Topologie – Serie 6 – Pushouts Olaf Merkert, 10. April 2011 1 Pushouts Die Definition und Eindeutigkeit von Pushouts lässt sich ganz allgemein im Kontext einer Kategorie verstehen. Wer mit diesem Begriff noch nicht vertraut ist, verstehe einfach in diesem Abschnitt alle Objekte als topologische Räume und alle Pfeile zwischen Objekten als stetige Abbildungen. Die Komposition von Pfeilen ist dann die übliche Komposition von Abbildungen, und Isomorphismen sind einfach Homöomorphismen. Wir definieren das Pushout über seine universelle Eigenschaft: Definition 1. Seien f : a → b, g : b → c Pfeile zwischen Objekten a, b, c. Ein Tripel (x, u, v), wobei x ein Objekt und u : b → x und v : c → x Pfeile sind, heißt Pushout von f und g, falls gilt: 1. Das Diagramm a f / b kommutiert, d.h. u ◦ f = v ◦ g. g u c v / x 2. Für jedes Tripel (x0 , u0 , v 0 ), so dass a f / b kommutiert, gibt es einen g c v0 u0 / x0 eindeutigen Pfeil ϕ : x → x0 derart, dass folgendes Diagramm kommutiert: a f / b g u c v / x@ v0 u0 @ ϕ @ @ + 0 x d.h. u0 = ϕ ◦ u und v 0 = ϕ ◦ v. Definition 2. Ein Pfeil f : a → b heißt invertierbar oder Isomorphismus, wenn es einen Pfeil g : b → a gibt, so dass f ◦ g = idb und g ◦ f = ida . 1 Topologie – Serie 6 – Pushouts Olaf Merkert, 10. April 2011 Proposition 1. Das Pushout von f : a → b und g : a → c ist eindeutig bis auf eindeutigen Isomorphismus, d.h. wenn (x, u, v) und (x0 , u0 , v 0 ) beide die universelle Eigenschaft des Pushouts erfüllen, so gibt es einen eindeutigen invertierbaren Pfeil ϕ : x → x0 mit u0 = ϕ ◦ u und v 0 = ϕ ◦ v. Beweis. Wie aus Teil 2 der obigen Definition ersichtlich, haben wir keine Wahl für den Pfeil ϕ : x → x0 . Die Eindeutigkeit ist also erwiesen. Es bleibt aber noch zu zeigen, dass ϕ invertierbar ist. Dazu nutzen wir, dass (x0 , u0 , v 0 ) ebenfalls ein Pushout von f und g ist. Es gibt also einen eindeutigen Pfeil ϕ0 : x0 → x, so dass folgendes Diagramm kommutiert: a f / b g c u0 / x0 v0 v u @ @ ϕ0 @ @ ,x Wenn wir dieses Diagramm mit demjenigen für ϕ zusammensetzen, erhalten wir ein kommutatives Diagramm a f / b g u c v / u x@ v @ ϕ0 ◦ϕ @ @ ,x Nun wird dieses Diagramm auch noch kommutativ sein, wenn wir idx : x → x statt ϕ0 ◦ ϕ einsetzen. Teil 2 der universellen Eigenschaft sagt aber, dass der gestrichelte Pfeil eindeutig ist. Also muss ϕ0 ◦ ϕ = idx gelten. Dieses Argument führt man symmetrisch für ϕ◦ϕ0 : x0 → x0 aus und zeigt damit, dass ϕ invertierbar ist. Diese Proposition lässt sich sogar noch verallgemeinern; auf der nächsten Seite untersuchen wir, was mit dem Pushout passiert, wenn man eines der Objekte a, b, c durch ein isomorphes Objekt ersetzt. Dann muss man je nachdem auch f und g kompatibel abändern. 2 Topologie – Serie 6 – Pushouts Olaf Merkert, 10. April 2011 Proposition 2. Seien fi : ai → bi , gi : ai → ci , i = 1, 2 Pfeile und zudem α : a1 → a2 , β : b1 → b2 , γ : c1 → c2 Pfeile, so dass folgendes Diagramm kommutiert: b1 o β f1 g1 / c1 f2 a2 (K) γ α b2 o a1 g2 / c2 Seien ferner (xi , ui , vi ), i = 1, 2 die Pushouts von je fi , gi , i = 1, 2. Dann gibt es ein eindeutiges ϕ : x1 → x2 , so dass folgendes Diagramm kommutiert: b1 β b2 u1 u2 / x1 o v1 ϕ / x2 o v 2 c1 γ c2 Beweis. Betrachte das folgende Diagramm: a1 A AA }} } AA } α } AA } } A }~ b1 ?u1 a2 ? v1 c1 ?? ?? ?? γ ?? β ?? ? ?? ? x 1 c2 b2 A } AA } AA ϕ }} u2 AAA }}} v2 ~} x2 Genauer, u0 = u2 ◦ β, v 0 = v2 ◦ γ geben ein Diagramm f1 a1 / b1 , das nach Vor- g1 c1 u0 / x2 v0 aussetzung (K) kommutativ ist. Die universelle Eigenschaft (Teil 2) von (x1 , u1 , v1 ) liefert dann den eindeutigen Pfeil ϕ : x1 → x2 . Korrolar 1. Mit den Voraussetzungen der vorigen Proposition und zusätzlich der Bedingung, dass α, β und γ invertierbar ist und (K) auch für die Inversen gilt, so ist auch ϕ invertierbar. bO1 o Beweis. Mit der zusätzlichen Bedingung, dass f1 β −1 b2 o beweist man dies ganz analog zu Proposition 1. 