veröffentlicht in Energiewirtschaftliche Tagesfragen Jg. 57 (2007), Heft 5, S. 42-45 Kraftwerk aus, Gewinne rauf? Wird der Preis in Leipzig manipuliert? Niels Ehlers, Georg Erdmann1 Es hat schon etwas von einem Agententhriller. Ein anonymer Insider verschickt eine Mail unter dem Pseudonym [email protected] an eine Reihe von Persönlichkeiten, unter anderem an Journalisten des SPIEGEL [1] . Der brisante Inhalt der Mail: eine Auflistung aller an der EEX getätigten Transaktionen unter Nennung der jeweiligen Händler. Dazu eine Powerpoint-Präsentation mit dem Vorwurf, zwei der vier großen Stromerzeuger in Deutschland würden mehr Strom an der Strombörse erwerben als dort verkaufen. Das könne doch wohl nur in der Absicht geschehen, auf diese Weise den Preis in die Höhe zu treiben. Mit den so erhöhten Preisen an der Börse könnten die Konzerne dann bilaterale Verträge anbieten, in denen sie in voller Großzügigkeit die Börsenpreise knapp unterbieten und so eine gute Rechtfertigung für steigende Preise bei Direktverträgen mit Kunden hätten. Im kleineren Maßstab also etwa so, dass ein Verkäufer bei der eBay-Auktion selber mit bietet, um den Verkaufsgegenstand nicht unter einem Mindestverkaufspreis abzugeben. In den folgenden Tagen und Wochen begann eine heftige in vielen Medien geführte Debatte über erhöhte und manipulierte Strompreise, der Ausübung von Marktmacht und ordnungspolitische Gegenmaßnahmen [2]. Die Wissenschaftler des Fachgebiets Energiesysteme der TU Berlin analysieren seit längerem die stündlichen Angebots- und Nachfragekurven am Day-ahead-Markt, die von der Leipziger Strombörse EEX im Rahmen ihrer Transparenz-Offensive veröffentlicht werden. Dabei zeigte sich, dass die Nachfragekurve meistens flacher als die Angebotskurve verläuft. Mit anderen Worten ist die Preiselastizität der Nachfrage größer als die Preiselastizität des Angebots – eine überraschende Beobachtung, die der Theorie über die Funktionsweise von Elektrizitätsmärkten fundamental widerspricht. Unsere Interpretation dieser Beobachtung wird jetzt durch die den Medien zugespielten Informationen bestätigt: Elektrizitätserzeuger nutzen die Elektrizitätsbörse, um die über langfristige Verträge bereits verkauften Strommengen am Day-ahead-Markt zurückzukaufen, wenn dies zu Preisen unterhalb der ursprünglichen Verkaufspreise bzw. der aktuellen Grenzkosten möglich ist. In diesem Fall werden die langfristigen Verträge nicht durch die eigenen Erzeugungskapazitäten, sondern durch die am Dayahead-Markt erworbenen Strommengen gedeckt. Entsprechend werden die Kraftwerke gegebenenfalls heruntergefahren und vermeiden dabei den Zukauf von Brennstoff und CO2-Zertifikaten. Diese Interpretation liefert teilweise auch eine Erklärung für die unerwartet dynamische Fahrweise von Braunkohleblöcken, die von der Theorie eigentlich im Grundlastbetrieb eingesetzt werden sollten. Allerdings dürfte hier auch der Ausbau der Windkraft eine Rolle spielen. In Starkwindphasen müssen unter anderem Braunkohlekraftwerke heruntergefahren werden, weil es ansonsten zu Netzüberlastungen käme. Um die Preisentwicklung am