gruendel_schiedek_06_06 02.06.2006 11:02 Uhr Seite 169 Moderne Materialbeschaffung im Krankenhaus Berufs- und Gesundheitspolitik Optimierung der Beschaffungsprozesse Klinische Praxis Dr. med. Oliver Gründel und Ulrich Schiedek Gesundheitswirtschaft Medizin Recht Unternehmen Krankenhaus ökonomischen Aspekte des Einkaufs berücksichtigt werden. Beschaffungsvorgänge des Krankenhausmarktes unterscheiden sich nicht wesentlich von den üblichen Verfahren des betriebswirtschaftlichen Handelns in anderen Branchen. Lediglich der Einkauf von Arzneimitteln bildet eine Ausnahme, weil dieser durch spezielle gesetzliche Regelungen vorgegeben ist, woraus sich Abweichungen von der üblichen Praxis ergeben können. Daher sind die in der allgemeinen Wirtschaft gültigen Prinzipien der Betriebswirtschaft auf die Prozesse und die Wertschöpfungskette im Beschaffungsmanagement von Kliniken sehr gut anwendbar. Wo finden sich nun Ansätze für eine moderne und vor allem kostenoptimierte, qualitätsgetragene Beschaffung von Klinikmaterialien? Die Trennung von strategischem und operativem Einkauf nimmt eine wichtige Rolle ein und ist für die Effizienz des Einkaufs von eminenter Bedeutung. Zunächst sollte im klinischen Umfeld das Bewusstsein für die Wichtigkeit der Beschaffungsprozesse intensiviert und eine eindeutige Strukturierung des Einkaufs vorgenommen werden. So gehört die Einführung eines zentralen Einkaufs zu den vordringlichsten Zielen. Um die Einkaufsprozesse in allen Bereichen zu optimieren, muss das Know-how der Mitarbeiter aus den Fachabteilungen mit eingebracht werden. Der Einkaufsvorgang und die Umsetzung der spezifischen Beschaffungsvorgänge sollte von einer zentralen Einkaufsabteilung durchgeführt werden. Allerdings sollte diese Einkaufsabteilung mit fachlich geschulten Mitarbeitern besetzt werden. Denn so wird gewährleistet, dass alle Anforderungen in puncto Qualität und Funktionalität seitens der Ärzte und die Strategischer Einkauf Arzt und Krankenhaus 6/2006 Im strategischen Umfeld ist es wichtig, die passenden Lieferanten sowie das passende, qualitativ hochwertige Artikelsortiment auszuwählen. Bewährte Analysen-Methoden, wie Artikelgruppenvergleiche, ABC-Analysen, Qualitätsbewertungen können diesen Prozess unterstützen. Die Zusammenarbeit von interdisziplinären Teams, bestehend aus Einkäufern, Ärzten, Pflegekräften und, wenn notwendig, Technikern oder Medizintechnikern, garantiert die Beschaffung der richtigen Artikel unter Berücksichtigung hoher Qualitätskriterien und sichert so den erfolgreichen Betrieb. Diese Teams können alle Informationen zu Produkten, Lieferanten und auch Liefertreue bewerten und somit die Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Erfolg schaffen. Bei dieser Aufgabe ist die Zugehörigkeit zu einer professionell geführten Einkaufsgemeinschaft sinnvoll. Die Einkaufsgemeinschaften sind in der Lage, den Markt genau zu analysieren und sehr schnell auf Veränderungen zu reagieren. Die Komplexität moderner Beschaffungsprozesse ist für kleine oder mittelgroße Krankenhäuser (bis ca. 500 Betten) kaum alleine und im vollen Umfang zu schaffen. Die Einkaufsabteilungen verfügen nicht über die entsprechende Größe, und die interdisziplinären Teams sind selten in der Lage, alle am Markt befindlichen Produkte zu identifizieren und sich die komplette Preisübersicht zu verschaffen. Innerhalb einer Einkaufsgemeinschaft ist es möglich, für alle Bereiche Fachteams (KompetenzCenter) zu bilden, um für alle an- geschlossenen Krankenhäuser diese Aufgabe übergeordnet zu übernehmen und diese Fachkompetenzen in die Entscheidungsprozesse zu integrieren. Die Entscheidungsfindung wird von den Kompetenz-Centern (KC) für einzelne