5. Finanzmathematik 5.1. Zinsrechnung 5.1.1. Grundbegriffe K . . . Kapital (caput - das Haupt) = Betrag, der der Verzinsung unterworfen ist; Geldbetrag (Währung) z . . . Zinsen = Vergütung (Preis) für das Überlassen eines Kapitals für eine bestimmte Zeit ( −→ Laufzeit einer Kapitalanlage) Habenzinsen: Preis, der für ein Guthaben gezahlt wird Sollzinsen: Preis, der für ein Darlehen zu zahlen ist n . . . Laufzeit der Kapitalanlage = Zeit, während der Zinsen zu zahlen sind (oder gezahlt werden) in Zinsperioden (z.B. Jahre) i . . . Zinssatz (Zinsrate) = Betrag an Zinsen, der für ein Kapital von 1 e in einer Zinsperiode (z.B. ein Jahr) anfällt p . . . Zinsfuß = Betrag an Zinsen, der für ein Kapital von 100 e in einer Zinsperiode anfällt (p = i · 100) Die Höhe der Zinsen ist abhängig von • Kapital • Laufzeit • Zinssatz Bei einer Laufzeit von einer Zinsperiode gilt z = K ·i 1 (1.1) Bemerkung: - Der Zinssatz i bezieht sich in der Regel auf ein Jahr. - Es können auch andere Zinsperioden festgelegt werden, die kürzer sind als ein Jahr (z.B. 1/2 Jahr, 1 Monat, 1 Woche, 1 Tag). Man spricht dann von unterjähriger Verzinsung (oder unterjährlicher Verzinsung). - Das bedeutet nicht, dass man das Kapital für ein Jahr oder entsprechend der Zinsperiode der Bank anlegen muss. Kürzere und längere Laufzeiten sind durchaus üblich. In diesen Fällen muss man Rechenregeln angeben, wie die Zinsen zu berechnen sind. - Man muss also immer unterscheiden zwischen Zinsperiode und Laufzeit der Kapitalanlage. Vereinbarung: Wenn nicht anders angegeben, soll die Zinsperiode im folgenden immer ein Jahr sein. Zinsen können unterschiedlich berechnet werden nach der Länge der Behandlung der bereits Zeitpunkt der Zinszahlung, Zinsperiode gezahlten Zinsen wenn das Kapital weiterhin angelegt bleibt jährliche unterjährige einfache Verzinsung Verzinsung Verzinsung Zinseszinsen 2 nachschüssige vorschüssige Zinszahlung Zinszahlung Einfache Verzinsung: Die Zinsen werden pro Zinsperiode ermittelt und (gleich oder am Laufzeitende) ausbezahlt, selbst aber nicht mitverzinst. - auch Bürgerliche Verzinsung genannt Verzinsung mit Zinseszinsen: Zinsen werden wiederangelegt und in der darauffolgenden Zinsperiode mitverzinst. Nachschüssige Zinszahlung: Zahlung der Zinsen am Ende der Zinsperiode (bzw. am Ende der Laufzeit der Kapitalanlage, falls diese vor dem Ende der Zinsperiode liegt). Vorschüssige Zinszahlung: Zinszahlung am Anfang der Zinsperiode oder am Anfang der Laufzeit der Kapitalanlage (von untergeordneter Bedeutung). Vereinbarung: Wir betrachten ausschließlich nachschüssige Verzinsung. Bezeichnungen: K0 . . . Anfangskapital n . . . Laufzeit der Kapitalanlage in Zinsperioden Kn . . . (End-) Kapital nach n Zinsperioden Die Berechnung von Kn aus K0 wird als Aufzinsen, die Berechnung von K0 aus Kn als Abzinsen, Diskontierung oder Barwertbestimmung bezeichnet. Der Barwert eines nach n Zinsperioden anfallenden Betrages Kn ist der Anfangsbetrag ( K0 ), der im entsprechenden Zinsmodell nach n Zinsperioden den Betrag Kn liefert. 3 5.1.2. Einfache Verzinsung Beispiel: K0 = 10.000 n = 3 i = 0,04 Kapital nach einem Jahr: K1 = K0 + z = 10.400 Kapital nach zwei Jahren: K2 = K0 + 2z = 10.800 Kapital nach drei Jahren: K3 = K0 + 3z = 11.200 Allgemein: Kn = K0 + n K0 i = K0(1 + ni) (1.2) Barwertformel der bürgerlichen Verzinsung: K0 = Kn 1 + ni (1.3) Problem: unterjährliche Laufzeit • Die (Rest-) Laufzeit der Kapitalanlage liegt unter einem Jahr (= Zinsperiode) • Zahlung der Zinsen am Ende der Laufzeit • Berechnung der Zinsen erfolgt proportional zum Jahreszins bzw. zur Anzahl der Zinstage • Die kleinste Zeitspanne, für die Zinsen berechnet werden, ist ein Tag. 4 Bezeichnung: f= t Anzahl der Tage im Jahr zf . . . Zinsen für t Tage, t ∈ {1, . . . , 365} Ziel: Berechnung von zf 1. Berechnung der Zinstage Dafür gibt es verschiedene Methoden (Usancen): - Usance 30/360 alle Monate werden mit 30 Tagen gerechnet, das Jahr mit 12 · 30 = 360 Tagen - Usance act/360 Zinstage exakt (actual), das Jahr mit 360 Tagen - Usance act/act beides exakt (im Euro-Anleihenmarkt) Vereinbarung: Die Usance act/act wird im folgenden unterstellt. 