www.observer.at Kurier Unabhängige Tageszeitung für Österreich Wien, am 10.12.2016, 365x/Jahr, Seite: _ Druckauflage: 214 359, Größe: 64,53%, easyAPQ: _ Auftr.: 1161, Clip: 10225627, SB: Physiotherapie Kinder und Rheuma Diagnose Rheuma. Diese stellt Kinder und deren Eltern vor Herausforderungen. Dank moderner Medizin ist die Krankheit heute aber sehr gut behandelbar. A n rheumatischen Erkrankungen würden nur alte Menschen leiden - das ist ein verbreiteter Irrglaube. Zwischen ein und zwei von Tausend Kindern und Jugendlichen erkranken unter 16 Jahren an der juvenilen idiopathischen Arthritis: einer Gelenksentzündung, welche die Gelenke zerstört und länger als sechs Wochen dauert. Führte das Rheuma früher noch regelmäßig zu schweren Entstellungen der Gelenke undeiner beträchtlichen Zahl an Gelenkoperationen, ist dies durch den medizinischen Fortschritt heute nur noch selten der Fall. Bei frühzeitiger und richtiger Behandlung erreichen Kinder meist ohne Schäden das Erwachsenenalter. Besonders Kinder im Kindergartenalter und im Alter zwischen zehn und 13 Jahren erkranken oft an juveniler idiopathischer Arthritis. „Das Kindergartenkind, dem die großen Gelenke schmerzen und anschwellen, ist der am meisten vertretene Patient", sagt Wolfgang Emminger, Leiter der Rheumatologischen Ambulanz an der Universitätsklinikfür Kinder- und Jugendheilkunde in Wien. Er betreut mit seinem Team rund 400 Dauerpatienten und Dauerpatientinnen. Mädchen erkranken übrigens deutlich häufiger als Buben. Schmerzen, Überwärmung Die Entzündung führt zu Schmerzen, Schwellung und Überwärmung in den betroffenen Gelenken. Kindergartenkinder mit dieser Erkrankung muss der Augenarzt mit einer Spaltlampe untersuchen, um eine sich langsam ausbreitende Augenentzündung frühzeitig zu diagnostizieren. Der Weg zur eindeutigen Diagnose und damit auch einer deutlich erfolgreicheren Therapie ist heute glücklicherweise viel kürzer als früher. „Es hat sichin denletzten Jahren in der Wahrnehmung, dass es die Krankheit auch bei kleinen Kindern gibt, sehr viel zum Positiven verändert", sagt Emminger. Die Ursachen der Rheumakrankheit bei Kindern sind nicht gänzlich geklärt. Es handelt sichnichtumeineErbkrankheit im klassischen Sinne, zumindest wurde noch kein Rheuma-Gen entdeckt. Ganz selten trete familiär gehäuft ein einzelner Defekt in einem verantwortlichen Gen auf, sagt der Experte. Viel häufiger seien auch bei diesen Fällen verschiedene Fehler des Immunsystems verantwortlich. Insgesamt sei es wahrscheinlich ein Zusammenwirken aus inneren Faktoren wie fehlgeleiteten Prozessen des Immunsystems und äußeren Einflüssen wie Infektionen, Unfällen und psychischer Belastung, was zur Entzündung der Gelenke führt. „Es gibt auch Hinweise, dass die Geburt auf natürlichem Weg und die Dauer des Stillens mit einer geringeren Rate an der Entstehung von Rheuma bei Kindern einhergehen", sagt Emminger. Multidisziplinär Bedeutete die Diagnose früher eine enorme Einschränkung der Lebensqualität, können die meisten Jugendlichen heute ihren Alltag gut bestreiten. Dies ist nicht nur auf moderne Medikamente zurückzuführen. Man weiß mittlerweile, dass Kindern am besten mit einer multidisziplinären Behandlung geholfen wird. Dazu gehören neben denrichtigenMedikamenten Kindergartenkinder sind die am häufigsten auftretenden Patienten mit juveniler idiopathischer Arthritis die Ergotherapie, um Fingerund Handgelenke zu mobilisieren, Physiotherapie, die Psychologin und der regelmäßige Besuch beim Augenarzt. Wichtigist, dassdiese SpezialistenErfahrung darin haben, Kinder mit rheumatischen Erkrankungen altersgerecht zu versorgen. Nachdem Ärzte die Krankheit noch nicht heilen können, müssen die Kinder ein Leben lang in medizinischer Betreuung stehen. In der medikamentösen Therapie setzen Mediziner zuerst nichtsteroidale Anti- ,Es hat sich in den letzten Jahren in der Wahrnehmung, dass es die Krankheit auch bei kleinen Kindern gibt, sehr viel zum Positiven verändert/' Wolfgang Emminger, Leiter der Rheumatologischen Ambulanz an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Wien zählt als: 5 Clips, erschienen in: Burgenland, Niederösterreich, Wien, Österreich 1. Ausgabe, Österreich Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG.Digitale Nutzung gem PDN-Vertrag des VÖZ voez.at. Anfragen zum Inhalt und zu Nutzungsrechten bitte an den Verlag (Tel: 0590302*0). rheumatika ein, welche die Entzündung im Gewebe reduzieren. Auch niedrig dosiertes Cortison istbei schweren Verläufen hilfreich. Zusätzlich werden auf überwärmte Gelenke Cool Packs aufgelegt. „Diese nehmen den Schmerz, haben aber keinenEinfluss auf Spätschäden des Knorpels oder Knochens", erklärt Emminger. Um das Entstehen von Spätschäden zu verhindern, verabreichen Mediziner wöchentlich niedrige Dosen von Methotrexat. Dieser