Ein Röhren-Vollverstärker – da erwarten Sie vom

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AUDIOphile
RockandRoll
Ein Röhren-Vollverstärker – da erwarten Sie vom Test
wahrscheinlich warmherzig umschriebene WeichspülerKlänge. Vergessen Sie’s. Der Octave V 70 rockt.
Test
SETUP
MIT DIESEN
KOMPONENTEN
TESTETE AUDIO
Lautsprecher:
Focal Grande
Utopia Be,
Focal Diva Utopia
CD-Spieler:
Accuphase
DP-67
Plattenspieler:
Transrotor
Ambassador TMD
/ SME 3500
FOTOS: HEINZ D. KUPSCH
Phonoverstärker:
Linn Linto
112
AUDIO 8/2005
www.audio.de
Text: Lothar Brandt
in Gitarrenriff wie aus einer brodelnden Hexenküche. Eine Stimme wie ein
sengender Schneidbrenner. Ein Bass wie
eine Dampfwalze auf Hochgeschwindigkeitskurs. Ein Schlagzeug wie ein Kickboxer mit Panzerfaust. Und ein Song mit
perfekt gewähltem Titel: Rock And Roll.
Hart, schnell, laut. Und ewig jung. Led
Zeppelin rammten ihn 1971 in die Rillen
ihres Meisterwerks. Eine LP, so großartig,
dass sie nicht mal einen richtigen Namen
brauchte. „IV“ zählen Rock-Historiker nach
ihrem Platz in der Zeppelin-Diskografie.
„Symbols“ nennen sie die Fans, denen
Titel wie „Black Dog“, „Rock And Roll“,
„Stairway To Heaven“ oder „Four Sticks“
für immer eingebrannt sind.
Mit diesem Dauerbrenner, gerade von
Warner auf 180-Gramm-Vinyl wiederveröffentlicht, heizte AUDIO einem Vollverstärker ein, der das Schwermetall tatsächlich so heiß schmiedete wie kaum ein anderer. Dabei prädestiniert ihn sein schlichter Name nicht gerade zum Hardrocker:
V 70 bedeutet in der Nomenklatur der
Firma Octave „Integrierter Verstärker mit
70 Watt“. Die auf den ersten Blick limitierte Leistung erglüht bei der badischen
Firma grundsätzlich aus Röhren. Denn
Transistoren nutzt Firmenchef Andreas
Hofmann allenfalls dazu, seinen Glaskolben
die bestmöglichen Arbeitsbedingungen zu
verschaffen. Im 3900 Euro teuren V 70,
dessen jüngste Inkarnation Hofmann „sein
Lieblingsbaby“ nennt, hat der nie rastende
(Weiter)Entwickler sein Konzept auf die
Spitze getrieben: minimale Schaltung mit
maximalem Aufwand drum herum.
Die aktiven Parts des Puristen lassen
sich an den Fingern einer Hand abzählen.
Von hinten: Pro Kanal gibt’s je ein Paar
so genannter Pentoden als Leistungsträger,
die im Gegentakt für Dampf sorgen –
jeweils eine kümmert sich um die positive q
E
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AUDIOphile
Stairway To
Heaven: Für das
himmlische
Niveau zeichnen
auch die perfekt
gewickelten
Ausgangs-Trafos
(links, Pfeile)
verantwortlich.
Hinter den CinchBuchsen schalten
Relais mit GoldDoppelkontakten
die Eingänge um
(gelber Pfeil).
Rechts neben
den Boxen-Ausgängen liegt der
Anschluss für die
Black Box – oder
die Super Black
Box, mit der man
dem Klanghimmel noch
eine Stufe näher
kommt.
und die negative Halbwelle des Musiksignals. Das Gesamtkonzept ist so flexibel,
dass sich problemlos verschiedene sockelgleiche Röhren-Typen ausprobieren lassen.
Um es vorwegzunehmen: Die fotografierte Variante mit vier Röhren 6550 spielte
im Hörtest zwar farbsatt und rund, doch
der Kick kam erst mit einem Quartett
KT88, von Octave ohne Aufpreis als
Alternative angeboten. Der Ruhestrom Bias
lässt sich wie beim kleineren V 40 (Test
in AUDIO 2/03) stressfrei von vorne an
vier Schräubchen justieren.
