligungserklärung76 für die Datenübermittlung zwischen der Bank und ihren Kooperationspartnern Die Erklärung ist freiwillig und ohne Einfluss auf den Vertrag mit der Bank. Die ... -Bank (genaue Anschrift) und ... (jeweils genaue Anschrift) - im Folgenden Kooperationspartner genannt arbeiten im Interesse einer umfassenden Beratung und Betreuung ihrer Kunden zusammen. Damit mich/uns auch die Kooperationspartner der o. a. Bank sowie deren zuständige Außendienstmitarbeiter in allen Fragen zu Finanzdienstleistungen (z.B. Bausparen, Baufinanzierung, Immobilienvermittlung, sonstige Kreditinstituts- und Versicherungsprodukte) umfassend beraten können, bin ich/sind wir damit einverstanden, dass die o.a. Bank den Kooperationspartnern bzw. deren zuständigen Außendienstmitarbeitern die für die Aufnahme und Durchführung der Beratung erforderlichen Angaben zur dortigen Datenverarbeitung und Nutzung übermittelt. Übermittelt werden dürfen (einzelne Datenkategorien können gestrichen werden): - Personalien (Name, Anschrift, Geburtsdatum, Familienstand, Beruf oder vergleichbare Daten) - Kontokorrent (Saldo/Limit oder vergleichbare Daten) - Karten (Produkt/Anzahl oder vergleichbare Daten) - Einlagen (Produktart, Guthaben, Verzinsung, Laufzeit oder vergleichbare Daten) - Kredite (Produktart, Guthaben, Verzinsung, Laufzeit oder vergleichbare Daten) 76 Der Text wurde entnommen bei Schaffland/Wiltfang, BDSG, § 4a, Anhang 1 (Stand: Lieferung 1/07). 67 Kapitel III Mögliche Datenlieferanten Verwahrungsgeschäfte (Kurswert oder vergleichbare Daten). In diesem Rahmen entbinde ich/entbinden wir die o. a. Bank zugleich vom Bankgeheimnis. Ich bin einverstanden. Ich bin nicht einverstanden. Die vorstehenden Einwilligungserklärungen kann ich/können wir ohne Einfluss auf den Vertrag mit der Bank jederzeit für die Zukunft widerrufen. ___________________ __________________________ (Ort, Datum ) (Unterschrift des Kunden) - 4. Lettershop und Listbroking 135 Möglichkeiten des gezielten Versands der Werbebotschaft kö n- nen auch ohne Übermittlung der Daten dadurch realisiert werden, dass Listeigner - das können z.B. Versandhändler, Buchclubs und ähnliche Unternehmen, aber auch Adresshändler und Direktmarketingunternehmen sein - ihre Datenbestände nach Konsumenten mit gewünschten Merkmalen durchforsten und dann selbst oder unter Einschaltung eines für sie als Auftragnehmer tätigen Lettershops den Versand der Werbung übernehmen. Hier findet dann „nur“ eine Datennutzung und keine Übermittlung statt. Die Datennutzung ist zwar auch im Hinblick auf die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Betroffenen zu überprüfen ist, wird jedoch in der Regel unbedenklich sein. 136 Werbung treibende Unternehmen mit Eignern der für sie inte- ressanten Datenbestände zusammenzuführen, ist die Aufgabe sog. Listbroker (Adressmakler). Ein Listbroker verfügt über dezidierte Kenntnisse der auf dem Markt vorhandenen Adressbestände und vermittelt zwischen Unternehmen, die eine Werbekampagne bei definierten Zielgruppen planen, und Unternehmen, die über entsprechende Datenbestände verfügen. Das reine Listbroking hat keinerlei unmittelbaren Datenumgang zum Gegenstand und ist damit datenschutzrechtlich irrelevant. 68 Allgemein zugängliche Quellen Kapitel IV Kapitel IV: Wie kann man allgemein zugängliche Quellen nutzen? 1. Allgemein zugängliche Quellen Als Konsequenz aus dem Grundrecht der Informationsfreiheit 137 (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) gelten im Hinblick auf den Umgang mit Daten aus allgemein zugänglichen Quellen gewisse Zulässigkeitserleichterungen. Als allgemein zugängliche Quellen sind solche Informationsquel- 138 len anzusehen, die sich sowohl ihrer technischen Ausgestaltung als auch ihrer Zielsetzung nach dazu eignen, einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis Informationen zu vermitteln 77. Hierzu zählen etwa Angaben in Massenmedien, wie Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen, ebenso wie Daten auf Internetseiten oder in CD-ROM-Dateien, Lexika, Adress- und Telefonverzeichnisse78. Öffentliche Verzeichnisse bzw. Register zählen nur dann zu den 139 allgemein zugänglichen Quellen, wenn die Einsichtnahme nicht von einem besonderen berechtigten Interesse abhängig ist (so aber das Schuldnerverzeichnis79 nach § 915 ZPO). Manche Register enthalten Daten, die nur zum Teil allgemein 140 zugänglich sind. Dies gilt z.B. für das Melderegister80. Zwar ist die einfache Melderegisterauskunft (§ 21 Abs. 1 MRRG) von keinerlei Voraussetzungen abhängig, für die erweiterte Auskunft (§ 21 Abs. 2 MRRG) bedarf es dagegen der Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses. Gruppenauskünfte (d.h. Melderegisterauskünfte über eine Vielzahl namentlich nicht bezeichneter Ein77 78 79 80 BVerfGE 27, 71, (83); 27, 104 (108); 33, 52 (65). Simitis in: Simitis (Hrsg.), BDSG, Kommentar, 6. Auflage, Baden-Baden 2006, § 28 Rdnr. 189. Zur Möglichkeit, Daten aus dem Schuldnerverzeichnis zur Bonitätsüberprüfung zu verwenden, vgl. nachfolgend Rdnr. 242 ff. Zum Melderegister vgl. im Einzelnen unter Rdnr. 386 ff. 69 Kapitel IV Allgemein zugängliche Quellen wohner) sind sogar nur bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses zulässig (§ 21 Abs. 3 MRRG). Beispiel (Widerspruch gegen Datenweitergabe): Absender: An die Gemeinde */die Stadt*/ das Amt* ............................................... - Meldebehörde Widerspruch gegen die Weitergabe meiner Daten gemäß §§ 32, 34a, 35 Meldegesetz für das Land MecklenburgVorpommern (Landesmeldegesetz - LMG -) Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit widerspreche ich der Weitergabe meiner Daten an Parteien, Wählergruppen und andere Träger von Wahlvorschlägen im Zusammenhang mit Parlamentsund Kommunalwahlen sowie verfassungsrechtlich oder gesetzlich vorgesehenen Abstimmungen (§ 35 Abs. 1 LMG), an Mandatsträger, Presse oder Rundfunk bei Anfragen nach Alters- oder Ehejubiläen (§ 35 Abs. 2 LMG), an Adressbuchverlage zum Zwecke der Veröffentlichung in einem Adressbuch (§ 35 Abs. 3 LMG) an öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften meiner Familienangehörigen (Ehegatte, minderjährige Kinder, Eltern minderjähriger Kinder), denen ich selbst nicht angehöre (§ 32 Abs. 2 LMG). als einfache Melderegisterauskunft mittels automatisierten Abrufs über das Internet (§ 34a Abs. 2 LMG) Unterschrift, Datum 70 Allgemein zugängliche Quellen Kapitel IV Kommerzielle Interessen (z.B. Werbeinteressen) können ggf. ein 141 berechtigtes, nicht aber ein öffentliches Interesse begründen81. Selbst einfache Melderegisterauskünfte dürfen im Übrigen dann nicht erteilt werden, wenn diese erkennbar für den Zweck der Direktwerbung begehrt werden und der Betroffene einer Weitergabe seiner Daten zu diesen Zwecken zuvor ausdrücklich widersprochen hat, so das BVerwG82 unter Hinweis auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. 2. Erleichterte Erhebungs- und Verarbeitungsbedingungen Adressdaten aus allgemein zugänglichen Quellen können zu 142 Werbezwecken Verwendung finden, es sei denn, die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen am Ausschluss derselben überwiegen offensichtlich (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BDSG). Es müsste also offenkundig sein, dass eine Nutzung der Informationen zu Werbezwecken mit den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen nicht zu vereinbaren ist. So wäre es etwa unzulässig, Todesanzeigen nach Daten der Angehörigen auszuwerten, um diese als mögliche Erben dann zwecks Anlageberatung zu bewerben. Erleichtert verwendbar sind dagegen die an Baustellen ange- 143 brachten Bauscheine, um den Bauherrn oder beteiligten Firmen sachbezogene Leistungen anzubieten83. Gleiches gilt für die Erhebung und Verarbeitung von außen erkennbarer Merkmale des Wohngebäudes 84 und der damit verbundenen Bewertung der Bewohner. Die Nutzung von allgemein zugänglichen Adressen kann aller- 144 dings auch aus anderen rechtlichen Gründen ausgeschlossen sein. So genießen Adresssammlungen als Datenbankwerke i.S.d. 81 82 83 84 Medert/Süßmuth, Melderecht des Bundes und der Länder, LoseblattKommentar, § 21 MRRG Rdnr. 45 (Stand: 21. Lieferung, Juni 2004). Urteil vom 21.06.2006 - 6 C 05/05 -, RDV 2006, S. 263. Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 28 Rdnr. 45a; a.A. Simitis in: Simitis (vgl. Fn. 78), § 28 Rdnr. 190. Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 28 Rdnr. 45. 71 Kapitel IV Allgemein zugängliche Quellen § 87a Urheberrechtsgesetz in der Regel Urheberrechtsschutz85. Auch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vieler Adressdatenbanken finden sich Bestimmungen, die eine werbliche Nutzung der enthaltenen Daten ausschließen. Zu beachten ist ferner, dass der Betroffene über den dem Erhebungsvorgang nachfo lgenden Verarbeitungsprozess - also die Übernahme und Speicherung der Daten - grundsätzlich86 gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 BDSG zu benachrichtigen ist. Das speichernde Unternehmen hat gemäß § 33 Abs. 2 S. 2 BDSG schriftlich festzuhalten, unter welchen der gesetzlich geregelten Voraussetzungen ggf. von einer Benachrichtigung abgesehen wird. 145 Die Zusammenführung von Daten aus verschiedenen allgemein zugänglichen Quellen ist nur eingeschränkt zulässig. So wird von den Datenschutzaufsichtsbehörden bemängelt, wenn Kleinanzeigen ausgewertet werden, um aus den dort angegebenen Telefonnummern mittels einer sog. Inverssuche 87 Adressdaten für Werbezwecke zu erhalten: Indem der Betroffene nur seine Telefonnummer angegeben habe, habe er kundgetan, dass er nur telefonisch und von konkreten Interessenten angesprochen werden wolle und sein Name und seine Adresse unbekannt bleiben sollen. 85 86 87 72 So hat der BGH (Urteil vom 06.05.1999 - I ZR 199/96 -, RDV 1999, S. 263 = NJW 99, S. 2898) Telefonbüchern als Datenbanken i.S.d. § 87a UrhG Urheberrechtsschutz gewährt. Eine Übernahme der Daten durch Dritte zur Herstellung von Telefonbuch-CDs ist danach ohne entsprechende Nutzungsvereinbarung unzulässig. Zum Verfahren und den insoweit bestehenden Ausnahmen vgl. nachfolgend Rdnr. 411 ff. § 105 Abs. 3 TKG erlaubt die Auskunft über Namen oder Namen und Anschrift von Teilnehmern, von denen nur die Rufnummer bekannt ist. Eine solche Inverssuche ist jedoch nur erlaubt, wenn der Teilnehmer im Telefonbuch oder einem öffentlichen elektronischen Telefonverzeichnis eingetragen ist und gegen die Inverssuche keinen Widerspruch bei dem Telekommunikationsunternehmen eingelegt hat. Dieses hat den Widerspruch in den Telefonverzeichnissen zu vermerken. Optimierung von Adressmaterial Kapitel V Kapitel V: Welche Möglichkeiten bestehen zur Optimierung von Adressmaterial? 1. Allgemeines Nicht zu verkennen ist das Interesse von Unternehmen, nur sol- 146 che Personen werblich anzusprechen und als Kunden zu gewinnen, die im Hinblick auf ihre Kaufkraft als Käufer der angebotenen Produkte in Frage kommen. Dazu bedarf es über die Adresse hinausgehender Angaben. Ferner sollen nach Möglichkeit solche Adressen direkt ausgesondert werden, bei denen der Abschluss des Geschäfts möglicherweise zu einem finanziellen Risiko führt. Zu beachten ist allerdings, dass das bloße Interesse, nur „er- 147 wünschte“ Kunden werblich ansprechen zu wollen, das Erheben und Speichern von Daten über die konkrete finanzielle Situation einer Person regelmäßig nicht rechtfertigen kann. 2. Aussortieren durch Waschabgleich Adressbestände können bereinigt werden, indem unerwünschte 148 Werbeadressaten durch Abgleich mittels einer Referenzdatei herausgefiltert werden. Dieser Waschabgleich ist prinzipiell auf zwei Wegen denkbar88: Zum einen besteht die Möglichkeit, dass eine Auskunftei oder ein 149 sonstiger Listeigner den Adressbestand des Unternehmens mit einer bei der Auskunftei bzw. beim Listeigner geführten Datei mit „Negativadressen“ abgleicht und den „bereinigten“ Bestand zurückgibt. Diese Konstellation ist datenschutzrechtlich insofern problematisch, als der Adresseigner mittels der bei ihm vorhandenen Ausgangsdaten die ausgesonderten Adressen rekonstruieren kann. Die darin liegende Datenübermittlung wird in der Regel jedoch erst beim bevorstehenden Abschluss eines Geschäftes 88 Vgl. zum Folgenden Innenministerium Baden-Württemberg, Dritter Tätigkeitsbericht (2005), Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich, S. 25 f. 73 Kapitel V Optimierung von Adressmaterial mit wirtschaftlichem Risiko zulässig sein, da bis zu diesem Zeitpunkt die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen an der Wahrung der Vertraulichkeit ihrer finanziellen Situation überwiegen. 150 Zum anderen kann der Versand der Werbebotschaft durch Ein- schaltung eines Direktmarketingunternehmens oder eines Adressbrokers erfolgen, das bzw. der zuvor einen Waschabgleich durchgeführt hat. Da das Unternehmen in diesem Fall keine Kenntnis erlangt, wer die „schwarzen Schafe“ innerhalb seiner Interessenten-/Kundendatenbank sind, ist dieses Verfahren aus Datenschutzsicht unproblematisch. 3. Bewertung mit Hilfe soziodemografischer Daten 151 Ein weiterer Weg zur Beurteilung der Kaufkraft ist die Bewertung von Adressen durch Heranziehung soziodemografischer Daten (d.h. statistische Daten über die soziale Struktur der Bevölkerung in bestimmten Wohnbereichen) des entsprechenden Wohngebiets oder Straßenabschnitts. 152 Hierbei kann auf das Angebot von Dienstleistern zurückgegriffen werden, die Datenbanken mit entsprechend aufgearbeiteten Informationen entweder zum „Ankauf“ anbieten oder aber die Datenbestände eines Listeigners durch entsprechenden Abgleich mit den soziodemografischen Daten anreichern. Dabei geht es z.B. um die Qualität der Wohnlage, das Wahlverhalten der Bewohner oder die Zahl der Autobesitzer in dem betreffenden Viertel. Diese Daten werden zur Analyse von Interessenten- oder Kundendaten herangezogen, um Adressdaten entsprechend der gewünschten Zielgruppe einordnen zu können (z.B. nach Kaufkraft). 153 Die soziodemografische Datenbank besteht i.d.R. aus anonymi- sierten und kumulierten Datensätzen und ist somit datenschutzrechtlich nicht weiter problematisch. Rechtliche Schwierigkeiten bereitet dagegen die Verknüpfung der soziodemografischen Da74 Optimierung von Adressmaterial Kapitel V ten mit den personenbezogenen Daten der Interessenten bzw. Kunden. Für die Verknüpfung der Daten gilt das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (§ 4 Abs. 1 BDSG). Ob die Bewertung des Kunden mittels statistischer und daher nur bedingt zutreffender Daten zulässig ist, hängt - ähnlich wie bei dem insoweit vergleichbaren Scoring89 - davon ab, welcher Art die zu Grunde liegenden Daten bzw. die hieraus abgeleiteten Erkenntnisse sind. Während die Heranziehung einer statistischen Bewertung der 154 Kaufkraft eines Straßenabschnitts (z.B. an Hand der Häuserstruktur, des Wählerverhaltens, der Berufe der Bewohner) noch durch das legitime Interesse an zielgerichteter Werbung gedeckt ist, sieht dies bei Hinweisen von der Art „asozial“ oder „Asylanten“ oder sonstigen diskriminierenden Angaben anders aus. Unzulässig ist auch, wenn die bewertete Einheit so klein ist, dass es sich nicht mehr um statistische Angaben, sondern um konkrete Aussagen zu einem Haushalt oder sogar einer Person handelt. Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW, 17. Datenschutzbericht 2005, 5.4 Adressen machen Leute? - Statistische Daten zu Kaufkraft und Zahlungsmoral (Auszug): „Das Interesse an Informationen zu Finanzstatus und Bonität privater Haushalte wächst stetig. So möchten sich Unternehmen vor zahlungsunfähigen oder -unwilligen Kundinnen und Kunden schützen und zugleich erfahren, in welchen Wohngebieten sich eine gezielte Werbung überhaupt lohnt. Auch Privatpersonen haben Interesse daran, etwa vor dem Kauf einer Immobilie Informationen über die Wohngegend einzuholen. Zu diesem Zweck können interessierte Personen auf einer CD statistische Adressbewertungen abrufen, die jedoch an datenschutzrechtliche Grenzen stoßen. Dieses gestiegene Informationsbedürfnis diente auch einem Unternehmen in Nordrhein-Westfalen im Berichtszeitraum 89 Vgl. im Einzelnen nachfolgend Rdnr. 265 ff. 75 Kapitel V Optimierung von Adressmaterial als Anlass zu einer Geschäftsidee: die Firma entwickelte eine CD, die Auskunft über statistische Kaufkraftdaten und Risikoklassen privater Haushalte in Deutschland gab. Diese Software bietet der Nutzerin oder dem Nutzer die Möglichkeit, Kaufkraft und Risikostruktur eines ausgewählten Straßenabschnittes zu bestimmen. An dieser Geschäftsidee war neu, die CD in einer Massenauflage in den Handel zu bringen, um sie an beliebig viele Personen verkaufen zu können. Diese CD sorgte für große Aufregung in den Medien und führte zu zahlreichen Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern. (...) Bei der Prüfung des Produkts hat sich herausgestellt, dass bei der Kaufkraftbewertung einzelner Straßen das Ergebnis derart ausfallen kann, dass ein Rückschluss auf einzelne Haushalte und Personen in einigen Konstellationen möglich ist. (...) Insbesondere bei „Neugierauskünften“ über persönlich bekannte Personen wie Nachbarn und Freundinnen oder Freunde ist eine Personenbeziehbarkeit möglich. Gerade diese Verwendungsmöglichkeit wurde in der Werbung für das Programm besonders hervorgehoben. In diesen Fällen bedarf es nicht einmal der Nachforschung mittels eines Adressbuchs, da die Programmnutzenden die Software zur Bewertung konkreter Adressen verwenden, zu denen sie den persönlichen Bezug unmittelbar selbst herstellen können. Da anhand der getroffenen Feststellungen eine Personenbeziehbarkeit der ermittelten Daten gegeben ist und es keine rechtliche Grundlage gibt, nach der eine Kaufkraftbewertung bei möglicher Personenbeziehbarkeit zulässig wäre, ist ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen das Unternehmen wegen unbefugter Übermittlung personenbezogener Daten eingeleitet worden. (...)“ 76 Werbung Kapitel VI Kapitel VI: Wie können Kundendaten zur Werbung eingesetzt werden? 1. Die Interessen von Werbenden und Umworbenen Die werbliche Ansprache potenzieller Interessenten ist, auch 155 wenn sie zuvor nicht gefragt wurden, nicht schon per se rechtswidrig. Im Gegenteil: Die werbliche Betätigung genießt nicht nur Grundrechtsschutz 90, sondern sie dient - wie die Rechtsprechung91 anerkannt hat - dem Interesse der Allgemeinheit an Informationen über das Marktgeschehen und dem Interesse des Einzelnen hinsichtlich der Ausrichtung seines Konsumverhaltens. Gleichwohl sollte die Zahl derer, die sich durch adressierte Wer- 156 bung belästigt fühlen, nicht unterschätzt werden. Zudem gehen Gesetzgeber und Rechtsprechung davon aus, dass dem erklärten bzw. erkennbaren Willen eines Bürgers, von unerwünschter Werbung verschont zu bleiben, grundsätzlich Rechnung zu tragen ist 92. 93 So entschied der BGH bereits vor knapp 20 Jahren hinsichtlich 157 erkennbar unerwünschter (z.B. durch Anbringen von entsprechenden Briefkastenaufklebern) nicht adressierter Briefkastenwerbung. Die Gerichte räumen dem Haus- oder Wohnungseigentümer bzw. -besitzer aus §§ 1004, 903, 862 BGB das Recht ein, 90 91 92 93 Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 18.02.2002 - 1 BvR 1644/01 -, NJW 2002, S. 3091. Vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 28.02.1985 - 4 O 7731/84 -, NJW 1985, S. 1642: „Schließlich dient Werbung im allgemeinen und die Werbedrucksache im besonderen im Interesse durchsichtiger Marktlage der erwünschten Information des Publikums.“; ähnlich LG Berlin, Urteil vom 06.01.1984 - 15 O 654/83 -, NJW 1984, S. 2423 f.: „Werbung ist ein heute nicht mehr wegzudenkender Faktor der Kommunikation. (…) Werbung liefert zudem Informationen, die vielfach nützlich sein können.“ Vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 21.08.1987 - 2 U 33/87 -, ZIP l987, S. l487; BVerwG, Urteil vom 21.04.1989 - 7 C 48.88 -, NJW l989, S. 2409 = RDV l989, S. l7l. Urteil vom 20.12.1988 - VI ZR 182/88 -, NJW l989, S. 902 = RDV l989, S. l24. 77 Kapitel VI Werbung sich gegen eine Beeinträchtigung seiner räumlich-gegenständlichen Sphäre durch das Aufdrängen von unerwünschten Werbematerialien zur Wehr zu setzen. 158 Auch das BDSG greift diesen Schutzanspruch auf, indem es dem Betroffenen ein Recht gibt, der Verarbeitung personenbezogenen Daten zu Werbezwecken zu widersprechen (§ 28 Abs. 4 BDSG). Die Datenschutzaufsichtsbehörden gewähren den betroffenen Bürgern insoweit Hilfestellung. „Adressenhandel und Umgang mit unerwünschter Werbung“ ist der Titel einer kostenlos zu beziehenden Informationsschrift 94. Sie geben auch vorgedruckte Postkarten aus, mit denen Bürger der Nutzung oder Übermittlung ihrer personenbezogenen Daten für Werbezwecke widersprechen können. 159 In einer Reihe von bereichsspezifischen Regelungen geht der Gesetzgeber noch einen Schritt weiter, indem er die Nutzung von Kundendaten für Werbezwecke ausdrücklich oder inzidenter an die Einwilligung des Kunden knüpft. 160 Das Erfordernis der Einwilligung in die Verarbeitung oder Nut- zung von Kundendaten zu Werbezwecken kann sich zunächst daraus ergeben, dass der Gesetzgeber die Verarbeitung oder Nutzung von personenbezogenen Daten nur für bestimmte, abschließend genannte Zwecke gestattet und dabei Marketing bzw. Werbung nicht benennt. Ein Beispiel hierfür sind die die Werbung nicht umfassenden abschließenden Verarbeitungs- und Nutzungsregelungen des TMG. Das TKG erlaubt dem Telekommunikationsdienstleister die Werbung nur für eigene Zwecke, lässt somit eine Übermittlung zu Werbezwecken ohne Einwilligung nicht zu. 161 Den Sozialleistungsträgern ist die Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten nur zu bestimmten aufgeführten Zweckbestimmungen gestattet, wozu die Werbung grundsätzlich nicht gehört. 94 78 Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Ratgeber zum Datenschutz Nr. 2 (Bezugsquelle: www.datenschutz-berlin.de). Werbung Kapitel VI Soll die werbliche Ansprache elektronisch (Telefon, Fax, E-Mail) 162 erfolgen, fordert der Gesetzgeber im Regelfall ebenfalls die vorherige Einwilligung des Adressaten95. Geht es also darum, potenzielle Kunden gezielt anzusprechen, sei 163 es, dass man auf die eigene Kunden- und Interessentendatei zurückgreift, sei es, dass man Adressen von Adresshändlern oder anderen Unternehmen bezieht, so ist die Zulässigkeit an den erklärten oder vermuteten Willen des Betroffenen geknüpft. Je nach Art der Ansprache darf er entweder nicht gegen seinen Willen oder erst nach seiner Einwilligung beworben werden. 2. Briefwerbung/Mailings 2.1 Die informierte Duldung Briefwerbung ist im Regelfall so lange zulässig, wie der Empfän- 164 ger nicht widersprochen hat, d.h. die Briefwerbung duldet. Handelt es sich um nicht adressierte Sendungen, kann der Wi- 165 derspruch durch äußerliche Hinweise (Briefkastenaufkleber) erfolgen. Dabei kann der Betroffene differenzieren96. Der Hinweis „Keine Werbung einwerfen“ erstreckt sich nach der Auslegung nur auf unadressierte Werbesendungen und lässt damit die Zustellung von Anzeigeblättern nebst Werbebeilage weiter zu97. Sollen auch Anzeigenblätter nicht zugestellt werden, so ist dies deutlich zu erklären (etwa mit dem Hinweis „Keine Werbung und keine Anzeigenblätter“). Werbebeilagen in Abonnementtageszeitungen kann der Empfänger nicht untersagen. Hier bleibt nur der Verzicht auf den Bezug der Zeitung 98. Die Pflicht zur Beachtung des Werbeverbots gilt auch für die Post, d.h., auch dem Briefträ95 96 97 98 Vgl. im Einzelnen nachfolgend Rdnr. 182 ff. Rath-Glawatz, Rechtsfragen der Haushaltswerbung (Briefkastenwerbung) Dargestellt anhand der Rechtsprechung zur Markteinführung von „Einkauf Aktuell“, K&R 2007, S. 295, 297. OLG Stuttgart, Urteil vom 12.11.1993 - 2 U 117/93 -, NJW-RR 1994, S. 502; a.A.: OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.07.1991 - 18a U 46/91. LG Bonn, Urteil vom 09.01.1992 - 15 O 341/91 -, NJW 1992, S. 1112. 79 Kapitel VI Werbung ger ist es untersagt, mit der Tagespost zu verteilende unadressierte Werbesendungen einzuwerfen. 166 Ist auf der Werbezuschrift eine Adresse (adressierte Werbung) aufgebracht, muss sie von dem Postzusteller auf Grund des B eförderungsauftrages dem Adressaten zugeleitet werden. Der Empfänger muss sich gegen weitere Zusendungen - und dem damit verbundenen Einsatz seiner Daten - beim Absender (werbendes Unternehmen) bzw. den für die Datenverarbeitung verantwortlichen Stellen verwahren. Das Recht, adressierter Werbung zu widersprechen, ist auch im BDSG geregelt. § 28 Abs. 4 S. 1 BDSG: Widerspricht der Betroffene bei der verantwortlichen Stelle der Nutzung oder Übermittlung seiner Daten für Zwecke der Werbung oder der Markt- und Meinungsforschung, ist eine Nutzung oder Übermittlung für diese Zwecke unzulässig. 167 Auf dieses Recht ist der Betroffene entsprechend hinzuweisen. § 28 Abs. 4 S. 2 und 3 BDSG: Der Betroffene ist bei der Ansprache zum Zwecke der Werbung oder der Markt- und Meinungsforschung über die verantwortliche Stelle sowie über das Widerspruchsrecht nach Satz 1 zu unterrichten; soweit der Ansprechende personenbezogene Daten des Betroffenen nutzt, die bei einer ihm nicht bekannten speichernden Stelle gespeichert sind, hat er auch sicherzustellen, dass der Betroffene Kenntnis über die Herkunft der Daten erhalten kann. Widerspricht der Betroffene bei dem Dritten, dem die Daten nach Absatz 3 übermittelt werden, der Verarbeitung oder Nutzung für Zwecke der Werbung oder Markt- und Meinungsforschung, hat dieser die Daten für diese Zwecke zu sperren. 168 Die Pflicht, auf das Widerspruchsrecht hinzuweisen, besteht im Zusammenhang mit grundsätzlich jeder Ansprache zum Zwecke 80 Werbung Kapitel VI der Werbung 99. Eine ständige Wiederholung des Hinweises ist im Rahmen laufender Kontakte nicht zwingend, sofern sichergestellt ist, dass der Betroffene die Information bereits erhalten hat. Zur Steigerung der Akzeptanz der Werbemaßnahmen empfiehlt es sich, die Widerspruchsmöglichkeit bereits bei der Erhebung der Kundendaten anzubieten. Der Hinweis braucht dann nicht bei jeder folgenden Ansprache wiederholt zu werden100 . Formulierungsbeispiel: Bei der Datenerhebung: Wir verarbeiten diese Daten zur Durchführung Ihrer Bestellung und um Ihnen Informationen über unsere Produktpalette zukommen zu lassen. Wenn Sie derartige Informationen nicht wünschen, kreuzen Sie bitte hier an: O Bei der werblichen Ansprache: Wenn Sie derartige Informationen künftig nicht mehr wünschen, bitten wir um einen entsprechenden Hinweis, den wir selbstverständlich sofort b erücksichtigen werden. oder Wenn Sie künftig unsere interessanten Angebote nicht mehr erhalten möchten, können Sie bei uns der Verwendung Ihrer Daten für Werbezwecke widersprechen 101. Der Hinweis muss so erfolgen, dass er für den Empfänger augen- 169 fällig ist, sei es, dass er gesondert in dem Mailing oder dem zugesandten Bestellformular erscheint, sei es, dass er an deutlicher 99 100 101 Entsprechende Regelungen finden sich in speziellen Datenschutzvorschriften: § 95 Abs. 2 S. 2 und 3 TKG gestattet dem Anbieter von Telekommunikationsdiensten, die im Rahmen einer bestehenden Kundenbeziehung erhaltene Rufnummer, E-Mail-Adresse oder Postadresse für die Versendung von Text- und Bildmitteilungen zu Werbe- und Marktforschungszwecken zu verwenden, es sei denn, dass der Teilnehmer widersprochen hat. Der Teilnehmer ist bei der Erhebung oder der erstmaligen Speicherung der Rufnummer oder Adresse und bei jeder Versendung einer Nachricht auf sein Widerspruchsrecht hinzuweisen. Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 28 Rdnr. 63. Entnommen: DDV (Hrsg.), Best Practice Guide Nr. 3, BDSG 2001, 4. Auflage, Januar 2007, Ziff. 2.1.1. 81 Kapitel VI Werbung Stelle auf der Umschlagseite eines Katalogs oder auf der Rückseite des Kuverts abgedruckt ist. 2.2 Information über die „verantwortliche Stelle“ 170 Voraussetzung für die Ausübung des Widerspruchsrechts ist, dass der Betroffene weiß, wer Adressat des Widerspruchs ist. Daher verpflichtet § 28 Abs. 4 S. 2 BDSG, bei der werblichen Ansprache die Stelle zu benennen, die über die Daten des Kunden verfügt. In der Regel wird dies das werbende Unternehmen sein. Häufig verfügt dieses aber nicht selbst über die verwendeten Anschriften, sondern es hat sie - wie dargestellt102 - anderweitig zur dortigen Nutzung zwecks Versands angemietet. 171 Dann ist entweder der Adresseigner als Adressat des Wider- spruchs mitzuteilen. Formulierungsbeispiel: Wenn Sie zukünftig keine Informationen mehr über unsere Produkte erhalten möchten, können Sie der Verwendung Ihrer Daten für Werbezwecke widersprechen. Bitte wenden Sie sich hierzu an die Firma (…). 172 Oder es wird sichergestellt, dass ein bei dem werbenden Unter- nehmen eingehender Widerspruch auch an die Daten speichernde Stelle gelangt. Auf Werbeunterlagen sind insoweit regelmäßig Prüfnummern angebracht, die auf die Datenquelle hinweisen. Formulierungsbeispiel: Wenn Sie unsere interessanten Angebote nicht mehr erhalten möchten, können Sie bei uns der Nutzung Ihrer Daten für Werbezwecke widersprechen. Teilen Sie uns dies bitte schriftlich unter Beifügung des Werbemittels mit Ihrer Adresse mit 103. 102 103 82 Vgl. im Einzelnen vorstehend Rdnr. 120 ff. Entnommen: DDV (Hrsg.), Best Practice Guide Nr. 3, BDSG 2001, 4. Auflage, Januar 2007, Ziff. 2.1.2. Werbung 2.3 Kapitel VI Ausübung des Widerspruchs Für die Ausübung des Widerspruchs ist keine bestimmte Form 173 vorgeschrieben. Er kann daher auch schlüssig erklärt werden. Die Mitteilung über den Abbruch der Geschäftsbeziehungen enthält ebenso den Willen, nicht mehr umworben zu werden, wie die Verweigerung der Annahme von Werbesendungen. Bei der Ausübung des Widerspruchs kann der Betroffene auch 174 differenziert vorgehen, indem er sich z.B. nicht gegen die Zusendung jeglicher Werbung ausspricht, sondern etwa nur die Übermittlung seiner Daten an andere Unternehmen zu Werbezwecken untersagt. 2.4 Handlungspflichten des Unternehmens Folge eines Widerspruchs ist zunächst ein entsprechendes Ver- 175 wendungsverbot, wonach mit Zugang (§ 130 BGB) des Widerspruchs die Nutzung und/oder Übermittlung der Daten zu den beanstandeten Zwecken der Werbung und/oder Markt- und Meinungsforschung unzulässig ist. Gleiches gilt für die zukünftige Erhebung von Daten zu den beanstandeten Zwecken. Sind die Daten in einer Datei nicht ausschließlich zu Werbezwe- 176 cken, sondern auch mit einer anderen (zulässigen) Zweckbestimmung enthalten (z.B. in einer - nicht nur der Werbung dienenden - allgemeinen Kundendatei), so bleiben die Daten für den anderen Zweck weiterhin legitim gespeichert. Das werbebezogene Nutzungsverbot ist jedoch zu vermerken, d.h., die Daten sind für Werbezwecke zu sperren. Dies kann entweder dadurch geschehen, dass der jeweilige Datensatz mit einem entsprechenden Vermerk versehen wird, oder dadurch, dass eine separate Sperrdatei aufgebaut wird, mit der vor Durchführung von Werbeaktionen ein Abgleich vorgenommen wird. Das Werbeverbot gilt für jede Form der werblichen Ansprache. 