3 aO 1 g1 α−1 f2 a2 g2 / c1 O γ −1 / c2 kommutiert, Topologie – Serie 6 – Pushouts Olaf Merkert, 10. April 2011 2 Verklebungen Wir werden nun sehen, dass Verklebungen nichts anderes sind als Pushouts in der Kategorie der topologischen Räume. Proposition 1 und Korrollar 1 liefern damit bereits die Eindeutigkeit von Verklebungen bis auf (eindeutige) Homöomorphismen. Bis jetzt haben wir die Existenz von Pushouts noch nicht untersucht. Für topologische Räume kann man immer Pushouts mit der direkten Summe und Quotienten konstruieren: Seien A, B, C topologische Räume und f : A → B, g : A → C stetige Abbildungen. Die Summe B + C von topologischen Räumen kommt mit stetigen f /B noch nicht kommutaEinbettungen B , die allerdings A C iC / g iB B+C C iC / iB B+C tiv machen. Dazu nehme die kleinste Äquivalenzrelation ∼, welche für alle a ∈ A die Relation iB (f (a)) ∼ iC (g(a)) erfüllt. Mit der (stetigen) Quotientenabbildung π : B + C → (B + C)/∼ erhält man aber u = π ◦ iB und v = π ◦ iC stetig, so dass folgendes Diagramm kommutiert: A f /B g C / v (B u + C)/∼ Das gibt die 1. Eigenschaft eines Pushouts. Seien u0 : B → Y und v 0 : C → Y stetige Abbildungen, so dass A f /B g C v0 / kommutiert. u0 Y Mit der universellen Eigenschaft der Summe erhält man eine (eindeutige) stetige Abbildung ψ : B+C → Y b ∈ B 7→ u0 (b) c ∈ C 7→ v 0 (c) mit ψ ◦ iB = u0 und ψ ◦ iC = v 0 . Da nun für alle a ∈ A gilt u0 (f (a)) = v 0 (g(b)), hat man x ∼ y =⇒ ψ(x) = ψ(y) 4 Topologie – Serie 6 – Pushouts Olaf Merkert, 10. April 2011 und ψ faktorisiert (eindeutig und) stetig durch π: ψ B+C π t t t ϕ t / t9 Y (B + C)/∼ Nun rechnet man ϕ◦u = ϕ◦π ◦iB = ψ ◦iB = u0 und ϕ◦v = ϕ◦π ◦iC = ψ ◦iC = v 0 , so ist auch die 2. Eigenschaft eines Pushouts erfüllt. S Wie man unschwer erkennt, ist diese Konstruktion dieselbe wie Y ϕ X, wo X, Y topologische Räume, X0 ⊂ X und ϕ : X0 → Y stetig. Nämlich man nimmt das Pushout von i : X0 → X, x 7→ x und ϕ : X0 → Y . Wir wollen nun noch zwei sehr spezielle Pushouts untersuchen, nämlich von offenen und abgeschlossenen Inklusionen. Dazu sei X ein topologischer Raum, U, V ⊂ X mit Inklusionen iU : U → U ∪ V , iV : V → U ∪ V sowie jU : U ∩ V → U , jV : U ∩ V → V . Proposition 3 (Pushout von offenen Inklusionen). Falls U, V beides offene Teilmengen von X sind, so ist (U ∪ V, iU , iV ) Pushout von jU und jV . Proposition 4 (Pushout von abgeschlossenen Inklusionen). Falls U, V beides abgeschlossene Teilmengen von X sind, so ist (U ∪ V, iU , iV ) Pushout von jU und jV . Beweis. Da wir alle vier Teilmengen von X mit der induzierten Topologie ausstatten, sind offensichtlich alle Abbildungen stetig. Ferner ist sicherlich das Diagramm jU /U kommutativ. U ∩V jV iU /U ∪V V iV Betrachte nun Y topologischen Raum und f : U → Y, g : V → Y , so dass jU / U kommutiert. Das heißt genau, dass f (x) = g(x) für alle x ∈ U ∩ V , U ∩V jV /Y V g und damit ist f Φ: U ∪V x → Y ( f (x) x ∈ U 7→ g(x) x ∈ V wohldefiniert. Man bemerke, dass wegen f (x) = Φ(iU (x)) = Φ(x) für alle x ∈ U und g(x) = Φ(iV (x)) = Φ(x) für alle x ∈ V keine andere Wahl für Φ möglich ist, um die universelle Eigenschaft zu erfüllen. 5 Topologie – Serie 6 – Pushouts Olaf Merkert, 10. April 2011 Um die Stetigkeit von Φ zu zeigen, sei M ⊂ Y offen (bzw. abgeschlossen). Φ−1 (M ) = f −1 (M ) ∪ g −1 (M ) Da f, g stetig sind, hat f −1 (M ) die Form M 0 ∩ U und g −1 (M ) die Form M 00 ∩ V , wobei M 0 , M 00 offen (bzw. abgeschlossen) in X sind. Wenn aber U und V beide in X offen (bzw. abgeschlossen) sind, so sind auch f −1 (M ) und g −1 (M ) offen (bzw. abgeschlossen) in X und letztendlich ist Φ−1 (M ) = (U ∪ V ) ∩ Φ−1 (M ) offen (bzw. abgeschlossen) in U ∪ V . Damit ist Φ auch stetig. 6