Standard "Toilettentraining" Definition: Viele pflegebedürftige Senioren haben nur ein eingeschränktes Gespür für den Füllstand der Blase. Der Harndrang stellt sich also nicht oder nur sehr spät ein. Wird der richtige Zeitpunkt für den Toilettengang verpasst, kommt es zum unkontrollierten Harnabgang. Wurde kein Inkontinenzmaterial eingelegt, nässt der Bewohner ein. Bei vielen Senioren lässt sich der Zeitpunkt des unfreiwilligen Wasserlassens recht präzise abschätzen. Das Toilettentraining zielt folglich darauf ab, einen Toilettengang durchzuführen, bevor sich die Blase unkontrolliert entleert. In vielen Fällen ist es möglich, die Zeitspanne im Lauf von Monaten soweit auszudehnen, dass ein nahezu normales Leben ohne Einnässen möglich ist. Die Nutzung von Einlagen kann dann deutlich reduziert werden. Das Toilettentraining ist wirksam bei Drang- und bei Belastungsinkontinenz sowie bei verschiedenen Mischformen. Es handelt sich um eine nicht-invasive Maßnahme, die insbesondere nach Entfernen eines Dauerkatheters genutzt werden kann. Die Maßnahme ist nicht unkritisch zu sehen. Auf der einen Seite wird die Inkontinenz zwar gelindert oder gar beseitigt. Auf der anderen Seite ist dieser Fortschritt damit erkauft, dass die Pflegekraft an den Toilettengang immer und immer wieder erinnern muss. Die Abhängigkeit des Bewohners von der Pflegekraft wird also nicht gemindert, sondern lediglich in einen anderen Bereich verlagert. Es ist daher wichtig, dass zuvor versucht wird, die Blasenkontrolle als solche wiederzuerlangen, etwa durch aktives Blasentraining. Erst wenn dieses Training erfolglos blieb, sollte ein Toilettentraining angesetzt werden. Bei demenziell erkrankten Senioren ist das Toilettentraining i. d. R. die erste Wahl, da aufgrund ihrer Einschränkungen eine aktive Beteiligung nicht möglich ist. Ein Blasentraining würde die kognitiven Ressourcen und oft auch den Kooperationswillen überfordern. (Hinweise: Unter dem Begriff "Toilettentraining" werden viele Maßnahmen zusammengefasst. In unserer Einrichtung nutzen wir die Variante "Toilettengang zu individuellen Entleerungszeiten". Die veraltete Methode der starren Entleerungszeiten wird nicht mehr genutzt. Hier wurden die Bewohner nach einem fixen Schema zum Toilettengang aufgefordert, also etwa immer nach dem Aufstehen, immer nach allen Mahlzeiten und immer vor dem Zubettgehen. Diese Organisationsform wurde zumeist gewählt, weil sie Grundsätze: Ziele: Vorbereitung: Durchführung: sich einfach in den Stationsablauf integrieren lässt, etwa im Rahmen der - umgangssprachlichen - "Windelrunde". Toilettentraining ist auch in der ambulanten Pflege möglich. Hierbei müssen jedoch die pflegenden Angehörigen einbezogen werden. Wenn diese mit der Technik vertraut sind und der Klient regelmäßig an den Toilettengang erinnert wird, sind gute Resultate möglich.) Wir betrachten Harninkontinenz nicht als schicksalhaftes Leiden. Inkontinenz ist eine gesundheitliche Einschränkung, die wir mit gezieltem Training lindern oder gar komplett beseitigen können. Es können Wochen vergehen, bis das Toilettentraining Erfolge zeigt. Ein großes Maß an Geduld ist somit unverzichtbar. Ein Toilettentraining bedeutet einen tief gehenden Einschnitt in die Privatsphäre des Bewohners. Wir gehen daher stets taktvoll vor. Das Toilettentraining ist nur dann sinnvoll, wenn der Bewohner kooperativ ist. Die Abstände zwischen den Toilettengängen werden Schritt für Schritt ausgebaut. Im Idealfall ist der Bewohner faktisch wieder kontinent. Der Bewohner gewinnt Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl zurück. Alle Pflegekräfte werden über das anstehende Toilettentraining informiert und aufgefordert, den Bewohner (insbesondere auch emotional) zu unterstützen. Der behandelnde Hausarzt wird in die Planung der Maßnahme einbezogen. Insbesondere ist es wichtig, die medizinischen Ursachen für die Harninkontinenz festzustellen. Wenn z. B. eine Harnwegsinfektion oder eine Harnretention vorliegen, sollte kein Toilettentraining durchgeführt werden. Der Bewohner erhält ggf. Beckenbodentraining (siehe Standard "Beckenbodentraining") Unsere Mitarbeiter werden regelmäßig in Theorie und Praxis zum Thema Inkontinenz fortgebildet. In regelmäßigen Teambesprechungen werden die Erfahrungen mit dem Toilettentraining thematisiert. Wir erstellen für den Bewohner ein Miktionsprotokoll. Hier vermerken wir etwa: o Uhrzeit des Getränkekonsums