Day-ahead-Markt genauer zu analysieren, wurde am Fachgebiet Energiesysteme in den letzten Monaten ein Modell für die von der Strombörse veröffentlichten stündlichen Gebotskurven entwickelt. Mit diesem Modell kann beispielsweise untersucht werden, wie sich der Day-ahead-Preis an der Börse geändert hätte, wenn in der jeweiligen Stunde mehr oder weniger Elektrizität am Markt nachgefragt worden wäre. Aus der Preisänderung und Annahmen für die variablen Stromgestehungskosten kann berechnet werden, ob und wann es sich wirtschaftlich lohnt, ein Kraftwerk abzuschalten und wie stark der damit verbundene Preiseffekt ist. In Abbildung 1 sind die Gebotskurven für eine Stunde mit einem sehr hohen Marktpreis dargestellt. Außerdem wird gezeigt, wie sich der Marktpreis in dieser Spitzenstunde mit besonders hohem 1 Fachgebiet Energiesysteme der Technischen Universität Berlin. Einsteinufer 25 (TA8), D-10587 Berlin Emails: [email protected]; [email protected] veröffentlicht in Energiewirtschaftliche Tagesfragen Jg. 57 (2007), Heft 5, S. 42-45 Strompreis verändert hätte, wenn durch einen Marktteilnehmer 1000 MW mehr im Markt platziert worden wären – der Marktpreis wäre von knapp 225 €/MWh auf unter 125 €/MWh gesunken. Ein Marktteilnehmer mit einem Stromangebot von 3000 MW hätte in diesem Fall allein für die entsprechende Lieferstunde eine Erlösminderung von 3000MW·1h· (225€/MWh – 125€/MWh) = 300 Tsd. € erlitten. Wenn er die zusätzliche Menge selber angeboten hätte wäre der Zusatzerlös nur 125 Tsd. €, er würde also in jedem Fall eine Erlösminderung hinnehmen müssen. Das Umgekehrte gilt natürlich ebenfalls, wenn Kapazität nicht zusätzlich auf dem Markt angeboten wird, sondern vom Markt abgezogen wird. Die in Abbildung 1 skizzierte Marktsituation, in der der Markt extrem sensibel auf Änderungen der Angebotsmengen reagiert, ist allerdings vergleichsweise selten. 250 Nachfrage 225 Angebot 200 Angebot + 1000 MW Preis [€/MWh] 175 MCP 150 MCP + 1000 MW 125 100 75 50 25 0 6000 8000 10000 12000 14000 Volumen [MWh] 16000 18000 20000 Abbildung 1: Veränderung des Marktpreises durch eine zusätzliche Angebotsmenge Abbildung 2 entwickelt diese Aussage zu einer Sensitivitätsanalyse weiter. Es wird gezeigt, wie sich der monatsdurchschnittliche Day-ahead-Preis während den Peak-Stunden verändert hätte, wenn eine konstante Erhöhung oder Verknappung des Angebots stattgefunden hätte. Der Juli 2006 sticht besonders hervor. In diesem Monat herrschte aufgrund hoher Temperaturen und einer Drosselung der thermischen Kraftwerke aufgrund von Umweltauflagen eine Knappheit am Markt, und in diesem Monat konnten bereits geringe Veränderungen der Angebotsmenge zu hohen Preisänderungen führen. In anderen Monaten war solch eine extreme Preisänderung nicht möglich. Durchschnittlicher Preis [Euro/MW] veröffentlicht in Energiewirtschaftliche Tagesfragen Jg. 57 (2007), Heft 5, S. 42-45 400 380 360 340 320 300 280 260 240 220 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 Veränderte Angebotsmenge [MW] -2000 -1500 -900 -750 -600 -450 -300 -150 0 150 300 450 600 750 900 1500 2000 6 z0 De 06 v No 06 kt