177 Untersagt ist es somit auch, der im Rahmen einer laufenden Vertragsbeziehung versandten Korrespondenz Werbeblätter beizu83 Kapitel VI Werbung legen, es sei denn, dass diese sich auf die Gestaltung der Vertragsbeziehung erstrecken 104. So kann eine Kreditkartenorganisation unter Hinweis auf erhöhte Zinsen für Guthaben auf dem Kreditkartenkonto für entsprechende Anlagen werben, eine Aufforderung zur „honorierten“ Gewinnung neuer Kreditkarteninhaber gehört schon nicht mehr dazu105. 178 Zu beachten ist, dass selbst ausschließlic h zu Werbezwecken gespeicherte Daten bei Vorliegen eines Widerspruchs entgegen § 35 Abs. 2 Nr. 1 BDSG nicht vollständig gelöscht werden müssen. Soll dem Wunsch des Betroffenen nach Unterlassung von Werbung so weit wie möglich Rechnung getragen werden, sollte diese Tatsache in einer Sperrdatei weiterhin gespeichert bleiben106 . Sollen nämlich künftig für Werbeaktionen fremde oder neu angekaufte Adressbestände (mit-)verwendet werden, ist ansonsten nicht auszuschließen, dass die Person, die den Widerspruch erhoben hat, in den Neuadressen wieder erscheint107 . Über die Aufnahme in die Sperrdatei ist der Betroffene zu benachrichtigen; dies gilt jedenfalls für den Fall, dass er die Löschung seiner Daten beantragt hat. Möglicherweise wird es der Betroffene dann vorziehen, zufällig hin und wieder von unver104 105 106 107 84 Simitis in: Simitis (Fn.78), § 28 Rdnr. 278; Gola/Wronka, Das Widerspruchsrecht gegenüber der Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken der Werbung, RDV 1996, S. 217, 220. Vgl. allerdings auch OVG Lüneburg, Urteil vom 15.03.1988 - 10 OVG A 12/86 -, RDV 1988, S. 265 zur Beifügung von Werbebeilagen in Postgirosendungen. Die Rechtslage ist insofern mit derjenigen bei der Telefonwerbung zu vergleichen, im Rahmen derer solche Anrufe ohne Einwilligung in Betracht kommen, die der Klärung mit dem Vertragsverhältnis zusammenhängender Fragen dienen. Vgl. hierzu im Einzelnen unter Rdnr. 187. Dieses Vorgehen entspricht der Empfehlung der Datenschutzaufsichtsbehörden, vgl. Innenministerium Baden-Württemberg, Hinweise zum BDSG Nr. 34 (im Internet bereitgestellt unter www.im.bwl.de). Vgl. auch OLG Bamberg, Urteil vom 12.05.2005 - 1 U 143/04 -, DuD 2005, S. 618. Danach hat der von belästigenden E-Mails Betroffene einen Anspruch auf Löschung seiner Daten. Geht sein Anspruch dahin, vor weiteren Belästigungen geschützt zu werden, so besteht für die E-Mail-Adresse nur ein Anspruch auf Sperrung. Werbung Kapitel VI langter Werbung "belästigt" zu werden, als in einer Art "Querulantendatei" gespeichert zu sein. Wohlgemerkt: Das Gesetz verlangt diese Vorgehensweise nicht zwingend, aus Imagegründen ist eine solche kundenfreundliche Reaktion aber zu empfehlen. Formulierungsbeispiel:108 Ihrem Wunsch, von uns keine Werbung mehr zu erhalten, werden wir unverzüglich Rechnung tragen. Dies ist aber im Hinblick auf zukünftige Werbeaktionen nur zuverlässig möglich, wenn wir Sie in die bei unsere „Werbesperrdatei“ aufnehmen. Sofern Sie möchten, dass Ihre Daten gelöscht werden, kommen wir selbstverständlich auch dem nach, können jedoch bei Nutzung neuer Adressbestände dann nicht mehr ausschließen, dass sich auch Ihre Adresse darunter befindet. Kommt das Unternehmen dem Widerspruch gegen die Werbung 179 nicht nach, hat der Kunde einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch (§ 1004 BGB), den er gerichtlich durchsetzen kann. Übermittelt ein Unternehmen Daten trotz vorliegenden Wider- 180 spruchs an Dritte, so wird dies je nach Sachlage als Ordnungswidrigkeit (§ 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG) oder Straftat (§ 44 Abs. 1 BDSG)109 sanktioniert. Eine Ordnungswidrigkeit ist auch die fehlende Belehrung über das Widerspruchsrecht (§ 43 Abs. 1 Nr. 3 BDSG). 2.5 Die Robinsonliste Als freiwillige Aktion bietet der Deutsche Direktmarketing Ver- 181 band e.V. (DDV) den Eintrag in die sog. „Robinsonliste“ 110 an. Mit 108 109 110 Anmerkung: Diese Variante kommt nur in Betracht, wenn keine weiteren Beziehungen zum Interessenten bestehen. Bei einer laufenden Kundenbeziehung kommt ein Löschen nicht in Betracht. Vgl. hierzu nachfolgend Rdnr. 439 ff. Antragsformulare sind unter http://www.direktmarketing-info.de/mailing/ Robinsonliste.pdf oder unter der folgenden Postadresse erhältlich: DDV Robinsonliste, Postfach 1401, 71243 Ditzingen. 85 Kapitel VI Werbung ihrer Hilfe kann man sich gegen adressierte Werbung generell oder auch nur gegen Werbung im Hinblick bestimmte Angebotsbereiche wehren 111. Die Liste bietet der Verband sowohl Mitgliedern als auch Nichtmitgliedern gegen ein Entgelt in einer regelmäßig aktualisierten Version zum Abgleich mit ihren Adressbeständen an. Eine allgemeine Pflicht von Unternehmen zur Nutzung der Liste besteht nicht 112. Hierzu besteht auch keine Verpflichtung gegenüber dem Betroffenen, wenn sich Unternehmen zur Beachtung der Liste in einer Art Selbstverpflichtung festlegen 113. Jedoch ist der Eintrag dann zu beachten, wenn die Liste zur Kenntnis genommen wurde. Zudem muss sich ein Unternehmen, das die Liste nicht nutzt, natürlich fragen, ob Werbung bei erklärten Werbegegnern nicht kontraproduktiv wirkt. 3. Telefon-, Fax- und E-Mail-Werbung 3.1 Allgemeines 182 Werbende Unternehmen nutzen vermehrt auch die Möglichkei- ten der elektronischen Kommunikation. Hierzu gehört einmal die zumeist in „profimäßiger“ Organisation von Call Centern durchgeführte telefonische Ansprache. 2005 waren in Deutschland rund 5.500 Call Center mit 330.000 Mitarbeitern tätig. 183 Daneben werden Werbebotschaften - u.a. in Form regelmäßig versandter Newsletter - massenhaft mittels elektronischer Post (E-Mail) auf den Weg gebracht. Obwohl die Rechtslage eindeutig und Werbung auf elektronischem Wege (Telefon, Fax, E-Mail, SMS) gemäß § 7 UWG regelmäßig an die zuvor erteilte Einwilli111 112 113 86 Die Zahl der eingetragenen Adressen liegt bei 555.000 (Stand: April 2005). Im Hinblick auf Nachweise für andere Auffassungen vgl. bei Gola/ Schomerus (vgl. Fn. 40), § 28 Rdnr. 60. Jedenfalls vor einer geschäftsmäßigen Vermarktung von Adressen sind Robinsondaten zu entfernen, vgl. Gola/Wronka, Das Widerspruchsrecht gegenüber der Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken der Werbung, RDV 1996, S. 217, 221. Es genügt insofern auch nicht, Personen, die einen Werbewiderspruch einlegen, lediglich auf die Robinsonliste zu verweisen; vgl. Innenministerium Baden-Württemberg, Hinweise zum BDSG Nr. 34, RDV 1996, S. 44 ff. Werbung Kapitel VI gung geknüpft ist114 , besteht ein erheblicher Unterschied zwischen Rechtslage und praktizierter Wirklichkeit. Die Menge unzulässiger Telefon-115 , Fax- und insbesondere E-Mail-Werbung, der der Betroffene in der Regel hilflos gegenüber steht, ist beachtlich. Spam hat inzwischen Ausmaße angenommen, dass die Umworbenen Techniken einsetzen, um sich zur wehren116 . Aber auch wenn es nicht um Werbung geht, so muss die elektro- 184 nische Ansprache unterbleiben, wenn sie dem erklärten oder erkennbaren Willen des Betroffenen zuwider läuft. Der Wunsch, im Rahmen einer Telefonumfrage nicht als befragte Person ausgewählt zu werden, wird z.B. schon dann anzunehmen sein, wenn der Betroffene seine Telefonnummer gar nicht oder nicht in automatisiert geführten Verzeichnissen bekannt gegeben hat. 3.2 Werbung per Telefon 3.2.1 Allgemeines Telefonwerbung wurde bereits von der Rechtsprechung117 und 185 wird nunmehr auch vom Gesetzgeber enge Grenzen gezogen 118. 114 115 116 117 118 Vgl. bereits BGH, Urteil vom 19.06.1970 - I ZR 115/68 -, GRUR 1970, S. 524 = MDR 1970, S. 826 (Telefonwerbung I) und BGH, Urteil vom 08.06.1989 - I ZR 178/87 -, NJW 1989, S. 2820 (Telefonwerbung II) sowie BGH, Urteil vom 11.03.2004 - I ZR 81/01 -, RDV 2004, S. 168 (E-Mailwerbung). Um sich von den „schwarzen Schafen“ im Telefonmarketing abzugrenzen, haben sich im DDV organisierte Anbieter von TeleMedien- und Call CenterServices in einem Council zusammengeschlossen, der sich im Rahmen einer Selbstverpflichtung einen Ehrenkodex gegeben hat. Vgl. hierzu unter http://www.ddv.de/unsere_aufgaben/index_unsere_aufgaben_councilstelemedien.html. Zu sog. Spam-Filtern und ihrer Zulässigkeit vgl. bei Gola, Datenschutz und Multimedia am Arbeitsplatz, Frechen 2005, Rdnr. 95 ff. Dazu, dass sich an den bis dato von der Rechtsprechung gezogenen Zulässigkeitsgrenzen durch das neue UWG nichts geändert hat: Busse (vgl. Fn. 24), RDV 2005, S. 260; Heil (vgl. Fn. 24), RDV 2004, S. 205; Schulze zur Wiesche (vgl. Fn. 24), CR 2004, S. 742. Zunehmend werden auch sog. Sprachcomputer eingesetzt. Derartige Anrufe unterliegen den gleichen Bedingungen wie persönliche Gespräche. 87 Kapitel VI Werbung In Umsetzung europäischen Rechts119 konkretisiert § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG das in § 3 UWG ausgesprochene Verbot unlauteren Wettbewerbs für das Telefonmarketing. Danach handelt unlauter, wer Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern120 ohne deren Einwilligung bzw. gegenüber sonstigen Marktteilnehmern121 ohne deren zumindest mutmaßliche Einwilligung betreibt122. 186 Mit dem Verstoß gegen § 7 UWG korrespondiert eine Verletzung des BDSG: Unlautere Werbemaßnahmen sind mangels legitimer Zweckbestimmung nicht durch § 28 BDSG gedeckt. 187 Auch bei bestehenden Vertragsbeziehungen sind nur Anrufe ge- stattet, die der Klärung von unmittelbar mit dem Vertragsverhältnis zusammenhängenden Fragen dienen. Unter das Verbot der sog. „Cold Calls“ können auch schon Anrufe fallen, die den Kunden zur inhaltlichen Änderung des bestehenden Vertrages bewegen sollen123 . Unzulässig ist es auch, telefonisch nachzufragen, wie ein Kunde eine ihm zuvor zugesandte Werbung bewerte 124. 119 120 121 122 123 124 88 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) vom 12.07.2002 (Amtsblatt L 201/37). Gemäß § 13 BGB ist dies jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG sind "Marktteilnehmer" neben Mitbewerbern und Verbrauchern alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind. Zur Forderung nach einer Liberalisierung des Telefonmarketings vgl. Engels, Liberalisierung des Telefonmarketings, Mehrwert durch Selbstregulierung, K&R 2002, S. 642; vom Bundesrat gewünschte Lockerungen - BundestagsDrucksache 15/1487, S. 31 - konnten sich nicht durchsetzen. OLG Frankfurt, Urteil vom 21.07.2005 - 6 U 175/04 -, RDV 2005, S. 269; des Weiteren OLG Köln (Urteil vom 23.11.2001 - 6 U 133/01 -, RDV 2002, S. 82) bezüglich eines Anrufs, mit dem der Kunde zur Umstellung seines „Normaltelefontarifs“ auf einen Spezialtarif, der vermeintlich günstiger sein soll, veranlasst werden soll. OLG Stuttgart, Urteil vom 17.01.2002 - 2 U 95/01 -, RDV 2003, S. 31. Werbung Kapitel VI § 7 UWG (1) Unlauter im Sinne von § 3 handelt, wer einen Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt. (2) Eine unzumutbare Belästigung ist insbesondere anzunehmen 1. bei einer Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der Empfänger diese Werbung nicht wünscht; 2. bei einer Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung oder gegenüber sonstigen Marktteilnehmern ohne deren zumindest mutmaßliche Einwilligung; 3. bei einer Werbung unter Verwendung von automatischen Anrufmaschinen, Faxgeräten oder elektronischer Post, ohne dass eine Einwilligung des Adressaten vorliegt; 4. bei einer Werbung mit Nachrichten, bei der die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird oder bei der keine gültige Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen. (3) Abweichend von Absatz 2 Nr. 3 ist eine unzumutbare Belästigung bei einer Werbung mit elektronischer Post nicht anzunehmen, wenn 1. ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat, 2. der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet, 3. der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und 4. der Kunde bei der Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach Basistarifen entstehen. 89 Kapitel VI Werbung 188 Unerbetene Verbraucherumfragen sind dann als Werbung zu qualifizieren, wenn sie von Marktforschungsunternehmen im Auftrag anderer Unternehmen durchgeführt werden, um - ggf. auch nur mittelbar - der Absatzförderung zu dienen125 . 3.2.2 Telefonwerbung gegenüber Privatpersonen 189 Telefonwerbung gegenüber Privaten ist nur zulässig, wenn der Angerufene zuvor - und nicht erst während des Anrufs - eine entsprechende Einwilligung abgegeben hat. Diese kann dabei nicht allein darin gesehen werden, dass der Kunde bei dem Ausfüllen eines Coupons oder Antrags ohne nähere Erläuterung seine Telefonnummer angibt. Wenn auf dem Formular zur Teilnahme an einem Preisausschreiben, zur Bestellung eines Probeabonnements oder zur Zusendung von kostenlosen Proben die Angabe der Telefonnummer vorgesehen ist, ist zunächst nach § 4 Abs. 3 BDSG der Verwendungszweck mitzuteilen. Soll der Tei lnehmer werblich angesprochen werden - und sei es nur, dass er befragt werden soll, ob ihm die zugesandte Zeitschrift gefallen hat und er den befristeten Bezug nicht fortsetzen möchte -, so ist hierzu die Einwilligung einzuholen. 190 Nach Ansicht der Datenschutzaufsichtsbehörden126 muss dabei grundsätzlich die Schriftform eingehalten werden. Denn nach ihrer Auffassung wird § 4a BDSG nicht durch § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG verdrängt. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, so die Behörden, dass die genannten Bestimmungen im Verhältnis zum BDSG spezielle Regelungen darstellen, gingen sie dem BDSG nur insofern vor, als ihr Regelungsbereich reiche. § 7 Abs. 2 125 126 90 Dies ist nach dem LG Hamburg, Urteil vom 30.06.2006- 309 S 27/05 -, RDV 2007, S. 78 (Ls) der Fall, wenn Verbrauchergewohnheiten im Zusammenhang mit Produkten und Dienstleistungen erfragt werden. Auffassung des Düsseldorfer Kreises zur Notwendigkeit einer schriftlichen Einwilligung in telefonische Werbung, RDV 2007, S. 86. A.A. Drewes/Siegert, Die konkludente Einwilligung in Telefonmarketing und das Ende des Dogmas von der datenschutzrechtlichen Schriftform, RDV 2006, S. 139. Werbung Kapitel VI Nr. 2 und 3 UWG regele aber nur die Frage, ob eine Einwilligung erforderlich sei und dass in Ausnahmefällen (nicht bei Verbrauchern!) eine mutmaßliche Einwilligung ausreiche. Über die in § 4a BDSG geregelten Themen, insbesondere die Hinweispflichten und die Schriftlichkeit werden hingegen keine Aussage getroffen. Auch nach § 4a BDSG kommen allerdings Ausnahmen von der 191 Schriftform in Betracht, wenn „wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist“. Umstritten ist, ob hiervon auch eine stillschweigende bzw. konkludente Erklärung erfasst wird127 . Jedenfalls dürfen die Schutznormen nicht dadurch umgangen werden, dass die Einwilligung erst im Zusammenhang mit der telefonischen Werbeansprache am Telefon eingeholt wird. Als ausreichend anzusehen ist die Möglichkeit des „Streichens“ 192 des die Werbeabsicht ausdrückenden Passus128. Ist nicht erkennbar, dass die Leistung auch ohne Angabe der Telefonnummer oder E-Mail-Adresse gewährt wird, so ist die Angabe als freiwillig zu kennzeichnen129. Formulierungsbeispiel: Ich bin damit einverstanden, dass Sie mir - auch telefonisch weitere interessante Angebote Ihres Hauses unterbreiten (ggf. streichen). Die Angabe der Telefonnummer ist im Übrigen freigestellt. Genügen muss es auch, wenn die Angabe der Telefonnummer 193 oder E-Mail-Adresse als freiwillig gekennzeichnet und mit einem 127 128 129 Vgl. Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 4a Rdnr. 5 d; Drewes/Siegert, Die konkludente Einwilligung in Telefonmarketing und das Ende des Dogmas von der datenschutzrechtlichen Schriftform, RDV 2006, S. 139; Aufsichtsbehörde Baden-Württemberg, RDV 2007, S. 86. Zu den Anforderungen an die Einwilligung in Telefonwerbung nach dem UWG vgl. außerdem Wegmann, WRP 2007, S. 1141. So OLG München, Urteil vom 28.09.2006 - 29 U 2769/06 -, RDV 2007, S. 27 (nicht rechtskräftig); zur Gegenansicht vgl. etwa Vierter Tätigkeitsbericht des Innenministeriums Baden-Württemberg (2007), S. 138. Vgl. hierzu die Erläuterungen zu § 4 Abs. 3 BDSG unter Rdnr. 47 ff. 91 Kapitel VI Werbung entsprechenden Hinweis hinsichtlich der geplanten werblichen Verwendung versehen ist. Eine gesonderte Unterschrift ist insoweit als entbehrlich anzusehen. Formulierungsbeispiel: Mit der Angabe meiner Telefonnummer bzw. E-Mail-Adresse gestatte ich der Firma XY, mich per Telefon oder E-Mail über interessante Angebote zu informieren. 194 Die Abgabe der Einwilligung ist zum Zwecke des Nachweises ordnungsgemäßen Vorgehens zu dokumentieren. 3.2.3 Einwilligung im Rahmen von AGB 195 Hingewiesen werden muss in diesem Zusammenhang allerdings darauf, dass der BGH 130 formularmäßige Klauseln zur Einwilligung in Telefonwerbung auch nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 307 ff. BGB) geprüft hat und derartige Bestimmungen in Formularverträgen selbst für den Fall für unwirksam erklärt hat, dass dem Kunden ausdrücklich freigestellt war, die Einwilligung jederzeit zu widerrufen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die vorformulierte Einverständniserklärung Werbung in Angelegenheiten ermöglichen soll, die über das konkrete Vertragsverhältnis, mit dem die Abgabe der Erklärung im Zusammenhang steht, hinausgehen. 196 Über AGB können keine pauschalen, für den Betroffenen nicht überschaubaren „Generalermächtigungen“ eingeholt werden131 . 130 131 92 BGH, Urteil vom 16.03.1999 - XI ZR 76/98 -, NJW 1999, S. 1864 = DB 1999, S. 1109 = BB 1999, S. 1130 sowie BGH, Urteil vom 27.01.2000 I ZR 241/97 -, NJW 2000, S. 2677 = MDR 2000, S. 962 (Telefonwerbung VI). Kritisch hierzu von Westphalen, Anmerkung zum Urteil des BGH vom 16.03.1999 - XI ZR 76/98 -, BB 1999, S. 1131. Nach LG Bonn, Urteil vom 31.10.2006 - 11 0 66/06 -, RDV 2007, S. 77 wird sowohl gegen §§ 4, 4a BDSG als auch gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstoßen. Werbung Kapitel VI Nach dem OLG Hamm 132 ist eine inmitten einer Auftragsbestätigung enthaltene Erklärung, nach der das Einverständnis in die telefonische Übermittlung weiterer interessanter Angebote per Handyservice erklärt wird, wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nichtig. Die Interpretationsmöglichkeit der Erklärung, dass das Einverständnis auch telefonische Angebote von Drittanbietern umfasse, stelle im Hinblick auf den für den Betroffenen unüberschaubaren Bereich des Adresshandels zudem eine unangemessene Benachteiligung dar. 3.2.4 Vermutete Einwilligung im geschäftlichen Bereich Bei Werbung im geschäftlichen Bereich darf auch auf das mut- 197 maßliche Einverständnis abgestellt werden. Nach Auffassung des BGH133 kann dieses wegen des geringen Maßes der Belästigung beispielsweise unterstellt werden, wenn ein Telefonbuchverlag einen Telefonanruf, mit dem die Daten des kostenlosen Grundeintrags für ein Neuwerk überprüft werden sollen, zur Werbung für weitere entgeltliche Erweiterungen des Eintrags nutzt. Eine mutmaßliche Einwilligung setzt die begründete Annahme 198 eines entsprechenden Interesses des angerufenen Gewerbetreibenden voraus, was u.a. von dem auf die Tätigkeit des Betroffenen bezogenen Inhalt des Angebots abhängt. Nach dem BGH 134 genügt es in der Regel nicht, wenn das offerierte Angebot auf dem Gebiet liegt, auf dem der Gewerbetreibende selbst als Anbieter auftritt. Auch ein objektiv ungünstiges Angebot (z.B. Vermittlung von Bauaufträgen gegen Provision) kann eine negatives Indiz sein. 132 133 134 Urteil vom 15.08.2006 - 4 U 78/06 -, RDV 2006, S. 263. Urteil vom 05.02.2004 - I ZR 87/02 -, RDV 2004, S. 220. Urteil vom 16.11.2006 - I ZR 191/03 -, GRUR 2007, S. 607. 93 Kapitel VI Werbung 3.2.5 Persönlichkeitsrechtsschutz im nicht geschäftlichen Bereich 199 Die aufgezeigten Einschränkungen gelten auch für Telefonwer- bung, die nicht im geschäftlichen Wettbewerb stattfindet. Nach der vom BVerfG135 bestätigten Auffassung der Zivilgerichte 136 verletzen auch unerbetene Anrufe oder E-Mails137 politischer Parteien im Wahlkampf (Wahlwerbung) das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen138 . 3.2.6 Handlungsanleitung 200 Die Aufsichtsbehörde Baden-Württemberg hat - ausgehend von der Prüfung von Lotteriewerbung durch Call Center - allgemeine Hinweise zur Telefonwerbung gegeben. Dabei wird auch auf die Rolle des Call Centers als Auftragsdatenverarbeiter eingegangen. Vierter Tätigkeitsbericht des Innenministeriums BadenWürttemberg, 2007, 6.3 Lotterien (Auszug): - 135 136 137 138 94 Im Verhältnis zwischen Lotterieeinnehmern, Kooperationspartnern, Call Centern und Sub-Call Centern muss vertraglich klar geregelt sein, wer verantwortliche Stelle im Sinne des § 3 Abs. 7 BDSG ist und daher die datenschutzrechtlichen Verpflichtungen (z.B. Auskunfts- beziehungsweise Löschungsanspruch) erfüllen muss. BVerfG, Beschluss vom 01.08.2002 - 2 BvR 2135/01 -, NJW 2002, S. 2938: „1. Dem aus Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG den politischen Parteien zustehenden Recht, an der politischen Willensbildung mitzuwirken und für sich zu werben, steht das Recht des Einzelnen aus Art. 2 Abs. 1 GG gegenüber, von unerwünschter Werbung verschont zu bleiben. 2. Der Briefkastenaufkleber „Keine Werbung einwerfen“ bezieht auch politische Flugblätter der Parteien mit ein.“ Vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.03.1988 - 5 W 13/88 -, ZIP 1988, S. 674. OLG München, Urteil vom 12.02.2004 - 8 U 4223/03 -, RDV 2004, S. 223. Zur Wahlwerbung vor Betriebsratswahlen etc. durch Kandidaten vgl. Gola, Datenschutz und Multimedia am Arbeitsplatz (Fn. 116), Rdnr. 375 ff. Werbung Kapitel VI - Sofern ein Vertragspartner Daten im Auftrag eines anderen verarbeitet, ist dies in eindeutiger Weise zum Ausdruck zu bringen. Dazu gehört, dass ein schriftlicher Auftrag erteilt wird, der den Vorschriften des § 11 Abs. 2 S. 2 BDSG genügt. Der Auftrag muss klare Festlegungen hinsichtlich der Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung, der erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen und etwaiger Unterauftragsverhältnisse enthalten. Pauschale Aussagen genügen nicht. Selbstverständlich ist, dass der Auftraggeber den Auftragnehmer unter besonderer Berücksichtigung der Eignung der von diesem getroffenen technischen und organisatorischen Maßnahmen sorgfältig auswählt und sich von der Einhaltung der beim Auftragnehmer getroffenen technischen und organisatorischen Maßnahmen überzeugt. - Im Falle telefonischer Werbung muss der Anrufer nicht nur seinen Namen und die datenschutzrechtlich verantwortliche Stelle, sondern ggf. auch die Stelle nennen, bei der er beschäftigt ist (z.B. Name des Call Centers). Diese Angabe, auf die in der Praxis meist verzichtet wird, halten wir, insbesondere wenn ein Lotterieeinnehmer mehrere Call Center beschäftigt, für erforderlich, um Beschwerdefälle aufklären zu können. Call Centern sollte aus Gründen der Transparenz eine Rufnummerunterdrückung verwehrt sein. Es gilt der Grundsatz, dass seriöse Call Center nichts zu verbergen haben. Der Vertrag sollte hierzu klare Regelungen enthalten. - Die Rahmenbedingungen für die telefonische Werbung sollten im Vertrag aufgeführt werden; den schlichten Hinweis auf § 7 UWG halten wir nicht für ausreichend, da zumindest ein Teil der Call Center-Betreiber nicht weiß, was datenschutzrechtlich zu beachten ist. - Von der Einwilligung in die telefonische Werbung sind die Einwilligung in die Teilnahme am Lotteriespiel und die Erhebung und Verarbeitung der Adress- und Kontodaten zu un95 Kapitel VI Werbung terscheiden. Selbstverständlich müssen auch insoweit die Unterrichtungs- und Hinweispflichten nach § 4 Abs. 3 BDSG beachtet werden. Die Einwilligung in die Teilnahme am Lotteriespiel muss eindeutig dokumentiert werden; sie darf sich nicht auf die Angabe beschränken, dass die Einwilligung erteilt wurde. Vereinbarungen müssen hierzu Näheres enthalten. - In dem Beziehungsgeflecht zwischen Lotterieeinnehmern, Kooperationspartnern, Call- und Sub-Call Centern muss für die Betroffenen klar erkennbar sein, wohin sie sich mit einem Werbewiderspruch wenden können. Es ist sicherzustellen, dass Werbewidersprüche in eine von der verantwortlichen Stelle eingerichtete Werbesperrdatei eingetragen werden. Vor Werbemaßnahmen muss ein Abgleich mit der Werbesperrdatei erfolgen. - Verweigert ein Betroffener die Einwilligung in die Telefonwerbung, bedarf es keiner Eintragung in eine Werbesperrdatei. 3.2.7 Exkurs: Ermittlung von Kundenverhalten im Rahmen der Marktforschung 201 Telefonische Befragungen von Verbrauchern über ihr Konsum- verhalten im Rahmen der Marktforschung unterliegen nicht den Beschränkungen des UWG. Gleichwohl stellt sich auch hier die Frage, ob die Erhebung von der Marktforschung dienenden Daten durch Anrufe von Privat- bzw. Geschäftsnummern ohne Weiteres gestattet ist. 202 Eine Einholung des Einverständnisses des Betroffenen wird in der Regel auch nicht möglich sein, wenn - wie dies häufig geschieht die Generierung der Telefonnummern mittels Zufallsgeneratoren erfolgt. Das führt sogar dazu, dass auch Nummern angerufen werden, die nicht in öffentlich zugänglichen Verzeichnissen aufgeführt sind. Dass bei Einsatz von Zufallsgeneratoren auch solche 96 Werbung Kapitel VI Nummern angerufen werden, die nicht existent sind, ist insofern unproblematisch, als die Anrufe an den Interviewer erst durchgestellt werden, wenn sie angenommen werden. Die Erhebung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten 203 zum Zwecke der Marktforschung richtet sich mangels bereichsspezifischer Regelung nach dem BDSG. Da der für die Tätigkeit von Markt- und Meinungsforschungsinstituten maßgebende § 30 BDSG keine Zulässigkeitsregelung ist139, bedarf nach herrschender Meinung die Erhebung und Speicherung der Umfragedaten der Einwilligung des Betroffenen. Wenn die Institute Kontaktdaten aus allgemein zugänglichen Quellen oder von Adresshändlern legitim bezogen haben, wird insoweit auf das Erfordernis der Einwilligung verzichtet. Nicht zum Zuge kommt das BDSG im Übrigen, wenn bereits die Erhebung der Daten ohne Personenbezug erfolgt. Damit ist jedoch noch keine Aussage zur Zulässigkeit der Befra- 204 gung per „cold call“ getroffen. Die Situation stellt sich in der juristischen Bewertung grundsätzlich nicht anders dar als bei Werbeanrufen. Auch hier steht eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Privatnummer) bzw. des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Geschäftsnummer) im Raum. Besonders problematisch ist, wenn nach dem Willen des Betroffenen geheime Telefonnummern im Zufallsverfahren angerufen werden. Die Rechtsprechung140 berücksichtigt das zu Gunsten der Marktforschung vorgebrachte Argument der sozialpolitischen und wirtschaftlichen Bedeutung dann nicht, wenn eine Umfrage auf Daten über „Kundenverhalten“ ausgerichtet ist und damit konkreten kommerziellen Interessen dient. Anderes gilt nur bei Umfragen mit originär wissenschaftlicher 205 139 140 Vgl. Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 30 Rdnr. 3 ff. LG Hamburg, Urteil vom 30.06.2006 - 309 S 276/05 -, GRUR 2007, S. 61 = NJW-RR 2007, S. 45; OLG Stuttgart, Urteil vom 17.01.2002 - 2 U 95/01 -, RDV 2003, S. 31; LG Berlin, Urteil vom 30.5.2006 - 16 O 923/05 (Urteil des LG Berlin ist abrufbar unter http://www.jurpc.de/rechtspr/20070007.htm). 97 Kapitel VI Werbung oder gesellschaftspolitischer Zielsetzung (z.B. bei der Wahlforschung 141). Hier ist wegen der Aktualität und der Strukturierung der Auswahl der Angerufenen das Interesse an der Durchführung der Befragung per Telefon evident. Auch hier muss aber der Anruf unterbleiben, wenn der Betroffene die Befragung abgelehnt hat. Ausgeschaltet sein muss ferner der Anruf nicht öffentlich verzeichneter Nummern. 3.3 Werbung per Fax 206 Werbung per Fax oder mittels automatischer Anrufmaschinen ist immer an die Einwilligung des Umworbenen geknüpft. Auch im geschäftlichen Bereich kann sich der Absender nicht auf eine mutmaßliche Zustimmung berufen142 . An der Unzulässigkeit unaufgefordert übermittelter Faxwerbung an Gewerbetreibende ändert sich auch nichts durch die Entwicklung hin zum PC -Fax143. 3.4 Werbung per E-Mail 3.4.1 Zulässigkeit des Versands von E-Mail-Werbung 207 Für die Werbung per E-Mail fordert das UWG ebenfalls grund- sätzlich eine Einwilligung (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG). 208 Eine Ausnahme vom Einwilligungserfordernis ist allerdings in § 7 Abs. 3 UWG geregelt. Danach ist eine Einwilligung144 für die E-Mail-Werbung ausnahmsweise entbehrlich, wenn kumulativ 141 142 143 144 98 Zur datenschutzrechtlichen Problematik der insoweit erhobenen besonderen Arten personenbezogener Daten vgl. Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 4a Rdnr. 16a. Schmittmann, Telefaxübermittlungen im Zivilrecht unter besonderer Berücksichtigung des Wettbewerbsrechts, 1999. BGH, Urteil vom 01.06.2006 - I ZR 167/03 -, NJW 2006, S. 3781 (zu § 1 UWG alter Fassung). Nachgedacht werden könnte allenfalls über eine analoge Anwendbarkeit des § 7 Abs. 3 UWG auf PC-Faxe. Allerdings dürfte das werbende Unternehmen regelmäßig nicht wissen, ob der Beworbene über ein herkömmliches Faxgerät oder ein PC-Fax verfügt. Zu den Anforderungen an die Einwilligung vgl. unter Rdnr. 189 ff. Werbung Kapitel VI folgende Voraussetzungen vorliegen: - Der Unternehmer hat die E-Mail-Adresse im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung erhalten. - Er verwendet die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen. - Der Kunde hat der Verwendung der E-Mail-Adresse nicht widersprochen. - Der Kunde wird bei der Erhebung der Adresse sowie bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach Basistarifen entstehen. 3.4.2 Der Werbehinweis nach TMG Um das ggf. zeitaufreibende Lesen von E-Mail-Werbung zu ver- 209 meiden, verpflichtet der - nach § 16 Abs. 1 TMG bußgeldbewehrte - § 6 Abs. 2 TMG den Absender einer Werbe-E-Mail, den kommerziellen Charakter der Botschaft bereits in der Kopf- und Betreffzeile hinreichend deutlich zu machen. § 6 Abs. 2 TMG findet neben § 7 UWG Anwendung, d.h., die entsprechend zu kennzeichnende kommerzielle Kommunikation muss stets auch wettbewerbsrechtlich zulässig sein. Ob die Regelung zu einer Reduzierung des Spam-Versands bzw. 210 des hierdurch verursachten Aufwandes beitragen kann, erscheint zweifelhaft. Insbesondere wird der weit überwiegende Teil der ungewollten Werbenachrichten aus dem Ausland versandt. 