Bereiche, unter Berücksichtigung einer zukunftsorientierten und anspruchsvollen Patientenversorgung, vorbereitet. Für die verschiedenen Fachgebiete erarbeiten die Kompetenz-Center nach bereits vorhandenen Materialstandards und unter Berücksichtigung von Innovationen Entscheidungsgrundlagen für eine Produkt- und Lieferantenauswahl durch das GesamtTeam (Anwender und Einkäufer). Meldungen Leserforum Veranstaltungen Europa Tagungsberichte Personalien Das Gesamt-Team entscheidet nun, welche Materialien zum Einsatz kommen und führt eine Standardisierung und zugleich eine Bündelung der Materialien für diesen Bereich durch. Nach Festlegung der Produkte werden Preisverhandlungen durchgeführt und die Lieferanten nach bestimmten Kriterien reduziert (Bündelung). Ziel ist es, sowohl die Produktpalette zu straffen als auch die Lieferantenvielfalt auf ausgewählte Partner zu konzentrieren. Diese Maßnahmen sichern einen Teil Dr. med. Oliver Gründel des wirtschaftlichen Erfolges. – Geschäftsführer Es kann natürlich vorkommen, AGKAMED GmbH – dass man für bestimmte Materialien oder Produkte auch weitere Anbieter benötigt, wenn deren Produkte über differenzierende Merkmale verfügen und die Verwendung für bestimmte Behandlungen notwendig ist. So z. B. beim Einsatz von Stents, Herzschrittmachern, aber auch in der Endoprothetik, wenn unterschiedliche Hüft- oder Kniegelenksprothesen zum Einsatz kommen sollen, je nach Therapie. Ulrich Schiedek Stellt man sich jetzt die Komple- – Geschäftsführer xität der Arbeit des Kompetenz- AGKAMED GmbH – 169 gruendel_schiedek_06_06 02.06.2006 11:02 Uhr Seite 170 Centers und der jeweiligen AnBerufs- und Gesundheitspolitik wendergruppe vor, so wird deut- Medizin Klinische Praxis Gesundheitswirtschaft Recht Meldungen Leserforum Veranstaltungen Europa Tagungsberichte Personalien 170 lich, wie wichtig es ist, in den spezifischen Fachgebieten die Ärzte, das Pflegepersonal und die Techniker bzw. Medizintechniker in Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen. Nach den Vorarbeiten wird ein Treffen zur Vorstellung der verhandelten und erreichten Ergebnisse des Fachbereiches organisiert und in Abstimmung mit den Anwendern versucht, Schwerpunkt-Lieferanten festzulegen, um mit diesen verbindliche Abnahme- oder umsatzbezogene Verträge abzuschließen. Der steigende Kostendruck im Gesundheitswesen hat dazu geführt, dass verantwortliche Mediziner in der Einkaufsgemeinschaft in den letzten Jahren hohe Sensibilität für die wirtschaftlichen Belange aller Prozesse in Kliniken entwickelt haben. Dies hat es ermöglicht, durch Lieferanten-Fokussierung Konzentration auf ein ausgewähltes Produktsortiment, Einkaufspreise zu erzielen, die eine Mehrversorgung von Patienten bei gleichem Budget sicherstellt. Einkaufsgemeinschaften sind ein Zusammenschluss mehrerer Kliniken mit dem Ziel, sich rein auf den Einkauf von Medikalprodukten, medizinischen Geräten bis hin zu Pharmazeutika zu spezialisieren. Die Einkaufsgemeinschaften unterscheiden sich in privatwirtschaftlich aufgestellte, gewinnorientierte Einkaufsverbünde, oder in nicht gewinnorientierte von der Klinikgemeinschaft getragene Verbünde, bei denen die Mitgliedshäuser direkt von den Preisvorteilen profitieren. Wichtig sind die Struktur, die Mitgliederzahl und das professionelle Management der Beschaffungsvorgänge in diesem Einkaufsverbund, um ein ausreichendes Gegengewicht zu den verhandelnden Industriepartnern zu bilden. Der Einfluss der Produktauswahl wird nicht durch die Lieferindustrie, sondern durch die eigene Gruppe, hier stellvertretend die Einkaufsgemeinschaft, vorgegeben. Das Einbeziehen der Einkäufer und der Anwender (Ärzte, Pflegepersonal, Medizintechniker