O 06 p Se 06 g Au 06 l Ju 06 n Ju 06 ai M 06 r Ap 06 rz M 06 b Fe 06 n Ja 05 z De 05 v No 05 kt O 05 p Se 05 g Au 05 l Ju 05 n Ju 05 ai M 05 r Ap 05 rz M 05 b Fe 05 n Ja Abbildung 2: Veränderung des Marktpreises durch Angebotserhöhung/-verknappung Auf der Basis dieser Feststellungen kann die Frage behandelt werden, ob die Erhöhung des Marktpreises durch Verknappung auf missbräuchlichem Verhalten von marktmächtigen Unternehmen beruht, wie dies in der Öffentlichkeit immer wieder behauptet wird. Zunächst ist festzuhalten, dass eine missbräuchliche Verwendung von Marktmacht nicht vorliegt, wenn ein Elektrizitätserzeuger seine Kraftwerke herunterfährt, weil dies aus netztechnischen Gründen erforderlich ist oder weil am Day-ahead-Markt Elektrizität zu Preisen beschafft werden kann, die unter den Verkaufserlösen seiner auf dem Futures-Markt abgeschlossenen Verträge liegen. Anders sieht es aus, wenn marktmächtige Unternehmen darüber hinaus gehende Verknappungsstrategien einsetzen, um die Preise am Dayahead-Markt zu manipulieren [5][4]. Mit der Analyse der Angebots- und Nachfragekurven kann geprüft werden, ob und unter welchen Bedingungen Elektrizitätserzeuger damit erhöhte Deckungsbeiträge erzielen können. Nur wenn dies möglich ist, wäre die missbräuchliche Zurückhaltung von Erzeugungskapazität aus betriebswirtschaftlicher Sicht rational. Das teuerste Kraftwerk, welches noch zugeschaltet werden muss, um die Nachfrage (an der Börse) zu decken, bestimmt den Preis. Im rechten Bereich der Angebotskurve steigen die Kosten aufgrund hoher Brennstoffkosten bei gas- oder ölgefeuerten Kraftwerken stark an. Insbesondere Anbieter von Kraftwerken mit hohen Grenzkosten müssen zur Kostendeckung mit Vollkosten in den Markt gehen, wenn keine Möglichkeit der Quersubventionierung durch Grundlastkraftwerke besteht. Zudem werden Wasserkraftwerke mit geringen Restfüllständen häufig zu Schattenpreisen vermarktet, die weit über den realen Grenzkosten liegen, was ebenfalls zu einem starken Anstieg der Merit-Order-Kurve im rechten Bereich führt. veröffentlicht in Energiewirtschaftliche Tagesfragen Jg. 57 (2007), Heft 5, S. 42-45 Preis [EURO/MWh] Nachfrage Grenzkosten Strompreis nach strateg. Verknappung p1 Strompreis vor strategischer Verknappung p0 x Menge [MWh] ∆x Abbildung 3 Cournot-Spiel bei steigenden Grenzkosten Wenn also ein Unternehmen wie in Abbildung 3 den Strom mehrerer Kraftwerke mit unterschiedlichen Grenzkosten anbietet, kann das Zurückhalten eines teuren Kraftwerks trotz entgangener Einnahmen dieses Kraftwerks (roter Bereich) den Gesamtgewinn durch höhere Deckungsbeiträge des günstigen Kraftwerks (grüner Kasten) steigern. Der höhere Börsenpreis hätte zudem Vorteile bei Abschluss bilateraler Verträge, bei denen die Unternehmen den Börsenpreis unterbieten könnten. Zur Modellierung sei angenommen, dass der Erzeuger grundsätzlich eine Menge x [MWh] am Dayahead-Markt platzieren könnte. In diesem Fall würde sich ein Day-ahead-Preis von p0 [€/MWh] am Markt einstellen. Wenn der Teilnehmer nun einen Teil ∆x [MWh] seiner Angebotskapazität vom Markt zurückhält, würde der