II. Rhetorik - wellstein reden.ch

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II. Rhetorik
Topik
1. Begriffsbestimmung und
Begriffsabgrenzung
• Topik vielschichtiger Begriff, der oftmals ohne genaue Definition
verwendet wird und dessen Grenzen deshalb oftmals verschwimmen
• zwei Auffassungen von Topik:
a) nach E.R. Curtius: beliebig in der Literaturlandschaft verstreute
Bild- und Argumentationsstereotypen mit überzeitlicher Geltung
(z.B. ‚locus amoenus‘)
b) historisch genuiner Begriff: rhetorisch-dialektische
Verfahrensweise, die drei Funktionen erfüllt, die
erkenntnistheoretische Funktion, argumentative Vielfalt und geistige
Beweglichkeit
2. Ziel und Methode
• Topik wurde von Aristoteles als Bindeglied zwischen Logik und
Rhetorik konzipiert
• nach Aristoteles Methode, nach der wir über jedes aufgestellte
Problem aus wahrscheinlichen Sätzen Schlüsse bilden können und,
wenn wir selbst in Rede stehen, in keine Widersprüche geraten
• um geistiges Material zu ordnen, ist unser Denken auf Strukturen
angewiesen
• diesen Bezugsrahmen des Denkens nennt man ‚kategoriale Reihen‘
• damit sind gewisse Suchbegriffe (z.B. wer, was, wann, wo, wie,
warum) gemeint, mit deren Hilfe man die geistigen Ressourcen
durchkämmt, um Argumente zu finden
• Dieses Prinzip ist in der historischen Topik schon
vorgeprägt
• Griechen stellten sich diesen Vorgang als eine Suche im
Raum vor
• Argumente werden nicht zufällig aufgestöbert, sondern
gezielt an bestimmten Plätzen gesucht (sedes
argumentorum)
• es sind sozusagen Quellen über die der Autor verfügen und
aus denen er schöpfen kann
• auch Cicero teilt diese Auffassung: wir dürfen uns nicht
jedes Mal, wenn eine Sache zu behandeln ist, immer von
neuem auf spezielle Argumente für diesen Fall besinnen,
sondern müssen bestimmte Grundgedanken zur Verfügung
haben, Grundgedanken, aus denen man die Argumente
gewinnt
• Topik ist also eine Art Erschließungsinventar
• kategoriale Reihen sind als Toposkataloge zu sehen, denn
jede topisch erfahrene Disziplin kennt und braucht eine
ganze Reihe von Fragekatalogen
• das Mittelalter prägte sie für den Schulgebrauch zur
handlichen und einprägsamen Kurzformel (wer, was,
wann, wo, wie, warum, zu wessen Vorteil)
• kategoriallogisch läßt sich die Reihe sehr viel umfänglicher
vorstellen, einzelne Topoi können ausgetauscht,
spezifiziert und unterteilt werden
• auch kann jeder Topos wiederum eine eigene Reihe von
Unterkategorien ausbilden, so dass ein Bild entsteht, das
dem des Mindmapping nicht unähnlich ist
• Aristoteles sieht dreifachen Nutzen der Topik: für die Übung, für den
Gedankenaustausch und für die Wissenschaften
• Vico sagt, die Topik schule das Gedächtnis, den Allgemeinsinn und
die Phantasie
3. Topik: methodisches Verfahren
oder kreativer Akt?
• Viehweg definiert Topik als „Techne des Problemdenkens“, es steht
also die heuristische Funktion im Vordergrund
• dem steht Vicos Auffassung entgegen, derzufolge Topik die Phantasie
und die Einbildungskraft anregt
• durch die erst systematische, auch mechanische Suchstruktur trainieren
wir unseren Geist, bis er gelernt hat, sich frei und jenseits von
festgefügten und begrenzenden Gedankenmustern zu bewegen
• in diesem Sinne ist Kreativität erlernbar und zielt auf den Abbau von
starren und deshalb hinderlichen Mustern
• es handelt sich dabei allerdings nicht um Kreativität als Akt des
Neuschöpfens, denn es wird nichts Neues geschaffen, sondern schon
vorhandenes Material sortiert und anders als bisher verbunden
• Frage: Kann auch die Auswahl, das Verbinden, das
Modellieren kreativ sein?
• Von entscheidender Bedeutung: Topos nicht mit dem
Inhalt und Aussage der Argumentation selbst identisch,
d.h. keine vorgefertigten und vorstrukturierten
Argumentationsmuster
• die Topik ist frei, d.h. die Argumentation zu einem Thema
kann in konträre Richtungen verlaufen (z.B. Todesstrafe:
pro und contra)
• topisches Denken meint die Fähigkeit, die gefundenen
Aspekte einer Argumentation miteinander zu verbinden
und die wirkungsvollste Verwendung zu wählen
• Topik als kreatives und umfassendes Denken?
4. Literaturhinweise zur Topik
• Clemens Ottmers. Rhetorik. Stuttgart 1996.
(Sammlung Metzler, Bd.283)
• Breuer, Schanze (Hg.). Topik. München 1981.
• Aristoteles. Topik (Organon V). übers. und hrsg. Eugen Rolfes.
Hamburg 1968.
• E.R.Curtius. Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter. Bern
1948.
• Gian Battista Vico. De nostri temporis studiorum ratione. Dt-lat.
Ausgabe, Darmstatt 1963.
• Theodor Viehweg. Topik und Jurisprudenz. München 1954.
• Lothar Bornscheuer. Topik. Zur Struktur der gesellschaftlichen
Einbildungskraft. Frankfurt/Main 1976.
5. Weitere Literaturhinweise
• Matthias Nölke. Kreativitätstechniken. Planegg 1998.
• Tony Buzan. Kopftraining. Anleitung zum kreativen Denken. München
1993.
• Edward de Bono. Serious Creativity. Die Entwicklung neuer Ideen
durch die Kraft lateralen Denkens. Stuttgart 1996.
• Kirkhoff, Morgens. Denkschule zu mehr Innovation und Kreativität.
Offenbach 1995.
• Arthur J. Cropley. Kreativität und Erziehung. Basel 1982.
• Margaret A. Boden. Kreativität und Künstliche Intelligenz. München
1990.
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