Die strompotente ECC 88 treibt die
Endröhren; wie ihre bewährte Kollegin
ECC 83 im Eingang reckt sie nur das
Köpfchen aus dem vorderen Chassis. Macht
drei Stufen. Und die Vorverstärkung? Staunend erblickt man einen Integrierten Schaltkreis (IC), der allerdings nur die Spannung um Faktor vier, entsprechend 12 dB,
lupft. Mit der HP 500 (ab 4500 Euro) hat
Hofmann bewiesen, dass er auch exzellente Röhren-Vorstufen bauen kann. Vergleichbarer Aufwand hätte indes den Preis des
V 70 unverhältnismäßig in die Höhe getrieben, ebenso wie ein adäquater EntzerrerVorverstärker für Plattenspieler. Der mit
„Phono“ bezeichnete Eingang des V 70
dient also einem externen Pre Pre.
Black Dogs: Mit den – auch in Silber
lieferbaren – Netzteil-Boostern namens
Black Box wird der V 70 zum Tier.
Sorgt schon die normale Version
(vorne, 620 Euro) für mehr Biss,
so verleiht die Super Black
Box (2200 Euro) Flügel.
Ebenso rasant wie
elegant schwingt
sich der deutsche
Amp damit in die
Weltspitze.
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KONTURIERT UND KRAFTVOLL
Knochenharte „Tube Only“-Verfechter können dessen Signale wie auch die anderen
Line-Eingänge an dem achtbeinigen Operationsverstärker (OPA) vorbei direkt auf
den Lautstärkesteller geben. AUDIO empfiehlt allerdings, die Finger von dem Schiebeschalter zu lassen. Denn der OPA bewährt sich: Er steuert den Endstufen-Eingang extrem niederohmig exakt auf den
optimalen Arbeitsbereich hin an, was zu
mehr Souveränität und Lockerheit führt.
Dafür ist freilich auch die aufwändige
Peripherie verantwortlich. Kenner freuen
sich etwa darüber, wie clever Hofmann
die eigene Versorgungsspannung für das
Gitter 2 der Pentoden bereitstellt und
stabilisiert. Das führt zu deutlicher
konturierten Bass-Impulsen. Und allein das
interne Netzteil könnte doppelt so starke
Amps mit Kraftstoff füllen.
Doch Besitzer des V 70 dürfen noch
üppig nachtanken. Hofmann brachte sein
externes Netzteil Super Black Box mit –
die fünfmal so kräftige XXL-Variante der
Black Box (siehe links). Ursprünglich als
Booster für die Monoblöcke MRE 130 gedacht (9000 Euro pro Paar, Test demnächst
in AUDIO), wirkt der wuchtige Wegge-
auch ein anderer Wind: „Klassischen“
Rock’n’Roll – etwa Jung-Mozarts stürmisch
drängende kleine g-moll-Sinfonie von der
AUDIO-Hörkurs-CD 2 – zelebrierte der
V 70 mit aller gebotenen Klangfarbenpracht und Raumverteilung. Ein Flügel
(Hörkurs-CD 1) erklang grandios.
Die Black Box brachte an der Grande
Utopia merklich, aber nicht sensationell
mehr Standfestigkeit. Launischere Lautsprecher wie die Focal Diva Utopia (AK
79) dankten da schon mit spürbar strafferen Bässen. Dennoch: Für solch wirkungsgradkritische Wandler ist der V 70
nicht gebaut; Transistor-Kaliber wie der
Symphonic Line RG 10 gehören hier hin.
Also wieder an die Grande Utopia mit
dem V 70, die Super Black Box und den
Phonoverstärker Linn Linto angedockt. Die
Nadel gesenkt auf Seite 1, Titel 2 – und
alle Zweifel am Sinn der Investition wurden hinweggerockandrollt. Jetzt klang ein
Gitarrenriff wie ... lesen Sie einfach am
Anfang des Textes weiter.