entsprechende Spotmarktpreis von p0 auf p1 [€/MWh] steigen. Die variablen Kosten für die Erzeugung einer MWh Strom seinen durch c [€/MWh] gegeben (vereinfachend für alle Kraftwerke gleich). Der Deckungsbeitrag im normalen Fall beträgt somit DB 0 = x ⋅ p 0 − x ⋅ k = x ⋅ ( p 0 − c) Durch das Zurückhalten der Kapazität ∆x wird ein Deckungsbeitrag in Höhe von DB1 = ( x − ∆x) ⋅ p1 − ( x − ∆x) ⋅ c = ( x − ∆x) ⋅ ( p1 − c) erwirtschaftet. Diese Strategie ist also vorteilhaft, wenn gilt: DB1 > DB 0 ⇔ ( x − ∆x) ⋅ ( p1 − c) > x ⋅ ( p0 − c) ⇔ ( x − ∆x) ( p0 − c) > x ( p1 − c) ⇔ 1− ∆x ( p0 − c) > x ( p1 − c) ( p − c) ∆x ⇔ 1− 0 > ( p − c) x N 1 Zurückgehaltener Hohe Pr eisdifferenz →1 Keine Pr eisdifferenz →0 Anteil veröffentlicht in Energiewirtschaftliche Tagesfragen Jg. 57 (2007), Heft 5, S. 42-45 Wenn die zurückgehaltene Menge bekannt ist, die die Preisänderung ausgelöst hat, ist somit die Gesamtmenge bestimmt, mit der der Teilnehmer im Markt vertreten sein muss, damit sich die Strategie „Angebotsverknappung“ für ihn lohnt. Notwendige Angebotsmenge für die Ausübung von Marktmacht [MW] 12000 10000 8000 6000 Simulation [Delta MW] 2000 1500 900 750 600 450 300 150 4000 2000 0 6 z0 De 06 v No 06 kt O 06 p Se 06 g Au 6 l0 Ju 06 n Ju 06 ai M 06 r Ap 06 rz M 06 b Fe 06 n Ja 05 z De 05 v No 05 kt O 05 p Se 05 g Au 5 l0 Ju 05 n Ju 05 ai M 05 r Ap 05 rz M 05 b Fe 05 n Ja Abbildung 4: Mindest-Angebotsmenge im Markt für die Ausübung von Marktmacht bei variablen Kosten von 20 Euro/MWh Abbildung 4 zeigt die aus dem vorstehenden Modellansatz berechnete Angebotsmenge, über die ein Kraftwerksbetreiber mindestens verfügen müsste, um aus dem missbräuchlichen Rückkauf von Elektrizitätsmengen einen finanziellen Vorteil zu erzielen. Offenbar müssen die notwendigen Gesamtmengen normalerweise sehr hoch sein. Für Abbildung 4 wurde angenommen, dass der Kraftwerksbetreiber in allen Peak-Stunden des entsprechenden Monats sein Angebot um eine feste Menge verknappt. Diese Annahme trägt der Tatsache Rechnung, dass kein Marktteilnehmer im Voraus die genaue Marktsituation und damit die genaue Lage der Gebotskurven kennt und es daher keine andere Möglichkeit gibt als mit den Geboten am Day-ahead-Markt eine mittelfristige Strategie zu verfolgen. Selbst Anbieter mit einem großen Kraftwerkspark und dementsprechend guter Marktkenntnis sind kaum in der Lage, den interessanten, preisbildenden Bereich der Gebotskurven exakt zu prognostizieren. Abbildung 4 lässt sich demnach dahingehend interpretieren, dass ein einzelner Anbieter in den meisten Monaten zur Ausübung von Marktmacht eine Leistung von mehreren Gigawatt auf dem Day-aheadMarkt (börslich wie außerhalb der Leipziger Strombörse EEX) hätte handeln müssen. Das ist wenig realistisch. Das gesamte Handelsvolumen der Leipziger Strombörse EEX lag nämlich in den vergangenen Jahren maximal im Bereich von 10.000 MW pro Stunde und deckt nach Händlerangaben den wesentlichen Teil des gesamten Day-ahead-Markts ab. Eine missbräuchliche Verknappung durch einzelne Unternehmen hätte aus wirtschaftlicher Sicht allenfalls in bestimmten Ausnahmefällen, wie