und Techniker) in den Prozess der Produktauswahl, der Anfrageund Angebotsprozesse und in die Preisverhandlungen, ist der wichtigste Aspekt dieser Einkaufsverbünde, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass sich der einzelne Krankenhaus-Einkäufer auf eine bestimmte Produktgruppe spezialisiert und sich nicht in der Tiefe mit den am Markt erhältlichen Produkten, Produktdifferenzierungen, Lieferanten und Preisen in den Produktgruppen beschäftigen muss. Somit kann man über Klinikgrenzen hinweg Kompetenzen aufbauen, die sich fachspezifisch intensiv mit einzelnen Produktgruppen auseinandersetzen. Die Vorbereitungen werden dann in der Anwendergruppe, einem interdisziplinären Team, diskutiert und abgestimmt. Somit findet über die Klinikgrenzen hinweg eine Produktstrukturierung, Sortimentsstraffung und Produktbündelung statt. Diese Kompetenz-Center agieren in Fachbereichen und Produktgruppen oder auch über Fachgebietsgrenzen hinweg und sichern mit strategischem Einkaufsmanagement nachhaltig die Wettbewerbsfähigkeit des Krankenhauses. Ein weiterer wichtiger Punkt der Zusammenarbeit innerhalb einer Einkaufsgemeinschaft ist auch der Kommunikationsfluss. Viele Einkaufsgemeinschaften kommunizieren noch mittels Papierlisten oder herkömmlichen Datenträgern. Zum optimierten Informationsaustausch können jedoch heute moderne Methoden der IT-Technik eingesetzt werden wie bspw. die Nutzung eigener webbasierter Portale. Über ein solches Portal werden tagesaktuell Preise, allgemeine Informationen, Rahmenverträge, Bonusvereinbarungen, Sonderangebote der Industrie sowie Schriftverkehr zur Verfügung gestellt. Diese Informationen stehen jedem Arzt, Einkäufer, Pfleger, Techniker sowie der Leitung der Klinik im Rahmen eines Intranets zur weiteren Verwendung zur Verfügung. Operativer Einkauf Die Prozessoptimierung im Umfeld des operativen Einkaufs ist ein wichtiger weiterer Ansatz. Ebenso zählt die konsequente Nutzung der IT-Möglichkeiten hier zu den Erfolgsfaktoren. Nach der Angebotsphase und der Festlegung von Rahmenabkommen mit den Lieferanten erfolgt der operative Einkauf. Dieser beschäftigt sich mit dem Bestellprozess, der Lieferung und dem Rechnungsausgleich. Diese Teilprozesse werden konsequent und effizient strukturiert und mit elektronischen Hilfsmitteln unterstützt. Allerdings sollten die Prozesse im Vorfeld untersucht und strukturiert abgebildet werden, unter Einbeziehung der interdisziplinären Kompetenzen. Am jeweiligen Arbeitsplatz in der Klinik selbst sollte der Bestellvorgang durch den Anwender IT-unterstützt beginnen. Hier können Anwender auf so genannte e-Procurement-Lösungen, elektronische Bestellplattformen, zurückgreifen. Diese Bestellplattformen liefern dem Anwender ein für seine Bedürfnisse vorgegebenes Produktsortiment, das vorher im Rahmen der interdisziplinären Teams für seinen Bereich festgelegt wurde. Dieses Produktspektrum wird als ‚Hitliste‘ abgelegt; diese Hitlisten sind bei Änderungen flexibel anpassbar. Die Bestellplattform ist direkt mit dem Materialwirtschaftssystem (MAWI-System) der Klinik verbunden und verfügt für einen bidirektionalen Datenaustausch über eine umfangreiche Schnittstelle mit dem MAWISystem. Artikeldaten, Lieferantendaten und Preise werden in einer umfassenden Datenbank gepflegt und werden in Bereich der Bestellplattform ständig synchronisiert. Die erzeugten Bestellungen werden zudem in der MAWI aktualisiert. Weiterhin leitet das eProcurementsystem die Bestellung elektronisch an den Lieferanten weiter und nimmt die Auftragsbestätigung, das Lieferavis (Anzeige wann die Lieferung voraussichtlich erfolgt), den Lieferschein und die Rechnung elektronisch entgegen und versorgt sowohl