6. Rechtliche Grundlagen Rechtliche Grundlage 6.2. Gesetze / Verordnungen Ärztliche Anzeigepflicht Ordination ausfüllen 6.2.6. Ärztliche Anzeigepflicht I. Allgemeines: Durch die in § 54 Abs. 4 – 6 Ärztegesetz normierte Anzeige- und Meldepflicht kommt es zu einer Durchbrechung der ärztlichen Schweigepflicht. Dieser unterliegen alle Geheimnisse, die dem Arzt oder seinen Hilfspersonen in Ausübung ihres Berufes anvertraut bzw. bekanntgeworden sind. Gemäß § 54 Abs. 4 hat ein Arzt bei der Sicherheitsbehörde unverzüglich Anzeige zu erstatten, wenn sich für ihn in Ausübung seines Berufes der Verdacht ergibt, dass durch eine gerichtlich strafbare Handlung der Tod oder eine schwere Körperverletzung herbeigeführt worden ist. Der Arzt ist ebenfalls zu einer Anzeigeerstattung verpflichtet, wenn er den Verdacht hat, dass eine volljährige Person, die ihre Interessen nicht selbst wahrzunehmen vermag, misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht worden ist. Da das Ärztegesetz jedoch keine Begriffsbestimmungen der anzeigepflichtigen Tatbestände enthält, sind diese im Sinne des Strafgesetzbuches zu verstehen. Unter „Misshandlung“ wird jede unangemessene Behandlung eines anderen verstanden, die das körperliche Wohlbefinden nicht ganz unerheblich beeinträchtigt, somit Schmerzen oder Unbehagen bei der anderen Person hervorruft. Unter „Quälen“ wird die Zufügung körperlicher und seelischer Qualen verstanden. Körperliche Qualen können sowohl durch Verletzungen, aber auch durch Misshandlungen oder Freiheitsbeschränkungen bewirkt werden, seelische Qualen hingegen auch durch verbale Bedrohungen, Beschimpfungen oder durch sonstige Erniedrigungen. Unter „Vernachlässigung“ versteht man Fälle der Verletzung der Fürsorge, der Obhutspflicht, wenn sie gröblich sind und zu einer beträchtlichen Schädigung von der Gesundheit oder der körperlichen bzw. geistigen Entwicklung führen können oder geführt haben. Unter „sexuellem Missbrauch“ versteht man alle geschlechtlichen Handlungen mit einer minderjährigen oder einer volljährigen Person, die ihre Interessen nicht selbst wahrzunehmen vermag. Berührungen, Betastungen und Entblößungen können bereits geschlechtliche Handlungen im Sinne des sexuellen Missbrauches darstellen. II. minderjährige Person: Prinzipiell hat ein Arzt gemäß § 54 Abs. 5 Ärztegesetz ebenfalls Anzeige an die Sicherheitsbehörde zu erstatten, wenn sich in Ausübung seines Berufes der Verdacht ergibt, dass eine minderjährige Person, misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht worden ist. § 54 Abs. 5 Ärztegesetz sieht in diesem Zusammenhang eine Einschränkung vor, wenn sich der Verdacht gegen einen nahen Angehörigen im Sinne des § 166 Strafgesetzbuches richtet, nämlich dahingehend, dass die Anzeige so lange unterbleiben kann, als dies das Wohl des Minderjährigen erfordert und eine Zusammenarbeit mit dem Jugendwohlfahrtsträger und gegebenenfalls eine Einbeziehung einer Kinderschutzeinrichtung an einer Krankenanstalt erfolgt. Nahe Angehörige einer minderjährigen Person sind vor allem die Eltern, die Großeltern, die Geschwister, und andere Angehörige (Onkel, Tante, Neffe, Nichte), sofern sie mit der minderjährigen Person in einer Hausgemeinschaft leben. Wie eben erläutert, ist der Arzt verpflichtet, dem Dateiname: Erstellt: Geprüft: Freigegeben: 626AerztlicheAnzeigepflicht.doc Mag. Voglmair Dr. Wallner Name Unterschrift © Ärztliches Qualitätszentrum. Alle Rechte vorbehalten. am: Mai 2007 am: Mai 2007 am: ausfüllen Seite 1 von 3 Version: 1 gültig ab: 6. Rechtliche Grundlagen Rechtliche Grundlage 6.2. Gesetze / Verordnungen Ärztliche Anzeigepflicht Ordination ausfüllen 6.2.6. Ärztliche Anzeigepflicht zuständigen Jugendwohlfahrtsträger unverzüglich und nachweislich eine Meldung zu erstatten. Sollte sich der Arzt entscheiden, mit der Anzeige an die Sicherheitsbehörde noch zuzuwarten, entsteht dadurch für den Arzt eine gewisse Pflicht, das weitere Schicksal der minderjährigen Person zu beobachten. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die diesbezüglichen Anforderungen an den Arzt nicht überspannt werden dürfen. Eine weitere Gefährdung des Wohles der minderjährigen Person ist etwa dann nicht anzunehmen, wenn ein Kind bei Missbrauchsverdacht von jenem Umfeld ferngehalten werden kann, in dem sich die vermutete Misshandlung ereignet hat. III. Volljährige Personen, die ihre Interessen nicht selbst wahrnehmen können: Der Begriff der „volljährigen Person, die ihre Interessen nicht selbst wahrnehmen kann“ ist sehr weit formuliert. Gründe für die im Gesetz genannte Wehrlosigkeit können beispielsweise Krankheit, Gebrechlichkeit, Verstandesschwäche, etc. sein. Im Gegensatz zu minderjährigen Personen ist bei diesen Opfern immer eine Anzeige an die Sicherheitsbehörde zu erstatten, weil die Ausnahmen des § 54 Abs. 5 Ärztegesetz nur auf minderjährige Personen Bezug nehmen und auch eine Zusammenarbeit mit den Jugendwohlfahrtsträgern nur bei minderjährigen Personen sinnvoll ist. IV. Volljährige Personen: Bei volljährigen Personen trifft den Arzt nach den Bestimmungen des Ärztegesetzes keine Anzeigepflicht, wenn die gequälte, misshandelt, vernachlässigt oder sexuell missbrauchte Person durch die entsprechenden Handlungen nicht verletzt oder an der Gesundheit geschädigt wurde. V. Ärztliche Anzeigepflicht bei einer schweren Körperverletzung: Eine schwere Körperverletzung liegt gemäß § 84 Abs. 1 des Strafgesetzbuches dann vor, wenn die Tat eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit zur Folge hat, oder wenn die Verletzung oder die Gesundheitsschädigung an sich als schwer einzustufen ist. Eine Körperverletzung ist an sich schwer, wenn dadurch wichtige Organe oder Körperteile in einer Weise beeinträchtigt werden, dass damit erhebliche Funktionseinbußen oder erhebliche Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes verbunden sind (z.B. Knochenbrüche, schwere Verbrennungen, etc.). Im Falle einer schweren Körperverletzung trifft den Arzt eine unbedingte Anzeigepflicht gemäß § 54 Abs. 4 Ärztegesetz, unabhängig davon, ob es sich um eine minderjährige Person oder um eine volljährige Person handelt. Zusätzlich hat der Arzt im Falle einer schweren Körperverletzung auf bestehende Opferschutzeinrichtungen hinzuweisen gemäß § 54 Abs. 6 Ärztegesetz. Nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches liegt eine vorsätzliche Begehungsweise dann vor, wenn der Täter den Eintritt einer schweren Körperverletzung ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet. VI. Ärztliche Anzeigepflicht bei einer leichten Körperverletzung: Dateiname: Erstellt: Geprüft: Freigegeben: 626AerztlicheAnzeigepflicht.doc Mag. Voglmair Dr. Wallner Name Unterschrift © Ärztliches Qualitätszentrum. Alle Rechte vorbehalten. am: Mai 2007 am: Mai 2007 am: ausfüllen Seite 2 von 3 Version: 1 gültig ab: 6. Rechtliche Grundlagen Rechtliche Grundlage 6.2. Gesetze / Verordnungen Ärztliche Anzeigepflicht Ordination ausfüllen 6.2.6. Ärztliche Anzeigepflicht Liegt bei einer minderjährigen oder volljährigen Person eine leichte Körperverletzung vor, so trifft den behandelnden Arzt prinzipiell keine Anzeigepflicht. Ist jedoch die leichte Körperverletzung einer minderjährigen Person die Folge einer Misshandlung, eines Quälens, einer Vernachlässigung oder eines sexuellen Missbrauchs, so hat der Arzt, wie bereits vorhin dargestellt, gemäß § 54 Abs. 5 Ärztegesetz vorzugehen. VII. Ärztliche Anzeigepflicht bei Todesfällen: Ergibt sich für den Arzt in Ausübung seines Berufes der Verdacht, dass durch eine gerichtlich strafbare Handlung der Tod eines Menschen herbeigeführt wurde, so hat er unverzüglich Anzeige an die Sicherheitsbehörde zu leisten. Die oben erwähnte Ausnahmebestimmung für minderjährige Personen gilt in Todesfällen naturgemäß nicht. Dateiname: Erstellt: Geprüft: Freigegeben: 626AerztlicheAnzeigepflicht.doc Mag. Voglmair Dr. Wallner Name Unterschrift © Ärztliches Qualitätszentrum. Alle Rechte vorbehalten. am: Mai 2007 am: Mai 2007 am: ausfüllen Seite 3 von 3 Version: 1 gültig ab: