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PISA (Programme for International Student Assessment (Programm zur
internationalen Schülerbewertung) führt in den meisten Mitgliedstaaten der OECD
(Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung schließt
34 Länder, darunter Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien
usw.) die Schulleistungsuntersuchungen (die sogenannten PISA-Studien) durch.
Die PISA-Studien werden alle drei Jahre durchgeführt und konzentrieren sich nicht
auf ein einzelnes Schulfach, sondern untersuchen die drei Bereiche
Lesekompetenz, mathematische Kompetenz und naturwissenschaftliche
Grundbildung. Das Ziel der PISA-Studien ist alltags- und berufsrelevante
Kenntnisse und Fähigkeiten Fünfzehnjähriger zu messen.
DESI (Deutsch Englisch Schülerleistungen International) ist die erste große
nationale Ergänzung zu der PISA-Studie. Die DESI-Studie ist eine Studie zur
Erfassung der sprachlichen Leistungen in Deutsch und Englisch von Schülern an
Schulen in Deutschland.
Zeit online. 31.12.2006
Oft sind Lehrer zu ungeduldig
Über guten und schlechten Deutsch- und Englischunterricht gibt eine neue Studie
Auskunft. Ein Gespräch mit zwei der Autoren
DIE ZEIT: Schon wieder eine neue Schulstudie. Sollten die Schulen und die
Politiker nicht erst einmal in Ruhe die Konsequenzen aus der PISA-Studie ziehen?
Eckhard Klieme: Dabei kann unsere Untersuchung gerade helfen. Pisa hat gezeigt,
dass die Leistungen der deutschen Schüler nicht zufrieden stellend sind, aber
bislang nur wenige Hinweise zu den pädagogischen Ursachen gegeben. Wir richten
den Blick stärker darauf, wie die Schülerleistungen zustande kommen. Deshalb hat
DESI den Lernzuwachs im Verlauf eines Schuljahres untersucht und wie Schule
und Elternhaus diesen Kompetenzgewinn beeinflussen.
Andreas Helmke: Vor allem interessiert uns der Unterricht. Außerdem beleuchten
wir erstmals das Lernen einer Fremdsprache. PISA beschränkt sich aufs Lesen, auf
die Mathematik und die Naturwissenschaften.
ZEIT: Welche neue Erkenntnis der DESI-Studie hat Sie überrascht?
Klieme: Das gute Abschneiden in Englisch von Schülern mit nichtdeutscher
Muttersprache. Bei allen bislang getesteten Kompetenzen wirkt es sich negativ aus,
wenn zu Hause nicht deutsch gesprochen wird. Beim Fremdsprachenlernen gilt
dies erstmals nicht. Hier scheint ein Transfereffekt zu wirken: Wer schon Deutsch
als neue Sprache gelernt hat, dem fällt es bei der zweiten neuen Sprache leichter.
Überrascht hat mich auch das sehr gute Abschneiden der Leistungsspitze, also etwa
der besten zehn Prozent der Schüler. Die können in der neunten Klasse schon so
gut Englisch, wie man es erst in der gymnasialen Oberstufe erwarten würde.
ZEIT: Demgegenüber verstehen ein Drittel der Neuntklässler, an Hauptschulen
sogar zwei Drittel, selbst einfache englische Sätze nicht – nach fünf Jahren
Englischunterricht!
Klieme: Viele Hauptschüler können in der Tat nur kurze, alltägliche Wendungen
verstehen und formulieren. Gesamtschulen schneiden signifikant besser ab als
Hauptschulen, sind aber im Englischen ebenfalls zu schwach. In anderen Fächern,
etwa Deutsch und Mathematik, finden wir stets Hauptschüler, die Leistungen wie
Gymnasiasten erbringen. In Englisch jedoch ist – zugespitzt formuliert – der
schlechteste Gymnasiast besser als der beste Hauptschüler.
ZEIT: Woran liegt das?