3.4.3 Exkurs: „Virales Marketing“ Neben den herkömmlichen Werbeformen wie z.B. Banner- oder 211 E-Mail-Werbung werden im Internet zunehmend individualisierte und personalisierte Werbemethoden eingesetzt. Der Trend 99 Kapitel VI Werbung geht zu sog. viralem Marketing, das existierende soziale Netzwerke nutzt, um Aufmerksamkeit auf Marken, Produkte, Dienstleistungen und Kampagnen zu richten. Dies geschieht, indem mit der Werbebotschaft ein kostenloser Nutzen verbunden wird. Beispielhaft seien hier die inzwischen weit verbreiteten E-CardAngebote genannt, die dem Nutzer die Möglichkeit eröffnen, zu einem meist vorgegebenem Motiv eine persönliche Botschaft auf einem Server zu deponieren und zu veranlassen, dass ein Dritter („Empfänger“) per E-Mail hierüber benachrichtigt und eingeladen wird, die elektronische Karte (und ggf. daneben angezeigte Werbung) zu betrachten. Ferner zählen die z.B. von Versandhandelsunternehmen oder Verlagen online angebotenen Produktbzw. Artikelempfehlungsfunktionen zu den neuen Mischformen von vorgefertigtem Gehalt und privat veranlasster Weiterleitungsfunktion. In diesen Fällen können die Nutzer entsprechende (mit Werbung versehene) Internetseiten mit persönlichem Kommentar an Freunde und Bekannte elektronisch weiterleiten. 212 Der Einsatz solcher E-Mail-basierter viraler Marketinginstrumen- te ist in Deutschland rechtlich problematisch. Unterschiedliche Gerichtsentscheidungen zu „E-Cards“145 verstärken die Rechtsunsicherheit bei den Diensteanbietern. Während teilweise von der Unzulässigkeit solcher Werbeformen ausgegangen wird146, fordern andere eine differenzierte Betrachtung: Ein Rechtsverstoß komme bei einem überwiegend privaten Inhalt der E-Mail erst bei bedingt vorsätzlicher Belästigung des Empfängers in Betracht. Anders als bei der „klassischen“ E-Mail-Werbung sei 145 146 100 Die Entscheidungen sind teilweise zu E-Cards ergangen, die Wahlwerbung beinhalteten. Die Zusendung politischer Informationen wurde angesichts der Entscheidung des BVerfG vom 01.08.2002 - 2 BvR 2135/01 -, NJW 2002, S. 2938 der Zusendung kommerzieller Werbung gleichgestellt. LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 04.03.2004 - 4HK O 2056/04 -, CR 2004, S. 702 (zur Unlauterkeit einer prämienbasierten Produktempfehlung); KG Berlin, Beschluss vom 22.06.2004 - 9 W 53/04 -, MMR 2004, S. 616 und AG Rostock, Urteil vom 28.01.2003 - 43 C 68/02 -, MMR 2003, S. 345 fordern für Wahlwerbung ein „opt-in“ des Empfängers und bejahen eine mittelbare Störerhaftung des Anbieters von Versandmöglichkeiten für E-Cards. Werbung Kapitel VI grundsätzlich keine Einwilligung des Empfängers („opt-in“) erforderlich 147. Es müsse dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die teils kommerziellen E-Cards von einer Privatperson an Freunde und Bekannte verschickt würden. Etwas anderes soll allerdings in den Fällen gelten, in denen der Nutzer Unternehmer ist oder ihm vom Anbieter des Dienstes eine (Geld-) Prämie für die Weiterleitung versprochen wird 148. Es bleibt abzuwarten, ob höchstrichterlich solche E-Mail- 213 basierten Werbeformen auch ohne Einwilligung des Empfängers als zulässig angesehen werden, in denen der private Inhalt gegenüber den Werbeaussagen im Vordergrund steht. Hier kann die bloße Bereitstellung und Ausführung eines Dienstes nicht als ausreichend belästigende Mitwirkung des Anbieters gewertet werden149 . Die Werbebotschaft wird schließlich von eigenverantwortlich handelnden Verbrauchern weitergeleitet, so dass eine Gleichsetzung mit herkömmlicher Spam-Werbung nicht gerechtfertigt erscheint. 3.5 Robinsonlisten Zur Vermeidung unerwünschter Telefon-, Telefax- bzw. E-Mail- 214 Werbung bieten verschiedene Organisationen ebenfalls sog. Robinsonlisten150 an. Diese gehen jedoch weitgehend ins Leere, da für die Telefon-, Telefax- bzw. E-Mail-Werbung im Regelfall ohnehin die Einwilligung des Betroffenen erforderlich ist. Relevanz kann der Eintrag also nur gegenüber elektronischer Ansprache haben, die ausnahmsweise ohne Einwilligung zulässig ist (Markt- und Meinungsforschung, Telefonate in unmittelbarem 147 148 149 150 OLG Nürnberg, Urteil vom 25.10.2005 - 3 U 1084/05 -, MMR 2006, S. 111 (zur grundsätzlichen Zulässigkeit nicht prämienbasierter Produktempfehlungssysteme). Weber/Meckbach, MMR 2007, S. 482; Rössler, WRP 2005, S. 438. Zu Recht wird eine Überdehnung der Grundsätze der Störerhaftung kritisiert und eine Beachtung der geänderten BGH-Rechtsprechung zu dieser Rechtsfigur eingefordert, vgl. Weber/Meckbach, MMR 2007, S. 482. Vgl. www.robinsonliste.de; www.retarus.de/robinsonliste. 101 Kapitel VI Werbung Zusammenhang mit einer laufenden Geschäftsbeziehung, mutmaßliche Einwilligung in Telefonwerbung im geschäftlichen Bereich etc.). 4. Vertreterbesuche 215 Im Gegensatz zum Telefonat werden unerbetene Vertreterbesu- che im Allgemeinen für zulässig gehalten. Auch hier gilt, dass ein entsprechender Hinweis an der Tür zu beachten ist. Zudem ist es rechtswidrig, wenn der Vertreter sich den Zugang unter einem Vorwand zu erschleichen versucht, so z.B., wenn eine Sammlung für einen karitativen Zweck vorgespiegelt wird, es in Wahrheit aber um den Verkauf eines Zeitschriftenabonnements geht. 216 Unzulässig ist es ferner, bestimmte besondere Situationen des Kunden auszunutzen. So hat das BVerfG151 ein Urteil für rechtens angesehen, in dem einem Steinmetz untersagt wird, unter Auswertung von Todesanzeigen Hinterbliebene zwecks Bestellung eines Grabsteins aufzusuchen. U.a. wurde der Steinmetz auf die Möglichkeit verwiesen, die Akzeptanz des Besuchs vorher nachzufragen. Dies wäre allerdings nur schriftlich, nicht telefonisch möglich (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG). 5. Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche 217 Die unzulässige werbliche Ansprache stellt eine Rechtsverletzung des Betroffenen dar, der in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Privatadresse/-nummer) bzw. in seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Geschäftsadresse/ -nummer) verletzt wird152. Dem Betroffenen steht ein Unterlassungsanspruch153 sowie ein Anspruch auf Schadensersatz zu 151 152 153 102 Beschluss vom 08.02.1972 - 1 BvR 170/71 -, BVerfGE 32, 311. Vgl. AG Ludwigshafen, Urteil vom 17.02.2006 - 2b C 509/05 -, RDV 1996, S. 269 (Ls). AG Hamburg-Bergedorf, Urteil vom 06.04.2006 - 410D C 30/06 -, RDV 2006, S. 213; AG Hamburg, Urteil vom 15.12.2005 - 7A C 144/05 -, RDV 2006, S. 175. Werbung Kapitel VI (§§ 823 Abs. 1, 1004 BGB). Erstattungsfähig sind etwa die Kosten eines insoweit in Anspruch genommenen Rechtsanwalts. § 823 BGB: (1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein. § 1004 BGB: (1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen. (2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist. Daneben kommen ggf. Unterlassungs- und Schadensersatzan- 218 sprüche der Mitbewerber bzw. Wettbewerbs- und Verbraucherverbände nach UWG in Betracht154 . Nach dem BGH155 kann der Inhaber eines privat genutzten Mobil- 219 funkanschlusses, dem eine unverlangte Werbe-SMS zugesandt worden ist und der deshalb den Veranlasser zivilrechtlich in An154 155 So einigte sich der Telekommunikationsanbieter Tele2 mit der Verbraucherzentrale Bayern in einem Verfahren wegen unerlaubter Telefonwerbung vor dem Landgericht Düsseldorf (38 O 145/06) auf die Zahlung einer Vertragsstrafe von 240.000 € . Vgl. im Übrigen nachstehend Rdnr. 448 ff. Urteil vom 19.07.2007 - I ZR 191/04 -, RDV 2007, S. 209. 103 Kapitel VI Werbung spruch nehmen möchte, von der Telefongesellschaft Auskunft über Namen und Anschrift des Absenders verlangen. 220 Zu beachten ist, dass die Unzulässigkeit der vorhergehenden Werbeansprache die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts grundsätzlich unberührt lässt156 . Insbesondere können Verträge regelmäßig auch formlos (z.B. über Telefon) geschlossen werden. Sofern es sich um ein Geschäft handelt, dass im Rahmen des Fernabsatzes geschlossen wurde, besteht ein besonderes Widerrufsrecht (§ 312d Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB). § 312d Abs. 1 BGB: (1) Dem Verbraucher steht bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu. Anstelle des Widerrufsrechts kann dem Verbraucher bei Verträgen über die Lieferung von Waren ein Rückgaberecht nach § 356 eingeräumt werden. (...). § 355 Abs. 1 BGB: (1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so ist er an seine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten und ist in Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb von zwei Wochen gegenüber dem Unternehmer zu erklären; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung. (...). 156 104 Vgl. aber Geiger, Aufgedrängte Vertragsschlüsse durch Zusammenwirken von Adresshandel, Telefonmarketing und angemaßten Einzugsermächtigungen, NJW 2007, S. 3030, der vorschlägt, das überraschende Ansprechen am Telefon in der Wohnung bzw. am Arbeitsplatz in den Anwendungsbereich des Haustürgeschäfts mit einzubeziehen, um den Betroffenen auf diese Weise ein Anfechtungsrecht zu verschaffen. Vertragsabwicklung Kapitel VII Kapitel VII: Welche Daten werden für den Vertrag mit dem Kunden benötigt? 1. Die Zweckbestimmung des Vertrages Kommt es zu einem Vertragsabschluss mit einem Kunden oder 221 soll es dazu kommen, dürfen selbstverständlich alle Informationen erhoben und verarbeitet werden, die für die Entscheidung über den Vertragsabschluss - d.h. im Rahmen des zu diesem Zeitpunkt bestehenden vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses - und die nachfolgende Durchführung des Vertrages benötigt werden. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG: Das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke ist zulässig, 1. wenn es der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses oder vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses mit dem Betroffenen dient, (...). Welche Daten jedoch im Einzelnen als der Vertragsbeziehung 222 „dienlich“ benötigt werden, hängt von der Art des Vertrages und seiner inhaltlichen Gestaltung, d.h. den vereinbarten Rechten und Pflichten ab. Während es beim Barkauf in einem Ladengeschäft im Zusammenhang mit der Eingehung und der Abwicklung des Geschäfts nicht erforderlich ist, personenbezogene Daten zu erheben, sieht das bei einem Kreditkauf anders aus. Auf die Vertragserfüllung können sich z.B. Fitnessstudios hin- 223 sichtlich der dort nicht ungewöhnlichen routinemäßigen Speicherung von beim Einsatz einer computerlesbaren Mitgliedskarte anfallenden Anwesenheitszeiten, Verzehrdaten etc. berufen, solange die Check-in- bzw. Check-out-Daten oder Verzehrdaten 105 Kapitel VII Vertragsabwicklung für Abrechnungszwecke benötigt werden157 . Für die Verwendung der Daten zur Beratung und Betreuung des Kunden ist die Einwilligung der Betroffenen erforderlich. Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Tätigkeitsbericht 2002, Ziffer 4.6.5 zur Beanstandung der Speicherung von Kundendaten bei einem Pizzabäcker: „Neben der Speicherung von erforderlichen Daten wie Name, Vorname, Straße, Hausnummer, Postleitzahl und Lage der Wohnung speichert das Unternehmen das Datum der ersten Bestellung, das Datum der letzten Bestellung sowie kumuliert alle bisher vorgenommenen Bestellungen (z.B. 5x Pizza Tonno, 3x Pizza Salami, 2 gemischte Salate etc.). Die Speicherung dieser Daten wurde damit begründet, dass das von dem Unternehmen verwendete Computerprogramm dies so vorsieht. Da aber die Speicherung dieser Daten nicht zur Zweckbestimmung des Vertragsverhältnisses mit dem Betroffenen erforderlich ist, ist die kumulierte Speicherung der bestellten Waren rechtswidrig (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG). Eine Datenspeicherung kann nicht damit begründet werden, dass das EDV-System die Daten automatisch speichert (Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit, vgl. § 3a BDSG).“ 2. „Nebenbei“ mitgeteilte Daten 224 Keinesfalls lässt sich aus der Vertragsbeziehung die Speicherung von Daten rechtfertigen, die der Kunde „nebenbei“ mitteilt. Teilt er etwa beim Einkauf mit, dass der eingekaufte Wein für die am Wochenende anstehende Silberhochzeit benötigt wird, dass die bestellte Fahrkarte zu einem Kuraufenthalt wegen Rheumabeschwerden führen soll oder dass er den Bankkredit benötige, weil er der Tochter zum bestandenen Examen ein Auto kaufen will, so bedarf die Speicherung dieser „Softdaten“ der ausdrück157 106 Vgl. Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW, 18. Datenschutzbericht (2005-2006), Ziff. 7.9. Vertragsabwicklung Kapitel VII lichen Einwilligung158. Auch bei längerfristigen Vertragsbeziehungen ist die Speicherung 225 bzw. Nutzung derartiger Daten nicht unter dem Aspekt der Kundenbetreuung159 legitimiert. Vgl. zu einem Kundenbetreuungsprogramm Berliner Banken: Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Jahresbericht 2003, S. 100: „Um eine gute Gesprächsatmosphäre mit dem Kunden sicherzustellen, sollten die Kundenberater Daten zu Ess- und Trinkgewohnheiten (Kaffee oder Tee) speichern; außerdem sollten Informationen zu möglichen einleitenden Gesprächsthemen wie Hobbys (Golf, Segeln etc.) festgehalten werden. Da die Speicherung derartiger Daten sich nicht im Rahmen der Zweckbestimmung des Vertragsverhältnisses mit dem Betroffenen bewegt, haben wir die Banken aufgefordert, diesen Datensatz nicht mehr zu verwenden.“ 3. Daten zur Identifikation des Kunden Adressdaten Die Angabe des Namens und der Adresse des Kunden kann be- 226 reits erforderlich sein, wenn Ware ins Haus geliefert werden soll. Gleiches gilt, wenn Waren nur an bestimmte Kunden abgegeben werden oder zu Beweiszwecken - solche bestehen ggf. z.B. gegenüber den Finanzbehörden - festgehalten werden soll, dass ein 158 159 Landesbeauftragter für den Datenschutz Niedersachsen, XVI. Tätigkeitsbericht (2001/2002), S. 145 zu von Call Centern geführten Kundengesprächen: „Besonders Daten, wie sie nur bei einem telefonischen, d.h. mündlichen, Kundenkontakt anfallen und die nicht unmittelbar den Geschäftszweck betreffen, sondern „nebenbei“ mitgeteilt werden, weil der Agent diese auf Grund ausgefeilter Fragetechnik in geschickter Weise ermittelt, sind für umfangreiche Auswertungen von Interesse. Es ist unstrittig, dass die Speicherung dieser Daten ohne Einwilligung des Betroffenen, wenn sie nicht vollständig und dauerhaft anonymisiert werden, unzulässig ist.“ Zum Customer Relationship Management vgl. nachfolgend Rdnr. 314 ff. 107 Kapitel VII Vertragsabwicklung bestimmter Kunde eine Leistung (z.B. Barauszahlung bei Reklamation) erhalten hat. Familienstand 227 Angaben zum Familienstand, wie „verheiratet, verwitwet, ledig, geschieden, getrennt lebend“, oder „eheähnliche Lebensgemei nschaft“ können nur dann und insoweit für einen Vertragsschluss relevant sein, wenn hiervon der Leistungsumfang (z.B. bei Mietverträgen) abhängt. Sollen die Daten zu Scoring-Zwecken160 erhoben werden, so ist der Kunde hierüber zu informieren. Adressdaten Dritter 228 Daten Dritter dürfen z.B. dann gespeichert werden, wenn diesen gegenüber die vereinbarte Leistung erbracht werden soll. Ist jedoch z.B. der Blumenstrauß abgeliefert, dürfen die Daten des Empfängers nicht mehr für Marketingzwecke verwendet werden. Vorlage des Personalausweises 229 Ist die Kenntnis der Identität des Kunden für den Vertragsab- schluss bzw. die Vertragsabwicklung erforderlich, so ist das Unternehmen berechtigt, sich den Personalausweis vorlegen zu lassen161. Die Speicherung eines Fotos ist zur bloßen Identitätskontrolle regelmäßig nicht erforderlich 162. Hierzu genügt die Vorlage eines Ausweises. 230 Unverhältnismäßig ist es in der Regel auch, sich die Nummer des Ausweises zu notieren oder den Personalausweis insgesamt zu fotokopieren und einzuspeichern, da dieser mehr Daten enthält als zum Festhalten der Identität des Kunden benötigt werden163 . 160 161 162 163 108 Vgl. hierzu nachfolgend Rdnr. 265 ff. und Rdnr. 307 ff. So z.B. bei Flügen mit sog. Billigfliegern, bei denen die Reise nur von der gebuchten Person angetreten werden darf. Zur Überprüfung der Identität von Schwarzfahrern vgl. Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Jahresbericht 2002, S. 140. Vgl. Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW, 18. Datenschutzbericht (2005-2006), Ziff. 7.9 zur Überprüfung des Abonnementinhabers bei einem Fitnessstudio. Ausführlich zum Thema Ausweiskopien: Innenministerium Baden-Württemberg, Dritter Tätigkeitsbericht (2005), Ziff. 7.2. Vgl. zudem auch Berliner Vertragsabwicklung Kapitel VII Dies gilt beispielsweise für das Geburtsdatum. Gespeichert werden darf es nur dann, wenn es zur genauen Identifikation des Kunden, auch zur Vermeidung von Verwechselungen erforderlich ist. Zur Feststellung der für den Abschluss des Geschäfts ggf. erforderlichen Volljährigkeit genügt die Speicherung der Angabe „über 18 Jahre“. Soll der Ausweis im Rahmen der Eingangskontrolle einer Disko- 231 thek nicht nur zur Alterskontrolle vorgezeigt, sondern auch als Pfand bis zum Verlassen der Diskothek hinterlegt werden, muss den Jugendlichen zumindest frei gestellt sein, auch eine andere Pfandhinterlegung (z.B. das Handy) zu wählen164 . Es bestehen aber auch gesetzliche Berechtigungen bzw. Ver- 232 pflichtungen zur Speicherung einer Kopie des Personalausweises. Dies ist z.B. in § 95 Abs. 4 TKG (zur Überprüfung der Angaben des Teilnehmers) oder in § 9 GWG (für den Fall, dass eine auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehung mit dem Kreditinstitut begründet wird) der Fall. 4. Bezahlung mittels EC-Karte Bezahlt der Kunde mittels EC-Karte, kann ebenfalls die Vorlage 233 des Personalausweises angezeigt sein. Hierbei ist hinsichtlich des abzusichernden Zahlungsrisikos zu unterscheiden, ob die Zahlung über die Eingabe der PIN oder im Lastschriftverfahren mittels Unterschrift erfolgt. Im PIN-Verfahren wird die Freigabe des Zahlungsbetrags online 234 in Echtzeit bestätigt. Eine Identifizierung zur Forderungsrealisierung oder Betrugsbekämpfung ist nicht erforderlich. Gleiches gilt auch für die Zahlung mit Kreditkarte und PIN. Anders ist es beim Lastschriftverfahren. Hier wird aus der EC- 235 Karte lediglich die Bankverbindung ausgelesen zwecks später 164 Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Jahresbericht 2003, S. 107 zu Speicherungen im Rahmen des Spielbankgesetzes. ULD, Tätigkeitsbericht 2005, S. 77. 109 Kapitel VII Vertragsabwicklung erfolgender Abbuchung durch den Händler. Die Vorlage des Ausweises kann verlangt werden, um die Namensgleichheit des Zahlenden mit dem Karteninhaber festzustellen. Da der Kunde die Ware sofort mitnimmt, hat der Händler ein berechtigtes Interesse, zu erfahren, wem er Warenkredit einräumt. Zur Sicherstellung der Forderungsdurchsetzung können daher auch Name und Anschrift kurzfristig (d.h. bis zur erfolgten Zahlung) festgehalten 165 werden . Es ist ein Verfahren zu wählen, bei dem die Löschung routinemäßig und unschwer erfolgen kann. Im Übrigen lässt sich der Händler jedoch für den Fall, dass die Lastschrift nicht erfolgreich ist, auch per Unterschrift des Kunden generell ermächtigen, seine Adressdaten von seiner Bank zu verlangen166 . 5. Storno und Umtausch 236 Bei einem Umtausch von Waren besteht ggf. auch ein berechtig- tes Interesse an der Registrierung von Name und Anschrift des Kunden und der Überprüfung der Angaben mittels Vorlage des Personalausweises. Dieses kann sich zum einen daraus ergeben, dass sich eventuell erst nachträglich feststellen lässt, ob die umgetauschte Ware beschädigt ist. Zum anderen kann dies nötig sein, um in diesem Zusammenhang auftretenden Manipulationen durch das Personal vorzubeugen167 . Dabei ist jedoch das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu wahren. 237 Darüber hinaus besteht ein Interesse des Verkäufers oder Ver- sandhändlers, Name und Adresse von Kunden festzuhalten, die in größerem Umfang von ihrem Recht, den Abschluss von Geschäften ohne Angabe von Gründen rückgängig zu machen oder 165 166 167 110 Vgl. ULD, Hinweise zur Erhebung personenbezogener Daten bei der Bezahlung mittels EC-Karte (www.datenschutzzentrum.de/wirtschaft/ datenerhebung_ec-karte.htm). Im Hinblick hierauf will der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (Jahresbericht 1999, S. 135) nur den Namensvergleich zulassen. So die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW, 16. Tätigkeitsbericht (2003), S. 78. Vertragsabwicklung Kapitel VII Waren umzutauschen, Gebrauch machen. Dies geschieht letztlich auch mit dem Ziel, solche Kunden von der Belieferung auszuschließen. Das OLG Hamburg168 konnte auch keinen Verstoß gegen das UWG darin erblicken, dass der Kunde von dem Versandhändler „vorgewarnt“ wird, indem er gebeten wird, künftig nur noch solche Waren zu bestellen, die er wirklich behalten will. Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig Holstein, 24. Tätigkeitsbericht (2002), Ziff. 6.4.2: Fehler einer Kassiererin „Bei der Kundin eines Supermarktes wurde an der Kasse ein Artikel im Wert von 3,98 DM versehentlich zweimal erfasst. Der Irrtum war schnell erkannt, die Rückzahlung des überzahlten Betrages war ebenfalls kein Problem. Im Gegenzug beharrte die Kassiererin jedoch darauf, dass Name, Anschrift und Telefonnummer der Kundin auf einem sog. „Retourbon” eingetragen wurden. Wir hielten die Erfassung der Kundendaten bei reinen Tippoder Erfassungsfehlern an der Kasse mangels Erforderlichkeit der Daten für unzulässig. Im Gegensatz zur Warenrückgabe oder Reklamation (hier könnte sich ja im Nachhinein heraus stellen, dass die zurückgegebene Ware beschädigt ist) ist bei reinen Preiserfassungsfehlern mit sofort anschließender Erstattung kein Fall denkbar, der die spätere Kenntnis der Kundendaten erfordern würde.“ 6. Kommunikationsdaten Über die Adresse hinausgehende Kommunikationsdaten (Tele- 238 fon- oder Faxnummer, E-Mailadresse etc.) sind für die Vertragsabwicklung regelmäßig nicht erforderlich. Erforderlich kann die Telefonnummer oder E-Mailadresse im Einzelfall aber z.B. sein, wenn im Rahmen der Vertragsbeziehung anfallende Informatio168 Urteil vom 25.11.2004 - 5 U 22/04 -. 111 Kapitel VII Vertragsabwicklung nen schnellstmöglich mitgeteilt werden müssen oder die Organisation der Kundenbeziehung bei dem Unternehmen so gestaltet ist, dass die Kommunikation nur elektronisch erfolgt. Oder: Eine Taxizentrale vergewissert sich durch Rückruf über die Richtigkeit der telefonischen Taxianforderung. Ist der Rückruf erfolgt, muss die Telefonnummer des Bestellers allerdings gelöscht werden, es sei denn, dass eine regelmäßige Geschäftsbeziehung besteht. 239 Keine Bedenken bestehen dagegen, die Telefonnummer in der Kundendatei zu speichern, wenn der Kunde sie selber - z.B. auf seinem Briefkopf - mitgeteilt hat oder wenn sie im Telefonbuch verzeichnet ist (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 BDSG). Verwendet werden darf sie jedoch nur für Telefonate zur Klärung von Fragen im Rahmen der laufenden Geschäftsbeziehung. Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Tätigkeitsbericht 2002, Ziff. 4.6.5 zur Beanstandung der Speicherung von Kundendaten bei einem Pizzabäcker: Bei einer Pizzabestellung wird die Telefonnummer gespeichert, diese stellt gleichzeitig die Kundennummer bei zukünftigen Bestellungen dar. Gegen die Verwendung der Telefonnummer als Kundennummer bestehen zwar keine grundsätzlichen datenschutzrechtlichen Bedenken, wir haben dem Unternehmen allerdings empfohlen, Kunden bei einer Erstbestellung auf die Verwendung der Telefonnummer als Kundennummer aufmerksam zu machen. 7. Daten zur Bonität des Kunden 7.1 Die Berechtigung zur Überprüfung der Kreditwürdigkeit 240 Es besteht nicht nur ein berechtigtes Interesse daran, festzuhal- ten, wem eine Leistung auf Kredit gewährt wird, sondern ggf. auch daran, festzustellen, ob der Kunde kreditwürdig ist, d.h., ob nicht die Gefahr besteht, dass die Rechnung letztlich offen bleibt. Hierzu können Auskünfte bei auf dem Markt befindlichen Kreditinformationsdiensten eingeholt werden. Das erforderliche be112 Vertragsabwicklung Kapitel VII rechtigte Interesse an der Übermittlung der Daten (§ 29 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 a) BDSG) setzt aber ein tatsächliches Kreditrisiko voraus 169. ULD, Tätigkeitsbericht 2005, Ziff. 5.3 zu Bonitätsabfragen bei kostenlosen Testangeboten: „Der Anbieter eines Informationsangebotes für Webseiten musste seine Praxis der Vertragsanbahnung korrigieren. Er warb mit einem für drei Monate kostenfreien Testangebot mit speziell dafür geschaffenen Internetseiten für das jeweilige Gewerbe. Ein Freiberufler meldete sich auf das verlockende Angebot und ließ sich für einen Platz im Internetangebot des Unternehmens registrieren. Er staunte nicht schlecht, als er kurze Zeit später eine unbegründete Absage erhielt. Noch überraschter war er über die Auskunft erst auf seine Nachfrage hin, eine Bonitätsabfrage bei einer bundesweit aktiven Auskunftei habe ergeben, dass ihm die notwendige Kreditwürdigkeit fehle. Eine Bonitätsauskunft wegen der Reservierung für ein zunächst kostenfrei bleibendes Angebot ist unzulässig. Voraussetzung für die Einholung von solchen Auskünften ist ein „berechtigtes Interesse“. Hieran fehlt es, wenn dem anfragenden Unternehmen zunächst in keiner Weise ein kreditorisches Risiko entsteht.“ Die kumulative Anforderung einer Einkommensbescheinigung 241 des Arbeitgebers, einer detaillierten Vermögensaufstellung und des Einkommensteuerbescheides ist nach Auffassung einiger Aufsichtsbehörden nur bei sehr hohen und nicht durch Sicher169 Zur regelmäßigen Unzulässigkeit der Abfrage der Bankverbindung zu Zwecken der Bonitätsprüfung bei kostenlos gewährten Leistungen vgl. Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Jahresbericht 2003, S. 109. Zum Erfordernis eines kreditorischen Risikos vgl. auch Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Jahresbericht 2002, S. 131 f. 113 Kapitel VII Vertragsabwicklung heitsleistungen abgedeckten Kreditsummen170 als verhältnismäßig anzusehen. 7.2 Das Schuldnerverzeichnis 242 Über die Bonität eines zukünftigen Kunden können die bei den Amtsgerichten 171 geführten Schuldnerverzeichnisse Informationen liefern. 243 Verzeichnet werden die Personen, die eine eidesstattliche Versi- cherung (früher: Offenbarungseid) gemäß § 807 ZPO abgegeben haben oder gegen die zur Erzwingung der Abgabe der Erklärung nach § 901 ZPO die Haft angeordnet ist. Zudem wird aufgenommen, wer eine eidesstattliche Versicherung nach § 284 AO oder vor einer Verwaltungsvollstreckungsbehörde abgegeben hat. 244 Das Schuldnerverzeichnis ist zwar öffentlich, jedoch keine allge- mein zugängliche Quelle172 . Zugang erhält nur, wer die Auskunft für einen der in § 915 Abs. 3 ZPO geregelten Zwecke benötigt. 245 Auskunft ist danach u.a. möglich - für Zwecke der Zwangsvollstreckung, - um gesetzliche Pflichten zur Prüfung der wirtschaftlichen Zuverlässigkeit zu erfüllen oder - um wirtschaftliche Nachteile abzuwenden, die daraus entstehen können, dass Schuldner ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen. 246 Die Zweckbestimmungen des § 915 Abs. 3 ZPO haben abschlie- ßenden Charakter. Der Verstoß ist bußgeldbewehrt. 170 171 172 114 Das ULD geht hier von einem durch sonstige Sicherheiten nicht abgedec kten Betrag ab 250.000 €aus. Vgl. die von Verbraucherverbänden und dem ULD herausgegebene Schrift „Datenschutz für Verbraucher“, S. 27. Auch die örtlichen Industrie- und Handelskammern nehmen gegenüber ihren Mitgliedern eine entsprechende Informationsaufgabe wahr (§ 915e ZPO). Einige Bundesländer führen überdies ein paralleles Gesamtregister. Vgl. hierzu auch vorstehend Rdnr. 139. Vertragsabwicklung Kapitel VII Die Löschung der Eintragung bzw. eine entsprechende Fiktion 247 regeln §§ 915a, 915b Abs. 2 ZPO; spätestens erfolgt die Löschung nach drei Jahren. § 915 ZPO (Auszug): (1) Das Vollstreckungsgericht führt ein Verzeichnis der Personen, die in einem bei ihm anhängigen Verfahren die eidesstattliche Versicherung nach § 807 abgegeben haben oder gegen die nach § 901 die Haft angeordnet ist. In dieses Schuldnerverzeichnis sind auch die Personen aufzunehmen, die eine eidesstattliche Versicherung nach § 284 der Abgabenordnung oder vor einer Verwaltungsvollstreckungsbehörde abgegeben haben. Die Vollstreckung einer Haft ist in dem Verzeichnis zu vermerken, wenn sie sechs Monate gedauert hat. Geburtsdaten der Personen sind, soweit bekannt, einzutragen. (...) (3) Personenbezogene Informationen aus dem Schuldnerverzeichnis dürfen nur für Zwecke der Zwangsvollstreckung verwendet werden, sowie um gesetzliche Pflichten zur Prüfung der wirtschaftlichen Zuverlässigkeit zu erfüllen, um Voraussetzungen für die Gewährung von öffentlichen Leistungen zu prüfen oder um wirtschaftliche Nachteile abzuwenden, die daraus entstehen können, dass Schuldner ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, oder soweit dies zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist. Die Informationen dürfen nur für den Zweck verwendet werden, für den sie übermittelt worden sind. Nichtöffentliche Stellen sind darauf bei der Übermittlung hinzuweisen. § 915b Abs. 1 ZPO (Auszug): (1) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle erteilt auf Antrag Auskunft, welche Angaben über eine bestimmte Person in dem Schuldnerverzeichnis eingetragen sind, wenn dargelegt wird, dass die Auskunft für einen der in § 915 Abs. 3 be115 Kapitel VII Vertragsabwicklung zeichneten Zwecke erforderlich ist. (...) 7.3 Interne und externe Warndateien 248 Um sich vor „faulen“ Kunden zu schützen, kann das Unterneh- men zunächst auf eigene Erkenntnisse aus früheren Geschäftsbeziehungen, d.h. eine hausinterne Warndatei zurückgreifen 173 . Hierzu zählen Dateien über Personen, die z.B. auf Grund Ladendiebstahls Hausverbot erhalten oder betrügerisch Waren bestellt haben, zu deren Bezahlung sie nicht willens oder nicht in der Lage waren. Dabei können auch Haushaltsdaten eine Rolle spielen, wenn säumige Schuldner mit gleicher Adre sse und gleichem Nachnamen aufgetreten sind. Im Zweifel wird dann ein Versandgeschäft nicht gegen Rechnung, sondern nur gegen Nachnahme erfolgen. 249 Daneben gibt es brancheninterne Warndateien, wie dies z.B. im Versicherungsgewerbe 174 der Fall ist. Die Zulässigkeit derartiger Systeme hängt entscheidend von der Art der eingemeldeten Daten ab. Danach muss der Betroffene es ggf. hinnehmen, in eine Warndatei aufgenommen zu werden, wenn die Existenz der Datei für das Geschäftsleben relevant ist und Anlass für die Aufnahme objektive Tatbestände oder Verhaltensweisen sind, die von der Rechtsordnung missbilligt werden175. Insoweit kann auf die nachfolgenden Ausführungen zu den Auskunfteien verwiesen werden 176. 250 Sollen in eine Warndatei darüber hinausgehende Angaben auf- genommen bzw. übermittelt werden, so ist dies nur auf Grund einer entsprechenden Einwilligung des Betroffenen möglich. 173 174 175 176 116 Zur weitreichenden Zulässigkeit ausschließlich unternehmensintern betriebener Warnsysteme vgl. Reif, Warnsysteme der Wirtschaft und Kundendatenschutz, RDV 2007, S. 5 f. Vgl. Hamburgischer Datenschutzbeauftragter, Tätigkeitsbericht 2002/2003, S. 90. Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 29 Rdnr. 14. Vgl. nachfolgend Rdnr. 254 ff. Vertragsabwicklung Kapitel VII Unterschiedlich beurteilt werden sog. Mieterwarndateien. Als besonders problematisch wird insofern der Zugriff von Vermietern auf branchenübergreifende Systeme empfunden. So bedeute nicht jedes Fehlverhalten auf einem anderen Gebiet wie z.B. das Nichtbegleichen einer Handyrechnung, dass eine Säumigkeit auch bei der Mietzahlung drohe177. Bedenken werden zudem hinsichtlich der Freiwilligkeit von datenschutzrechtlichen Einwilligungserklärungen vorgebracht, die im Zusammenhang mit Mieterwarndateien abgegeben werden178 . 251 Besonderes Gewicht gewinnt der Datenschutz schließlich bei 252 solchen Warndateien, die sensible und ggf. einer besonderen Schweigepflicht unterliegende Daten umfassen. Zu den besonderen Arten personenbezogener Daten zählen u.a. Gesundheitsdaten (vgl. § 3 Abs. 9 BDSG). Eine der „Warnung“ von Ärzten vor Patienten, die ihre Arztrechnungen nicht zu bezahlen pflegen, dienende Warndatei setzt zunächst aus datenschutzrechtlicher Sicht eine Einwilligung voraus, da eine gesetzliche Grundlage für die Übermittlung der betreffenden Gesundheitsdaten in § 28 Abs. 6 bis 9 BDSG nicht enthalten ist; darüber hinaus bedarf es im Hinblick auf die speziellen ärztlichen Geheimhaltungspflichten einer Entbindung von der Schweigepflicht (§ 203 Abs. 1 StGB). Einzuholen ist die entsprechende Erklärung des Patienten sowohl 179 von dem einmeldenden als auch von dem abfragenden Arzt . Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Zweck einer derartigen Datei bereits erfüllt ist, wenn gespeichert wird, dass eine 177 178 179 Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zum Thema „Warndateien im Wohnungswesen“. Der Text findet sich auf der Homepage (www.bfdi.bund.de) unter dem Stichwort „Verbraucherschutz und Auskunfteien“ im Themenbereich „Wirtschaft und Finanzen“. Ebenso: Regierungspräsidium Dresden, Endauswertung der koordinierten Datenschutzkontrolle von Wohnungsunternehmen (30.12.2005), 7.4 Brancheninterne Warnsysteme (vgl. http://www.rp-dresden.de/ds/praxis/kontrolle_ wohnungswirtschaft.pdf). Vgl. etwa ULD, Tätigkeitsbericht 2005, S. 73. 2. Tätigkeitsbericht (2006) der Bayerischen Datenschutzaufsichtsbehörde für den nicht-öffentlichen Bereich, Ziff. 8.1, S. 40 ff. 117 Kapitel VII Vertragsabwicklung konkrete Person mit einer Rechnung in Verzug geraten ist. Eine Information, bei welchem Arzt der Zahlungsrückstand besteht, ist dagegen nicht nötig. 253 Eine ähnlich gelagerte Problematik besteht auch bei Systemen, mittels derer vor sog. Krankenhauswanderern gewarnt werden soll 180. Hierbei handelt es sich um Personen, die Krankheiten lediglich zu dem Zweck vortäuschen, ins Krankenhaus aufgenommen und verpflegt zu werden. 7.4 Auskunfteien 254 Bonitätsauskünfte stellen auch Kreditauskunfteien gegen ent- sprechendes Entgelt zur Verfügung. Hierzu gehört z.B. die SCHUFA (Schutzvereinigung für allgemeine Kreditsicherung)181 , die ihren Vertragspartnern im Rahmen eines gegenseitigen Datenmeldeverfahrens Informationen über Kreditnehmer zur Verfügung stellt. 255 Neben den zur Identifizierung notwendigen Angaben (Name, Anschrift, Geburtsdatum) werden von den Auskunfteien verschiedenste Informationen gespeichert, die Rückschlüsse auf das Einkommen bzw. Vermögen der betroffenen Person zulassen. Üblich ist insbesondere die Aufnahme von Angaben zur ausgeübten Tätigkeit, zum Arbeitgeber, zu Grundbesitz, Bankverbindungen, Schulden, eidesstattlichen Versicherungen, Zwangsversteigerungsverfahren, Haftbefehlen wegen Säumigkeit und vollstreckbaren Schuldtiteln. Nicht gespeichert werden dürfen Daten, bei denen Grund zur Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Speicherung hat bzw. - soweit es sich um Daten aus allgemein zugänglichen Quel180 181 118 Vgl. hierzu auch Innenministerium Baden-Württemberg, Tätigkeitsbericht 1995, Abschnitt „Gesundheit“, RDV 1996, S. 98. Zur SCHUFA vgl. ULD, SCHUFA FAQ (https://www.datenschutzzentrum.de/ faq/schufa.htm); Kloepfer/Kutzbach, SCHUFA und Datenschutzrecht, MMR 1998, S. 650; Kamlah, Das SCHUFA-Verfahren und seine datenschutzrechtliche Zulässigkeit, MMR 1999, S. 395. Vertragsabwicklung Kapitel VII len handelt oder Daten, die die verantwortliche Stelle veröffentlichen dürfte - Informationen, bei denen das schutzwürdige Interesse des Betroffenen am Ausschluss der Speicherung offensichtlich überwiegt (§ 29 Abs. 1 BDSG). Nicht beeinträchtigt sind schutzwürdige Belange in der Regel, 256 wenn durch die Auskunftei richtige, objektive und aussagekräftige Informationen über die Bonität und sonstige wirtschaftliche Verhältnisse gespeichert werden. Dagegen können Aussagen wie „playboyhaftes Verhalten“ oder „schlechter Gesundheitszustand“ (sensitives Datum), die durchaus bonitätsrelevant wären, das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen. Bei fehlenden tatsächlichen Informationen statistische Daten (Schätzdaten) zu speichern, ist nur bei entsprechender Kennzeichnung rechtmäßig182 . Die Informationen der Auskunfteien stammen zu großen Teilen 257 aus allgemein zugänglichen Quellen 183. Dies sind insbesondere Zeitungen, Hörfunk, Fernsehen, Telefonbücher und Branchenverzeichnisse sowie öffentliche Register184. Auskunfteien können zudem auf das (nicht allgemein zugängliche) Schuldnerregister (§§ 915 ff. ZPO)185 und auf (freiwillige) Selbstauskünfte der Betroffenen zurückgreifen. Eine weitere wichtige Informationsquelle sind Datenübermitt- 258 lungen durch die Unternehmen, die mit der Auskunftei in Informationsaustausch stehen. Interessant sind für die Auskunfteien insofern Angaben über die vertragsgemäße oder nicht vertragsgemäße Abwicklung von Geschäftsbeziehungen. Als Grundlage für derartige Übermittlungen kommt § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 182 183 184 185 Die Aussagen in diesem Absatz sind der Broschüre „Handels- und Wirtschaftsauskunfteien“ entnommen. Diese ist unter http://www.datenschutzberlin.de/infomat/dateien/ratgeber/ratgeb_6.pdf abrufbar. Vgl. hierzu im Einzelnen unter Rdnr. 137 ff. Schaffland/Wiltfang, Bundesdatenschutzgesetz, § 28 Rdnr. 134 (Stand: Lieferung 1/2006). Vgl. hierzu Rdnr. 242 ff. 119 Kapitel VII Vertragsabwicklung BDSG (Wahrung der berechtigten Interessen der verantwortlichen Stelle) bzw. § 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BDSG (Wahrung der berechtigten Interessen eines Dritten) in Betracht. Das Eigeninteresse der einmeldenden Unternehmen ergibt sich daraus, dass diese selbst auf einen funktionierenden Informationspool angewiesen sind, in den vollständige und umfassende Daten eingemeldet werden186 . Beide genannten Rechtsgrundlagen erlauben allerdings eine Übermittlung erst nach sorgfältiger Betrachtung der betroffenen Interessen. Insoweit sind folgende Grundsätze entwickelt worden187 : 259 Positivmerkmale, d.h. Angaben, die die Aufnahme und ord- nungsgemäße Abwicklung von Geschäftsbeziehungen betreffen, dürfen nach Maßgabe der angesprochenen Vorschriften grundsätzlich nicht übermittelt werden188. 260 Die Übermittlung „harter“ Negativmerkmale ist in aller Regel zulässig. „Harte“ Negativmerkmale sind solche, die durch staatliche Mitwirkung entstanden sind oder eine solche Bedeutung haben, dass entgegenstehende Interessen nicht schutzwürdig sind (Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, Scheckkartenmissbrauch, Zwangsvollstreckung, Insolvenz etc.). 261 „Weiche“ Negativmerkmale, d.h. Negativmerkmale, die einseitig auf Veranlassung von Gläubigern und ohne gerichtliche Prüfung entstehen (Inkassoverfahren, Mahnbescheide, Mietrückstände etc.), können nach § 28 BDSG nur übermittelt werden, wenn sichergestellt ist, dass die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen berücksichtigt wurden. So wird die Übermittlung des Datums eines Mahnbescheids nur als zulässig erachtet, wenn die zu Grunde liegende Forderung unbestritten ist und das Mahnverfahren lediglich der Erlangung eines Titels dient. 186 187 188 120 Duhr in: Roßnagel (Hrsg.), Handbuch Datenschutzrecht, München 2003, 7.5 Datenschutz in Auskunfteien, Rdnr. 28. Duhr in: Roßnagel (Fn. 186), 7.5. Datenschutz in Auskunfteien, Rdnr. 32 ff. A.A. Taeger, Datenschutz im Versandhandel: Übermittlung von Kundendaten mit positivem Bonitätswert, BB 2007, S. 785. Vertragsabwicklung Kapitel VII Die Weitergabe von Daten über Zahlungsrückstände durch Unternehmen an Auskunfteien setzt voraus, dass keine (vernünftigen) Zweifel an der Zahlungsunfähigkeit bzw. Zahlungsunwilligkeit des Betroffenen bestehen können. Wann dies im Einzelfall anzunehmen ist, ist umstritten189 . 262 Weiterreichende Übermittlungsmöglichkeiten als vorab darge- 263 stellt können lediglich durch eine entsprechende Einwilligung des Kunden geschaffen werden190 . Im Bereich der SCHUFA geschieht dies durch Unterzeichnung der sog. SCHUFA-Klausel. Die Übermittlung personenbezogener Daten durch Auskunfteien 264 richtet sich nach § 29 Abs. 2 BDSG. Danach ist eine Übermittlung zulässig, wenn der Dritte, dem die Daten übermittelt werden, ein berechtigtes Interesse an ihrer Kenntnis glaubhaft dargelegt hat und kein Grund zur Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Übermittlung hat. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn vor einem konkreten Vertragsschluss Informationen abgefordert werden, um das finanzielle Risiko besser kalkulieren zu können. 189 190 Nach der (engen) Auffassung der bayerischen Aufsichtsbehörde (2. Tätigkeitsbericht (2006), Ziff. 8.1, S. 40 ff.) ist Voraussetzung, dass es sich um eine unbestrittene Forderung handelt und der Schuldner insgesamt mindestens viermal gemahnt wurde, davon zweimal qualifiziert durch einen Anwalt oder ein Inkassounternehmen. Vgl. aber auch OLG Saarbrücken (Beschluss vom 06.10.2005 - 8 UH 323/05-99 -, DSB 1/2007, S. 20), das eine Datenübermittlung für zulässig erachtet, wenn sich das Kreditinstitut im Einzelfall vergewissert hat, dass das Verhalten des Kunden auf Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit beruht. Dies ist - unabhängig von der Zahl erfolgter Mahnungen - anzunehmen, wenn der Schuldner ausdrücklich erklärt hat, er sei zur Zahlung nicht in der Lage. Anmerkung: Die Weitergabe von Angaben über untitulierte Forderungen wird in Zukunft ggf. durch einen speziellen BDSG-Tatbestand geregelt. Vgl. insoweit Duhr in: Roßnagel (Fn. 186), 7.5 Datenschutz in Auskunftei en, Rdnr. 35 ff. 121 Kapitel VII 7.5 265 Vertragsabwicklung Bewertung durch Scoring Bonitätswerte können auch ausgehend von statistischen Erfahrungswerten gewonnen werden (Scoring)191 . Hierbei wird der Kunde in einem mathematisch-statistischen Verfahren mit bisherigen Kunden mit gleichen Merkmalen verglichen. Wenn Kunden mit den gleichen Werten bislang ein bestimmtes Ausfallrisiko aufgewiesen haben, wird der Betroffene ebenfalls als ein solcher Risikokunde betrachtet192 . Der Scorewert enthält also ein Wahrscheinlichkeitsurteil darüber, wie kreditwürdig eine bestimmte Person ist, und stellt damit ein personenbezogenes Datum dar193 . 266 Um eine Person zu „scoren“, werden Informationen über die Person benötigt. Hierbei kann es sich um folgende Informationen handeln: - Daten aus dem zu Grunde liegenden Vertrag, - Daten aus früheren Verträgen mit dem Betroffenen, - dem Betroffenen zugeordnete soziodemografische Daten194 , - von Auskunfteien übermittelte Daten sowie - von anderen Unternehmen übermittelte Daten. 267 Wird dabei auf der Zweckbestimmung eines Vertrages dienende Daten (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG) zurückgegriffen, handelt es sich um eine zweckändernde Nutzung. Die Zulässigkeit dieser zweckändernden Nutzung sowie auch der Erhebung von sonsti191 192 193 194 122 Vgl. hierzu auch nachfolgend Rdnr. 307 ff. Vgl. auch Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW, 17. Datenschutzbericht (2005), S. 60 ff. Vgl. Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 3 Rdnr. 3a sowie § 6a Rdnr. 15a; Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW, 17. Datenschutzbericht (2005), S. 61; Klein, Zur datenschutzrechtlichen Relevanz des Scorings von Kreditrisiken, BKR 2003, S. 488; a.A.: Wuermeling, Scoring von Kreditrisiken, NJW 2002, S. 3508. Vgl. hierzu auch nachfolgend Rdnr. 271 und 307 ff. Vertragsabwicklung Kapitel VII gen scoringrelevanten Daten - sei es bei dem Betroffenen, sei es bei einem Dritten - ist im Rahmen der Interessenabwägung nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG zu prüfen, wobei im Einzelnen fraglich ist, welche Daten berechtigterweise als Grundlage eines Scoring erhoben und ausgewertet werden können195 . Innenministerium Baden-Württemberg, Dritter Tätigkeitsbericht (2005), S. 29: „Als Erstes stellt sich die Frage, welche einzelnen Merkmale in die Berechnung des Scorewerts einfließen dürfen: nur solche, die eine unmittelbare Aussagekraft zu Zahlungsverhalten, Einkommens- und Vermögensverhältnissen aufweisen, wie etwa das monatliche Einkommen oder Einträge im Schuldnerverzeichnis? Oder dürfen auch Daten einbezogen werden, die zwar keinen unmittelbaren Bonitätsbezug aufweisen, bei denen aber mittels eines wissenschaftlichen Standards entsprechenden statistischen Verfahrens ein gesicherter Zusammenhang zur Kreditwürdigkeit nachgewiesen wurde, wie etwa beim Alter oder beim Wohnumfeld? Und wie ist es, wenn diese Daten (z.B. das Alter) geschätzt oder aus öffentlichen Quellen hergeleitet werden (z.B. Herleitung des Familienstands aus dem Telefonbucheintrag)? Geklärt werden muss auch, ob diese Fragen unterschiedlich beantwortet werden müssen, je nachdem, wozu der Scorewert verwendet wird (also etwa bei der Kreditvergabe durch eine Bank anders als bei der Festlegung 195 Bei den Aufsichtsbehörden bestehen noch unterschiedliche Auffassungen, wie die Zulässigkeit von Scoringverfahren zu bewerten ist, vgl. Innenministerium Baden-Württemberg, Dritter Tätigkeitsbericht (2005), S. 28; ULD, SCHUFA FAQ (https://www.datenschutzzentrum.de/faq/schufa.htm). Zur unterschiedlichen Beurteilung eines internen (= durch den Vertragspartner) und eines externen Scoring (= durch eine Auskunftei) vgl. bei Weichert, Datenschutzrechtliche Anforderungen an Verbraucher-Kredit-Scoring, DuD 2005, S. 582. Anmerkung: Im Hinblick auf Zulässigkeit und Transparenz von Scoringverfahren sind zum Zeitpunkt der Drucklegung der Broschüre gesetzgeberische Regelungen in Planung. 123 Kapitel VII Vertragsabwicklung der Zahlungsart im Versandhandel?).“ 268 Scoringauswertungen bedürfen zwar nicht generell einer Einwilligung, jedoch ist bei der Datenerhebung nach § 4 Abs. 3 BDSG hierüber zu informieren. Im Hinblick auf die auf Grund persönlicher Besonderheiten eventuell unzutreffende Bewertung ist ein Widerspruchsrecht nach § 35 Abs. 5 BDSG zuzugestehen196. Landesbeauftragter für den Datenschutz Niedersachsen: „Weitere Leitplanken zum Einsatz von Scoringsystemen“ (Auszug) „Soweit eine Erhebung der Daten für ein Scoring auf der Grundlage des § 28 BDSG erfolgt, ist der Betroffene gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BDSG über diesen zusätzlichen Zweck (Scoring z.B. zur Risikoeinschätzung bei Kreditvergabe) zu informieren. Dabei ist zu unterscheiden und auch deutlich zu machen, welche Daten nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG und welche nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG erhoben werden. Aus der Darstellung des Zweckes muss auch hervorgehen, welche konkreten Daten auch oder ausschließlich für ein Scoring erhoben werden. Werden Daten über den Betroffenen nicht unmittelbar bei diesem erhoben, dürfen gemäß § 4 Abs. 2 BDSG keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden. Außerdem bestehen die Benachrichtigungspflichten nach § 33 Abs. 1 BDSG. Um dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, entsprechende Anhaltspunkte vorbringen zu können, ist er vor der Beschaffung entsprechender Informationen - bzw. bereits vor Beginn der die Beschaffung begründenden Vereinbarung - über diese Tatsache und den Lieferanten der Daten in Kenntnis zu setzen.“ 196 124 Innenministerium Baden-Württemberg, Dritter Tätigkeitsbericht (2005), S. 30. Vertragsabwicklung Kapitel VII Entsprechende Zulässigkeits- und Informationsaspekte sind zu beachten, wenn der Scorewert extern (d.h. über eine Auskunftei) ermittelt wird, was die Übermittlung der Grunddaten des zu scorenden Kunden an die Auskunftei voraussetzt. 269 Das Scoringverfahren darf nicht zu einer unzulässigen automati- 270 sierten Einzelentscheidung führen, d.h., das Ergebnis darf nicht zur einzigen Grundlage der Entscheidung gegen den Abschluss des Geschäfts gemacht werden (§ 6a BDSG) 197 . Dem Betroffenen muss die Möglichkeit eröffnet sein, Argumente vorzutragen, nach denen die statistische Bewertung auf ihn nicht zutrifft. § 6a Abs. 1 und 2 BDSG: (1) Entscheidungen, die für den Betroffenen eine rechtliche Folge nach sich ziehen oder ihn erheblich beeinträchtigen, dürfen nicht ausschließlich auf eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten gestützt werden, die der Bewertung einzelner Persönlichkeitsmerkmale dienen. (2) Dies gilt nicht, wenn 1. die Entscheidung im Rahmen des Abschlusses oder der Erfüllung eines Vertragsverhältnisses oder eines sonstigen Rechtsverhältnisses ergeht und dem Begehren des Betroffenen stattgegeben wurde oder 2. die Wahrung der berechtigten Interessen des Betroffenen durch geeignete Maßnahmen gewährleistet und dem Betroffenen von der verantwortlichen Stelle die Tatsache des Vorliegens einer Entscheidung im Sinne des Absatzes 1 mit197 Vgl. hierzu Bundesbeauftragter für den Datenschutz, Tätigkeitsbericht 2001-2002, Ziff. 10.5.2 zu dem beanstandeten Verfahren, übermittelte Scorewerte direkt in andere Entscheidungsparameter einzuarbeiten. Anmerkung: Nach einem zum Zeitpunkt der Drucklegung der Broschüre vorliegenden Referentenentwurf zur Änderung des BDSG könnte § 6a BDSG ggf. künftig auch auf „überwiegend“ automatisierte Einzelentscheidungen anwendbar sein. 125 Kapitel VII Vertragsabwicklung geteilt wird. Als geeignete Maßnahme gilt insbesondere die Möglichkeit des Betroffenen, seinen Standpunkt geltend zu machen. Die verantwortliche Stelle ist verpflichtet, ihre Entscheidung erneut zu prüfen. 126 Vertragsabwicklung 7.6 Kapitel VII Soziodemografische Adressenbewertung Als eigenständiges Bewertungsmerkmal oder als Bestandteil eines Scoringverfahrens können soziodemografische Daten (Daten über die soziale Struktur der Bevölkerung in bestimmten Wohnbereichen) dienen198. Die Zulässigkeit der Bewertung des Kunden mittels der als wahrscheinlich behandelten statistischen Erkenntnisse hängt davon ab, dass nur solide Aussagen und nicht zur Diskriminierung/Ghettoisierung bestimmter Bevölkerungs- oder Wohngebietsgruppen führende Daten Verwendung finden. 8. 271 Exkurs: Der Mitarbeiter als Kunde Ein Unternehmen kann in unterschiedlichen Vertragsbeziehungen zu einem Betroffenen stehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ein Mitarbeiter gleichzeitig Kunde seines Arbeitgebers ist. So sind z.B. Beschäftigte eines Kaufhauses oft zugleich auch dessen Kunden. Verantwortliche Stelle als Unternehmer 272 Verantwortliche Stelle als Arbeitgeber Informationsrückgriff bei berechtigtem Interesse bzw. Bezug zu Rechten/Pflichten des anderen Vertragsverhältnisses Kunde/Mitarbeiter Das BDSG erlaubt die Verwendung der im Zusammenhang mit der Abwicklung des jeweiligen Vertragsverhältnisses mitgeteilten bzw. ansonsten erhobenen und gespeicherten Daten zunächst nur im Rahmen der betreffenden vertraglichen Beziehung (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG). Sollen Informationen auch in der anderen Vertragsbeziehung verwendet werden, so setzt diese Zweck198 Vgl. hierzu auch nachfolgend Rdnr. 307 ff. 127 273 Kapitel VII Vertragsabwicklung änderung eine vorhergehende Interessenabwägung199 voraus (§ 28 Abs. 2 BDSG)200 . Erforderlich ist in der Regel das Bestehen eines Bezugs zu den Rechten und Pflichten des anderen Vertragsverhältnisses. 274 Ein entgegenstehendes Interesse des Mitarbeiters bzw. Kunden kann insbesondere in Fällen anzunehmen sein, in denen vertrauliche bzw. sensiblere Daten betroffen sind. 275 Ist der Angestellte eines Kreditinstituts gleichzeitig auch dessen Kunde, so ist es grundsätzlich unzulässig, aus dem Arbeitsverhältnis stammende Gesundheitsdaten bei der Entscheidung über eine Kreditvergabe oder Informationen über Kontobewegungen im Rahmen von Personalentscheidungen zu berücksichtigen. Verwendung im Arbeitsverhältnis finden darf dagegen der von der Revision bei der routinemäßigen Überprüfung von Kundendaten festgestellte Verdacht von Insidergeschäften. Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Jahresbericht 1995, S. 192: „Grundsätzlich hat die Revision selbstverständlich das Recht, Kundenkonten zu kontrollieren. Im vorliegenden Fall interessierte sich die Revision jedoch nicht für die Konten als Kundenkonten, sondern ausschließlich als Mitarbeiterkonten. Hierbei hat die Revision den Umstand ausgenutzt, dass die jeweiligen Mitarbeiter - eigentlich eher zufällig - bei ihrem Arbeitgeber ihr Privatkonto führten. Diese Konten darf die Innenrevision nur überprüfen, wenn sie als normale Kundenkonten für die Revision von Bedeutung sind. Die generelle Kontrolle von Mitarbeiterkonten ist auch und gerade zur Aufklärung von Straftaten - insbesondere ohne vorherige Einschaltung des Betriebsrates und Mitteilung an die Betroffenen nicht zu akzeptieren.“ 199 200 128 Vgl. auch Rdnr. 284 sowie Rdnr. 37. Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 28 Rdnr. 17. Vertragsabwicklung Kapitel VII Keine Zweckänderung auf Grund einer Interessenabwägung ist möglich, soweit besondere Arten personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 9 BDSG) betroffen sind, da insofern gemäß § 28 Abs. 6 bis 9 BDSG spezielle Zulässigkeitsregeln gelten. 276 Ein Verbot der Zweckänderung kann sich zudem daraus ergeben, dass die Zwecke der Verarbeitung abschließend festgelegt sind 201 bzw. die Nutzung zu bestimmten Zwecken gesetzlich explizit untersagt ist202 . 277 Auch wenn der Arbeitgeber Personaldaten nicht zu Werbezwecken übermitteln darf, so steht einer Nutzung der Adressdaten zur Werbung für eigene Produkte jedenfalls dann nichts entgegen, wenn Sonderkonditionen gewährt werden. Auch Empfehlungen für vergünstigte Produkte anderer Konzerngesellschaften können an die Mitarbeiter weitergeleitet werden. 278 Zu beachten ist, dass die automatisierte Verarbeitung von Mitarbeiterdaten auch dann der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt, wenn die Daten aus der Kundenbeziehung stammen 203. Eine Kundenbeziehung liegt auch vor, wenn ein Mitarbeiter die betrieblichen Kommunikationseinrichtungen auch für private Zwecke nutzen darf204. 279 201 202 203 204 Vgl. z.B. für die „Kundendaten“ von bei einer Krankenversicherung Beschäftigten: § 284 SGB V. Vgl. § 35 Abs. 1 S. 3 SGB I (Sozialgeheimnis): „Sozialdaten der Beschäftigten und ihrer Angehörigen dürfen Personen, die Personalentscheidungen treffen oder daran mitwirken können, weder zugänglich sein noch von Zugriffsberechtigten weitergegeben werden.“ Vgl. HessVGH vom 09.11.1988, AiB 89, S. 126 für „Kundendaten“ bei der AOK beschäftigter Mitarbeiter. Das insoweit geltende Fernmeldegeheimnis (§ 88 TKG) darf nur in den gesetzlich geregelten Fällen oder bei Einverständnis des Beschäftigten durchbrochen werden. Vgl. hierzu Gola, Datenschutz bei Multimedia am Arbeitsplatz, Frechen 2006, Rdnr. 278 ff. 129 Fortsetzung der Kundenbeziehung Kapitel VIII Kapitel VIII: Welche Daten können zur Fortsetzung der Kundenbeziehung genutzt werden? 1. Die Löschungs- und Sperrungspflichten nach Wegfall der Zweckbestimmung Auch wenn der Prospekt versandt oder die Vertragsbeziehung 280 mit dem Kunden abgewickelt, d.h. die Ware geliefert, die Dienstleistung erbracht ist, soll der Kontakt mit dem Kunden in der Regel nicht beendet werden. Die Daten sollen häufig vielmehr weiter gespeichert und für Marketingzwecke genutzt werden. Andererseits ergab sich die Berechtigung zur Speicherung daraus, dass die Daten z.B. für die Durchführung des Vertrages benötigt wurden (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG). Dieser Zweck ist nunmehr - sofern nicht vertragliche Nachwirkungen bestehen205 weggefallen. Fällt der Zweck, für den die Daten benötigt wurden, weg, so 281 schreibt das BDSG grundsätzlich die Löschung der Daten vor (§ 35 Abs. 2 Nr. 3 BDSG), d.h. die vollständige Unkenntlichmachung oder physikalische Beseitigung (§ 3 Abs. 4 Nr. 5 BDSG). Regierungspräsidium Darmstadt, 13. Tätigkeitsbericht (1999), Ziffer 20: Warum Kundendaten löschen - der Speicherplatz reicht doch noch „Bei einem bundesweit organisierten System zum (Vor-) Verkauf von Konzert- und sonstigen Eintrittskarten wurde ein Programm angewandt, bei welchem ein programmmäßiges (softwaremäßiges) Löschen von personenbezogenen Daten nicht vorgesehen war. Es bestand die Anweisung an die verkaufenden Stellen, dass der Datensatz im Bereich des Namens205 Ggf. kann dem Vertrag noch ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis mit Nebenpflichten nachfolgen; so rechtfertigt sich etwa die Speicherung von Autokäufern für Rückrufaktionen, vgl. Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 28 Rdnr. 27. 131 Kapitel VIII Fortsetzung der Kundenbeziehung feldes mit Buchstabenkombinationen zu überschreiben sei, wenn ein Kunde eine Löschung verlange. Die Aufsichtsbehörde hält das Löschen von Bestellerdaten im Kartenvorverkaufgeschäft für unabdingbar, da, nachdem die Karten gekauft worden sind, ein Zweck hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten für die Vorabbestellung nicht mehr vorhanden ist. Sie forderte daher das Unternehmen auf, das Verfahren in absehbarer Zeit so zu verändern, dass für die Mitarbeiter in den einzelnen Verkaufsstellen die Möglichkeit besteht, ein automatisches programmmäßiges Löschen vorzunehmen.“ 282 Anstelle der Löschung kann auch die bloße Sperrung genügen, d.h. die Einschränkung der weiteren Verarbeitung oder Nutzung durch entsprechende Kennzeichnung (§ 3 Abs. 4 Nr. 4 BDSG). § 35 Abs. 2 und 3 BDSG (Auszug): (2) (...) Personenbezogene Daten sind zu löschen, wenn (...) 3. sie für eigene Zwecke verarbeitet werden, sobald ihre Kenntnis für die Erfüllung des Zwecks der Speicherung nicht mehr erforderlich ist, (...). (3) An die Stelle einer Löschung tritt eine Sperrung, soweit 1. im Falle des Absatzes 2 Nr. 3 einer Löschung gesetzliche, satzungsmäßige oder vertragliche Aufbewahrungsfristen entgegenstehen, 2. Grund zu der Annahme besteht, dass durch eine Löschung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden, oder 3. eine Löschung wegen der besonderen Art der Speicherung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist. 132 Fortsetzung der Kundenbeziehung Kapitel VIII So werden die Kundendaten zwar nach Ende der Vertragsbezie- 283 hung mit dem Kunden auf Grund handels- oder steuerrechtlicher Vorschriften weiter aufbewahrt werden müssen. Dies erfolgt dann aber nur für diesen Zweck, so dass eine Verarbeitung oder Nutzung für Marketingzwecke entfällt, es sei denn, die nachfolgenden Überlegungen zur Zweckänderung kämen zum Tragen. 2. Die Möglichkeit der Zweckerweiterung oder -änderung Das BDSG gestattet in gewissem Rahmen aber auch, dass Daten, 284 die ursprünglich für einen bestimmten Zweck erhoben und gespeichert wurden, noch für andere Zwecke genutzt werden. Voraussetzung ist, dass hierfür ein berechtigtes Interesse besteht und keine erkennbaren schutzwürdigen Interessen des Kunden entgegenstehen (§ 28 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 BDSG). Bestand diese Absicht nicht bereits bei der Datenerhebung, so können Daten eines Postkäufers nunmehr auch jetzt noch unter Rückgriff auf § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG für Marketingzwecke weiter verarbeitet bzw. genutzt werden206. Ebenso darf ein Hotel die Stammdaten von Hotelgästen speichern, um diese bei einem erneuten Aufenthalt als Service direkt auf dem Meldezettel einzudrucken. Speichert dagegen eine Bank im Rahmen einer Kreditbeantra- 285 gung erhobene Daten nach Ablehnung des Kredits noch einen Zeitraum von sechs Monaten, um ihre Filialen im Falle einer erneuten Kreditbeantragung „vorzuwarnen“, so sieht der Berliner Datenschutzbeauftragte 207 hierfür kein berechtigtes Interesse. Einmal sei es unwahrscheinlich, dass sich der abgelehnte An- 286 tragsteller bei einem erneuten Versuch der Kreditbeantragung ausgerechnet an eine Filiale der gleichen Bank wende. Zum anderen sei es auch möglich, dass sich die persönlichen Verhältnis206 207 Die Aufsichtsbehörden sehen dies zum Teil anders (vgl. Fn. 34). Berliner Beauftragter für Datenschutz und Akteneinsicht, Jahresbericht 2000, Ziffer 4.6.1. 133 Kapitel VIII Fortsetzung der Kundenbeziehung se des Antragstellers zwischenzeitlich geändert hätten. Keine Bedenken hatte man gegen die Umwidmung eines Teils der Antragsdaten in Werbedaten, sofern sich die Bank auf die nach § 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BDSG privilegierten Listendaten beschränke. Berliner Datenschutzbeauftragter, Jahresbericht 1998, Ziff. 3.3 zu Schwarzfahrerdateien (Auszug) „Zweck der Datenerhebung ist einerseits die Beitreibung des erhöhten Beförderungsentgelts und zum anderen die Erfassung von Wiederholungsfällen (ggf. mit dem Ziel der Anzeigeerstattung wegen Beförderungserschleichung). Letzteres Interesse besteht auch dann, wenn der Schwarzfahrer das erhöhte Beförderungsentgelt sofort bar bezahlt. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung der Deutschen Bahn (DB) sowie der S-Bahn ist § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG, für die der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) § 3 Abs. 1 der BetriebeVO. Sowohl DB als auch S-Bahn haben ein berechtigtes (wirtschaftliches) Interesse daran, den ihnen jeweils zustehenden erhöhten Fahrpreis einzufordern. Sie haben auch ein berechtigtes Interesse daran, als Verletzte Strafanzeige zu erstatten. Ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss dieser Datenspeicherung kann nicht anerkannt werden. Von großer Bedeutung für die Betroffenen ist natürlich die Frage, wie lange die Daten gespeichert werden. Die Speicherdauer bei den Vorgängen der DB beträgt grundsätzlich ein Jahr, das bei einem Wiederholungsfall erneut zu laufen beginnt, maximal jedoch drei Jahre. Bedenken gegenüber dieser Speicherfrist bestehen nicht, da das Unternehmen drei Jahre lang die Beförderungserschleichung strafrechtlich verfolgen lassen kann (§ 78 Abs. 2 Nr. 5 Strafgesetzbuch), andererseits aber nicht verfolgen lässt, wenn der Betroffene innerhalb eines Jahres nicht nochmals auffällt. Insofern ist die Kenntnis der Daten für diese Zeiträume erforderlich im Sinne des § 35 Abs. 2 Nr. 3 BDSG.