ƒ
Four Sticks: Die Keramik-Sockel nehmen
die vier Endröhren-Typen 6550 (im Bild),
KT88, 6L6 oder EL34 auf. AUDIO rät zu
einem Quartett der spritzigen KT88.
fährte nicht nur preislich etwas oversized
für den V 70 – zumal der schon solo loslegt, als wollte er die alte Weisheit „Röhrenwatt sind doppelte Transistorwatt“ als
Untertreibung Lügen strafen.
An die gigantische, aber gutmütige
Focal Grande Utopia (AK 56) angeschlossen, gab er ordentlich Zunder. Von
wegen heimelig-zarter Röhrenzauber, von
wegen lauwarmes Lüftchen, das beim ersten Bassdrum-Hieb seine Seele aushaucht.
Da brachen Stürme los, wie sie etwa der
V 40 nie entfesseln konnte. Doch es wehte
MESSLABOR
Mit einer AK von 49 und 74 Watt
an vier Ohm Musikleistung weist die
Papierform den V 70 auch mit Super
Black Box nicht gerade als Wattwunder aus. Die wohltuende Wirkung gerade der SBB ließ sich dennoch klipp und klar im Klirrspektrum
nachweisen. Die Sauberkeit nimmt
dramatisch zu, sehr viel weniger NetzStörkomponenten dringen durch.
STECKBRIEF
Vertrieb
www.
Preis V 70 / BB / SBB
Garantiezeit
Maße B x H x T
Gewicht
OCTAVE
V 70 / V 70 BB / V 70 SBB
Octave
0 72 48 / 32 78
octave.de
3900 / 4520 / 6100 Euro
3 Jahre (Röhren 2 Jahre)
40 x 15,5 x 41 cm (Verstärker)
24 kg (Verstärker)
ANSCHLÜSSE
Phono MM/MC
Hochpegel
Cinch/XLR
Tape
Lautsprecherpaare
Kopfhörer
–/–
4/–
1
1
–
FUNKTIONEN
Aufnahmewahlschalter
Tape Copy
Klangregler/
abschaltbar
Loudness/regelbar
Fernbedienung
Besonderheiten
–
–
–/–
–/–
■
Vorverstärkung abschaltbar;
Black-Box-Anschluss
TESTERGEBNISSE
FAZIT
LOTHAR BRANDT
AUDIO-Redakteur
Wo bleibt das Negative? Nun, an kritischen
Boxen jenseits einer AUDIO-Kennzahl von
70 geht dem V 70 die Luft aus. Es gibt
universellere Vollverstärker. Aber wenige
mit ähnlichem Thrill. Und würden Sie einen
Porsche kaufen, um damit in schwierigem
Gelände herumzuhoppeln? Eben. Speziell
mit der Super Black Box bringt Sie der
V 70 auf die Überholspur. Fast immer.
OCTAVE
Klang MM/MC
Klang Cinch/XLR
Ausstattung
Bedienung
Verarbeitung
Test
Urteil
Preis/Leistung
V 70
Dieser Röhren-Vollverstärker bläst
Vorurteile hinweg. Kraftvoll und antrittsschnell wie nur wenige. In zwei
Stufen zum Super-Amp aufrüstbar.
–
–/–
überragend
115/–
befriedigend
problemlos
sorgfältig
überragend
Referenzklasse
115
überragend
OCTAVE
Octave V 70
Klang Cinch/XLR
Test
AUDIO-Kennzahl (AK): 49
Sinusleistung
an 8/4 Ω
Stereo
51/53 W
Urteil
Preis/Leistung
Klirrspektrum
Auffällig: Ohne SBB (rote
Kurve) sind Vielfache unter
anderem der Netzfrequenz
im Klirrspektrum stärker ausgeprägt als mit SBB (grün).
V 70 / BLACK BOX
überragend
überragend
Referenzklasse
115/–
115
sehr gut
OCTAVE
Klang Cinch/XLR
Test
Urteil
Preis/Leistung
V 70 / SUPER BLACK BOX
überragend
120/–
überragend
Referenzklasse
120
sehr gut
Vergleich zu anderen Testgeräten siehe AUDIO-Bestenliste.
www.audio.de
AUDIO 8/2005
115
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