Helmke: Die Hauptschullehrer haben mit schwierigeren Schülern zu tun. Und sind
dafür schlechter vorbereitet. 30 Prozent von ihnen haben Englisch nicht im
Hauptfach studiert. Das gibt es an Gymnasien praktisch nicht. Englischlehrer an
Hauptschulen sind seltener im Ausland als ihre Gymnasialkollegen und lesen
seltener englische Zeitungen.
ZEIT: Und was läuft im Unterricht schief?
Helmke: Der Unterricht geht offenbar oft an den Hauptschülern vorbei. Wichtig
wäre es, Englisch verstärkt über Themen zu vermitteln, die die Schüler
interessieren und die an ihren persönlichen Erfahrungen anknüpfen. Zum Beispiel
über Lieder oder Texte im Internet. Kommunikation – auch auf einfachem Niveau
– muss das Hauptziel sein.
ZEIT: Studien zum Mathematikunterricht haben gezeigt, dass die Lehrer zu
kleinschrittig vorgehen und die Schüler mit wenig komplexen Aufgaben
unterfordern. Für den Englischunterricht gilt das anscheinend nicht, wie Ihre
Studie zeigt.
Helmke: Das zeigt, dass man mit Pauschalaussagen über den guten Unterricht
bisweilen danebenliegt. Im Englischunterricht kommt es primär auf die
Kommunikation an. Die wird durch ein eng geführtes Gespräch zwischen Lehrern
und Schülern eher gefördert.
ZEIT: Aber Schüler kommen kaum zu Wort, wie Ihre Videostudien vom
Englischunterricht zeigen.
Helmke: Im Durchschnitt nur ganze elf Minuten pro Schulstunde! Bei 20 Schülern
in der Klasse ist das keine halbe Minute für jeden. Die Hälfte der Zeit spricht der
Lehrer, der Rest geht für Übergänge, Stillarbeit oder Wartezeit drauf. Die Lehrer
nehmen das allerdings ganz anders wahr.
ZEIT: Wie denn?
Helmke: Die meisten berichten, sie selbst würden nur halb so lange reden. Lehrern
fehlt oft das Gefühl dafür, wie ihr Unterricht tatsächlich verläuft.
Klieme: Gut wäre auch, wenn sich Lehrer systematisch Rückmeldung von den
Schülern geben ließen. Wenn Schüler etwa das Gefühl haben, das
Unterrichtstempo sei zu hoch, dann zeigen unseren Testdaten tatsächlich einen
geringeren Leistungszuwachs. Ein guter Lehrer kann darauf reagieren.
ZEIT: Herr Helmke, Sie haben erst kürzlich wieder – in einem Interview mit dieser
Zeitung – gesagt, dass sich die Klassengröße nicht wesentlich auf den Lernerfolg
auswirke. Bleiben Sie dabei?
Helmke: In Bezug auf das Englischlernen muss das korrigiert werden. DESI hat
gezeigt, dass kleinere Lerngruppen für das Hörverständnis besser sind, weil dort
ein intensiveres Unterrichtsgespräch stattfindet. Demgegenüber hat es keine
Auswirkungen auf die Leistungsentwicklung, wie groß die Unterschiede innerhalb
einer Klasse sind.
ZEIT: Ein Plädoyer für die Gesamtschule?
Helmke: Nein, aber eine Entwarnung für Eltern, die Angst davor haben, dass
schwache Mitschüler die Leistungen ihrer Kinder herunterziehen.
ZEIT: Was haben Sie noch über den Unterricht herausgefunden?
Klieme: Deutsch- und Englischunterricht führen dann zu guten Ergebnissen, wenn
großer Wert auf die Sprache gelegt wird.
ZEIT: Das hört sich selbstverständlich an.
Klieme: Ist es aber nicht. Wenn Schüler lernen, sich angemessen auszudrücken,
über Sprache zu reflektieren, wenn der Lehrer auf grammatikalische Korrektheit
achtet, steigert das die Leistungen. Lehrer müssen diese Ansprüche ihren Schülern
gegenüber klarmachen. Und wenn alle Fachlehrer die Ziele unterstützen, kommt
die Schule insgesamt zu besseren Ergebnissen.