“ 134 Fortsetzung der Kundenbeziehung Kapitel VIII Als rechtmäßig ist es also auch anzusehen, Personen, die sich 287 eine Leistung unentgeltlich „erschleichen“, nicht nur zwecks Beitreibung des Entgelts, sondern auch im Hinblick auf im Wiederholungsfall zu ergreifende Konsequenzen zu erfassen208. Ergibt sich z.B. nach Übernahme des Unternehmens in einen 288 Konzern der Wunsch, vorhandene Kundendaten auch anderen konzernangehörigen Gesellschaften zur Verfügung zu stellen, so ist dies, jedenfalls wenn der in § 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BDSG genannte Datenkatalog nicht überschritten wird, regelmäßig zulässig209 . Im Übrigen kommt ein Versand der Werbebotschaft durch die neue Konzerngesellschaft in Betracht - ggf. unter Einschaltung eines sog. Lettershops. 3. Mehr Wissen über den Kunden 3.1 Methoden der Zielgruppenfindung Um den Kunden z.B. durch seinen potenziellen Wünschen ent- 289 sprechende Angebote an das eigene Unternehmen zu binden, besteht der Wunsch, den Kunden und seine Interessen besser kennen zu lernen. Dazu dienen u.a. die Verfahren zum Verbraucherscoring, die 290 Auswertung von bislang unstrukturierten Kundendaten im Rahmen von Datawarehouse- und Dataminingverfahren sowie das Customer Relationship Management (CRM). Zusätzliches Wissen über die Bedürfnisse und die Zufriedenheit 291 des Kunden kann aber auch über das bewährte Mittel der Kundenbefragung erlangt werden. Anstelle der Durchführung einer eigenen Kundenbefragung bietet sich hierbei auch die Einschaltung spezialisierter Dienstleister an. 208 209 Zu Warndateien vgl. auch vorstehend Rdnr. 248 ff. Vgl. hierzu aber unbedingt auch oben unter Fn. 34. Hinsichtlich der sich insoweit bei international tätigen Konzernen ergebenden Probleme vgl. nachfolgend Rdnr. 351 ff. 135 Kapitel VIII 3.2 Fortsetzung der Kundenbeziehung Kundenbefragung 3.2.1 Allgemeines 292 Qualifizierte Kundenbefragungen sind integraler Bestandteil der Marketingplanung, eines am Kunden orientierten Qualitätsmanagements sowie eines effektiven CRM-Systems. Zur Verbesserung der Kundenbindung und zur Optimierung von Werbemaßnahmen bietet sich neben der Auswertung von Kundendaten im Rahmen sog. Datawarehouse- und Dataminingverfahren primär die unmittelbare Befragung des Kunden selbst an. 293 Solche Kundenbefragungen können in verschiedener Form erfol- gen, woraus unterschiedliche datenschutzrechtliche Anforderungen resultieren. 3.2.2 Eigene Kundenbefragung 294 In Hotels ist es heute vielfach üblich, dass der Gast auf seinem Zimmer ein Formular findet, in welchem er gebeten wird, Mitteilung über seine Zufriedenheit mit den Leistungen des Hotels zu machen bzw. konkrete Anregungen und Beschwerden vorzubringen. Teilweise ist die Angabe des Namens des Gastes explizit vorgesehen, manchmal verbunden mit dem Hinweis auf eine Verlosung von Preisen unter den Teilnehmern. Aber auch wenn die Angabe des Namens freigestellt ist oder ein Name gar nicht erst erfragt wird, handelt es sich häufig - jedenfalls zunächst - um die Erhebung personenbezogener Daten, da der Aussteller identifizierbar ist. 295 Derartige Befragungen sind zulässig, soweit klargestellt bzw. offenkundig ist, dass die Beantwortung der Fragen freiwillig erfolgt, und dem Betroffenen die mit der Befragung einhergehenden Zwecke hinreichend transparent gemacht werden (§ 4 Abs. 3 S. 1 und 2 BDSG). Mit der Beantwortung der Fragen bringt der Kunde zum Ausdruck, dass er in seinen schutzwürdigen Interessen nicht beeinträchtigt wird (§ 28 Abs. 1 BDSG). 136 Fortsetzung der Kundenbeziehung Kapitel VIII Dienen die Angaben nur als Grundlage interner Maßnahmen zur 296 Verbesserung des Service, sind sie nachfolgend entsprechend zu anonymisieren. Will man sich bei einem Kunden - ggf. unter Zusendung eines Geschenks - entschuldigen, so ist auch die dazu erforderliche Datenverarbeitung zulässig. Für mündliche Befragungen durch Interviewer gilt das zuvor Aus- 297 geführte entsprechend, wobei hier zumeist (z.B. bei Befragung von Fluggästen oder Kunden der Bahn) die Anonymität von vorneherein gewahrt ist. Mit dem BDSG vereinbar ist es im Übrigen auch, wenn die Befragung (z.B. des Hotelgasts nach dem Ende des Aufenthalts) per Post erfolgt. Problematisch ist dagegen der Fall, dass die Kundenbefragung 298 per Telefon erfolgen soll. Insofern ist die Rechtsprechung des OLG Stuttgart 210 zu berücksichtigen, wonach auch nur mittelbar der Absatzförderung dienende telefonische Meinungsbefragungen als Werbung und damit als nach dem UWG einwilligungsbedürftig anzusehen sind. 3.2.3 Beauftragung eines spezialisierten Instituts Will sich das Unternehmen bezüglich der Kundenbefragung der 299 Hilfe eines Markt- und Meinungsforschungsinstituts bedienen, so setzt dies die Weitergabe von Kundendaten an das Institut voraus. Nimmt das Institut die Aufgabe im Wege der Auftragsdatenver- 300 arbeitung (§ 11 BDSG)211 wahr, dürfen alle Kundendaten weitergegeben werden, die auch der Auftraggeber selbst für die Umfrageaktion benötigen würde 212. Der „Auftrag“ muss hinsichtlich 210 211 212 Urteil vom 17.01.2002 - 2 U 95/01 -, RDV 2003, S. 31. Vgl. Rdnr. 346 ff. Zur Unzulässigkeit der Weitergabe der Kundenadresse bei Durchführung einer Telefonbefragung vgl. 15. Bericht der Landesregierung über die Tätigkeit der für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich in Hessen zuständigen Aufsichtsbehörden (2001), LT-Drs. 15/4659, Ziff. 9.4, S. 33. 137 Kapitel VIII Fortsetzung der Kundenbeziehung der Datenverarbeitungsaufgaben präzise gefasst sein. U.a. muss der Beauftragte verpflichtet werden, auf die Freiwilligkeit der Beantwortung der Fragen hinzuweisen213 . 301 Probleme bestehen jedoch auch bei der Einschaltung von Auf- tragnehmern, wenn die weiterzugebenden Kundendaten besonderen Geheimhaltungsverpflichtungen unterliegen. Z.B. bedürfte ein Apotheker oder Arzt auf Grund der bestehenden Schweigepflicht der Einwilligung seiner Kunden/Patienten. 302 Keiner gesetzlichen, sondern einer vertraglichen Schweigepflicht unterliegen Banken gegenüber ihren Kunden. Fraglich ist auch hier, ob die Bank trotz der für sie bestehenden Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses zur Einschaltung eines Befragungsinstituts berechtigt ist 214. 303 Um auszuschließen, dass durch die Datenverarbeitung im Auf- trag schutzwürdige Interessen des Kunden berührt werden, sollten diese mit Hinweis auf ein ihnen eingeräumtes Widerspruchsrecht 215 über die beabsichtigte Befragung individuell und nicht etwa nur durch Hinweise auf der Bankhomepage informiert werden. Es ist dann anzugeben, welche personenbezogenen Daten zu diesem Zweck an welche Stelle weitergegeben werden sollen. Insbesondere ist klarzustellen, ob die Angaben des Kunden dem auftraggebenden Kreditinstitut zur Beschwerdebearbeitung unter Nennung des Kunden zurückgemeldet werden sollen. Eine Information erscheint auch deshalb ratsam, weil der Kunde von einer unbefugten Übermittlung ausgehen könnte, wenn er von einem Markt- und Meinungsforschungsinstitut unvermittelt auf seine Kundenbeziehung zum Kreditinstitut angesprochen wird. 213 214 215 138 7. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Mecklenburg-Vorpommern (2004/2005), Ziff. 6. Vgl. hierzu bei Gola, Datenschutz im Call Center, 2. Auflage, Frechen 2006, S. 124 ff. Vgl. zum gesamten Absatz: Innenministerium Baden-Württemberg, Hinweise zum Datenschutz für die private Wirtschaft (Nr. 37), Ziff. 2, S. 7 (http://www.innenministerium.baden-wuerttemberg.de). Die Bank muss eine angemessene Widerspruchsfrist benennen. Fortsetzung der Kundenbeziehung Kapitel VIII Unproblematisch ist es, wenn das Markt- und Meinungsfor- 304 schungsinstitut einen Fragebogen entwickelt, der vom Kreditinstitut unmittelbar selbst versandt wird. Sofern die Kunden die Möglichkeit haben, den ausgefüllten Fragebogen anonym an das Forschungsinstitut zur Auswertung zurückzuleiten, findet bei diesem kein Umgang mit personenbezogenen Daten statt. Erhält das Institut nur einen allgemein gehaltenen Auftrag, bei 305 dem es den Umfang und die Art der Fragen sowie den Ablauf der Untersuchung selbstständig bestimmen kann, kann die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Kunden nicht mehr als Datenverarbeitung im Auftrag im Sinne von § 11 BDSG bewertet werden. Die Auftragsdatenverarbeitung ist durch die Beschränkung auf eine ausführende Tätigkeit gekennzeichnet. Im Falle eines lediglich allgemein gehaltenen Befragungsauftrags ist daher von einer Datenübermittlung auszugehen. Hierfür stellt § 28 BDSG keine ausreichende Grundlage dar. Ins- 306 besondere liegt die Kundenbefragung nicht mehr im Rahmen der konkreten Vertragsbeziehung mit dem Kunden. Folglich ist eine Einwilligung in die Übermittlung erforderlich. Eine bloße Unterrichtung wäre nicht ausreichend. 3.3 Verbraucherscoring/soziodemografische Bewertung Wie bereits erwähnt, werden Scoringverfahren insbesondere 307 zum Ausschluss von Kreditrisiken eingesetzt. Scoringverfahren können aber auch genutzt werden, um die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Konsumentenverhaltens zu ermitteln. Prognostiziert werden etwa die Reaktion auf Werbeansprache, Abschlusswahrscheinlichkeiten in Bezug auf Verträge, das Inkassoverhalten sowie die Wahrscheinlichkeit von Leistungsstörungen 216. Ermittelt werden sollen Kunden, die die Absicht haben, zur Konkurrenz zu wechseln. Auch können Produkte identifiziert 216 Vgl. Weichert, Datenschutzrechtliche Anforderungen an VerbraucherKredit-Scoring, DuD 2005, S. 582. 139 Kapitel VIII Fortsetzung der Kundenbeziehung werden, die der Kunde wahrscheinlich kaufen würde. Einsatz finden die Systeme bei Kundenanfragen ebenso wie bei der Beurteilung des weiteren Kaufverhaltens vorhandener Kunden. Zitat aus der Kundeninformation eines Dienstleisters217 : „Dazu vergleichen die Systeme die Interessentendaten mit dem Idealprofil von Kunden, die bereits in einer Datenbank gespeichert sind. Kunden, die einen attraktiven CustomerLifetime-Value aufweisen, die von ihren Wünschen, Affinitäten besonders gut zum Unternehmen passen und mit der Geschäftsbeziehung zufrieden sind. Die verwendeten Daten können Produktionsnutzungsdaten, Hobbys, Alter etc. sein.“ 308 Die Zulässigkeit, derartige Auswertungen ohne Einwilligung durchzuführen, hängt auch hier davon ab, welcher Art die Erkenntnisse sind und zu welchen Zwecken sie verwendet werden. 309 Ist Konsequenz einer auf Grund objektiver und nicht diskriminie- render Kriterien ermittelten negativen Prognose, dass dem Interessenten/Kunden nur wenig oder gar keine Aufmerksamkeit gewidmet wird, dass seine Anfrage standardmäßig beantwortet wird oder dass kein Kontakt mehr mit ihm gesucht wird, so wird dies im Regelfall seine schutzwürdigen Interessen nicht beeinträchtigen und auch nicht gegen das Verbot der automatisierten Einzelentscheidung 218 (§ 6a BDSG) verstoßen. Dieses greift nur, wenn die negative Entscheidung eine rechtliche Folge nach sich zieht oder den Betroffenen erheblich beeinträchtigt. Wird die Adresse des Betroffenen durch Auswertung seines Kaufverhaltens, seiner Wohnumgebung etc. bewertet, um seine Kaufkraft oder seine potenziellen Kaufinteressen zu ermitteln, so liegt darin zwar die Bewertung einzelner Persönlichkeitsmerkmale219 . Wird darauf gestützt ausschließlich automatisiert darüber entschieden, ob dem Betroffenen Prospekte zugesendet werden 217 218 219 140 www.crm-expert-site.de; Beratungsbrief 10/04. Vgl. hierzu auch vorstehend Rdnr. 270. Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 6a Rdnr. 10. Fortsetzung der Kundenbeziehung Kapitel VIII sollen oder ob er in eine Datei mit besonders zu pflegenden Kunden aufgenommen wird, so ist indes die geforderte negative Rechtsfolge oder erhebliche Beeinträchtigung nicht gegeben220 . Gleichermaßen zu bewerten ist die mit entsprechender Zielrich- 310 tung erfolgende Bewertung von Kunden mit soziodemografischen Daten. 3.4 Datawarehouse/Datamining 221 Der Begriff des Datawarehouse stammt aus dem Informati- 311 onsmanagement in der Betriebswirtschaft. Ein Datawarehouse ist eine zentrale Datensammlung, deren Inhalt für verschiedene unspezifizierte Zwecke langfristig ausgewertet werden soll. Die Daten werden i.d.R. aus dem operativen Geschäft eines Unternehmens heraus dupliziert und aufgearbeitet, bevor sie in das Datawarehouse einfließen. Datamining bezeichnet den Prozess, mit dem ein Datawarehouse analysiert und ausgewertet wird. Von der Akkumulierung der Daten verspricht man sich, bisher unbekannte Zusammenhänge zwischen Einzeldaten zu erkennen. Die Datenverarbeitung innerhalb eines solchen Systems wird oft 312 nur auf Grund einer Einwilligung zulässig sein. Etwas anderes gilt natürlich, wenn es sich um anonymisierte Datensätze handelt. 3.5 Profilbildung Führen die Auswertungen des Kundenverhaltens und der durch 313 Scoring und/oder soziodemografische Bewertungen gewonnenen Erkenntnisse dazu, den Kunden nicht nur einer bestimmten Zielgruppe zuzuordnen, sondern zu einem über das konkrete 220 221 Vgl. die entsprechende Begründung zur EU-Datenschutzrichtlinie bei Ehmann/Helfrich, EG-Datenschutzrichtlinie, Köln 1999, Art. 15 Rdnr. 18 f. Baeriswyl, Data Mining und Data Warehousing: Kundendaten als Ware oder geschütztes Gut, RDV 2000, S. 6; Möller, Data Warehouse als Warnsignal an die Datenschutzbeauftragten, DuD 1998, S. 555; Möncke, Data Warehouse - eine Herausforderung für den Datenschutz, DuD 1998, S. 561. 141 Kapitel VIII Fortsetzung der Kundenbeziehung bzw. vermutete Konsumverhalten hinausgreifenden Persönlichkeitsprofil, so besteht ein Konflikt mit datenschutzrechtlichen Grundprinzipien 222, wobei es in der Praxis nur schwer bestimmbar ist, wann hinsichtlich Quantität und Qualität der Daten über einen Kunden eine mit dem Anspruch auf Persönlichkeitsschutz nicht mehr zu vereinbarende Grenze zur Bildung des Persönlic hkeitsprofils überschritten ist. Des Weiteren ergibt sich die Frage, wie der vom Gesetz gewollten Transparenz gegenüber den Betroffenen - u.a. im Zusammenhang mit der Abgabe einer Einwilligung - praxisgerecht Rechnung getragen werden kann. Mikrozensusentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes 223 „Mit der Menschenwürde wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch nehmen könnte, den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren, sei es auch in der Anonymität einer statistischen Erhebung, und ihn damit wie eine Sache zu behandeln, die einer Bestandsaufnahme in jeder Beziehung zugänglich ist.“ 4. Wie erhalte ich die Kundenbeziehung? 4.1 Customer Relationship Management (CRM) 314 Das Customer Relationship Management224 (CRM) „versucht mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnologien auf lange Sicht profitable Kundenbeziehungen durch ganzheitl i222 223 224 142 Jacob/Jost in „Marketingnutzung von Kundendaten und Datenschutz - ein Widerspruch?“, DuD 2003, 621; von Lewinski, Persönlichkeitsprofile und Datenschutz bei CRM, RDV 2003, S. 122. BVerfG, Beschluss vom 16.07.1969 - 1 BvL 19/63 -, BVerfGE 27, 1. Zu den insoweit auftretenden datenschutzrechtlichen Fragestellungen vgl. auch Taeger, Kundenprofile im Internet - Customer Relationship Management und Datenschutz, K&R 2003, S. 220; ferner Wimmer, Privacy-based Marketing - kundenzentrierte Ansätze im CRM, Oldenburger Beiträge zum Zivil- und Wirtschaftsrecht, Band 16, 2005; Zu Vertragsverhältnissen und CRM bei Mehrwertdiensten vgl. Schmitz/Eckhardt, CR 2006, S. 323. Fortsetzung der Kundenbeziehung Kapitel VIII che und individuelle Marketing-, Vertriebs-, und Servicekonzepte aufzubauen und zu festigen“225 . Vereinfacht ausgedrückt besteht ein CRM-System aus Daten- 315 bankanwendungen, die eine strukturierte und automatisierte Erfassung von Kundenkontakten und -daten ermöglichen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht besteht der Anspruch, sämtliche Kundendaten und Transaktionen zu speichern. CRM-Systeme bereiten diese Daten so auf, dass sie allen Abteilungen in geeigneten Konstellationen u.a. in einer Kundendatenbank zur Verfügung stehen. Typische Informationsfelder bestehen in den Grunddaten (Adressdaten etc.), Potenzialdaten (Anhaltspunkte für kundenindividuelle Nachfragevolumen in der Zukunft), Aktionsdaten (Historie der kundenspezifischen Aktionsdaten) und Reaktionsdaten (Historie des Kundenverhaltens)226. 4.2 Kundenkonto Das Kundenkonto-Modell ist ein typisches Instrument der Kun- 316 denbindung. Mit dem Kunden wird eine Art vertragliche Rahmenbeziehung begründet, die z.B. Funktionen wie eine persönliche Bestellverwaltung, die Verwaltung unterschiedlicher Lieferadressen und Zahlungsmethoden, die Teilnahme an Sonderaktionen oder das Anlegen von „Merk- oder Wunschzetteln“ eröffnet. Das Unternehmen speichert die Stammdaten des Kunden und kann bei Folgebestellungen auf diese zurückgreifen. Dem Kunden wird die erneute An- bzw. Eingabe der Daten erspart. Die Speicherung und Verarbeitung von Daten im Rahmen eines 317 Kundenkontos ist gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG zulässig. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Stammdaten des Kunden betroffen sind. Sollen weitere Daten gespeichert und verarbeitet werden, hängt die Zulässigkeit von der Ausgestaltung des Kun225 226 Vgl. Hettich/Hippner/Wilde: Customer Relationship Management (CRM), in: Das Wirtschaftsstudium, Jahrgang 29, Nr. 10/2000, S. 1346 bis 1366; vgl. ferner bei Wimmer (vgl. Fn. 224), S. 14 ff. Vgl. ferner bei Wimmer (vgl. Fn. 224), S. 36 ff. 143 Kapitel VIII Fortsetzung der Kundenbeziehung denkontomodells im Einzelnen ab. Ist beispielsweise vorgesehen, eine Bestellhistorie für Garantiezwecke zu speichern, wäre die entsprechende Datenverarbeitung ebenfalls gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG zulässig. Anders verhält es sich, wenn die Daten schwerpunktmäßig im Interesse des Unternehmens genutzt werden sollen. Die werbliche Auswertung und Nutzung der Daten ist ggf. unter dem Aspekt des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG, hilfsweise einer Einwilligung zu beurteilen. 4.3 Kundenkarten 227 318 Kundenbindungssysteme in Form von Kundenkarten werden in zwei verschiedenen Grundformen angeboten. Zum einen existieren einfache Kundenkarten, die Unternehmen für ihre eigenen Kunden ausgeben, um diese mit Vergünstigungen und besonderen Serviceleistungen an das Unternehmen zu binden (Kundenbindungssysteme im 2-Parteien-Verhältnis). Daneben ist aber auch eine neue Entwicklung hin zu unternehmensübergreifenden Kundenbindungssystemen zu beobachten. Der Kunde kann seine Karte dabei in allen angeschlossenen Unternehmen einsetzen (Kundenbindungssysteme im Mehr-Parteien-Verhältnis). 319 Ähnliche Entwicklungen haben sich in einzelnen Nischenberei- chen und Regionen vollzogen. Im Rahmen eines modernen Stadtmarketings bieten Energieversorgungsunternehmen oder andere Kundenkartenbetreiber zunehmend Bonuskarten unter Einbeziehung des lokalen Einzelhandels (sog. City Cards) an. 320 Der große Erfolg derartiger Systeme - die Marktführer bilden Payback und Happy Digits - ist auf die beim Einsatz der Karten in Aussicht gestellten Rabatte zurückzuführen. Hierzu schließt der Kunde einen Rabattvertrag mit dem Systembetreiber als Herausgeber der Karte. Der Systembetreiber unterhält wiederum Vertragsbeziehungen zu den sog. Partnerunternehmen, auf Basis 227 144 Weber/Jacob/Rieß/Ullmann, Neue Wege der Kundenbindung aus Datenschutzsicht: Bonuskarten-Systeme, DuD 2003, S. 614. Fortsetzung der Kundenbeziehung Kapitel VIII derer den Karteninhabern ein Rabatt - meist in Form von Gutschriften bei dem Systembetreiber - eingeräumt wird. Neben der reinen Rabattgewährung enthält ein solcher Vertrag häufig auch andere Leistungen des Systembetreibers gegenüber dem Kunden. In der Regel richtet er ein Bonuskonto für den Kunden ein und übernimmt die Verwaltung und Auszahlung der Prämienpunkte. Die Höhe des gewährten Rabatts wird entweder vom jeweiligen Partnerunternehmen oder für ein Programm gemeinsam von allen Partnerunternehmen festgelegt. Systembetreiber (Rabattvertrag) (Rabatt und Marketing) Kunde (Kaufvertrag) Partnerunternehmen Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist bei Kundenkartensystemen 321 zwischen den Verarbeitungszwecken „Rabattabwicklung“ und „Werbung und Marktforschung“ zu differenzieren. Soweit die Datenverarbeitung der Abwicklung des Rabattvertra- 322 ges dient, ist sie über § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG legitimiert. Hiervon werden nicht nur die Stammdaten des Kunden erfasst, sondern auch Programmdaten wie Ort und Datum des Karteneinsatzes, Preis der erworbenen Ware oder Dienstleistung und Höhe der Rabattgutschrift. Die Erhebung und Verarbeitung von Informationen über die erworbene Ware oder Dienstleistung ist nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG nur zulässig, wenn die Höhe der Bonusgutschrift nicht nur von dem Preis, sondern zumindest auch von der Art der Ware oder Dienstleistung abhängig ist. Die Speicherung von weiteren Daten und die Nutzung zu Werbe- 323 zwecken soll nach Auffassung der Aufsichtsbehörden nur zulässig 145 Kapitel VIII Fortsetzung der Kundenbeziehung sein, soweit eine Einwilligung der Betroffenen vorliegt228. Eine Ausnahme gilt jedenfalls für die Übermittlung oder Nutzung im Rahmen des Listenprivilegs (§ 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BDSG). Beispiel: Einwilligungsklausel Payback229 Einwilligung in Werbung und Marktforschung: Mit meiner Unterschrift erkläre ich mich einverstanden, dass die von mir oben angegebenen Daten sowie die Rabattdaten (Waren/Dienstleistungen, Preis, Rabattbetrag, Ort und Datum des Vorgangs) für an mich gerichtete Werbung (z.B. Informationen über Sonderangebote, Rabattaktionen) per Post und mittels ggf. von mir beantragter Services (SMS oder E-Mail Newsletter) sowie zu Zwecken der Marktforschung ausschließlich von der Loyalty Partner GmbH und den Partnerunternehmen gemäß Nummer 2 der beiliegenden Hinweise zum Datenschutz gespeichert und genutzt werden. Mein Einverständnis kann ich jederzeit gegenüber dem PAYBACK Service Center oder der Loyalty Partner GmbH, Postfach 23 21 02, 85330 München-Flughafen, widerrufen. □Hier ankreuzen, falls die Einwilligung nicht erteilt wird. 324 Sollen ausschließlich anonymisierte Datensätze in das System fließen, bestehen keine Datenschutzbedenken. 325 Einige Kundenkarten werden mit einer Kreditkartenfunktion angeboten. Insofern ist zu beachten, dass der Betreiber Daten von dem Kreditkartenanbieter nur erhalten darf, wenn eine entsprechende Einwilligung des Kunden - ggf. mit der Entbindung von der Wahrung des Bankgeheimnisses - vorliegt. Dies gilt sowohl für die Antragsdaten als auch für Daten, die beim Karteneinsatz anfallen. 228 229 146 Vgl. hierzu Innenministerium Baden-Württemberg, Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich, Dritter Tätigkeitsbericht (2005), S. 120 ff. Nach dem OLG München, Urteil vom 28.09.2006 - 29 U 2769/06 -, RDV 2007, S. 27 ist eine „Opt-Out“-Klausel zulässig (nicht rechtskräftig; anders: LG München I, Urteil vom 09.03.2006 - 12 O 12679/05 -, RDV 2006, S. 169). Technische Kundenüberwachung Kapitel IX Kapitel IX: Welche Grenzen bestehen bei der technischen Überwachung von Kunden? 1. 1.1 Schutz vor unerwünschten Kunden durch Maßnahmen der Videoüberwachung Regelungsvorgaben des BDSG Zum eigenen Schutz - ggf. aber auch zum Schutz der Kunden - vor 326 Diebstählen, Vandalismus und Überfällen werden Verkaufsräume, Ladengeschäfte, Eingangsbereiche, Hotelflure etc. häufig durch Videokameras überwacht. Teilweise dient die Technik nur zur Übertragung von Bildern auf einen Bildschirm, teilweise werden die Bilder aber auch aufgezeichnet. Eine Reglementierung hat der Einsatz derartiger Überwachungs- 327 technik u.a. in § 6b BDSG gefunden, der die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mittels optisch-elektronischer Einrichtungen regelt. § 6b BDSG regelt die Überwachung von sich in öffentlich zugäng- 328 lichen Räumen aufhaltenden Personen. Der Begriff „Räume“ ist im Sinne öffentlich zugänglicher „Bereiche“ zu verstehen. Für das Vorliegen eines öffentlich zugänglichen Raumes ist entscheidend, ob der Raum entweder dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist oder nach dem erkennbaren Willen des Berechtigten von jedermann genutzt oder betreten werden darf. Dies trifft auf Ausstellungsräume eines Museums, Verkaufsräume eines Warenhauses, Schalterhallen eines Bahnhofs ebenso zu wie auf Schwimmbäder, Bibliotheken etc. Ob für die Nutzung ein Entgelt zu entrichten ist, spielt keine Rolle, sofern jeder Zahlende Zutritt erhält. Für die Verkaufsraumüberwachung kommen zwei der in § 6b 329 Abs. 1 BDSG genannten Zweckbestimmungen in Frage, nämlich die Wahrnehmung des Hausrechts (Nr. 2) und die Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke (Nr. 3). Hinsichtlich der Zulässigkeit der Videoüberwachung ist dabei 330 danach zu differenzieren, ob über die Videokamera lediglich eine 147 Kapitel IX Technische Kundenüberwachung Beobachtung erfolgt (§ 6b Abs. 1 BDSG) oder ob auch aufgezeichnet wird (§ 6b Abs. 3 BDSG). Eine Aufzeichnung ist nur dann erforderlich, wenn eine direkte Überwachung aus objektiven Gründen nicht möglich ist. Ist in einem angemessenen Zeitraum nach der Aufzeichnung kein Auswertungsanlass (z.B. Verdacht einer Straftat) eingetreten, ist die Aufzeichnung zu löschen. § 6b BDSG: (1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie 1. zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, 2. zur Wahrnehmung des Hausrechts oder 3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. (2) Der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle sind durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen. (3) Die Verarbeitung oder Nutzung von nach Absatz 1 erhobenen Daten ist zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Für einen anderen Zweck dürfen sie nur verarbeitet oder genutzt werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist. (4) Werden durch Videoüberwachung erhobene Daten einer bestimmten Person zugeordnet, ist diese über eine Verarbeitung oder Nutzung entsprechend den §§ 19a und 33 zu benachrichtigen. (5) Die Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen. 148 Technische Kundenüberwachung 1.2 Kapitel IX Der allgemeine Schutzanspruch Schutzansprüche des Kunden gegen die Beobachtung bzw. Auf- 331 zeichnung können sich aus verschiedenen Quellen ergeben. Gleichgültig, ob - bei Videoüberwachung öffentlicher Räume § 6b BDSG zur Anwendung kommt oder - wenn im Rahmen der Videoüberwachung von nicht öffentlich zugänglichen Räumen personenbezogene Daten automatisiert oder dateimäßig verwendet werden - § 28 BDSG bzw. ggf. „nur“ der Anspruch auf Persönlichkeitsschutz (Recht am eigenen Bild): der Beurteilungsrahmen ist stets der Gleiche230 . In jedem Fall ist das Interesse an der Überwachung abzuwägen 332 mit entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen des Betroffenen. Insofern ist zunächst davon auszugehen, dass eine Überwachung in Umkleide-, Dusch- oder Toilettenräumen regelmäßig unzulässig ist 231. Diesbezüglich ist auch die spezielle Strafvorschrift des § 201a StGB zu beachten232. Wesentlicher Punkt im Rahmen der Abwägung ist im Übrigen die Intensität der Beobachtung, also die Frage, ob der Kunde nur gelegentlich (etwa beim Betreten des Eingangsbereichs) oder dauernd erfasst wird. Schließlich ergibt sich aus der Interessenabwägung auch der bereits angesprochene Vorrang der bloßen Beobachtung vor der Aufzeichnung. Der Umstand der Videoüberwachung und die verantwortliche 333 Stelle sind gemäß § 6b Abs. 2 BDSG in geeigneter Weise (z.B. durch ein entsprechendes Hinweisschild) transparent zu machen. Die Bestimmung der insoweit geeigneten Maßnahmen bleibt der beobachtenden Stelle überlassen. Die Informations230 231 232 Gola/Klug, Videoüberwachung gemäß § 6b BDSG - Anmerkungen zu einer verunglückten Gesetzeslage, RDV 2004, S. 65. Vgl. außerdem Ziegler, Das Hausrecht als Rechtfertigung einer Videoüberwachung, DuD 2003, S. 337. Vgl. Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW, 17. Datenschutzbericht (2005), S. 46 ff. Vgl. hierzu bei Gola, Der neue strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen im Lichte der Zulässigkeits- und Straftatbestände des BDSG, RDV 2004, S. 215. 149 Kapitel IX Technische Kundenüberwachung pflicht greift auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 6b BDSG, da eine heimliche Videoüberwachung nur in extremen Ausnahmefällen zulässig sein kann. Das Deutsche Institut für Normung (DIN) hat insofern ein einheitliches Piktogramm entwickelt. 334 Häufig wird die Tatsache der Beobachtung bereits dadurch er- kennbar sein, dass die Videokamera für jedermann gut sichtbar installiert ist. 1.3 Praxisbeispiele 335 Während in Gaststätten neben Kassen oder Eingangstüren eine Berechtigung zur Aufstellung von Videokameras bestehen kann, gilt das für den Aufenthaltsbereich der Gaststätte regelmäßig nicht. Das Persönlichkeitsrecht wird es regelmäßig nicht erlauben, in diesem „Freizeitbereich“, der häufig mit Bekannten etc. aufgesucht wird, gefilmt bzw. beobachtet zu werden233 . 336 Besonderer Betrachtung bedarf es, wenn das Videobild auch von den Kunden selbst zur Kenntnis genommen werden kann, z.B., weil in einem Hotel die Bildschirme für Gäste einsehbar an der Rezeption stehen. Denn dies erzeugt zwar einerseits die gebotene Transparenz, andererseits gibt es den Gästen die Möglichkeit, sich gegenseitig zu beobachten 234. Während ein Blick auf den Parkplatz und die dort stehenden Fahrzeuge noch akzeptabel ist, gilt das für einen Bildschirm, der das Hallenbad zeigt, nicht. 2. Datenerhebung per RFID 2.1 Die Überwachungstechnik 337 Die rechtlichen Vorgaben des Kundendatenschutzes sind auch bei dem demnächst wohl zunehmenden Einsatz der RFIDTechnik (Radio Frequency Identification) zu beachten. RFID233 234 150 ULD, Tätigkeitsbericht 2007, Ziff. 5.4, S. 88. Zur Unzulässigkeit ULD, Tätigkeitsbericht 2007, Ziff. 5.4, S. 88. Technische Kundenüberwachung Kapitel IX Technik ermöglicht, dass mit Hilfe von Funketiketten (RFID-Chips, auch Tags genannt) gespeicherte Daten berührungslos und ohne Sichtkontakt an ein Empfangsgerät (oft gekoppelt mit einem Computer) übermittelt werden. Von herkömmlichen Datenerfassungen unterscheidet sich die RFID-Technik durch die von dem Betroffenen ggf. nicht initiierte und vielfach auch nicht bemerkte Datenmeldung. Die RFID-Tags funktionieren nach dem Prinzip eines Transponders, indem die Tags über elektromagnetische Wellen angesprochen und ihre Informationen ausgelesen bzw. von ihnen gesendet werden. Das Lesegerät kann die Informationen mit einer Datenbank verknüpfen, welche sie mit weiteren Daten zusammenführt235 und ggf. zur weiteren Verarbeitung wieder auf den RFID-Chip zurück überträgt236. Die Chips sind so klein, dass sie z.B. auf Konsumgütern untergebracht werden können, ohne dass ihre Existenz bemerkt wird. Ihre Reichweite zum Auslesegerät ist jedoch auf Entfernungen im zweistelligen Meterbereich begrenzt 237. 