die Rechnungsprüfung als auch die Finanzbuchhaltung mit diesen Daten. Auf diese Weise wird der Gesamtprozess weitestgehend rationalisiert und effizient gestaltet. In den elektronischen Bestellprozess werden zusätzliche GenehArzt und Krankenhaus 6/2006 gruendel_schiedek_06_06 02.06.2006 11:02 Uhr Seite 171 Berufs- und Gesundheitspolitik Medizin Klinische Praxis Gesundheitswirtschaft Recht Meldungen Leserforum Veranstaltungen Europa Tagungsberichte migungsverfahren etabliert, so dass bei hochwertigen Gütern (so genannte A- und teilweise B-Artikel) das Vier-Augenprinzip zwischen Anwendern auf der einen Seite und dem Einkauf auf der anderen, gewahrt bleibt. Spezielle Lösungen bei hochwertigen Produkten ermöglichen auch die Erfassung der vom Krankenhaus vergebenen Falloder Patientennummer. Somit wird in der Klinik eine Re-Identifikation des Materials für den einzelnen Patienten ermöglicht, um bei Produktionsfehlern oder Rückrufaktionen des Herstellers das einzelne Produkt dem Patienten zuzuordnen. Die Übermittlung der Fall- oder Patientennummer ist in soweit anonymisiert und die Re-Identifikation des Patienten ist dem Krankenhaus vorbehalten. Dies ist auch ein wichtiger Aspekt für den Datenschutz. Ein wichtiges Feld der Kosteneinsparung wird neben den Einkaufserfolgen die Optimierung der Gesamtprozesse im Krankenhaus sein. Hier geht es nicht nur in den medizinischen Bereichen um den optimalen Patientendurchfluss im Haus (von der Aufnahme bis zur Entlassung) oder um die OP-Prozesse, sondern vielmehr auch um die Abläufe in der Verwaltung – besonders in Buchhaltung und Einkauf, da man mit den modernen Kommunikationstechniken diese Bereiche steuern und optimieren kann. Arzt und Krankenhaus 6/2006 Voraussetzung zur Optimierung der Prozesse im Klinikbetrieb: der grundsätzliche Wille und die Kraft zur Veränderung! Es ist wirtschaftlich wenig sinnvoll, täglich an ein und dieselbe Firma Bestellungen zu versenden. Bestellungen bedeuten: Lieferungen und Rechnungen. So werden nicht nur Prozesskosten im eigenen Haus, sondern natürlich auch beim Lieferanten produziert. Folglich muss unbedingt zuerst im eigenen Haus die Bestelldisziplin geprüft werden. Bei der Gestaltung des komplexen Vorgangs Einkauf geht es nicht allein um die reine Verhandlung von Preisen. Faktoren wie Qualität des Produktes, die Lieferfähigkeit von Lieferanten, Strategien für Ersatzlieferanten, wenn der Erst- und Zweitlieferant nicht zum gewünschten Zeitpunkt liefern kann, spielen eine ebenso große Rolle. Zusätzlich lassen sich die erheblichen Einsparpotentiale durch die Prozessoptimierung des operativen Bestellprozesses erzielen. Wir glauben, dass im Gesundheitswesen und speziell im Klinikbetrieb neben Preissenkungen die Kosteneinsparungen in den betrieblichen Prozessen der wichtigste Faktor in den nächsten Jahren sein wird. Dazu tragen folgende Punkte bei: 1. Anschluss an einen starken Einkaufsverbund. 2. Produktgruppen unter Qualitätsaspekten zu straffen. 3. Bestellprozesse in den Häusern zu optimieren. 4. Bestelldisziplin in den Häusern zu verbessern. 5. Die Bestell- und Bearbeitungsprozesse auf elektronischem Wege abzuwickeln. Bei Umsetzung dieser Punkte wird auch das Gesundheitswesen bei der Beschaffung und den übrigen Prozessen industriellen Standard erreichen. Dies wird unumgänglich sein: Denn die Mittel im Gesundheitswesen bleiben knapp und die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit von Kliniken steigen. Personalien Dr. med. Oliver Gründel – Geschäftsführer AGKAMED GmbH – Ulrich Schiedek – Geschäftsführer AGKAMED GmbH – AGKAMED GmbH Ruhrallee 201 45136 Essen Fon +49(0)201.1855-0 Fax +49(0)201.1855-199 [email protected] www.agkamed.de 171