Helmke: Beim Englischunterricht ist neben einem hohen Sprechanteil der Schüler
wichtig, wie mit Fehlern umgegangen wird. Schüler sollten häufiger Gelegenheit
zur Selbstkorrektur haben. Oft sind Lehrer – dies zeigt unsere Videostudie – auch
zu ungeduldig, wenn sie auf Antworten der Schüler warten.
ZEIT: Was die Deutschleistungen der Schüler angeht, liest sich Ihre Studie wie ein
Katastrophenbericht. Mehr als die Hälfte erreicht im Lesen nur die unterste
Kompetenzstufe, 30 Prozent können keinen ordentlichen Brief schreiben. Sind die
Ergebnisse dramatischer als die der PISA-Studie?
Klieme: Nein, man kann die beiden Studien nicht direkt vergleichen. DESI erfasst
im Fach Deutsch mehrere Kompetenzen, mit durchaus unterschiedlichen
Resultaten. In unserem Lesetest spielen – anders als bei Pisa – Grafiken und
Tabellen keine Rolle, stattdessen mussten sich die Schüler vermehrt mit
literarischen Texten befassen. Dass die Ergebnisse so dramatisch wirken, liegt
daran, dass wir die anspruchsvollen Lehrpläne zum Maßstab genommen haben.
ZEIT: Das müssen Sie erklären.
Klieme: PISA hat alltagsbezogene Aufgaben gestellt und daran geprüft, wie gut die
Schüler im internationalen Vergleich lesen können. Bei DESI werden die
Leistungen daran gemessen, wie gut sie den Lehrplanzielen in Deutschland
entsprechen. Gerade das literarische Textverstehen wird in allen Lehrplänen
gefordert, aber wohl hauptsächlich im Gymnasium praktiziert.
ZEIT: Stellen die Lehrpläne zu hohe Anforderungen?
Klieme: Ja, die Lehrplanautoren – wie auch viele Lehrkräfte und Fachdidaktiker –
überschätzen systematisch die Leistungsfähigkeit der Schüler. Ihnen fehlt ein
Gefühl dafür oder das Wissen, was Schüler lernen können.
ZEIT: Kein gutes Omen für die nationalen Bildungsstandards. Die sollen ja nach
dem Willen der Kultusminister bundesweit die Maßstäbe setzen.
Klieme: Die Länder können bei der Umsetzung ihrer Bildungsstandards aus DESI
lernen. Für schwächere Schüler müssen ausreichend viele einfache
Vergleichsaufgaben entwickelt werden. Und in den Schulen muss die
Diagnosefähigkeit der Lehrer verbessert werden.
ZEIT: Ist es an der Zeit, die Lehrer zu rehabilitieren, nachdem sie bei PISA heftige
Prügel bezogen haben? Ihre Studie zeigt, dass viele Lehrer nicht nur
Frontalunterricht anbieten, sondern die Schüler in Kleingruppen unterrichten oder
den Unterricht durch Diskussionsrunden auflockern. Jeder Zweite nimmt an
Fortbildungen teil; fast 90 Prozent der Englischlehrer waren längere Zeit im
Ausland.
Helmke: Richtig, es gibt zwar noch sehr viel zu verbessern. Aber in den letzten
Jahren hat sich viel an den Schulen und bei den Lehrern getan. Mein Eindruck ist,
dass viele Lehrer sich bewusster mit dem Unterricht befassen als früher. Die
Nutzung der Videografie nicht nur für die Schulforschung, sondern auch in der
Schulpraxis könnte künftig ein Motor sein, um die schulinterne Diskussion über
Fragen der Unterrichtsqualität anzuregen und damit die Professionalität der Lehrer
zu steigern.
Die Fragen stellten Thomas Kerstan und Martin Spiewak
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