2.2 Probleme beim Kundendatenschutz Bereits Anwendung findet die RFID-Technik im Bereich der Logis- 338 tik, indem Waren im Betriebsablauf hinsichtlich Artikelnummer, Produktherkunft oder Preis identifiziert und bestimmungsgemäß verteilt werden können. Ein Anwendungsbeispiel bilden auch Warenhäuser238, wo durch RFID ggf. Kassenpersonal eingespart werden kann. 235 236 237 238 Zur Funktionsweise und zu den Einsatzmöglichkeiten in Supermärkten vgl. von Westerholt/Döring, Datenschutzrechtliche Aspekte der Radio Frequency Identification, CR 2004, S. 710. Zur diesbezüglichen Informationspflicht nach § 6c BDSG vgl. nachstehend Rdnr. 408 ff. Vgl. Hansen/Wiese, RFID - Radio Frequency Identification, DuD 2004, S. 109 zu der insoweit unterschiedlich aufwendigen Technik. Vgl. hierzu die Gesamtbetriebsvereinbarung zum RFID-Einsatz bei der Kaufhof Warenhaus AG, RDV 2005, S. 185. 151 Kapitel IX Technische Kundenüberwachung 339 Fragen des Kundendatenschutzes treten dann auf, wenn die das Produkt beschreibenden Daten auch dem Verbraucher zugeschrieben werden können, was z.B. bei unbarer Bezahlung schon bisher ohne weiteres möglich ist. Wenn Kunde n- und Kreditkarten auch mit entsprechenden RFID-Chips ausgerüstet werden, so ist zudem - für den Kunden unbemerkt - feststellbar, vor welchen Regalen mit welchen Waren er länger verweilt hat oder welche Gegenstände er in die Hand genommen und wieder zurückgelegt hat. Wird ein in einer Jacke etc. enthaltener Chip nach dem Kauf nicht entfernt, so kann der Geschäftsinhaber den Kunden bei seinem nächsten Besuch im Geschäft z.B. auf ein zur Jacke passendes Sonderangebot von Hosen hinweisen oder für die Analyse des Käuferverhaltens feststellen, wie lange der Kunde die Jacke bereits trägt239. 340 Gekaufte Artikel können so u.U. dauerhaft einem bestimmten Käufer zugeordnet werden, falls keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. 2.3 Handlungsvorgaben 341 Aus Sicht des Landesbeauftragten für den Datenschutz und das Recht auf Akteneinsicht Brandenburg 240 muss die Aufmerksamkeit beim RFID-Einsatz der Einhaltung grundlegender datenschutzrechtlicher Prinzipien wie z.B. der Datensparsamkeit, Zweckbindung und Transparenz gelten. Aus diesem Grund seien 239 240 152 Vgl. 13. Tätigkeitsbericht (2004/2005) der Landesbeauftragten für den Datenschutz und das Recht auf Akteneinsicht Brandenburg, Ziff. 1.2.2: „Eindeutige auf dem RFID-Chip gespeicherte Daten (wie z.B. seine Seriennummer) werden zunächst ohne konkreten Personenbezug erfasst und gespeichert. Wenn man annimmt, dass bestimmte Objekte stets von derselben Person mitgeführt werden (z.B. Brille, Armbanduhr, Schuhe), lassen sich über das Auslesen der eindeutigen Identifikatoren der an solchen Objekten angebrachten Chips Bewegungs- und Konsumprofile des Träger erstellen. Weiterhin ist auch die spätere Verknüpfung mit konkreten Personendaten wie Name, Adresse usw. möglich.“ 13. Tätigkeitsbericht (2004/2005), Ziff. 1.2.3. Technische Kundenüberwachung Kapitel IX Entwickler und Anwender/Betreiber von RFID-Systemen gefordert, soweit möglich auf die Herstellung eines Personenbezugs in derartigen Systemen zu verzichten oder geeignete Alternativen hierfür zu erarbeiten. Sollte sich die Verarbeitung personenbezogener Daten in einem konkreten RFID-System als unverzichtbar erweisen, so seien insbesondere: - betroffene Kunden umfassend über den Einsatz von RFID-Chips und Lesegeräten, den Umfang und Inhalt der über sie gespeicherten Daten sowie deren Verwendungszweck zu informieren, - jegliche personenbezogene Daten nur solange zu speichern, wie es zur Erreichung des jeweiligen Zwecks erforderlich ist, - Verknüpfungen zwischen Daten nur auf Basis einer bestehenden Rechtsgrundlage oder einer informierten Einwilligung des Betroffenen über die potenzielle Datenverarbeitung vorzunehmen, - Möglichkeiten zur Deaktivierung/Löschung von RFIDChips zu schaffen, insbesondere dann, wenn die Chipdaten für die spezifischen Zwecke nicht mehr erforderlich sind, - Möglichkeiten zur wirksamen, fallweisen und nutzergesteuerten Blockierung des unbefugten Auslesens von RFID-Chips zu realisieren und die Betroffenen hierüber zu informieren, - Alternativen zur Nutzung von RFID-Chips vorzusehen und auch anonymes Kaufen weiterhin zu ermöglichen, - die Vertraulichkeit der gespeicherten und übertragenen Informationen durch wirksame Authentifizierung der beteiligten Systemkomponenten und durch Verschlüsselung sicherzustellen. 153 Kapitel IX Technische Kundenüberwachung Weitergehende Informationen und Anregungen für die datenschutzgerechte Gestaltung von RFID-Systemen seien dem Working-Paper 105 der Gruppe nach Artikel 29 EG-Datenschutzrichtlinie zu entnehmen241 . 241 154 Vgl. hierzu http://ec.europa.eu/justice_home/fsj/privacy/docs/wpdocs/ 2005/wp105_de.pdf. Weitergabe von Kundendaten Kapitel X Kapitel X: Wann dürfen Kundendaten weitergegeben werden? 1. Allgemeines Es wurde bereits aufgezeigt 242, dass Kundendaten im Rahmen 342 der Erlaubnistatbestände des § 28 Abs. 1 und 3 BDSG auch anderen Unternehmen für Werbezwecke zur Verfügung gestellt werden dürfen. Besondere Vorgaben sind allerdings zu beachten, wenn diese Unternehmen außerhalb der EU angesiedelt sind. Keiner Frage bedarf es auch, dass ein Unternehmen die zur Ein- 343 leitung von rechtlichen Schritten gegen säumige Kunden erforderlichen Kundendaten an einen Rechtsanwalt oder das Gericht übermitteln darf (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG). Besonderer datenschutzrechtlicher Betrachtung bedarf jedoch die Einschaltung von Inkassounternehmen243. Zudem können zur Anbahnung, Aufrechterhaltung oder Abwick- 344 lung der Kundenbeziehung im Wege sog. Auftragsdatenverarbeitung Dienstleistungen Dritter in Anspruch genommen werden, denen hierzu ein Zugriff auf Kundendaten gewährt werden muss. Eine Weitergabe von Kundendaten erfolgt schließlich auch, wenn 345 ein Unternehmen Kunden als Referenz benennt bzw. mit Namen und/oder Bild in Prospekten und Anzeigen veröffentlicht244. 2. Inanspruchnahme von Dienstleistern/Auftragsdatenverarbeitung Zur Verarbeitung von Kundendaten nehmen die Unternehmen 346 vielfach die Unterstützung von Dienstleistern245 im Rahmen einer 242 243 244 245 Vgl. hierzu im Einzelnen vorstehend Rdnr. 126 ff. Zum Umgang mit säumigen Kunden vgl. nachstehend Rdnr. 368 ff. Zur Eigenwerbung mit Kundendaten vgl. nachstehend Rdnr. 394 ff. Zur Pflicht, hierüber zu informieren, vgl. vorstehend Rdnr. 59 ff. und nachfolgend Rdnr. 415. 155 Kapitel X Weitergabe von Kundendaten in § 11 BDSG geregelten Auftragsdatenverarbeitung in Anspruch. Dabei kann es etwa um die Erhebung und Speicherung von Kundendaten durch ein mit dem Kundenkontakt beauftragtes externes Call Center gehen. Oder ein Lettershop bzw. eine Druckerei werden beauftragt, Werbeschreiben, Prospekte, Zeitschriften oder sonstige Medien direkt an vom Auftraggeber bereitgestellte Kundenadressen auszuliefern. Oder ein Meinungs246 forschungsinstitut soll eine Erhebung zur Kundenzufriedenheit durchführen. 347 Werden zu derartigen Zwecken dem beauftragten Dienstleister Kundendaten zur Verfügung gestellt oder gibt der Dienstleister für den Auftraggeber erhobene Daten an diesen weiter, so steht diesen Vorgängen das Zulässigkeitsregime des BDSG nicht entgegen, da die Datenflüsse zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer vom BDSG nicht dem Vorgang der Datenübermittlung zugeordnet werden. Der Beauftragte wird vielmehr so behandelt, als ob er Teil des den Auftrag erteilenden Unternehmens wäre. 348 Voraussetzung für diese Privilegierung ist, dass der Auftraggeber „Herr der Daten“ bzw. Datenverarbeitungen bleibt, d.h., der Auftragnehmer nur 247 im Rahmen der vom Auftraggeber erteilten Weisungen handelt (§ 11 Abs. 3 BDSG). Diese hat der Auftraggeber in einem schriftlichen Vertrag zu fixieren, wobei u.a. auch die von dem Auftragnehmer zu treffenden technischen und organisatorischen Maßnahmen festzulegen sind248. 246 247 248 156 Vgl. hierzu im Einzelnen oben unter Rdnr. 299 ff. Zu der sowohl zwischen den Aufsichtsbehörden als auch in der Literatur unterschiedlichen Beurteilung der Zulässigkeit eines dem Auftragnehmer eingeräumten Ermessenspielraums und zur Abgrenzung der Auftragsdatenverarbeitung von der Funktionsübertragung vgl. etwa Sut schet, Auftragsdatenverarbeitung und Funktionsübertragung, RDV 2004, S. 97; Kramer/Herrmann, Auftragsdatenverarbeitung, CR 2003, S. 938; Müthlein/Heck, Outsourcing und Datenschutz, 3. Auflage, Frechen 2006, S. 34 ff. Vertragsmuster und zahlreiche weiterführende Hinweise zur Auftragsdatenverarbeitung finden sich in der GDD-Broschüre „Datenschutz beim Outsourcing“, 2. Auflage, 2006. Weitergabe von Kundendaten Kapitel X § 11 BDSG (Auszug): (1) Werden personenbezogene Daten im Auftrag durch andere Stellen erhoben, verarbeitet oder genutzt, ist der Auftraggeber für die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes und anderer Vorschriften über den Datenschutz verantwortlich. (...) (2) Der Auftragnehmer ist unter besonderer Berücksichtigung der Eignung der von ihm getroffenen technischen und organisatorischen Maßnahmen sorgfältig auszuwählen. Der Auftrag ist schriftlich zu erteilen, wobei die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung, die technischen und organisatorischen Maßnahmen und etwaige Unterauftragsverhältnisse festzulegen sind. (...) Der Auftraggeber hat sich von der Einhaltung der beim Auftragnehmer getroffenen technischen und organisatorischen Maßnahmen zu überzeugen. (3) Der Auftragnehmer darf die Daten nur im Rahmen der Weisungen des Auftraggebers erheben, verarbeiten oder nutzen. Ist er der Ansicht, dass eine Anweisung des Auftraggebers gegen dieses Gesetz oder andere Vorschriften des Datenschutzes verstößt, hat er den Auftraggeber unverzüglich darauf hinzuweisen. (…) Die von dem Auftraggeber angewiesenen Erhebungen, Verarbei- 349 tungen oder Nutzungen müssen sich natürlich im Rahmen des BDSG bewegen. Der Auftraggeber darf dem Auftragnehmer nur solche Tätigkeiten übertragen, die er ohne Verstoß gegen das BDSG auch selbst vornehmen könnte. Die Privilegierung der Weitergabe von Daten im Rahmen einer 350 Auftragsvergabe greift jedoch nicht mehr, wenn die Auftragnehmer in sog. Drittstaaten249 (d.h. Ländern außerhalb der EU) angesiedelt sind (§ 3 Abs. 8 S. 3 BDSG). 249 Gola/Klug, Grundzüge des Datenschutzrechts, München 2003, S. 61. 157 Kapitel X Weitergabe von Kundendaten 3. Weitergabe von Kundendaten an Stellen im Ausland 3.1 Freier Datenfluss innerhalb der EU 351 Sollen Kundendaten an ausländische Stellen, z.B. grenzüber- schreitend an konzernangehörige Unternehmen weitergeleitet werden, so ist im Hinblick auf die Zulässigkeit der Weitergabe zwischen EU- bzw. EWR250-angehörigen Staaten und sog. Drittländern251 zu differenzieren. Erfolgt die Datenweitergabe an eine Stelle innerhalb der EU respektive des Europäischen Wirtschaftsraums, so ist deren Zulässigkeit an denselben Kriterien festzumachen, wie sie auch für eine Datenweitergabe zwischen zwei in Deutschland ansässigen Unternehmen gelten. 352 Wenn Kundendaten von einem deutschen Auftraggeber im We- ge der Auftragsdatenverarbeitung an einen Auftragnehmer mit Sitz in der EU bzw. dem EWR weitergegeben werden, liegt keine Datenübermittlung im Sinne von § 3 Abs. 4 Nr. 3 BDSG vor, da der Auftragnehmer hierbei nicht Dritter ist (§ 3 Abs. 8 S. 3 BDSG). Befindet sich der Empfänger der Daten jedoch in einem „uns icheren“252 Drittland bedarf es im Regelfall zusätzlicher ausreichender Schutzgarantien. 3.2 Weitergabe in Drittländer 353 Voraussetzung für die Weitergabe von Kundendaten in sog. Drittländer ist zunächst, dass die entsprechenden Datenübermittlungen innerhalb Deutschlands bzw. der EU zulässig wären. 354 Darüber hinaus gestatten die §§ 4b, 4c BDSG Datenübermittlun- gen in sog. Drittländer grundsätzlich nur dann, wenn bei dem Empfänger ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet ist, d.h., keine Datenschutzgefährdungen des Betroffenen dadurch 250 251 252 158 EU-Staaten sowie Norwegen, Island und Liechtenstein. Vgl. hierzu etwa Räther/Seitz, Übermittlung personenbezogener Daten in Drittländer, MMR 2002, S. 425. § 4b Abs. 2 S. 2 BDSG regelt die Angemessenheit des Schutzniveaus beim Datenempfänger als grundsätzliche Übermittlungsvoraussetzung. Weitergabe von Kundendaten Kapitel X entstehen, dass seine Daten in ein ggf. „datenschutzloses“ Ausland gelangen 253. Allein unter den in § 4c Abs. 1 BDSG enumerativ aufgeführten 355 Ausnahmetatbeständen ist die Weitergabe von Kundendaten an Stellen in Drittländern auch ohne angemessenes Schutzniveau zulässig. Abgesehen von der Einwilligung254 des Kunden (§ 4c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG) gestatten § 4c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 BDSG Drittlandtransfers, die im Rahmen von vorvertraglichen Maßnahmen bzw. zur Vertragsabwicklung erforderlich sind. § 4c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG ist einschlägig, wenn die vertragliche Leistung bzw. das vorvertragliche Verhältnis die Datenübermittlung ins Drittland bedingt. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Betroffene Vertragspartei ist bzw. dass er die vorvertraglichen Maßnahmen veranlasst hat. Erlaubt ist z.B. die Verarbeitung von Daten zur Ausarbeitung von Angeboten über touristische Leistungen und ggf. zur vorläufigen Reservierung durch ein Reisebüro auf Wunsch des Betroffenen. Neben internationalen Beförderungsleistungen und der Reservierung von Hotels, Mietwagen etc. im Drittland kommen auch Datenübermittlungen im Rahmen des internationalen Zahlungsverkehrs255 und per Versand abgewickelte Kaufverträge als typische Beispiele in Betracht. § 4c Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BDSG betrifft demgegenüber Fälle, in denen die Übermittlung zum Abschluss oder zur Erfüllung eines Vertrags erforderlich ist, der im Interesse des Betroffenen von der verantwortlichen Stelle mit einem Dritten geschlossen wurde bzw. geschlossen werden soll. Ist kein Ausnahmetatbestand nach § 4c Abs. 1 BDSG gegeben, 356 setzt die Übermittlung ein angemessenes Schutzniveau beim Datenempfänger im Drittland voraus (§ 4b Abs. 2 BDSG). Hin253 254 255 Backes/Eul/Guthmann/Martwich/Schmidt, Entscheidungshilfe für die Übermittlung personenbezogener Daten in Drittländer, RDV 2004, S. 156. Näher hierzu Gola/Klug (Fn. 249), S. 66 ff. Dammann in: Dammann/Simitis, EG-Datenschutzrichtlinie, Baden-Baden 1997, Art. 26 Erl. 6. 159 Kapitel X Weitergabe von Kundendaten sichtlich bestimmter Drittländer hat die EU-Kommission das Vorliegen eines angemessenen Schutzniveaus verbindlich festgestellt 256. Im Übrigen kann das fehlende Datenschutzniveau im Drittland durch ausreichende Garantien ausgeglichen werden257 . Hierzu liegen von der EU-Kommission akzeptierte Standardvertragsklauseln vor, welche zum Gegenstand einer zwischen der übermittelnden und empfangenden Stelle zu Gunsten des Betroffenen zu treffenden Datenschutzvereinbarung zu machen sind. Daneben kann das notwendige Datenschutzniveau bei ko nzerninternen Übermittlungen durch verbindliche Unternehmensregelungen herbeigeführt werden258 . 4. Firmenzusammenschlüsse und -verkäufe 357 Ob ein Zusammenschluss von Firmen zur Befugnis des Gesamt- unternehmens führt, über die gegenseitigen Kundendaten zu verfügen, hängt entscheidend von der Art des Zusammenschlusses ab. 358 Wird ein Unternehmen z.B. durch Aktienkauf in einen Konzern eingegliedert, so stellen sich Zugriffe anderer Konzernunternehmen auf dessen Kundendaten als - über eine entsprechende Rechtsgrundlage zu legitimierende - Datenübermittlungen (§ 3 Abs. 4 Nr. 3b BDSG) dar. 359 Es bleibt dann im Einzelfall zu prüfen, ob ein konkretes aus der neuen Konzernsituation resultierendes Übermittlungsinteresse nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BDSG besteht. Ggf. kann ein Grund zur Annahme entgegenstehender Interessen dabei auch durch eine Widerspruchslösung ausgeräumt werden. Im Übrigen kommt eine Übermittlung im Rahmen des Listenprivi256 257 258 160 Überblick bei Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 4b Rdnr. 14. Vgl. insoweit Räther/Seitz, Ausnahmen bei Datentransfer in Drittstaaten Die beiden Ausnahmen nach § 4c Abs. 2 BDSG: Vertragslösung und Code of Conduct, MMR 2002, S. 520. Zu einer mit der Nutzung derartiger Garantien verbundenen Genehmigungspflicht vgl. Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 4c Rdnr. 10. Weitergabe von Kundendaten Kapitel X legs (§ 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BDSG) in Betracht. Greifen die Erlaubnistatbestände des BDSG nicht - was in der Praxis vielfach der Fall sein wird - so bedarf der konzerninterne Datenfluss der Einwilligung259. Soll der von einem Finanzdienstleister bislang durch eigene Bera- 360 ter wahrgenommene Kundendienst nunmehr in einer für alle Konzernfirmen tätigen neu gegründeten Gesellschaft aufgehen, so kann dies nach Information der Kunden und Einräumung einer Widerspruchsmöglichkeit erfolgen. Gleiches gilt für einen Handwerker, der seinen Betrieb verkauft260. Bei einem Arzt, Steuerberater oder Rechtsanwalt darf der Zugriff des Nachfolgers auf die Patienten-/Klientendaten im Hinblick auf § 203 StGB 261 erst erfolgen, wenn die Zustimmung vorliegt262 . Kommt es zu einer Fusion, d.h. einer Verschmelzung von Unter- 361 nehmen nach § 2 Umwandlungsgesetz (UmwG), so tritt mit der entsprechenden Registereintragung Gesamtrechtsnachfolge ein. Das neue bzw. das eine andere Firma übernehmende Unternehmen tritt in die Verträge mit den Kunden ein. Ob dies auch dazu führt, dass das übernehmende Unternehmen aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht mehr als Dritter anzusehen ist, ist umstritten 263. 259 260 261 262 263 Vgl. auch die vorstehende Erklärung für den Finanzdienstleistungsbereich, Rdnr. 134. Vgl. Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 28 Rdnr. 50. Zu § 203 StGB vgl. Rdnr. 376 f. BGH, Urteil vom 11.12.1991 - VIII ZR 4/91 -, NJW 1992, S. 737 und Urteil vom 17.05.1995 - VIII ZR 94/94 -, NJW 1995, S. 2026. So die Aufsichtsbehörden: XVIII. Tätigkeitsbericht (2005-2006) des Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen, S. 8 ff.; Innenministerium Baden-Württemberg, Hinweise zum BDSG für die private Wirtschaft Nr. 38, RDV 2000, S. 83; ferner Dieckmann/Eul/Klevenz, Verhindert der Datenschutz Fusionen? - Fusionen aus der Sicht der betrieblichen Datenschutzbeauftragten, RDV 2000, S. 149; a.A. Wengert/Widmann/Wengert, Bankfusionen und Datenschutz - Eine kritische Betrachtung der Fusionspraxis - RDV 2000, S. 47; Simitis in: Simitis (Fn. 78), § 28 Rdnr. 88. 161 Kapitel X Weitergabe von Kundendaten § 2 UmwG: Rechtsträger können unter Auflösung ohne Abwicklung verschmolzen werden 1. im Wege der Aufnahme durch Übertragung des Vermögens eines Rechtsträgers oder mehrerer Rechtsträger (übertragende Rechtsträger) als Ganzes auf einen anderen bestehenden Rechtsträger (übernehmender Rechtsträger) oder 2. im Wege der Neugründung durch Übertragung der Vermögen zweier oder mehrerer Rechtsträger (übertragende Rechtsträger) jeweils als Ganzes auf einen neuen, von ihnen dadurch gegründeten Rechtsträger gegen Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften des übernehmenden oder neuen Rechtsträgers an die Anteilsinhaber (Gesellschafter, Partner, Aktionäre oder Mitglieder) der übertragenden Rechtsträger. § 20 UmwG (Auszug): (1) Die Eintragung der Verschmelzung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers hat folgende Wirkungen: 1. Das Vermögen der übertragenden Rechtsträger geht einschließlich der Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger über. 2. Die übertragenden Rechtsträger erlöschen. Einer besonderen Löschung bedarf es nicht. 3. Die Anteilsinhaber der übertragenden Rechtsträger werden Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers; (...) 162 Weitergabe von Kundendaten 5. Kapitel X Adressenvalidierung Adressen veralten schnell. Alleine etwa 5 bis 10 % werden pro 362 Jahr durch Umzüge überholt. Gleichwohl soll der Kontakt mit dem Interessenten bzw. Kunden aufrecht erhalten werden. Dieses Interesse besteht nicht nur im Hinblick auf weitere werbliche Ansprachen. Eventuell geht es auch darum, noch offene Ansprüche gegenüber dem Kunden durchzusetzen264 . Um eine Adresse auf ihre Korrektheit zu überprüfen bzw. gegen 363 die neue Anschrift auszutauschen, können z.B. - neben anderen Direktmarketingunternehmen - die Dienstleistungen der Deutschen Post AG in Anspruch genommen werden. Zur Aktualisierung der Adressen bietet die Deutsche Post AG - zum Teil in Kooperation mit ihr verbundenen Unternehmen wie der Deutschen Post Direkt GmbH und der Deutschen Post Adress GmbH - diverse Dienste an. Ein Ziel der Verarbeitung von Adressdaten durch die Deutsche 364 Post AG ist die ihr gesetzlich (§ 7 Abs. 5 Postdienste-Datenschutzverordnung) gestattete Anschriftenprüfung. Auf Ersuchen externer Adressinhaber wird mitgeteilt, ob die von diesen angegebene Anschrift richtig ist. Im Rahmen des sog. Alt-/Neuabgleichs dürfen Schreibfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten bei der Angabe einer gegenwärtig bestehenden Anschrift berichtigt werden. Die Mitteilung an den externen Adressinhaber wird im Auftrag der Deutschen Post AG von der Tochtergesellschaft Deutsche Post Direkt GmbH vorgenommen. Weiter wird im Rahmen des Nachsendeverfahrens zur Verhinde- 365 rung der weiteren Aufgabe von Postsendungen an die Altadresse eine Bekanntgabe der vollständigen Neuadresse an den Absender vorgenommen, wenn bei Erteilung des Nachsendeauftrags eine entsprechende Einwilligungserklärung abgegeben wurde oder gesetzliche Auskunftsansprüche bestehen (z.B. Auskunftsanspruch von Gerichten und Behörden auf Mitteilung der aktuel264 Vgl. hierzu unter Rdnr. 368 ff. 163 Kapitel X Weitergabe von Kundendaten len Anschrift zu Postzwecken). Der nötige Adressabgleich wird mit Hilfe der Umzugsdatenbank durchgeführt, die die Deutsche Post Adress GmbH mit den Informationen aus den Nachsendeaufträgen pflegt. 366 Darüber hinaus führen die Deutsche Post Direkt GmbH und zahl- reiche Wettbewerber aus dem Kreis der Direktwerbeunternehmen auch Adressdatenbestände, die zur Adressvalidierung herangezogen werden. Diese Referenzdatenbanken beruhen auf Adressbeständen, welche von Versendern, Buchclubs, Adresshändlern usw. zur eigenen Verwendung auf Grundlage des BDSG erworben wurden. 367 Eine weitere Möglichkeit, zumindest die Anschrift unbekannt verzogener Schuldner zu erfahren, ergibt sich aus dem Melderecht265 . 265 164 Vgl. hierzu unter Rdnr. 386 ff. Der säumige Kunde Kapitel XI Kapitel XI: Welche Möglichkeiten bestehen im Umgang mit säumigen Kunden? 1. Allgemeines Kann oder will ein Kunde des Unternehmens eine offene Forde- 368 rung desselben nicht begleichen (z.B. wegen finanzieller Schwierigkeiten), so stellt sich aus Unternehmenssicht die Frage, welche datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen sich im Hinblick auf das sog. Forderungsmanagement ergeben. Bedeutsam ist etwa, inwiefern es zulässig ist, spezialisierte Dienstleistungsunternehmen mit der Betreibung von Forderungen zu betrauen bzw. Forderungen gänzlich zu veräußern. Häufig wird es in diesem Zusammenhang zudem notwendig, die 369 neuen Adressen unbekannt verzogener Schuldner zu ermitteln. Von Interesse sind folglich die Anforderungen an entsprechende Melderegisterauskünfte. 2. Einschaltung eines Rechtsanwaltes Keiner Frage bedarf es, dass ein Unternehmen die zur Einleitung 370 von rechtlichen Schritten gegen säumige Kunden erforderlichen Kundendaten an einen Anwalt oder das Gericht übermitteln darf (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG). Dies gilt selbst dann, wenn dadurch Daten offenbart werden, die 371 einer besonderen Schweigepflicht nach § 203 Abs. 1 StGB unterliegen, wie z.B. bei gerichtlicher Geltendmachung der Honorarforderung eines Arztes. Denn auch wenn hierbei Einzelheiten des Patientengeheimnisses an die Öffentlichkeit geraten, muss es dem Schweigepflichtigen gestattet sein, seine Honorarforderung gerichtlich durchzusetzen und sich hierbei anwaltlicher Hilfe zu bedienen, da er ansonsten rechtlos stünde 266. 266 BGH, Urteil vom 05.12.1995 - X ZR 121/93 -, NJW 1996, S. 775. 165 Kapitel XI Der säumige Kunde 3. Einschaltung eines Inkassounternehmens 3.1 Auftragsdatenverarbeitung oder Funktionsübertragung 372 Im Rahmen der Aufgabenauslagerung allgemein bzw. in Fällen der Nichterfüllung ausstehender Forderungen bedienen sich Unternehmen häufig sog. Inkassobüros, d.h. Dienstleistern, die sich gewerbsmäßig mit der Einziehung fremder oder zur Einziehung abgetretener Forderungen befassen. Wird die Forderung abgetreten - wie dies etwa bei den von sog. ärztlichen Verrec hnungsstellen in Rechnung gestellten Arzthonoraren der Fall ist -, kann die Inkassostelle sie nun im eigenen Namen geltend machen267 . Sonst versucht der Dienstleister, die Forderung im Namen seines Auftraggebers zu realisieren. Beide Fälle setzen die Weitergabe der für die Geltendmachung der Forderung erforderlichen Daten an das Inkassounternehmen voraus. 373 Soll die Forderung für das Unternehmen eingezogen werden, so sind zwei verschiedene Konstellationen zu unterscheiden: 374 Handelt es sich um eine Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 11 BDSG268 , bedarf die Offenlegung der Kundendaten keiner besonderen Befugnisnorm. Eine Auftragsdatenverarbeitung kann insbesondere dann angenommen werden, wenn lediglich der Versand standardisierter Mahnschreiben und die Überwachung eines möglichen Zahlungseingangs übertragen ist269. 375 Andernfalls - und das ist wohl in der Praxis der Regelfall - liegt eine sog. Funktionsübertragung und damit eine besonders zu legitimierende Datenübermittlung vor. Eine derartige Übermittlung wird sich regelmäßig über § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG (Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle) recht267 268 269 166 Zur Abtretung von Forderungen vgl. Rdnr. 381 ff. Vgl. vorstehend Rdnr. 346 ff. Zur Abgrenzung der Auftragsdatenverarbeitung von der Funktionsübertragung bei der Inanspruchnahme von Leistungen eines Inkassobüros vgl. die umfassenden Ausführungen im Jahresbericht 1998 des Berliner Datenschutzbeauftragten, 3.3. „Die ungeahnten Folgen eines fehlenden Fahrscheins“, S. 44 ff. Der säumige Kunde Kapitel XI fertigen lassen. Ein Unternehmen muss grundsätzlich das Recht haben, bestehende Forderungen, die der Betroffene trotz mehrerer Mahnungen nicht bezahlt hat, mit Hilfe eines Inkassounternehmens einziehen zu lassen. Ein Überwiegen der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen am Ausschluss der Übermittlung kann sich aber möglicherweise dann ergeben, wenn die Daten von dem Inkassounternehmen seinerseits an ein anderes Unternehmen weitergegeben werden270 . 3.2 Einschaltung von Inkassounternehmen bei Bestehen einer besonderen Schweigepflicht (§ 203 StGB) Besteht eine besondere Schweigepflicht nach § 203 StGB, so 376 setzt die Weitergabe der Forderung an ein Inkassounternehmen eine Einwilligung des Betroffenen voraus - und zwar gleichgültig, ob das Inkassounternehmen als Auftragsdatenverarbeiter oder im Wege der Funktionsübertragung tätig wird 271. Nach § 203 Abs. 1 StGB wird derjenige, der unbefugt ein fremdes 377 Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm u.a. als 270 271 - Arzt, Zahnarzt oder Apotheker, - Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung, - Rechtsanwalt, Notar, Wirtschaftsprüfer, vereidigtem Buchprüfer oder Steuerberater, Jahresbericht 1998 des Berliner Datenschutzbeauftragten, S. 47 f. Hinsichtlich der Einschaltung von Inkassounternehmen durch Berufsgeheimnisträger vgl. Innenministerium Baden-Württemberg, Hinweis zum BDSG Nr. 40, Teil C (abgedruckt in RDV 2002, 148 ff.; im Internet bereitgestellt unter www.im.bwl.de) sowie ULD, Zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Einschaltung von externen Inkassounternehmen zur Eintreibung von Forderungen der Krankenhäuser aus Behandlungsverträgen (im Internet unter https://www.datenschutzzentrum.de/medizin/krankenh/inkasso.htm). Vgl. hierzu auch die Ausführungen zur Abtretung unter Rdnr. 381 ff. 167 Kapitel XI - Der säumige Kunde Angehörigen eines Unternehmens der privaten Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherung oder einer privatärztlichen Verrechnungsstelle anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. 3.3 Das Eintreibungsverfahren 378 Inkassobüros werden ggf. auch eingeschaltet, da sich der Gläubi- ger von diesen „mehr Druck“ für die Durchsetzung seiner Forderung verspricht. Zu beachten ist jedoch, dass dieser Druck nicht zu einer - strafbaren (§ 240 StGB) - Nötigung ausarten darf. Ein Schuldner, der zur Abgabe einer Willenserklärung (z.B. Abtretung des Lohnanspruchs) widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann diese Erklärung anfechten (§ 123 Abs. 1 BGB). 379 Unzulässig ist es auch, den Schuldner mit einer datenschutzwi- drigen Offenlegung seiner Schuldnerdaten zu nötigen. Der Gläubiger hat bestehende Zahlungsrückstände grundsätzlich vertraulich zu behandeln. So dürfte etwa ein Tierarzt in seinem Warteraum keine Schuldnerliste aushängen272 . Keinesfalls kommt die Veröffentlichung von Schuldnerdaten im Internet in Betracht273 . Ebenfalls wäre es unzulässig, die ausstehende Forderung dadurch zu offenbaren, dass die Mahnung per Postkarte oder durch einen vollautomatisierten Mahnanruf erfolgt. 380 Als zudem wettbewerbswidrig zu bewerten wäre es, säumige Kunden auf Schritt und Tritt von einem mit schwarzen Anzug, Melone und Fliege bekleideten „schwarzen Mann“ verfolgen zu lassen274. 272 273 274 168 19. Bericht der Landesregierung über die Tätigkeit der für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich in Hessen zuständigen Aufsichtsbehörden (2005), LT-Drs. 16/5892, Ziff. 10.1, S. 22. Vgl. Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW, 15. Datenschutzbericht (2001), Ziff. 16.1.3, S. 134. LG Leipzig, Urteil vom 31.08.1994 - 6 O 4342/94 -, NJW 1995, S. 3190; LG Köln, Beschluss vom 25.07.1994 - 81 O 114/94. Der säumige Kunde 4. Kapitel XI Verkauf bzw. Abtretung „unsicherer“ Forderungen Auf Seiten des Abtretungsempfängers (Zessionars) setzt eine 381 Forderungsabtretung die Kenntnis der betreffenden Schuldnerdaten voraus. Ist in dem Vertrag zwischen dem Schuldner und dem Abtretenden (Zedenten) die Möglichkeit der Zession entsprechend geregelt, so kann die damit einhergehende Datenübermittlung auf Basis von § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG (Vertrag bzw. vertragsähnliches Vertrauensverhältnis) zulässig sein. Im Übrigen kann die Weitergabe der notwendigen Informationen 382 nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG (Übermittlung im berechtigten Interesse der verantwortlichen Stelle) zulässig sein, wenn man davon ausgeht, dass mit der Datenübermittlung primär dem Interesse des Zedenten an der Forderungsverwertung Rechnung getragen wird275, bzw. nach § 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BDSG (Übermittlung im berechtigten Interesse eines Dritten), wenn man vorwiegend auf die Interessen des Zessionars abstellt276 . Nach beiden vorgenannten Regelungen ist eine Abwägung zwi- 383 schen berechtigten und schutzwürdigen Interessen erforderlich. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass ein berechtigtes Interesse des Zedenten bzw. Zessionars nur dann in Betracht kommen kann, wenn die Abtretung rechtmäßig ist. Besteht etwa ein vertragliches oder gesetzliches Abtretungsverbot, scheidet die Annahme eines berechtigten Interesses von vornherein aus. Im Übrigen muss das schutzwürdige Interesse des Schuldners daran, dass kein außerhalb des Vertrages stehender Dritter Kenntnis seiner Vertragsdaten erhält, jedenfalls dann zurücktreten, wenn dem Schuldner auf Grund einer von ihm zu verantwortenden Vertragsstörung zugemutet werden kann, dass sich der Vertragspartner der Forderung durch Verkauf entledigt277. 275 276 277 So das ULD im „Fallbeispiel: Datenschutzrechtliche Bewertung zum Verkauf von Darlehen an Unternehmen im Ausland“. Das Dokument findet sich unter https://www.datenschutzzentrum.de/wirtschaft/praxis/20070208.htm. So Simitis in: Simitis (vgl. Fn. 78), § 28 Rdnr. 210. Vgl. ULD, a.a.O. 169 Kapitel XI Der säumige Kunde 384 Bezüglich der Abtretung von Darlehensforderungen eines Kredit- instituts hat der Bundesgerichtshof nunmehr jüngst entschieden, dass weder das Bankgeheimnis noch das Bundesdatenschutzgesetz deren Wirksamkeit entgegenstehe 278. Zwar könne die aus dem Bankgeheimnis folgende Verschwiegenheitspflicht mit der Auskunftspflicht des Zedenten nach § 402 BGB in Konflikt geraten. Dies könne aber lediglich zu einer Schadensersatzpflicht auf schuldrechtlicher Ebene führen, lasse jedoch die dingliche Wirksamkeit der Forderungsabtretung unberührt. Auch die Regelungen des BDSG wirkten sich insofern nicht aus. Zum einen sei man der Ansicht, dass § 134 BGB bei einer gegen Vorgaben des BDSG verstoßenden Abtretung nicht anwendbar sei, so das Gericht. Zum anderen gelangten die Vorschriften des BDSG im Verhältnis zum Bankgeheimnis nur dann zur Anwendung, wenn eine Frage auf Grund des Bankgeheimnisses nicht abschließend beurteilt werden könne. 385 Eine Unwirksamkeit der Abtretung ist allerdings dann gegeben, wenn Honorarforderungen von Ärzten, Rechtsanwälten, Steuerberatern oder sonstigen in § 203 Abs. 1 StGB genannten Personenkreisen betroffen sind, da die letztgenannte Regelung ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB darstellt 279. 5. Auskunftsersuchen bei Meldeämtern 386 Die gesetzliche Grundlage für die Übermittlung von Daten aus dem Melderegister und damit für die Melderegisterauskunft an Dritte bilden das Melderechtsrahmengesetz (MRRG) in den §§ 17 bis 22 sowie die jeweiligen Landesmeldegesetze. 387 Die einfache Melderegisterauskunft (§ 21 Abs. 1 MRRG) bezieht sich auf Vor- und Familiennamen, Doktorgrad und Anschriften 278 279 170 BGH, Urteil vom 27.02.2007 - XI ZR 195/05 -, RDV 2007, S. 118. Vgl. BGH, Urteil vom 10.07.1991 - VIII ZR 296/90 -, NJW 1991, S. 2955 (Arzt) sowie Urteil vom 25.03.1993 - IX ZR 192/92 -, NJW 1993, S. 1638 (Rechtsanwalt). Der säumige Kunde Kapitel XI einzelner bestimmter Einwohner (Abs. 1 S. 1) oder einer Vielzahl namentlich bezeichneter Bewohner (Abs. 1 S. 2). Abgesehen von den von Amts wegen zu beachtenden Ausschlussgründen der § 21 Abs. 5 und 7 MRRG sowie den nach § 6 MRRG zu beachtenden schutzwürdigen Interessen des Betroffenen, ist die einfache Melderegisterauskunft von keinerlei Voraussetzungen abhängig. Werden zusätzlich Angaben über frühere Vor- und Familienna- 388 men, Geburtstag und -ort, gesetzliche Vertreter, Staatsangehörigkeiten, frühere Anschriften, Ein- und Auszugstermine, Familienstand, Vor- und Nachname des Ehegatten bzw. Lebenspartners oder Sterbetag und -ort benötigt, können diese Angaben nur mittels einer erweiterten Melderegisterauskunft (§ 21 Abs. 2 MRRG) erlangt werden. Die wichtigste Voraussetzung für die Erteilung einer erweiterten Auskunft ist die Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses. Das Vorliegen eines berechtigten Interesses ist insbesondere 389 dann anzunehmen, wenn der Auskunftssuchende die erbetenen Daten zur Rechtsverfolgung (Klageerhebung) oder Rechtsvertei280 digung benötigt . Auch vorvertragliche Beziehungen können zu einem berechtigten Interesse führen. So fragen bei den Meldebehörden häufig (zukünftige) Gläubiger bzw. Auskunfteien im Hinblick auf frühere Anschriften an. Ziel ist die Vornahme von Recherchen am früheren Wohnort, z.B. durch Einsicht in das bei den Amtsgerichten geführte Schuldnerverzeichnis. Die Recherchen bei den Meldeämtern erweisen sich zum Teil als 390 sehr mühsam und zeitraubend. So muss das nachforschende Unternehmen zunächst einmal das jeweils zuständige Einwohnermeldeamt ermitteln. Hinzu kommt, dass die Gebühren und Zahlungsmodalitäten bei den Ämtern bundesweit sehr unterschiedlich geregelt sind. Die Adressermittlung bei den Meldeämtern wird daher inzwischen auch von spezialisierten Dienstleis280 Zum gesamten Absatz vgl. Medert/Süßmuth, Melderecht des Bundes und der Länder, Loseblatt-Kommentar, § 21 MRRG Rdnr. 31 ff. (Stand: 21. Lieferung, Juni 2004). 171 Kapitel XI Der säumige Kunde tungsunternehmen übernommen. Speichert der Dienstleister zuvor eingeholte einfache Melderegisterauskünfte, um später auf Basis der gespeicherten Datensätze Auskünfte an Anfragende erteilen zu können, ist seine Dienstleistung nicht mehr als Auftragsdatenverarbeitung gemäß § 11 BDSG anzusehen, sondern als Auskunftstätigkeit nach § 29 BDSG zu beurteilen281. 391 Der Aufbau eines Internetservices zur transeuropäischen Adress- ermittlung und Adressverifizierung ist das Ziel von RISER (Registry Information Service on European Residents)282. Der Service soll Unternehmen, Bürgerinnen und Bürgern über ein mehrsprachiges Web-Portal die Abfrage offizieller Adressinformationen bei den unterschiedlichen europäischen Registern ermöglichen. 6. Recherchen durch Detektive 392 Neben der klassischen Adressermittlung über die Einwohner283 meldeämter oder die Post bieten u.a. auch Inkassobüros detektivische Ermittlungen nach den gesuchten Schuldnern an. 393 Derartige Datenerhebungen bei Dritten können nach dem BDSG zulässig sein. In Betracht kommen auch Anfragen beim Arbeitgeber des Schuldners, soweit dieser bekannt ist. Schutzwürdige Interessen des Arbeitnehmers müssen insofern zumeist zurücktreten, soweit ein rechtskräftiger Vollstreckungstitel besteht284 . Im Übrigen wird ein Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht bei fehlender Einwilligung des Arbeitnehmers jedoch in der Regel von der Auskunftserteilung absehen müssen. 281 282 283 284 172 Hierzu sowie zu den daraus resultierenden Konsequenzen: 18. Bericht der Landesregierung über die Tätigkeit der für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich in Hessen zuständigen Aufsichtsbehörden (2004), LT-Drs. 16/4752, S. 19 f. Zu Riser vgl. https://www.datenschutzzentrum.de/riser/projekt.htm. Vgl. hierzu Rdnr. 362 ff. ULD, 29. Tätigkeitsbericht 2007, Ziff. 5.10, S. 94 f. Eigenwerbung mit Kundendaten Kapitel XII Kapitel XII: Eigenwerbung mit Kundendaten 1. Allgemeines Soll auf dem Werbeprospekt des Hotels das Haus nicht leer, son- 394 dern bevölkert mit Gästen erscheinen, will eine Boutique mit der bei ihr einkaufenden prominenten Kundschaft werben oder sollen etwa Dankschreiben zufriedener Kunden zu Marketingzwecken genutzt werden, so ergibt sich die Frage, unter welchen rechtlichen Bedingungen dies möglich ist. Die Veröffentlichung von Kundendaten ist als Sonderfall einer 395 Übermittlung285 an den Zulässigkeitstatbeständen des BDSG zu messen, wenn die Daten aus einer dateigebundenen oder automatisierten Verarbeitung stammen 286. Für die Veröffentlichung von Bildern sind zudem die vorrangigen Regelungen des Kunsturhebergesetzes maßgebend. 2. Verwendung von Kundenbildern zu Werbezwecken Sollen Kundenbilder zu Werbezwecken eingesetzt werden, so 396 sind die im Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) 287 enthaltenen speziellen Regelungen zum Schutz des Rechtes am eigenen Bild zu beachten. Demnach dürfen Bildnisse des Kunden grundsätzlich nur mit 397 dessen Einwilligung288 verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden, wobei eine Einwilligung im Zweifel als erteilt gilt, 285 286 287 288 Vgl. Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 3 Rdnr. 33. Vgl. vorstehend Rdnr. 15. Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 09.01.1907 (RGBl. S. 7), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.02.2001 (BGBl. I S. 266). Verstöße begründen ggf. einen Schmerzensgeldanspruch, vgl. AG Nürnberg (Urteil vom 20.08.1999 - 14 C 8040/98 -, ZUM-RD 2000, 204) zur Zahlung eines Schmerzensgeldes, weil eine Partnervermittlungsagentur das Foto einer Kundin unerlaubt in einer Kontaktanzeige eingesetzt hatte. 173 Kapitel XII Eigenwerbung mit Kundendaten wenn der Kunde dafür, dass er sich abbilden ließ, ein Entgelt erhalten hat. KunstUrhG § 22: Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, dass er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. § 23: (1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: 1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte; 2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen; (...). (2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird. 398 Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrhG dürfen Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder einer sonstigen Örtlichkeit - also auch als Kunden im Verkaufsraum eines Warenhauses - erscheinen, ohne Einwilligung des Betroffenen verbreitet und zur Schau gestellt werden, falls hierdurch kein berechtigtes Interesse des Abgebildeten289 verletzt wird. Dies setzt nicht notwendigerweise voraus, dass die betreffenden Personen nicht mehr erkennbar sind. Entscheidend ist, dass das Bild durch die abgebildete Landschaft bzw. Örtlichkeit und nicht 289 174 So entschied etwa das OLG Oldenburg (GRUR 1986, S. 464 ff.), dass der Betroffene die Abbildung auf dem Werbeplakat einer politischen Partei selbst dann von seiner Zustimmung abhängig machen darf, wenn er nur als Beiwerk im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrhG erscheint. Eigenwerbung mit Kundendaten Kapitel XII durch die Personenabbildung geprägt ist. Die Personenabbildung muss somit derart untergeordnet sein, dass sie auch entfallen oder ausgetauscht werden könnte, ohne das Gegenstand und Charakter des Bildes sich veränderten. Ohne Einwilligung verbreitet und zur Schau gestellt werden dür- 399 fen ferner Bildnisse von Personen der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG). Voraussetzung ist allerdings ein berechtigtes Informationsbedürfnis der Allgemeinheit290. Die Bilder von Prominenten zu Werbezwecken einzusetzen, wird daher regelmäßig 291 nicht durch § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG gedeckt sein. Vielmehr ist eine Einwilligung erforderlich. Für eine Einwilligung im Sinne des § 22 KunstUrhG ist keine bestimmte Form vorgeschrieben, so dass eine Einwilligung grundsätzlich auch konkludent (d.h. durch schlüssiges Verhalten) erfolgen kann. Eine konkludente Einwilligung kann sich etwa daraus ergeben, dass jemand in Kenntnis des Verwendungszwecks der Bilder bewusst für den Fotographen posiert hat. 3. Übertragung von Kundenbildern im Internet Diskotheken, Restaurants, Modeboutiquen etc. setzen im Rah- 400 men ihrer Marketingkonzepte inzwischen häufig auch auf eine Live-Übertragung ihres „Geschäftsbetriebs“ im Internet (Webcams). Problematisch ist in diesem Zusammenhang insbesondere die weltweite Verbreitung der Bilder und deren nahezu unbegrenzbare Verfügbarkeit für den Internet-Nutzer bei Entfallen 290 291 Vgl. zum Fehlen dieses Interesses die sog. „Paul Dahlke“-Entscheidung des BGH (BGHZ 20, S. 345 ff.), bei der eine Aufnahme des Schauspielers auf einem Motorroller, die im Rahmen einer „Homestory“ erstellt worden war, von der Motorrollerfirma ohne Einwilligung zu Werbezwecken veröffentlicht wurde. Bejaht wurde das Informationsinteresse für die Abbildung des Tennisspielers Boris Becker in Schlagstellung auf dem Einband eines Tennislehrbuchs, das eine individuelle Lernmethode vermittelt, die sich an den verschiedenen Techniken bekannter Spieler orientiert (OLG Frankfurt, AfP 1988, S. 62 ff.). 175 Kapitel XII Eigenwerbung mit Kundendaten jeglicher Kontroll- und Löschungsmöglichkeiten. 401 Jedenfalls in den Fällen, in denen die Kunden derart erfasst wer- den, dass sie erkennbar sind, muss die Übertragung daher für sie rechtzeitig kenntlich gemacht werden292. Ob dem Kunden auch das Recht eingeräumt werden muss, die Diskothek oder das Ladenlokal zu betreten, ohne gefilmt zu werden, erscheint fraglich 293. 402 Als Werbemaßnahme bieten einige Unternehmen über ihre In- ternetseiten auch eine Art Ortsbesichtigung der Umgebung ihrer Geschäftsräume an 294. Auch hier gilt, dass derartige Verfahren - schon mangels der Möglichkeit der Einholung der Einwilligung der Betroffenen - nur zulässig sind, wenn durch eine entsprechend „unscharfe“ Einstellung der Kamera der sensible Nahbereich nicht personenbezogen erfasst wird. 4. Sonstige Formen der Werbung mit Kundendaten 403 Sollen Kunden anderen Kunden als Referenz benannt oder Dank- schreiben von Kunden veröffentlicht werden, so könnte sich im Geltungsbereich des BDSG die Befugnis hierzu im Rahmen einer Interessenabwägung nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG ergeben. Es ist aber anzunehmen, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen am Ausschluss der Übermittlung die berechtigten Interessen der verantwortlichen Stelle an derselben regelmäßig 292 293 294 176 19. Bericht der Landesregierung über die Tätigkeit der für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich in Hessen zuständigen Aufsichtsbehörden, LT-Drs. 16/5892, 14.3 „Live-Übertragungen“ aus einer Modeboutique, wo zusätzlich auch auf die Bedenken eingegangen wird, welche sich aus Sicht des Arbeitnehmerdatenschutzes gegen Webcams in Ladenlokalen ergeben. So offenbar die Hessische Datenschutzaufsicht für den nicht öffentlichen Bereich, a.a.O. 19. Bericht der Landesregierung über die Tätigkeit der für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich in Hessen zuständigen Aufsichtsbehörden, LT-Drs. 16/5892, 14.2 Interaktive Webcam sowie ULD, 29. Tätigkeitsbericht (2007), S. 89 zu einer dazu noch unmittelbar vor der Dienststelle des ULD stattfindenden Übertragung aus der Fußgängerzone. Eigenwerbung mit Kundendaten Kapitel XII überwiegen wird. Denn mit der Weitergabe der personenbezogenen Daten können für den Kunden erhebliche Beeinträchtigungen einhergehen (z.B. Belästigung durch Nachfragen Dritter, Aufhebung der Anonymität, eventuell eine Offenbarung sensibler Daten). Die dann erforderliche Einwilligung setzt eine dezidierte Infor- 404 mation des Betroffenen darüber voraus, welche der über ihn vorhandenen Daten im Rahmen welcher konkreten Werbeaktion genutzt werden sollen 295. So geht z.B. mit der Veröffentlichung von Angaben im Internet auf Grund von seiner Reichweite eine gänzlich andere Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte einher als mit der Veröffentlichung in einem Werbe-Flyer. Formulierungsbeispiel: „Hiermit erkläre ich mein Einverständnis, auf der Homepage der Firma XY AG als Referenzkunde genannt zu werden. Das Einverständnis bezieht sich auf die Angabe des Namens und der Kundeneigenschaft. Weitergehende Angaben, z.B. zu meiner Zufriedenheit mit den Produkten der Firma XY AG, werden nicht erfolgen. Diese Erklärung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.“ Im Hinblick auf Kundendankschreiben ergibt sich die Frage, in- 405 wieweit in der Einsendung eines derartigen Schreibens zugleich eine konkludente, d.h. schlüssige Einwilligung in die Veröffentlichung desselben gesehen werden kann. Dies wird regelmäßig nicht der Fall sein. Aus dem Wunsch, einem bestimmten Unternehmen seine Anerkennung auszusprechen, kann nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass das Unternehmen auch berechtigt sein soll, das Schreiben werbewirksam einzusetzen. Eine 295 Zum Widerruf einer Einwilligung in die Veröffentlichung von Filmaufnahmen vgl. LG Hamburg, Urteil vom 21.01.2005 - 324 O 448/04 -, RDV 2006, S. 77. 177 Kapitel XII Eigenwerbung mit Kundendaten konkludente Einwilligung durch das Dankschreiben wird nur dann angenommen werden können, wenn sich aus demselben über den Umstand der Danksagung und Anerkennung hinaus besondere Anhaltspunkte für eine Zustimmung zur Veröffentlichung ergeben. In Zweifelsfällen sollte beim Kunden entsprechend nachgefragt werden. 178 Rechte der Betroffenen Kapitel XIII Kapitel XIII: Welche Rechte kann der Betroffene geltend machen? 1. Unabdingbare Rechtspositionen Zu den grundlegenden und ausdrücklich als unabdingbar be- 406 zeichneten Rechten des Betroffenen zählt das BDSG in § 6 Abs. 1 das Recht auf Auskunft sowie die Korrekturrechte (Berichtigung, Löschung, Sperrung). Diese Rechte stehen in unmittelbarem Zusammenhang zueinander. Nur, wenn der Betroffene weiß, wer welche Daten zu welchen Zwecken verarbeitet, kann er sich dagegen wehren, dass unzulässige oder unrichtige Verarbeitungen erfolgen. Die für die Wahrnehmung seiner Rechte erforderliche Transparenz wird aber nicht nur durch das Recht auf Auskunft, sondern auch durch vorgelagerte Informationspflichten sichergestellt. 2. Transparenzrechte 2.1 Information bei der Direkterhebung Transparenz hinsichtlich der Verarbeitung ihn betreffender Da- 407 ten wird dem Kunden zunächst dadurch geschaffen, dass die Daten in der Regel bei ihm selbst und nicht hinter seinem Rücken erhoben werden sollen (Direkterhebungsgrundsatz) und dass ihm dabei offen zu legen ist, wer die Daten für welche Zwecke verarbeitet (§ 4 Abs. 2 und 3 BDSG)296. 2.2 Information beim Einsatz von mobilen Speichermedien In § 6c BDSG sind besondere Informationspflichten gegenüber 408 dem Kunden für diejenigen Fälle geregelt, in denen an ihn sog. mobile personenbezogene Speicher- und Verarbeitungsmedien ausgegeben werden. 296 Vgl. vorstehend Rdnr. 47 ff. 179 Kapitel XIII Rechte der Betroffenen 6c BDSG: (1) Die Stelle, die ein mobiles personenbezogenes Speicherund Verarbeitungsmedium ausgibt oder ein Verfahren zur automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten, das ganz oder teilweise auf einem solchen Medium abläuft, auf das Medium aufbringt, ändert oder hierzu bereithält, muss den Betroffenen 1. über ihre Identität und Anschrift, 2. in allgemein verständlicher Form über die Funktionsweise des Mediums einschließlich der Art der zu verarbeitenden personenbezogenen Daten, 3. darüber, wie er seine Rechte nach den §§ 19, 20, 34 und 35 ausüben kann, und 4. über die bei Verlust oder Zerstörung des Mediums zu treffenden Maßnahmen unterrichten, soweit der Betroffene nicht bereits Kenntnis erlangt hat. (2) Die nach Absatz 1 verpflichtete Stelle hat dafür Sorge zu tragen, dass die zur Wahrnehmung des Auskunftsrechts erforderlichen Geräte oder Einrichtungen in angemessenem Umfang zum unentgeltlichen Gebrauch zur Verfügung stehen. (3) Kommunikationsvorgänge, die auf dem Medium eine Datenverarbeitung auslösen, müssen für den Betroffenen eindeutig erkennbar sein. 409 Mobile personenbezogene Speicher- und Verarbeitungsmedien sind Datenträger, auf denen personenbezogene Daten über die Speicherung hinaus durch die ausgebende oder eine andere Stelle automatisiert verarbeitet werden können und bei denen der Betroffene diese Verarbeitung nur durch den Gebrauch des Mediums beeinflussen kann (§ 3 Abs. 10 BDSG). Ein Hauptbeispiel für derartige Medien sind sog. Smart Cards. Aber auch die Tech180 Rechte der Betroffenen Kapitel XIII nologie der leistungsfähigeren, der sog. „intelligenten“ RFIDChips unterscheidet sich insofern kaum noch297 . Die Informationspflicht aus § 6c Abs. 3 BDSG greift nicht nur, 410 wenn der Kunde den Datenverarbeitungsvorgang selbst beeinflusst - z.B. durch Eingabe in ein Lesegerät -, sondern sie greift auch bzw. erst recht, wenn die Verarbeitung ohne eigenes aktives Handeln geschieht. § 6c Abs. 3 BDSG verpflichtet gerade dann zur eindeutigen Transparenz gegenüber dem Kunden. 2.3 Benachrichtigung Werden Daten anderweitig, z.B. bei Dritten, aus allgemein zu- 411 gänglichen Quellen, durch eigene Beobachtungen etc. erhoben, so sieht das BDSG in § 33 Abs. 1 die Verpflichtung des Unternehmens vor, den Betroffenen über die Speicherung zu benachrichtigen, d.h. ihm eine Information über die Art der Daten, die Zweckbestimmung der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung und die Identität der verantwortlichen Stelle zukommen zu lassen. Die Benachrichtigungspflicht besteht grundsätzlich nur einmal 412 und zwar bei Datenverarbeitungen für eigene Zwecke bei der erstmaligen298 Speicherung und bei Adresshändlern und sonstigen die Daten zum Zwecke der Übermittlung speichernden Stellen bei der ersten Übermittlung. Erwirbt ein Direktmarketingunternehmen beispielsweise Adres- 413 sen über Besucher von Campingmessen, um sie Herstellern von Campingartikeln zur Verfügung zu stellen, so entsteht die Benachrichtigungspflicht bei der erstmaligen Übermittlung (Verkauf/Vermietung) der Daten. 297 298 Zum Einsatz von RFID-Chips vgl. auch Rdnr. 337 ff. Dazu inwieweit - abhängig von der jeweiligen Ausgestaltung des RFID-Chips - § 6c BDSG zum Tragen kommt: Lahner, Anwendung des § 6c BDSG auf RFID, DuD 2004, S. 723; Hornung, RFID und datenschutzrechtliche Transparenz, MMR 5/2006, S. XX. Vgl. jedoch auch bei Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 33 Rdnr. 16 f. 181 Kapitel XIII Rechte der Betroffenen Formulierungsbeispiel: Wir (oder: die XY-GmbH) speichern Ihre Adressdaten in einer Datei über Campinginteressenten, um sie namhaften Unternehmen und Institutionen zur Verfügung zu stellen, damit diese Ihnen Angebote und Informationen zukommen lassen können. 414 Dem Empfängerunternehmen, das die Campinginteressentenda- ten neu speichert, obliegt nunmehr ebenfalls die Verpflichtung, den Betroffenen hierüber zu informieren299 . Die Informationsverpflichtung bezieht sich auch auf die Art der Daten, d.h., anzugeben ist auch, wenn andere als die reinen Adressdaten gespeichert sind. Handelt es sich z.B. um Adressen von Inhabern einer bestimmten Berufsgruppe, ist auch dieses mitzuteilen. Die Mitteilung kann ggf. zusammen mit der ersten werblichen Ansprache erfolgen und zwar am besten verbunden mit der Bele hrung über das Widerspruchsrecht (§ 28 Abs. 4 S. 2 BDSG) 300. Die Information muss jedoch in einer Weise erfolgen, dass sie ins Auge fällt und nicht z.B. im Kleingedruckten eines Katalogs untergeht. Formulierungsbeispiel: Wir haben Sie in unsere Interessentendatei aufgenommen, in der Adressen und Berufsangaben gespeichert sind. Wenn Sie an Informationen über aktuelle Angebote unseres Hauses nicht bzw. nicht mehr interessiert sein sollten, bitten wir um eine entsprechende Mitteilung, der wir selbstverständlich Rechnung tragen werden. 299 300 182 Erfolgt die Übermittlung durch die Bereitstellung von Adressaufklebern zur einmaligen Nutzung, so wird die an sich bestehende Benachrichtigungspflicht mit Absenden des Briefes obsolet, weil damit eine Speicherung, über die zu benachrichtigen wäre, entfallen ist. Vgl. Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 33 Rdnr. 10. Vgl. zum Werbewiderspruch vorstehend unter Rdnr. 166 ff. Rechte der Betroffenen Kapitel XIII Werden die Daten auch Dritten zur Verfügung gestellt oder wer- 415 den Auftragsdatenverarbeiter eingeschaltet, ist der Empfänger bzw. sind zumindest die Kategorien der Empfänger mitzuteilen. Formulierungsbeispiel: Der X-Verlag speichert Ihre Adressdaten für eigene Informationszwecke und ermöglicht es Unternehmen der X-Verlagsgruppe, Ihnen Informationen über ihre Produkte zukommen zu lassen. Bei der technischen Durchführung der genannten Zwecke sind teilweise externe Dienstleister eingeschaltet. Wird der Versand der Werbebotschaft im Rahmen eines sog. 416 Lettershopverfahrens durchgeführt, wird dadurch keine gesonderte Benachrichtigungspflicht ausgelöst. Der Adressat des Briefes muss aber ggf. über den Eigner der genutzten Daten informiert werden, um dort sein Widerspruchsrecht nach § 28 Abs. 4 BDSG ausüben zu können. Von der Verpflichtung zur Benachrichtigung gibt es umfangreiche 417 Ausnahmen (§ 33 Abs. 2 BDSG). So entfällt die Benachrichtigungspflicht u.a., wenn der Betroffene auf andere Weise Kenntnis von der Speicherung erlangt hat. Diese Kenntnis kann jedoch nicht ohne weiteres unterstellt werden, nur weil der Betroffene ein Werbeschreiben eines Unternehmens erhalten hat. Das unter dem Namen der Firma zugesandte Schreiben könnte auch unmittelbar von einem Adresshändler im Lettershopverfahren versandt worden sein. Für Adresshändler besteht insbesondere dann keine Benachrich- 418 tigungspflicht, wenn nur die Listendaten nach § 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BDSG gespeichert sind und die Erfüllung der Informationspflicht unverhältnismäßig wäre. Eine weitere Ausnahme von der Benachrichtigungsverpflichtung 419 besteht, wenn Daten für eigene Werbezwecke aus öffentlichen Quellen301 entnommen wurden und die Benachrichtigung wegen 301 Vgl. hierzu Rdnr. 137 ff. 183 Kapitel XIII Rechte der Betroffenen der Vielzahl der Fälle unverhältnismäßig ist. Da die Benachrichtigung jedoch oft zusammen mit der ersten werblichen Ansprache erfolgen kann, wird der in diesem Zusammenhang entstehende Aufwand jedoch regelmäßig nicht als unverhältnismäßig zu bewerten sein. § 33 Abs. 2 BDSG: (2) Eine Pflicht zur Benachrichtigung besteht nicht, wenn 1. der Betroffene auf andere Weise Kenntnis von der Speicherung oder der Übermittlung erlangt hat, (...) 7. die Daten für eigene Zwecke gespeichert sind und a) aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen sind und eine Benachrichtigung wegen der Vielzahl der betroffenen Fälle unverhältnismäßig ist, oder b) die Benachrichtigung die Geschäftszwecke der verantwortlichen Stelle erheblich gefährden würde, es sei denn, dass das Interesse an der Benachrichtigung die Gefährdung überwiegt, oder 8. die Daten geschäftsmäßig zum Zweck der Übermittlung gespeichert sind und a) aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen sind, soweit sie sich auf diejenigen Personen beziehen, die diese Daten veröffentlicht haben, oder b) es sich um listenmäßig oder sonst zusammengefasste Daten handelt (§ 29 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b) und eine Benachrichtigung wegen der Vielzahl der betroffenen Fälle unverhältnismäßig ist. Die verantwortliche Stelle legt schriftlich fest, unter welchen Voraussetzungen von einer Benachrichtigung nach S. 1 Nr. 2 bis 7 abgesehen wird. 184 Rechte der Betroffenen 2.4 Kapitel XIII Auskunft Gemäß § 34 Abs. 1 BDSG kann der Betroffene auch konkret 420 Auskunft verlangen über - die zu seiner Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft der Daten beziehen, - Empfänger oder Kategorien von Empfängern, an die die Daten weitergegeben werden, sowie - den Zweck der Speicherung. Da Unternehmen oft eine Vielzahl an personenbezogenen Daten 421 speichern (z.B. Versandhandelsunternehmen, Banken oder Versicherungen), soll der Betroffene nach Möglichkeit die Art der personenbezogenen Daten, über die er Auskunft verlangt, näher konkretisieren. Beispiel für eine Auskunft: Bei uns sind folgende Daten über Sie gespeichert: (näher ausführen) Wir haben Ihre Daten (ggf. weiter ausführen) von dem Unternehmen XY erhalten. Diese werden von uns zu Zwecken der Durchführung des Vertrages sowie für Direktmarketingmaßnahmen verarbeitet und genutzt. Zudem geben wir Ihre Daten an uns konzernmäßig verbundene Unternehmen weiter. Die Auskunft ist schriftlich (§ 34 Abs. 3 BDSG) und unentgeltlich 422 (§ 34 Abs. 5 BDSG) zu erteilen. Bei geschäftsmäßiger Datenverarbeitung zum Zwecke der Übermittlung (z.B. Auskunfteien, Adresshändler, Markt- und Meinungsforscher) darf für die Auskunftserteilung ein Entgelt verlangt werden, wenn der Betroffene die Auskunft gegenüber Dritten zu wirtschaftlichen Zwecken nutzen kann. Dies ist z.B. bei einer SCHUFA-Selbstauskunft der Fall, für die derzeit 7,80 €berechnet wird. Bei automatisierten Einzelentscheidungen im Sinne von § 6a 423 185 Kapitel XIII Rechte der Betroffenen BDSG302 bezieht sich das Recht des Betroffenen auf Auskunft auch auf den logischen Aufbau der automatisierten Verarbeitung der ihn betreffenden Daten. Die verantwortliche Stelle ist allerdings derzeit 303 noch nicht verpflichtet, Angaben zur Gewichtung der Einzelinformationen sowie zu ihrer wechselseitigen Abhängigkeit zu machen. Von daher erteilt die SCHUFA den Betroffenen Auskunft über die gespeicherten Daten sowie über den sich daraus ergebenden tagesaktuellen Scorewert. 2.5 Einsicht in das Verfahrensverzeichnis 424 Gemäß § 4g Abs. 2 S. 2 BDSG hat der betriebliche Datenschutz- beauftragte jedermann auf Antrag Einsicht in das sog. Verfahrensverzeichnis zu geben. Dieses Recht ist nicht nur den Betroffenen vorbehalten. Das Verzeichnis enthält einen nicht personenbezogenen pauschalen Überblick über die gesamten Date nverarbeitungen des Unternehmens und soll dem Bürger Transparenz über seine mögliche Eigenschaft als Betroffener geben304. 425 Durch Einsicht bzw. Auskunft über den Inhalt kann jeder Interes- sierte Informationen auch über die Datenflüsse im Kundenbereich erhalten. Eine Auskunftsverweigerung im Hinblick auf Geheimhaltungsinteressen kennt das BDSG nicht. Im Einzelnen sind im Verfahrensverzeichnis folgende Angaben enthalten: 302 303 304 186 - Name oder Firma der verantwortlichen Stelle, - Inhaber, Vorstände, Geschäftsführer oder sonstige gesetzliche oder nach der Verfassung des Unternehmens berufene Leiter und die mit der Leitung der Datenverarbeitung beauftragten Personen, Vgl. vorstehend Rdnr. 270 sowie Rdnr. 309. Anmerkung: Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieser Ausarbeitung sind gesetzgeberische Regelungen in Planung, um die Transparenz von Scoringverfahren für die Betroffenen zu erhöhen. Eine Anleitung zur Erstellung eines Verfahrensverzeichnisses enthält die GDD-Praxishilfe I „Verarbeitungsübersicht, Verfahrensverzeichnis, Vorabkontrolle“. Rechte der Betroffenen Kapitel XIII - Anschrift der verantwortlichen Stelle, - Zweckbestimmungen der Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung, - eine Beschreibung der betroffenen Personengruppen und der diesbezüglichen Daten oder Datenkategorien, - Empfänger oder Kategorien von Empfängern, denen die Daten mitgeteilt werden können, - Regelfristen für die Löschung der Daten, - eine geplante Datenübermittlung in Drittstaaten. Wie die Einsicht oder die Auskunft gewährt wird, entscheidet der 426 Datenschutzbeauftragte. Ggf. reicht auch eine mündliche Auskunft. Jedoch muss er unverzüglich tätig werden (§ 121 BGB). Ein Entgelt oder die Offenlegung der Motive zu verlangen, wäre 427 unzulässig. Hinzuweisen ist auch darauf, dass die Mitteilung von jedem Interessierten bei Nichtreaktion klageweise geltend gemacht werden könnte. Vgl. das Beispiel in: DDV (Hrsg.), Das neue BDSG 2001 - Auswirkungen auf das Direktmarketing, Best Practice Guide Nr. 3, 4. Auflage, 2007, S. 11: Eine Person wendet sich an ein Versicherungsunternehmen und wünscht Auskunft über die Zweckbestimmung und die Kategorien regelmäßiger Empfänger von Informationen aus bestehenden Kundendatenbanken. Die Auskunft ist zu erteilen. Sie kann selbst dann nicht verweigert werden, wenn die Anfrage von einem Mitarbeiter eines Konkurrenzunternehmens stammt oder der Inhalt der Auskunft Geschäftsgeheimnisse enthält. Ob missbräuchliche Auskünfte verweigert werden können, beantwortet das Gesetz nicht. 