Thomas Vielhaber – Stadt Arnsberg – Stadtentwicklung vhw-Seminar am 21. April 2004 (überarbeitete Fassung vom 20.Juli 2004) Demografische Entwicklung und kommunale Konsequenzen am Beispiel der Stadt Arnsberg II. Die Stadt Arnsberg: Lage und Struktur Arnsberg ist Mittelzentrum im ländlichen Raum, hat etwa 82.000 Einwohner und ist die westlichst gelegene und gleichzeitig größte Kommune im HSK. Sie ist u.a. Sitz der Bezirksregierung und über die regionalen Verkehrswege sehr gut an das östliche Ruhrgebiet angebunden. Die im Zuge der kommunalen Neugliederung aus den Städten Neheim-Hüsten und Arnsberg sowie 12 Umlandgemeinden gegründete "neue" Stadt Arnsberg weist auf einer Fläche von 194 qkm eine polyzentrale Struktur auf. Zwei sehr unterschiedlich geprägte Hauptund zwei Nebenzentren, verbunden durch Wohnsiedlungs- und Gewerbebereiche ließen ein fast durchgehendes Siedlungsband im Ruhrtal entstehen. Nur einige kleinere Dörfer liegen außerhalb und verkehrlich etwas schlechter angebunden. Zwei Drittel der Stadtfläche ist Wald, große Teile davon sowie die Flüsse im Stadtgebiet sind als FFH-Gebiete gemeldet worden. Ein Viertel der Freifläche ist im Landschaftsplan als Naturschutzgebiet festgesetzt. Der Rest steht nahezu ausnahmslos unter Landschaftsschutz. Das ist wichtig zu wissen, zeigt es doch das natur- und landschaftsräumliche Potenzial der Stadt, andererseits aber auch die Restriktionen der räumlichen Stadtentwicklung auf. Seite 1 von 3 vhw-Seminar – 21. April 2004 / 20.Juli 2004 Demografische Entwicklung und kommunale Konsequenzen am Beispiel der Stadt Arnsberg Thomas Vielhaber – Stadt Arnsberg – Stadtentwicklung Das tut auch eine weitere Zahl: obwohl die Ruhr nur über gut 30 km durch das Arnsberger Stadtgebiet fließt, liegen hier 50 % des gesamten Gefährdungspotenzials bei drohenden Überschwemmungen. Natur, Landschaft und Topographie prägen diese Stadt, die sich im Ruhrtal entlang der Verkehrswege bandartig entwickelt hat und nach und nach die Hanglagen erklomm. Eine solche Struktur bestimmt das Leben und Verhalten der Menschen, so gibt es auch nach fast 30 Jahren "gemeinsamer Stadt" immer noch eine größere Identifikation der Menschen mit ihrem jeweiligen Stadtteil als mit der Gesamtstadt. Auch das hat Auswirkungen auf die Stadtentwicklungspolitik. Die Bevölkerungsentwicklung in der Region verlief bis Mitte der 1970er-Jahre positiv. In den 1960erJahren und der ersten Hälfte der 1970er-Jahre, also innerhalb einer Generation, wuchs die Anzahl der Einwohner in den Grenzen der heutigen Stadt um etwa 10.000 Personen auf ca. 82.000 Einwohner an. Damals waren alle Signale auf Wachstum gestellt. Eines Tages "Großstadt" zu werden schien keine Utopie mehr zu sein. Mit der Bildung der "neuen" Stadt Arnsberg wurden Mitte der 1970er-Jahre Planspiele angestellt, die letztlich im Leitbild der ausgewogenen polyzentralen Stadt mündeten. Was aus heutiger Sicht fehlte, war die klare Profilierung der Stadtteile, die in den Folgejahren oftmals mehr in Konkurrenz zueinander standen als gesund und richtig sein kann. Es fehlte aber nicht an Vorstellungen, wie die Infrastruktur der Stadt die Entwicklungsprozesse aufnehmen und unterstützen sollte. So war z.B. klar, dass die beiden damals in der Fußball-Oberliga spielenden heimischen Vereine fusionieren und in die Regionalliga aufrücken würden. Der Bau eines Zweitliga reifen Stadions, an dessen Seite noch ein Eisstadion geplant war - der Bebauungsplan gibt das her - war damit nur konsequent. Heute aber