beispielsweise im Sommer 2006, Sinn machen können, als sich der Markt in einer extremen Anspannung befunden hatte und eine Angebotsverknappung drastische Strompreissteigerungen zur Folge gehabt hätte. Insgesamt kann aus dieser Sicht eine Verknappungsstrategie, die sich auf den Day-Ahead-Markt konzentriert, weitestgehend ausgeschlossen werden. Da diese Strategie zudem eine Verkaufsmenge am Markt bedingt widerspricht dies der Aussage, dass einige große Unternehmen hauptsächlich als Käufer am Spotmarkt agiert haben, es sei denn sie hätten die Mengen bilateral verkauft [3]. veröffentlicht in Energiewirtschaftliche Tagesfragen Jg. 57 (2007), Heft 5, S. 42-45 Schwieriger ist die Beurteilung der Marktsituation in Hinblick auf Preissignale für langfristige OTCoder Termingeschäfte. Der Ansatz, dass hohe Zukäufe den Preis steigern, trifft zwar grundsätzlich zu, jedoch sind hierbei am Strommarkt einige Besonderheiten zu beachten. Da es sich beim Spotmarkt um physikalische Stromtransfers handelt, muss der gekaufte Strom auch abgenommen werden. Dazu muss das kaufende EVU entweder die Leistung eines anderen Kraftwerks herunterfahren oder den Strom an einen Bilanzkreis, z.B. ein Stadtwerk, weiterleiten. Das Herunterfahren des Kraftwerks entspricht nur bei Preisen oberhalb der Grenzkosten der strategischen Verknappung und ist wie oben beschrieben sehr unwahrscheinlich. Das Weiterleiten des Stroms entspricht der Belieferung eines Kunden, mit dem vorher ein OTC- oder Terminvertrag abgeschlossen wurde. 80 75 70 Preis [Euro/MWh] 65 60 80 Future 2006 Future 2007 Future 2008 Future 2009 Spot Jahresmittel Spot Monatsmittel 75 70 65 60 55 55 50 50 45 45 40 40 35 35 30 30 25 25 20 20 07 20 3. 7 .0 00 01 1.2 6 .0 00 01 1.2 6 .1 00 01 9.2 6 .0 00 01 7.2 6 .0 00 01 5.2 6 .0 00 01 3.2 6 .0 00 01 1.2 5 .0 00 01 1.2 5 .1 00 01 9.2 5 .0 00 01 7.2 5 .0 00 01 5.2 5 .0 00 01 3.2 5 .0 00 01 1.2 4 .0 00 01 1.2 4 .1 00 01 9.2 4 .0 00 01 7.2 4 .0 00 01 5.2 4 .0 00 01 3.2 4 .0 00 01 1.2 .0 01 Abbildung 5 Preise für Phelix Base Futures der EEX und Spotpreise (ohne Peaks>200 Euro/MWh) Bei der Annahme fallender Spotpreise ist die Strategie des Leerverkaufs auf Termin auch wirtschaftlich rational und würde die Rückkäufe am Spotmarkt begründen. Betrachtet man die FuturePreise am EEX-Terminmarkt in Abbildung 5, so zeigte sich 2005 auch aufgrund großer Unsicherheit durch die Zertifikatepreise ein wechselhafter Trend. Der Preis für den Jahresfuture 2006 stieg über den Preis für Futures 2007. Im Monatsmittel kam es bei den Spotpreisen zu einem Wechsel von Contango und Backwardation. Die Preise für Jahresfutures 2008 und 2009 beziehen sich auf andere CO2Handelsperioden und sind daher getrennt zu betrachten. Die genauen Handelsstrategien sind Firmeninterna, aber die Annahme überbewerteter Futurepreise [6] aufgrund eines hohen Preisniveaus für Emissionszertifikate würde eine solche Strategie begründen. Das Eingehen eigener Handelspositionen am Terminmarkt ist grundsätzlich auch für große Stromerzeuger legitim und noch kein Beweis für Marktmacht. Wenn die Mengen nicht vorab auf Termin verkauft