187 Kapitel XIII Rechte der Betroffenen Transparenz gegenüber dem Betroffenen Information bei der Direkterhebung (Vorrang der Direkterhebung) speziell: §§ 6b, 6c BDSG Benachrichtigung über Speicherung bzw. erstm. Übermittlung (falls nicht beim Betroffenen erhoben) über verantwortliche Stelle bei werblicher Ansprache verantwortliche Stelle Auskunft über die Daten und ihre Verarbeitung speziell: § 6a BDSG Einsicht in das Verfahrensregister (beim behördlichen/betrieblichen DSB) 3. Gestaltungsrechte 3.1 Allgemeines 428 Die Information über die Tatsache der Datenspeicherung und ggf. deren genaue Kenntnisnahme im Wege der Auskunft versetzt die Betroffenen in die Lage, gegen unrichtige, unzulässige oder auch nur unerwünschte Verarbeitungen vorzugehen. 3.2 Berichtigung 429 Gemäß § 35 Abs. 1 BDSG sind Unternehmen verpflichtet, nur korrekte Daten über den Betroffenen zu speichern. Bei Unrich188 Rechte der Betroffenen Kapitel XIII tigkeit besteht ein Anspruch auf Berichtigung. Sofern anderen Unternehmen unrichtige Daten übermittelt worden sind, sind diese gemäß § 35 Abs. 7 BDSG zu verständigen. 3.3 Löschung Ein Anspruch auf Datenlöschung - d.h. das völlige Unkenntlich- 430 machen der Daten - besteht gemäß § 35 Abs. 2 S. 2 BDSG in vier Fällen: 3.4 - Die Speicherung ist unzulässig. - Es handelt sich um besonders sensitive Daten, deren Richtigkeit vom Unternehmen nicht bewiesen werden kann. - Der Zweck der Speicherung ist weggefallen. - Soweit Daten geschäftsmäßig zum Zwecke der Übermittlung verarbeitet werden: wenn eine Prüfung jeweils am Ende des vierten Kalenderjahres beginnend mit der erstmaligen Speicherung ergibt, dass eine längere Speicherung nicht erforderlich ist. Sperrung Im Hinblick auf das Ende der Kundenbeziehung geht das Gesetz 431 zunächst von einer Löschung - d.h. der Unkenntlichmachung (§ 3 Abs. 4 Nr. 5 BDSG) - der Daten aus. Die Löschungsverpflichtung wird jedoch durch eine Pflicht zur Sperrung ersetzt, sofern gesetzliche, satzungsmäßige oder vertragliche Aufbewahrungsvorschriften der Löschung entgegenstehen (§ 35 Abs. 3 Nr. 1 BDSG). Sperrung bedeutet, dass die Daten gekennzeichnet werden, um ihre weitere Verarbeitung oder Nutzung einzuschränken (§ 3 Abs. 4 Nr. 4 BDSG). Sofern eine Löschung wegen der besonderen Art der Speicherung einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde, genügt ebenfalls die Sperrung (§ 35 Abs. 3 Nr. 3 BDSG). Dies ist regelmäßig der Fall bei Dateien, die zum Zwecke 189 Kapitel XIII Rechte der Betroffenen der Datensicherung (Backup) gespeichert sind. Hier genügt die einfache Kennzeichnung durch Sperrvermerk. 432 Eine Sperrverpflichtung im Sinne einer eingeschränkten Nut- zungsmöglichkeit entsteht überdies, wenn der Betroffene gemäß § 28 Abs. 4 BDSG sein Recht auf Werbewiderspruch geltend gemacht hat305 . Insoweit ist der Datensatz nicht komplett zu löschen, sondern nur entsprechend zu kennzeichnen, um eine Nutzung zu Werbezwecken auszuschließen. 433 Sofern der Betroffene geltend macht, die vom Unternehmen gespeicherten Daten seien unrichtig, besteht gemäß § 35 Abs. 4 BDSG ebenfalls - bis zum Beweis des Gegenteils - die Verpflichtung zur Sperrung dieser Daten. 3.5 Allgemeines Widerspruchsrecht 434 Auch wenn die verantwortliche Stelle im Rahmen der notwendi- gerweise pauschalen Interessenabwägung berechtigterweise zu der Überzeugung gelangt ist, dass die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen nicht beeinträchtigt werden, kann diese Bewertung im Einzelfall unzutreffend sein, weil in der Person eines Betroffenen individuelle bzw. subjektive Belange - eben weil sie nicht bekannt waren - nicht berücksichtigt wurden. Für diesen Fall räumt § 35 Abs. 5 BDSG dem Betroffenen das Recht ein, den ihn betreffenden Verarbeitungen zu widersprechen306 . Eine Form ist nicht vorgeschrieben. Im Gegensatz zum gegenüber unerwünschter Werbung in § 28 Abs. 4 BDSG gewährten allgemeinen Widerspruchsrecht 307, liegt es hier im eigenen Interesse des Betroffenen, dass er den Widerspruch begründet. So ist es z.B. berechtigt, dass ein Hotelgast der Speicherung seiner Adresse in der Hotelgästedatei auch dann widersprechen kann, wenn diese nur zum Ausfüllen der Formulare bei erneutem Besuch und zur 305 306 307 190 Vgl. im Einzelnen vorstehend Rdnr. 175 ff. Gola, Informationelle Selbstbestimmung in Form des Widerspruchsrechts, DuD 2001, S. 278. Vgl. Rdnr. 166 ff. Rechte der Betroffenen Kapitel XIII Rabattgewährung Verwendung finden soll. Des Weiteren kann der Betroffene eine per Einwilligung legiti- 435 mierte Verarbeitung grundsätzlich durch Widerruf der Einwilligung308 beenden. Allerdings sollte die Einwilligung nicht willkürlich, sondern entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben nur dann zurückgenommen werden, wenn für ihre Erteilung maßgebende Gründe entfallen sind, sich wesentlich geändert oder die tatsächlichen Voraussetzungen sich verändert haben309. Die BDSG-Gestaltungsrechte Berichtigung unrichtiger Daten (ggf. Information des Dritten, dass unrichtige Daten weitergegeben wurden) Löschung/Sperrung unzulässiger, nicht mehr erforderlicher oder bestrittener Daten (ggf. Gegendarstellung) verantwortliche Stelle Widerspruch gegenüber unerwünschter Werbung Widerspruch auf Grund entgegenstehender persönlicher Gegebenheiten (zusätzlich grundsätzliches Recht auf Rücknahme einer Einwilligung) Eine Einwilligung ist zudem dann nicht widerrufbar, wenn sie 308 309 Zur Widerruflichkeit der Einwilligung vgl. bei Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 4a Rdnr. 17 ff. Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 4a Rdnr. 18. 191 Kapitel XIII Rechte der Betroffenen verbunden ist mit rechtsgeschäftlichen Abreden und die Einwilligung der Abwicklung einer vertraglichen Beziehung dient (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG) 310. 310 192 Gola/Wronka, Datenschutzrechtliche Auswirkungen einseitig erklärter oder vertraglich gezogener Verarbeitungs- und Verwertungsgrenzen, RDV 2007, S. 59. Kontrolle und Sanktionen Kapitel XIV Kapitel XIV: Wer achtet auf die Einhaltung der „Spielregeln“? 1. Ein komplexes Kontrollsystem Die Einhaltung der Vorgaben des Kundendatenschutzes wird von 436 verschiedenen Stellen überprüft. Hierzu gehört zunächst der Kunde selbst. Dieser kann über die Wahrnehmung seiner datenschutzrechtlichen Informations- und Gestaltungsrechte die Datenschutzkonformität des Unternehmenshandelns beurteilen. Daneben haben private bzw. staatliche Stellen sowohl unter dem Blickpunkt des Datenschutzes als auch zur Beachtung des lauteren Wettbewerbs Überwachungs- und Einwirkungsbefugnisse. Aufsichtsbehörde Verbände (UWG, BGB) Kunde Unternehmen Datenschutzbeauftragter Mitbewerber 2. Staatsanwaltschaft/Gericht Der Kunde Grundlage der Datenschutzkontrolle durch den Kunden sind ins- 437 besondere die Verpflichtung der verantwortlichen Stelle zur Information (§ 4 Abs. 3 BDSG) bzw. Benachrichtigung (§ 33 BDSG) sowie seine unabdingbaren Rechte auf Auskunft, Berichtigung, 193 Kapitel XIV Kontrolle und Sanktionen Löschung und Sperrung (§ 6 Abs. 1 BDSG). Darüber hinaus steht dem Kunden das allgemeine Widerspruchsrecht gemäß § 35 Abs. 5 BDSG (Widerspruch bei besonderer Eingriffsqualität) und - im Falle der Direktwerbung - das besondere Widerspruchsrecht aus § 28 Abs. 4 S. 1 BDSG (Werbewiderspruch) zu. 438 Bei Zweifeln an der Datenschutzkonformität kann sich der Kunde an den Datenschutzbeauftragten des Unternehmens (§ 4f Abs. 5 S. 2 BDSG) und/oder die Aufsichtsbehörde (§ 38 BDSG) wenden. Ggf. kann der Kunde auch ein Ordnungswidrigkeiten- bzw. Strafverfahren einleiten lassen oder Schadensersatzansprüche geltend machen. 439 Im Hinblick auf die Einleitung eines Bußgeld- bzw. Strafverfah- rens ist zu beachten, dass insoweit nicht nur ein Rückgriff auf diverse Tatbestände des Strafgesetzbuches in Betracht kommt, sondern das BDSG mit den §§ 43, 44 BDSG auch über eigene Bußgeld- und Straftatbestände verfügt. 440 Der Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 43 BDSG unter- scheidet zwischen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften (Abs. 1) und Verstößen gegen materielle Schutzvorschriften (Abs. 2). Erstere können mit einem Bußgeld bis zu 25.000,- €, Letztere mit einem Bußgeld bis zu 250.000,- €geahndet werden. Beispiele für Verstöße im Sinne des § 43 Abs. 1 BDSG sind etwa 194 - der Verstoß gegen die Pflicht zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten, - die mangelnde Information über den Werbewiderspruch bzw. die Verletzung der Benachrichtigungspflicht aus § 33 BDSG, - die Verletzung der Zweckbindung übermittelter Daten, - die Missachtung der gegenüber der Aufsichtsbehörde bestehenden Auskunfts- bzw. Duldungspflichten und - die Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Anordnung der Aufsichtsbehörde. Kontrolle und Sanktionen Kapitel XIV BDSG § 43 Abs. 2 und 3: (2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, erhebt oder verarbeitet, 2. unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, zum Abruf mittels automatisierten Verfahrens bereithält, 3. unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, abruft oder sich oder einem anderen aus automatisierten Verarbeitungen oder nicht automatisierten Dateien verschafft, 4. die Übermittlung von personenbezogenen Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, durch unrichtige Angaben erschleicht, (...). (3) Die Ordnungswidrigkeit kann im Fall des Absatzes 1 mit einer Geldbuße bis zu fünfundzwanzigtausend Euro, in den Fällen des Absatzes 2 mit einer Geldbuße bis zu zweihundertfünfzigtausend Euro geahndet werden. § 44 BDSG: (1) Wer eine in § 43 Abs. 2 bezeichnete vorsätzliche Handlung gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. Antragsberechtigt sind der Betroffene, die verantwortliche Stelle, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und die Aufsichtsbehörde. 195 Kapitel XIV Kontrolle und Sanktionen 441 Soweit Schadensersatz wegen materieller Schäden begehrt wird, enthält das BDSG mit § 7 BDSG einen eigenen Haftungstatbestand. § 7 BDSG: Fügt eine verantwortliche Stelle dem Betroffenen durch eine nach diesem Gesetz oder nach anderen Vorschriften über den Datenschutz unzulässige oder unrichtige Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung seiner personenbezogenen Daten einen Schaden zu, ist sie oder ihr Träger dem Betroffenen zum Schadensersatz verpflichtet. Die Ersatzpflicht entfällt, soweit die verantwortliche Stelle die nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet hat. 442 § 7 BDSG erfasst allerdings nicht jeden beliebigen Datenschutz- verstoß. Tatbestandsmäßig sind nur Datenschutzverletzungen, die auf eine unzulässige oder unrichtige Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten zurückzuführen sind. Die Haftung nach § 7 BDSG setzt zudem ein Verschulden der verantwortlichen Stelle voraus. Allerdings wird ein solches zu Gunsten des Betroffenen vermutet, solange nicht die verantwortliche Stelle nachgewiesen hat, dass sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat (§ 7 S. 2 BDSG). 443 § 7 BDSG ist keine abschließende und ausschließliche Rege- lung 311. Das allgemeine Schadensrecht (§§ 280, 311 Abs. 2, 823 ff. BGB) bleibt daneben anwendbar312 . 444 Ob § 7 BDSG auch den Schadensersatz wegen immaterieller Schäden umfasst, ist umstritten313. Verneint man dies, sind im Hinblick auf ein mögliches Schmerzensgeld die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen zur Anwendung zu bringen. 311 312 313 196 Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 7 Rdnr. 16. Tinnefeld/Ehmann/Gerling, Einführung in das Datenschutzrecht, 4. Auflage, München 2005, S. 421. Vgl. insoweit Gola/Schomerus (vgl. Fn. 40), § 7 Rdnr. 12 und 19. Kontrolle und Sanktionen 3. Kapitel XIV Die Aufsichtsbehörde Die Einhaltung des Datenschutzes wird von den Datenschutzauf- 445 sichtsbehörden in den Bundesländern „von Amts wegen“ kontrolliert. Es muss also weder der Verdacht eines Datenschutzverstoßes bestehen noch ein Antrag des Betroffenen vorliegen, damit die Aufsichtsbehörde tätig werden kann. Zur Durchführung ihrer Aufgaben sind der Aufsichtsbehörde 446 durch das BDSG Informations-, Betretens-, Besichtigungs-, Prüfungs- und Einsichtsrechte eingeräumt (§ 38 Abs. 3 und 4 BDSG). Der Aufsichtsbehörde stehen Anordnungs- und Untersagungsbefugnisse bezüglich der zur Gewährleistung des Datenschutzes erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zu (§ 38 Abs. 5 BDSG). Sofern ihr diese Aufgabe zugewiesen ist, führt sie Bußgeldverfahren nach § 43 BDSG durch. Sie kann Strafantrag nach § 44 BDSG stellen. Soweit die Daten verarbeitende Stelle der Gewerbeordnung 447 unterliegt, können Datenschutzverstöße auch auf Grundlage des Gewerberechtes sanktioniert werden (§ 38 Abs. 7 BDSG). Zuständig insoweit ist das Gewerbeaufsichtsamt. 4. Mitbewerber, Wettbewerbs- und Verbraucherverbände Denkbar ist, dass eine Verletzung des Datenschutzrechtes 448 zugleich einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG) darstellt314 . In den §§ 8 bis 10 UWG werden Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung, auf Schadensersatz und auf Abschöpfung des unlauter erzielten Gewinns geregelt. Während der Schadensersatzanspruch gemäß § 9 UWG nur vom 449 geschädigten Mitbewerber geltend gemacht werden kann, sind hinsichtlich der Durchsetzung des Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs (§ 8 Abs. 3 UWG) bzw. des Gewinnabschöp314 Vgl. vorstehend Rdnr. 27 ff. 197 Kapitel XIV Kontrolle und Sanktionen fungsanspruchs (§ 10 Abs. 1 UWG) verschiedene Stellen und Institutionen anspruchs- und klageberechtigt: - Mitbewerber (nur Beseitigung bzw. Unterlassung), - Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen von Anbietern von Waren oder Dienstleistungen, - Einrichtungen, die in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 Unterlassungsklagengesetz oder in ein entsprechendes Verzeichnis von Verbraucherschutzverbänden der EGKommission eingetragen sind sowie - Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern. 450 Den im UWG privilegierten Verbänden und Institutionen stehen auch noch die Klagebefugnisse aus dem Unterlassungsklagenge315 setz (UKlaG) offen. 451 Ein Anspruch auf Unterlassung bzw. Widerruf nach dem UKlaG besteht in folgenden Fällen: 315 316 198 - Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die nach der Inhaltskontrolle unwirksam sind (§ 1 UKlaG), oder - Zuwiderhandlung gegen Verbraucherschutzgesetze (z.B. Vorschriften zum Verbrauchsgüterkauf, zu Haustürgeschäften, Reiseverträgen, Fernabsatzverträgen)316 (§ 2 UKlaG). Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen, neugefasst durch Bekanntmachung vom 27.08.2002 (BGBl. I S. 3422, 4346), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.07.2007 (BGBl. I S. 1330). Zur Frage, inwieweit BDSG-Normen verbraucherschützende Funktion haben vgl. vorstehend Rdnr. 30 ff.; zum Verhältnis von § 2 UKlaG und der Klagebefugnis aus § 8 Abs. 2 Nr. 3 UWG vgl. Hanseatisches OLG, Urteil vom 09.06.2004 - 5 U 186/03 -, RDV 2005, S. 119 (Leitsatz). Kontrolle und Sanktionen Kapitel XIV Verstoßen z.B. datenschutz- oder wettbewerbsrechtliche Einwil- 452 ligungsklauseln gegen das AGB-Recht (§§ 307 bis 309 BGB), können die Verbraucherverbände eine Abmahnung aussprechen und, sofern der Abmahnung nicht Folge geleistet wird, vom Instrument des abstrakten Unterlassungsverfahrens Gebrauch machen317. 5. Staatsanwaltschaft/Gericht Sollten durch den Datenschutzverstoß auch Straftatbestände 453 verwirklicht werden, kommt eine Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft und anschließende Aburteilung durch das Gericht in Betracht. Wie bereits angesprochen verfügt das BDSG mit § 44 über einen 454 eigenen Straftatbestand. Unter dem Gesichtspunkt der Entkriminalisierung ist die Strafvorschrift jedoch auf vorsätzliche Handlungen gegen Entgelt oder in Bereicherungs- oder Fremdschädi318 gungsabsicht begrenzt . Straftaten nach dem BDSG können mit einer Freiheitsstrafe bis 455 zu zwei Jahren oder Geldstrafe geahndet werden. Die Taten werden jedoch nur auf Antrag verfolgt (§ 44 Abs. 2 S. 1 BDSG). Antragsberechtigt sind der Betroffene, die verantwortliche Stelle, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit sowie die Aufsichtsbehörde (§ 44 Abs. 2 S. 2 BDSG). Als strafrechtlich Verantwortlicher kommt nicht nur die Unter- 456 nehmensleitung in Betracht, sondern vielmehr auch der den Datenschutzverstoß konkret veranlassende Mitarbeiter. Dieser verletzt durch ein entsprechendes Verhalten zugleich auch seine gesetzliche Verpflichtung zur Wahrung des Datengeheimnisses (§ 5 BDSG). 317 318 Zu den regen Aktivitäten der Verbraucherschutzvereinigungen gegenüber insoweit unzulässigen Einwilligungsklauseln vgl. Heidemann-Peuser, Rechtskonforme Gestaltung von Datenschutzklauseln, DuD 2002, S. 389. Gola/Klug (Fn. 249), S. 120. 199 Kapitel XIV Kontrolle und Sanktionen § 5 BDSG: Den bei der Datenverarbeitung beschäftigten Personen ist untersagt, personenbezogene Daten unbefugt zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen (Datengeheimnis). Diese Personen sind, soweit sie bei nicht-öffentlichen Stellen beschäftigt werden, bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit auf das Datengeheimnis zu verpflichten. Das Datengeheimnis besteht auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit fort. 457 Neben den Strafnormen des BDSG bleibt auch das allgemeine und sonstige bereichsspezifische Strafrecht anwendbar. Zu denken ist insoweit insbesondere an folgende Regelungen: 200 - § 202a StGB (Ausspähen von Daten) - § 202b StGB (Abfangen von Daten) - § 202c StGB (Vorbereiten des Ausspähens oder Abfangens von Daten) - § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen) - § 206 StGB (Verletzung des Post-/Fernmeldegeheimnisses) - § 263a StGB (Computerbetrug) - § 266 StGB (Untreue) - § 269 StGB (Fälschung beweiserheblicher Daten) - § 270 StGB (Täuschung im Rechtsverkehr bei Datenverarbeitung) - § 303a StGB (Datenveränderung) - § 303b StGB (Computersabotage) - § 17 UWG (Industriespionage, Verrat von Geschäftsgeheimnissen) Kontrolle und Sanktionen Kapitel XIV Für die unbefugte Verwendung von Kundendaten durch Mitar- 458 beiter ist insbesondere § 17 UWG relevant319 . Strafrechtliche 320 Sanktionen nach § 17 UWG hat der BGH nicht nur bei der unbefugten Weitergabe von Kundendaten, sondern auch für den Fall anerkannt, dass Namen aus einer Kundenliste des früheren Arbeitgebers in einen anderen Betrieb eingebracht werden. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der ausgeschiedene Mitarbeiter die verwendeten Daten im Rahmen des früheren Arbeitsverhältnisses befugtermaßen in seinen privaten Unterlagen (privates Adressbuch, privater PC) aufbewahrt habe. Er hätte diese Daten löschen bzw. vernichten müssen. Unzulässig ist es auch, sich bei den Kunden vor dem Ausscheiden aus dem Betrieb per Rundschreiben zu verabschieden und dabei auf die neue Tätigkeit als Wettbewerber bzw. für einen Wettbewerber hinzuweisen321 . § 17 UWG schützt jedoch nicht das informationelle Selbstbe- 459 stimmungsrecht der betroffenen Kunden, sondern das Unternehmen vor derartigen unlauteren Wettbewerbsmaßnahmen. Das Strafantragsrecht steht dementsprechend nur dem Arbeitgeber zu. 6. Datenschutzbeauftragter Auch innerhalb des Unternehmens selbst wird die Beachtung des 460 Datenschutzes kontrolliert. Dies ist Aufgabe des Datenschutzbeauftragten. Sobald ein Unternehmen mehr als neun Personen beschäftigt, die - zumindest auch - mit der Verarbeitung personenbezogener Daten (das sind in jedem Fall die Kunden- und Personaldaten) befasst sind, muss es einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten bestellen. Dies wird in der Regel ein eigener Mitarbeiter sein. Ist ein Mitarbeiter mit der erforderlichen Sach319 320 321 Gola/Wronka, Handbuch zum Arbeitnehmerdatenschutz, 3. Auflage, Frechen 2004, S. 311; Busse in: Besgen/Prinz, Neue Medien und Arbeitsrecht, Bonn 2006, § 10 Rdnr. 157 ff. Urteil vom 27.04.2006 - I ZR 126/03 -, NJW 2006, S. 3424. BGH, Urteil vom 22.04.2004 - I ZR 303/01 -, NJW 2004, S. 2385. 201 Kapitel XIV Kontrolle und Sanktionen kunde nicht vorhanden, kann auch externer Sachverstand zu Rate gezogen werden322 . Der Verstoß gegen die Bestellpflicht ist eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 43 BDSG. 461 Der Datenschutzbeauftragte hat nach dem BDSG die Aufgabe, im Unternehmen auf die Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz hinzuwirken. Insbesondere überwacht er die ordnungsgemäße Anwendung der Datenverarbeitungsprogramme, mit deren Hilfe personenbezogene Daten verarbeitet werden, wie z.B. Kundendatenbanken, und macht die bei der Verarbeitung personenbezogener Daten tätigen Personen mit den Vorschriften des Datenschutzes und den jeweiligen E rfordernissen vertraut. 462 Der Datenschutzbeauftragte ist Ansprechpartner und Repräsen- tant des Unternehmens in Datenschutzfragen323 . Dem Recht des Betroffenen, sich jederzeit unmittelbar an den Datenschutzbeauftragten wenden zu können (§ 4f Abs. 5 S. 2 BDSG), entspricht die Pflicht des Datenschutzbeauftragten, sich dessen Anliegen - unter Wahrung der Verpflichtung zur Verschwiegenheit (§ 4f Abs. 4 BDSG) - auch anzunehmen. 322 323 202 Bei der Suche nach einem externen Datenschutzbeauftragten bzw. datenschutzrechtlichen Sachverständigen unterstützt Sie die Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung e.V. (GDD). Nähere Informationen finden Sie unter www.gdd.de. Gola/Klug (Fn. 249), S. 115. Kundendatenschutz Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abs. AfP AG AGG AiB AO BB BDSG BGB BKR BGH BVerfG BVerfGE BVerwG CR CRM DB DDV DSB DuD etc. Fn. GG ggf. GRUR GWG HessVGH anderer Ansicht am angegebenen Ort Absatz Archiv für Presserecht Amtsgericht Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Arbeitsrecht im Betrieb Abgabenordnung Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesdatenschutzgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (Zeitschrift) Bundesgerichtshof Bundesverfassungsgericht Bundesverfassungsgericht, Entscheidungssammlung Bundesverwaltungsgericht Computer und Recht (Zeitschrift) Customer Relationship Management Der Betrieb (Zeitschrift) Deutscher Direktmarketing Verband Datenschutz-Berater Datenschutz und Datensicherheit (Zeitschrift) und so weiter Fußnote Grundgesetz gegebenenfalls Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Geldwäschegesetz Hessischer Verwaltungsgerichtshof 203 Abkürzungsverzeichnis i.V.m. JuS K&R LG Ls LT-Drs. MDR MDStV MMR NJW NJW-RR OLG PDSV Rdnr. RDV S. SGB I SGB V StGB TMG TKG u.a. ULD UWG WRP ZIP ZPO 204 Kundendatenschutz in Verbindung mit Juristische Schulung (Zeitschrift) Kommunikation & Recht (Zeitschrift) Landgericht Leitsatz Landtagsdrucksache Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Mediendienste-Staatsvertrag MultiMedia und Recht (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW-Rechtsprechungsreport, Zivilrecht (Zeitschrift) Oberlandesgericht Postdienste-Datenschutzverordnung Randnummer Recht der Datenverarbeitung (Zeitschrift) Seite bzw. Satz Sozialgesetzbuch - Erstes Buch (Allgemeiner Teil) Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch (Krankenversicherung) Strafgesetzbuch Telemediengesetz Telekommunikationsgesetz unter anderem Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Wettbewerb in Recht und Praxis Zeitschrift für Gesellschaftsrecht und Insolvenzpraxis (Zeitschrift) Zivilprozessordnung Kundendatenschutz Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis (Zahlenangaben = Rdnr.) Abbruch der Geschäftsbeziehung 173 Abfrageformular (Web) 88 Abrechnung 102, 104 Adress- und Telefonverzeichnis 138 Adressat des Widerspruchs 170 Adresshandel 120, 121 AGB-Recht 7, 195, 452 Aktienkauf 358 Allgemein zugängliche Quellen 44, 138, 257 Altenheim 129 Anbieterkennzeichnung 111 Angemessenes Schutzniveau 354, 356 Annahmeverweigerung (Werbung) 173 Anregung 294 Anreißen von Kunden 20 Anschriftenprüfung 364 Anspruch- und Klageberechtigung (UWG) 449 Arbeitgeber des Schuldners 393 Arzt 360 Aufsichtsbehörde 438, 445 Auftragsdatenverarbeitung 300, 346, 352, 374 Ausfallrisiko (Forderung) 265 Auskunft 16, 219, 420 Ausländische Stelle 351 Ausnahmetatbestand 355 Automatische Anrufmaschine 206 Automatisierte Einzelentscheidung 270, 309, 423 Automatisierte Verarbeitung 15 B ank 302 Bankgeheimnis 134, 384 Bauschein 143 Beiwerk (KunstUrhG) 398 Belästigung 4, 21, 25 Benachrichtigung 144, 178, 270 Benachrichtigungspflicht 412 Beschwerde 294 Beseitigung (UWG) 448 Bestandsdaten 97 Bestellhistorie 317 Bestellpflicht 460 Betroffener 217 Bonitätsauskunft 45 205 Stichwortverzeichnis Bonuskarte 319 Briefkastenaufkleber 165 Briefkastenwerbung 157 Bußgeld 440 Call Center 182, 346 City Card 319 Cold Call 21, 187 Cookies 118 Coupon 61, 65 Customer Relationship Management 314 D ankschreiben 403 Darlehensforderung 384 Datamining 311 Datawarehouse 311 Datei 15 Datenbeschaffung 34 Datenerhebung bei Dritten 393 Datengeheimnis 456 Datennutzung 135 Datenschutzbeauftragter 438, 460 Datenschutzerklärung 115 Datensicherheitskonzept 88 Datenübermittlung 149, 305, 347, 413 Datenverarbeitung 14 Detektiv 45 Deutsche Post AG 363 Direkterhebungsgrundsatz 41, 407 206 Kundendatenschutz Double-Opt-In 94, 108 Drittland 351, 353 Drittstaaten 350 E -Card 211 E-Commerce 18 Eidesstattliche Versicherung 243 Eingangskontrolle 231 Einkommensbescheinigung 241 Einkommensteuerbescheid 241 Einwilligung 7, 10, 38, 93, 99, 159, 183, 189, 208, 263, 295, 312, 317, 323, 325, 355, 397, 404 Einzelnachweis 105 Elektronische Einwilligung 107 Elektronische Kommunikation 182 E-Mail-Adresse 238 E-Mail-Werbung 207, 209 Empfänger 48 Erforderlichkeitsprinzip 37 Erhebung von Daten 14, 35 EU bzw. EWR 351 EU-Kommission 356 Fax 4, 206, 238 Fernabsatz 220 Firmenzusammenschluss 357 Kundendatenschutz Flat-Rate 105 Forderungsabtretung 381 Freundschaftswerbung 22 Funktionsübertragung 375 Fusion 361 Geburtsdatum 230 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 19 Gesundheitsdaten 252 Gewerbeordnung 447 Gewinnabschöpfung 448 Gewinnspiel 66 Grundrecht der Informationsfreiheit 137 H aushaltsdaten 248 Hausrecht 329 Herr der Daten 348 Hinweisschild (Videoüberwachung) 333 Homepage 113 Honorarforderung 385 Hotelgast 284 Hyperlink 113 Impressum 113 Informationeller Selbstschutz 12 Informationsaustausch 258 Informationspflicht 110 Inkassobüro 372 Insolvenz 127 Stichwortverzeichnis Interessenabwägung 37, 63, 128, 133, 255 Internet 404 Inverssuche 145 Kaufkraft 146 Kaufkraft eines Straßenabschnitts 154 Kinder 20 Kommerzielle Kommunikation 209 Konsumverhalten 5, 201, 307 Kontaktadresse 33 Kontaktdaten 203 Konzern 288, 358 Konzernverbund 60 Kopf- und Betreffzeile 209 Kopplungsverbot 74, 99, 108 Korrekturrecht 16 Krankenhauswanderer 253 Kreditauskunftei 254 Kreditbeantragung 285 Kreditkartenfunktion (Kundenkarte) 325 Kreditrisiko 240 Kundenbefragung 292 Kundenbilder 396 Kundenbindung 1 Kundenbindungssysteme 318 Kundendankschreiben 405 207 Stichwortverzeichnis Kundendatenschutz Kundendaten 395 Kundendatenbank 315 Kundengewinnung 1 Kundenkarten 5, 318 Kundenkonto 316 Nutzung von Daten 14 Nutzungsdaten 100 Nutzungsprofil (Internet) 103 Nutzungsverbot 176 L aienwerbung Ö ffentliche Quellen 22, 25 Lastschriftverfahren 235 Lettershop 120, 135, 288, 346, 416 Listbroker 136 Listeigner 135 Listenprivileg 126, 286, 418 Löschung 28, 102, 281, 431 M ahnbescheid 261 Markt- und Meinungsforschung 6, 201, 203, 299, 323, 346 Melderegister 140, 386 Mieterwarndatei 251 Mitarbeiter 272 Mitbewerber 218 Multimediarecht 83 Mutmaßliches Einverständnis 197 Nachsendeverfahren Negativmerkmale - hart 260 - weich 261 Newsletter 90 Nötigen 378 208 365 139, 419 Öffentlicher Raum 328 Ordnungswidrigkeit 180, 440 Personaldaten 278 Personenbezogene Daten 3, 39, 265 Persönlichkeitsprofil 313 Persönlichkeitsrecht 17 Pfandhinterlegung 231 PIN-Verfahren 234 Positivmerkmal 259 Prämienpunkte 320 Preisausschreiben 66 Privacy Policy 115 Pseudonym 103 R abattvertrag 320 Recht am eigenen Bild 396 Rechtsanwalt 360 Rechtsverfolgung 389 RFID 337, 409 RISER 391 Robinsonliste 181, 214 Kundendatenschutz Schadensersatz 217, 448 - immateriell 444 - materiell 441 Schätzdaten 256 Schriftform 190 SCHUFA 254 SCHUFA-Klausel 263 Schuldnerliste 379 Schuldnerverzeichnis 44, 242 Schweigepflicht 12, 301, 376 Scoring 153, 265, 307, 423 Smart Cards 409 Sozialleistungsträger 161 Soziodemografische Daten 151, 271, 310 Spam 183, 210 Speichermedien 408 Sperrdatei 178 Sperrung 176, 282, 431 Stammdaten 316 Standardvertragsklauseln 356 Statistische Daten 151, 256 Steuerberater 360 Stillschweigende Erklärung 191 Strafbarkeit 453, 455 Strafgesetzbuch 439 Straßenabschnitt 151 Stichwortverzeichnis T äuschung 20 Tele-/Mediendienste 83 Telefonmarketing 185 Telefonnummer 238 Telefonumfrage 184 Telekommunikationsdienstleister 160 Todesanzeige 142, 216 Transparenz 16, 27, 407 Treu und Glauben 63 Umfragedaten 203 Umzugsdatenbank 365 Unsachliche Beeinflussung 25 Unterlassung (BGB) 179, 217 Unterlassung (UWG) 448 Unterlassungsklagengesetz 450 Unterrichtungspflicht 48 Urheberrechtsschutz 144 Verbindliche Unternehmensregelungen 356 Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 8, 36, 153 Verbraucher 31, 185 Verbraucherumfrage 188 Verbundwerbung 61 Verfahrensverzeichnis 424 209 Stichwortverzeichnis Verhandlungsungleichgewicht 12 Verkaufsraum 329 Vermögensaufstellung 241 Veröffentlichung von Kundendaten 7, 395 Veröffentlichung von Schuldnerdaten 379 Versand fremder Werbung 57 Vertragspartei 355 Vertragsverhältnis 98, 187 Vertreterbesuche 215 Verwendungsverbot 175 Videoüberwachung 326, 330, 331 Virales Marketing 211 Visitenkarte 72 Vorsätzliche Handlungen 454 Wahlwerbung 199 Warenumtausch 236 210 Kundendatenschutz Warndatei 248, 249 Waschabgleich 148 Webcam 400 Werbesendung 165, 166 Werbung 323 Wettbewerbsrecht 19, 448 Widerspruchsrecht 31, 168, 268, 303 Wohngebiet 143, 151 Z ahlungsrückstand 262 Zedent 381 Zeitgeschichte (Personen) 399 Zessionar 381 Zielgruppe 33, 152 Zufallsgenerator 202 Zufriedenheit 294 Zusammenführung von Daten 145 Zweckänderung 273 Zweckbestimmung 51