o Art und Menge der konsumierten Getränke o Uhrzeit der Miktion o Vermerk, ob die Miktion gesteuert war oder unwillkürlich gemessene, gewogene oder geschätzte Harnmenge Anhand des Protokolls lässt sich nach einigen Tagen ein individuelles Miktionsprofil erkennen. Dieses verdeutlicht, zu welcher Tageszeit und unter welchen Bedingungen eine Inkontinenz auftritt. Wir erstellen einen Trainingsplan, der alle geplanten Toilettengänge auflistet. Im Idealfall wird so geplant, dass der Toilettengang 30 Minuten vor einer unkontrollierten Blasenentleerung erfolgt. Der Bewohner wird aufgefordert, unabhängig vom Harndrang die Toilette aufzusuchen; also beispielsweise alle zwei Stunden. Der Startwert kann individuell angepasst werden. Wir nutzen eine Stoppuhr mit "Countdown-Funktion" oder alternativ einen Küchenwecker. Bei mehreren parallel "trainierten" Senioren ist es sinnvoll, ein Smartphone mit einer Countdown-App zu nutzen, die eine Vielzahl von "virtuellen Stoppuhren" gleichzeitig anzeigt. Mit der Aufforderung zum Toilettengang wird die Frage an den Bewohner verbunden, ob er bereits eingenässt hat. Wir richten damit die Aufmerksamkeit des Bewohners bewusst auf die Blase. Mitunter wird der Toilettengang bei der ersten Erinnerung vom Bewohner abgelehnt. In diesem Fall fordert die Pflegekraft den Bewohner einige Minuten später erneut auf, die Toilette aufzusuchen. In der Nacht sollte der Bewohner zumindest einmal die Toilette geplant aufsuchen. (Die Frage, ob ein Toilettentraining auch in der Nacht erfolgen sollte, ist umstritten. Viele Pflegewissenschaftler vertreten die Ansicht, dass der Erholungswert des Schlafes wichtiger ist als die Erlangung der Kontinenz auch in der Nacht.) Sobald der Bewohner zehn Tage hintereinander kontinent ist, wird das Intervall um jeweils eine viertel Stunde verlängert. Also von zwei Stunden auf zweieinviertel Stunden, dann auf zweieinhalb Stunden. usw. o Eine übereilte Ausweitung der Intervalle erhöht den Druck auf den Bewohner und provoziert Rückschläge. o Wenn die Ausweitung der Zeitspanne trotz erreichter Kontinenz unterbleibt, kann sich die Blasenkapazität reduzieren. In der Folge steigt das Risiko einer motorischen Dranginkontinenz (plötzlich auftretender starker Harndrang, die Miktion kann nicht aufgehalten werden, dadurch ungewollter Abgang wechselnder Mengen Urin). o Bei einem anhaltenden Misserfolg wird das Intervall wieder verkürzt. Der Bewohner wird ermuntert, die komplette geplante Zeitspanne bis zur nächsten Miktion abzuwarten und nicht aus Angst verfrüht die Toilette aufzusuchen. Bei Harndrang o Nachbereitung: wird der Bewohner angeleitet, sich abzulenken. Bei einem Erfolg wird der Bewohner gelobt; also dann, wenn die Vorlage trocken blieb und der Toilettengang erfolgreich war. Der Bewohner sollte jeden Tag zwei bis drei Liter Flüssigkeit zu sich nehmen. Wir stellen damit sicher, dass die Harnblase gut gespült ist. Zudem verhindern wir damit, dass ein konzentrierter Urin den Harndrang noch verstärken würde. Die Flüssigkeit sollte bis 18.30 Uhr komplett konsumiert werden. Der letzte Toilettengang erfolgt somit gegen 22.30 Uhr. Die Nachtruhe des Bewohners wird nicht unnötig gestört. Ggf. verschriebene Diuretika werden (falls möglich) morgens verabreicht, um die Harnausscheidung in der Nacht zu reduzieren. Es wird sichergestellt, dass der Bewohner jederzeit Unterstützung rufen kann; dieses etwa über die hausinterne Signalanlage. Wir sorgen dafür, dass die Kleidung leicht und schnell geöffnet werden kann. Sofern der Bewohner über keine eigene Toilette verfügt, wird er ggf. in einem Zimmer untergebracht, das sich in unmittelbarer Nähe zu einer Toilette befindet. Für das eigene Sicherheitsgefühl erhält der Bewohner eine kleine Vorlage, die er sich selbstständig einlegen kann. Ggf. kann das Wasserlassen mit einem laufenden Wasserhahn mental unterstützt werden. In jedem Fall sollte das Badezimmer gut geheizt sein. Ein Mindestmaß an Diskretion wird gewahrt. Der individuelle Toilettenrhythmus wird immer wieder überprüft und ggf. angepasst. Die Maßnahme wird nicht weiter ausgeweitet, sobald der Bewohner drei bis vier Stunden ohne Miktion überbrücken kann. Die Maßnahme wird abgebrochen, wenn der Bewohner dauerhaft eine Zusammenarbeit verweigert und die Toilette nicht zu den vorgegebenen Uhrzeiten aufsuchen will. Relevante Beobachtungen werden dem Hausarzt und der Pflegedienstleitung weitergemeldet.