worden wären, hätten die abnehmenden Unternehmen ihre Nachfrage auf andere Weise, entweder am Spotmarkt oder über bilaterale Verträge abdecken müssen, wodurch ebenfalls entweder Nachfrage in, oder Angebot aus dem Spotmarkt gegangen wäre und sich das Preisniveau nicht geändert hätte. veröffentlicht in Energiewirtschaftliche Tagesfragen Jg. 57 (2007), Heft 5, S. 42-45 Fazit Durch Simulationsrechnungen mit realen Gebotsdaten am Day-ahead-Markt der Leipziger Strombörse EEX lässt sich nachweisen, dass die Ausübung von Marktmacht grundsätzlich durch Angebotsverknappung möglich ist und für die jeweiligen Marktteilnehmer zu höheren Deckungsbeiträgen führen kann. Eine solche Preisbeeinflussung ist aber nur dann für das Erzeugungsunternehmen wirtschaftlich attraktiv, wenn es über hohe Spothandelsmengen im Bereich von mehreren Gigawatt verfügt. Es ist daher vergleichsweise unrealistisch, dass einzelne Marktteilnehmer die Leipziger Strombörse EEX benutzen, um die Strompreise missbräuchlich in die Höhe zu treiben. Allenfalls im Juli 2006 hätte eine tiefere Angebotsmenge aufgrund der angespannten Marktsituation zu deutlichen Preissteigerungen geführt. Dass diese Menge trotz eines Preisniveaus oberhalb der Vollkosten von Spitzenlast-Gasturbinen nicht in den Markt gebracht wurde, ist nach unserer Einschätzung darauf zurückzuführen, dass nach einer mehrjährigen Periode mit nur geringen Investitionen in Stromerzeugungsanlagen nunmehr zusätzliche Kraftwerkskapazitäten benötigt werden, um Extrempreise am Day-ahead-Markt zu vermeiden. Statt abenteuerlichen Verschwörungstheorien nachzujagen, sollte sich die politische Diskussion wieder auf dieses Thema konzentrieren. Politische Stichworte sind beispielsweise die Zuteilung von CO2Emissionsberechtigungen an Neuanlagen, vereinfachte Umweltverträglichkeitsprüfungen sowie der diskriminierungsfreie Netzanschluss. Insbesondere die Diskussion um kartellrechtliche Schritte erscheint bei einem funktionierenden Großhandelsmarkt bedenklich [7]. Bei fehlenden Kraftwerksinvestitionen und gesetzlichen Preisobergrenzen ist Kalifornien ein warnendes Beispiel [8]. Literatur [1] SPIEGEL 11/07, „Kartell der Preistreiber“ S. 76-78 [2] SPIEGEL 12/07, „Die Rache der Geprellten“ S. 96-97 [3] The European Commission, DG Competition report on energy sector inquiry (SEC(2006)1724, 10 January 2007) http://ec.europa.eu/comm/competition/sectors/energy/inquiry/full_report_part2.pdf (S.122) [4] Ockenfels A., Strombörse und Marktmacht, Gutachten für das Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig Holstein (2007) [5] Hirschhausen C.v., Preisbildung und Marktmacht auf den Elektrizitätsmärkten in Deutschland (2006) http://www.vik.de/fileadmin/vik/Pressemitteilungen/PM070118/VIK_Gutachten.pdf [6] Energie-Informationsdienst 13/07 S. 20 Einschätzung von RWE [7] Monopolkommission, Sondergutachten zu Preiskontrollen in Energiewirtschaft und Handel ? Zur Novellierung des GWB (2007) http://www.monopolkommission.de/sg_47/text_s47.pdf [8] FERC Enron-Crisis, Chronology in detail http://www.ferc.gov/industries/electric/indus-act/wec/chron/chronology.pdf