Wirkstoff unterdrückt die bestehende Überaktivierung des Immunsystems. Führt er nicht zu einer deutlichen Verbesserung, kommenBiologika zum Einsatz. Besonders die Kombination der beiden Therapeutika führt zu Erfolgen. „Die Zahl der entzündeten Gelenke bei Kindern mit Polyarthritis fällt dadurch von zwanzig bis zu dreißig auf null bis drei", sagt Emminger. Sie müssen nur mitwenigschmerzenden Gelen- ken zur Schule gehen und können gut am Unterricht teilnehmen - in vielen Fällen auch am Turnunterricht. Notwendige Expertise Die notwendige Expertise, um Kinder zufriedenstellend zu behandeln, findet sich in größeren Kinderspitälern, aber fast nicht im niedergelassenen Bereich. Emminger bezeichnet die Versorgungssituation in Österreich zwar als ausreichend. Ein multiprofessionelles Zentrum zur Betreuung von zu rehabilitierenden Kindern und Jugendlichen mit Rheuma ist in Osterreichjedochnicht etabliert. „Viele Eltern und Kinder müssen gerade am Anfang der Erkrankungbeträchtliche Wege in Kauf nehmen, um zu einem Therapeuten zu kommen", sagt er. Auch wenn die Krankheit gutbehandelbar ist, stellt sie viele Familien daher vor große Herausforderungen im Alltag. - MATTHIAS HUMER Seite: 1/2 www.observer.at Kurier Unabhängige Tageszeitung für Österreich Wien, am 10.12.2016, 365x/Jahr, Seite: _ Druckauflage: 214 359, Größe: 63,61%, easyAPQ: _ Auftr.: 1161, Clip: 10225627, SB: Physiotherapie I - Dank moderner Behandlungsmethoden können Kinder ohne Einschränkung am Unterricht teilnehmen zählt als: 5 Clips, erschienen in: Burgenland, Niederösterreich, Wien, Österreich 1. Ausgabe, Österreich Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG.Digitale Nutzung gem PDN-Vertrag des VÖZ voez.at. Anfragen zum Inhalt und zu Nutzungsrechten bitte an den Verlag (Tel: 0590302*0). Seit 35 Jahren schon veranstaltet das Österreichische Jugendrotkreuz ein Feriencamp für Kinder, die an Rheuma erkrankt sind. Dieses findet jeden Sommer über zwei Wochen im Warmbad Villach statt. Für die jungen Betroffenen ist das einerseits die Gelegenheit, Gleichaltrige kennenzulernen, die ähnliche Beschwerden wie sie haben. Andererseits erfahren sie dort zwei Wochen durchgehend medizinische und therapeutische Begleitung, von der ihre Gesundheit profitiert. „Das Camp ist eine Mischung aus Therapie- und Ferienaufenthalt", erklärt Katharina Jechart vom Österreichischen Jugendrotkreuz, die das Camp organisiert. Die Kinder erhalten jeden Tag eine individuell auf sie abgestimmte Ergo- und Physiotherapie durch drei ständig anwesende Therapeuten. Die medizinische Betreuung findet in enger Kooperation mit der Kinderklinik des AKH Wien, dem Preyer'schen Kinderspital Wien und der Orthopädie des AKH Linz statt. Sollte es Probleme geben, stehen durchgehend Ärzte zur Verfügung. Eine Krankenschwester ist vor Ort, um Medikamente zu verabreichen. Nachdem Kinder, die unter Rheuma leiden, oft psychisch belastet sind, steht ihnen auch eine Therapeutin zur Seite. Besondere Beachtung wird außerdem der Ernährung geschenkt. Der andere Teil des Camps ist dem Spaß gewidmet. „Es gibt jährlich ein Camp-Motto, zu dem wir Ausflüge und Spiele veranstalten. So wie etwa letztes Jahr zum Thema Märchenwelt", sagt Jechart. Zu den Programmpunkten gehören: Kino, Ausflüge, verschiedene Veranstaltungen und Schwimmen. Das Rote Kreuz organisiert außerdem einen Erste-Hilfe-Kurs. siei Ein Sponsor veranstaltet ein FotoShooting passend zum Camp-Thema. Die Kinder sind in einer Tourismusschule, die den Sommer über freisteht und dem Camp-Motto entsprechend dekoriert ist, untergebracht. Breite Zielgruppe Jährlich fahren etwa 25 Kinder und Jugendliche nach Villach. Die Teilnehmer sind in Therapiegruppen eingeteilt es gibt altersgerechte Angebote für Kinder von sechs bis 18 Jahren. „Viele Kinder kommen jedes Jahr wieder", sagt Jechart. Die Ärzte vor Ort erstellen am Ende des Camps einen Abschlussbericht, der an die betreuenden Ärzte der Kinder zu Hause geschickt wird. In diesem listen sie auf, welche Therapien durchgeführt wurden und was die Mediziner bei ihren Patienten beobachtet haben. So soll der langfristige Therapieeffekt über die Dauer des Camps hinaus garantiert werden. Die Bekanntheit des Angebots lebt in erster Linie durch Mund-zu-Mund-Propaganda. „Manchen Ärzten ist es sehr wichtig und sie legen die Teilnahme am Camp vielen Eltern nahe", sagt die Verantwortliche. Keine Geldfrage Der Elternbeitrag für das Camp beträgt 300 Euro. „Das ist nur ein sehr geringer Teil dessen, was das Camp tatsächlich kostet, der Rest wird über Förderungen und Spenden gedeckt", sagt Jechart. Eltern, deren Kinder Probleme haben, die Kosten zu tragen, können sich dennoch an das Jugendrotkreuz wenden. „Es gibt sicher kein Kind, das bei uns nicht mitfährt, weil es sich die Eltern nicht leisten können", sagt sie J Seite: 2/2