2. Zinsen für t Tage zf = f K 0 i Interpretation: zf = (f i) K0 = f (i K0) ↑ ↑ anteiliger Jahreszinssatz anteilige Jahreszinsen 5 (1.4) 3.1.3. Zinseszinsrechnung - Zinszahlungen erfolgen auch während der Laufzeit einer Kapitalanlage - Zinsen werden dem Kapital zugeschlagen, sofort wieder angelegt und somit in der nächsten Zinsperiode mitverzinst - Zinszahlungen erfolgen jeweils am Ende einer Zinsperiode Beispiel: Wir betrachten eine Kapitalanlage mit einer Laufzeit von 3 Jahren und einem Zinssatz von 6% (p.a.). Der angelegte Betrag sei 10.000 e . =⇒ K0 = 10.000 n = 3 i = 0,06 Kapital nach einem Jahr: K1 = K0(1 + i) = 10.600,00 nach zwei Jahren: K2 = K1(1 + i) = K0(1 + i)2 = 11.236,00 nach drei Jahren: K3 = K2(1 + i) = K0(1 + i)3 = 11.910,16 Allgemein erhält man: Kn = K0(1 + i)n (1.5) Diese Formel heißt auch Zinseszinsformel. Bezeichnung: q n = (1 + i)n . . . Aufzinsfaktoren (geben an, auf welchen Betrag ein Kapital von 1 e bei einem Zinssatz i und Wiederanlage der Zinsen nach n Zinsperioden anwächst) 6 Wieder kann für n jede positive reelle Zahl eingesetzt werden. Diese Berechnungsvorschrift wird im Falle eines nichtganzzahligen n als durchgehend zinseszinslich bezeichnet, im Unterschied zur gemischten Verzinsung, die in Deutschland zum Beispiel für Sparbücher u.ä. (noch) angewandt wird. Vergleich von einfacher und zinseszinslicher Verzinsung: K0 = 10.000 i = 5% Kn 6 13.000 12.000 11.000 13401 r © © 12763 r©©© 12155 r ©© © 11576©r©© r © 11025 ©© r© ©© 10.000 © .. . - 0 1 2 3 4 5 6 7 n Gemischte Verzinsung entspricht dem Verbinden der Punkte durch Geradenstücke. Durchgehend zinseszisliche Verzinsung entspricht der Exponentialfunktion K0(1 + i)x durch die Punkte. 7 Weiter gelten: Kn (1 + i)n r Kn i = n −1 K0 (1.6) K0 = n = (1.7) ln Kn − ln K0 ln(Kn/K0) = ln(1 + i) ln(1 + i) (1.8) Formel (1.6) heißt Barwertformel oder Formel der zinseszinslichen Diskontierung. 8 Bei durchgehend zinseszinslicher Verzinsung kann n jeden beliebigen (nichtnegativen) Wert annehmen. Kn = K0 q n = K0(1 + i)n Beispiel: im = 1% pro Monat K1 Jahr = K0 (1 + im)12 = K0 · 1, 0112 = K0 · 1, 1268 = K0 · (1 + 0, 1268) gleiches Resultat wie für iJahr = 12, 68% Bei m Zinsperioden im Jahr mit Zinssatz im und durchgehend zinseszinslicher Verzinsung heißt ieff = (1 + im)m − 1 der effektive Jahreszinssatz bzw. der konforme Jahreszinssatz zu im. Bei einem Zinssatz von i (p.a.) heißt √ im = m 1 + i − 1 der zu i konforme Zinssatz für die unterjährliche Verzinsung. Allgemein: Der jährliche Zinssatz, bei dem sich bei einmaliger Verzinsung am Jahresende die gleichen Zinsen wie bei der unterjährlichen Verzinsung ergeben, heißt effektiver Zinssatz oder effektiver Jahreszins ieff . 9 Außerdem nennt man bei unterjährlicher Verzinsung inom = m · im den nominellen Jahreszinssatz. Dieser ist leicht zu bestimmen und eine Näherung für den effektiven Zinssatz, aber nicht gleich diesem! Die Angabe eines nominellen Jahreszinssatzes hat nur einen Sinn bei gleichzeitiger Angabe der Zinsperiode! im Beispiel: im = 1% inom = 12% ieff pro Monat bei monatlicher Verzinsung = 12, 68% Zinssätze können also konform ineinander umgerechnet werden. Es ist deshalb unerheblich, ob man mit täglicher, wöchentlicher, monatlicher . . . Verzinsung rechnet, sofern man den Zinssatz konform bestimmt (und n entsprechend anpasst). 10