müssen wir mit der vor zwei Generationen entworfenen Infrastruktur unter ganz anderen Vorzeichen leben. Ab Mitte der 1970er-Jahre war ein deutlicher Trendumkehr zu erkennen, der aber in den Stadtentwicklungsplanungen zunächst nicht zum Ausdruck kam. Die Weichen wurden in allen Bereichen weiterhin auf Wachstum und Expansion gestellt. So zum Beispiel in der Erschließung von Siedlungsflächen. In den folgenden 1,5 Jahrzehnten fiel die Einwohnerzahl wieder nahezu auf den Stand zu Anfang der 1960er-Jahre zurück. Dieser Trend setzt sich auch seit 1997 wieder fort. Dazwischen lag eine Phase der "Erholung", die v.a. durch Zuzüge aus den Neuen Ländern sowie den osteuropäischen Staaten gekennzeichnet war. Die Phase der Entwicklung seit Ende der 1980er-Jahre, die in der Politik gleichzusetzen ist mit "Erfolg", ist auch heute noch in vielen Köpfen verhaftet und war es auch in Arnsberg Mitte der 1990er-Jahre. Damals begann die ernsthafte Diskussion um Stadtentwicklung, nachdem jahrelang nur umsetzungsorientierte Stadtplanung betrieben wurde. Erstmals waren die Auswirkungen der Zuzüge aus den neuen Ländern und Osteuropa spürbar: Wohnungsknappheit und steigende Mieten führten zu Verdrängungsprozessen, Aussiedlerunterkünfte entstanden in fast jedem Stadtteil und Wohnbaugrundstücke wurden kaum und häufig nur zu "Mondpreisen" gehandelt. Die Instrumente der 1980er-Jahre (Baulückenprogramme, Nachverdichtung und Innenerschließung) schienen nicht mehr auszureichen. Die Bundespolitik antwortete mit Sonderprogrammen, Gesetzeserleichterungen oder Erleichterungsgesetzen, die schnelle Abhilfe schaffen sollten. Seite 2 von 3 vhw-Seminar – 21. April 2004 / 20.Juli 2004 Demografische Entwicklung und kommunale Konsequenzen am Beispiel der Stadt Arnsberg Thomas Vielhaber – Stadt Arnsberg – Stadtentwicklung Dass die kommunale Politik diese Vorlagen aufnahm, war verständlich. In Arnsberg war es die Forderung, den FNP im Hinblick auf die künftige Siedlungsentwicklung neu aufzustellen. Die Verwaltung nahm den Vorschlag auf. Schon damals war erkennbar, dass weitreichende Herausforderungen in den gesellschaftlichen, fiskalischen, ökonomischen, ökologischen und demografichen Bereichen bevorstanden. Die Verwaltung schlug daher eine umfassende Analyse vor, ergänzt um eine Leitbild- und Zielformulierung sowie umsetzungsorientierte Handlungs- und Maßnahmenpakete. Der Stadtrat stellte in den Folgejahren (ab 1998) die erforderlichen Mittel für eine Vergabe bzw. Projektbegleitung durch ein externes Büro in den Haushalt ein. Ende 1998 wurde der Auftrag "Stadtentwicklungsprogramm Arnsberg" (STEP) an das Dortmunder Büro plan-lokal vergeben. Eine der ersten Aufgaben war die Prognose der zukünftigen Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung, um eine verlässliche Grundlage für die weitere Stadtentwicklung zu erhalten. Die Ergebnisse waren zwar nicht wirklich überraschend, aber Anlass zu einem Politikwechsel. Zu den Zahlen hier eine Anmerkung: Die Berechnungen und Prognosen sind durch das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen (LDS) in Zusammenarbeit mit plan-lokal auf der Grundlage abgestimmter Annahmen im Rahmen der Arbeiten zum STEP erstellt worden. Dabei sind die Statistiken des LDS anders aufgebaut als die Einwohnerstatistik der Stadt Arnsberg. Das Fehlen derjenigen Personen, die mit zweitem Wohnsitz in Arnsberg gemeldet sind, führt zu deutlichen Differenzen bei den Zahlen. Die Grundaussagen sind jedoch unabhängig davon die gleichen. Seite 3 von 3