Der Beruf im Ausland – was zu beachten ist Europäisierung, Globalisierung, Internationalisierung – diese Schlagworte beherrschen die Wirtschaftsnachrichten. Welchen Einfluss haben diese Begriffe auf unser Arbeitsleben? Wie sollen Ingenieure ihre Karrieren ausrichten und auf konkrete Forderungen ihres Unternehmens reagieren? Es ist wichtig, sich über einen internationalen Arbeitseinsatz Gedanken zu machen, denn sowohl die Anforderungen an Ingenieure als auch deren berufliche Möglichkeiten haben ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Die generelle Erkenntnis ist, dass ausgewählte internationale Erfahrungen Ihre berufliche Entwicklung nachhaltig und positiv beeinflussen werden. Aber Vorsicht! Der Teufel steckt im Detail, und auf bestimmte Einzelfälle bezogen kann diese Feststellung schlichtweg falsch sein. Der folgende Beitrag soll helfen, eine Auswahl von wichtigen Aspekten zu beleuchten, wenn sich Ingenieure aus Hochschule oder aus bestehendem Arbeitsverhältnis heraus für einen Auslandseinsatz interessieren. Besonders für Studenten, die den ersten Schritt in die Arbeitswelt planen, kann ein Auslandseinsatz eine interessante Alternative zur klassischen Anstellung in einem Unternehmen in Deutschland sein. Welchen Nutzen bringt ein solcher Schritt und welche Gefahren birgt er? Im Wesentlichen kann festgestellt werden, dass ein Berufsstart im Ausland die berufliche und persönliche Entwicklung stark fördern kann. Der frisch graduierte Ingenieur bekommt die Gelegenheit, neben seinem reinen Fachwissen seine Sprachkenntnisse und „Soft Skills“ zu entwickeln, die im heutigen Berufsleben enorm wichtig sind. Bei allem Enthusiasmus für einen Berufsstart im Ausland vergessen Sie neben all dieser Begeisterung für die Entwicklung der „Soft Skills“ und Fremdsprachen allerdings nicht, dass Ihnen unbedingt die Aufgabe selber Freude und Erfolg bringen soll. Keine Tätigkeit wird allein dadurch interessanter, dass man Sie in einer anderen Sprache und Kultur verrichtet. Mit der Wahl eines Berufseinstiegs im Ausland ist es wie mit der Wahl des Lebenspartners: Es ist gut, ihn/sie an der Seite zu haben, jedoch kommt es darauf an, wen man wählt. Entscheiden Sie sich für ein beruflich interessantes Land und einen starken Partner. Ist Ihre Intention, zuerst Ihr Englisch zu perfektionieren, wählen Sie vorzugsweise ein englischsprachiges Land. Besitzen Sie bereits sichere Englischkenntnisse, ist es durchaus sinnvoll, die Chance für den Auf- und Ausbau einer Drittsprache zu nutzen. Die Wahl eines international operierenden Unternehmens, idealerweise mit bestehenden geschäftlichen Kontakten nach Deutschland, erhöht Ihren Stellenwert im Unternehmen (Nutzung Ihrer Bilingualität) und erleichtert die eventuelle Rückkehr in die Heimat mit und ohne Arbeitgeberwechsel. Ein erfolgreicher Berufseinstieg als Ingenieur in Konzernen wie beispielsweise BT British Telecom, Glaxo Welcome oder Rolls Royce erhöht Ihren Marktwert sicherlich deutlicher als ein Start in einem mittelständischen osteuropäischen Produktionsbetrieb. Empfehlenswert ist generell ein Einstieg über Traineeprogramme in Großkonzernen. Etliche Unternehmen bieten ihren Trainees schnellere und nachhaltigere Entwicklungsmöglichkeiten im Vergleich zu eingekauften Managern, da sie stärker gefördert werden, über ihre Trainee-Kollegen ein stabiles und weitreichendes Netzwerk aufbauen können und zudem die Firmenkultur in ihrer reinsten Form leben und weitervermitteln. Achten Sie darauf, einen Manager als Mentor an die Seite gestellt zu bekommen, der sich intensiv um Ihre Ausbildung kümmert und Sie in Ihren beruflichen Interessen unterstützt. Wichtig ist dabei, dass das Unternehmen seine Mentorenrolle unterstützt. Die Einstiegsgehälter variieren im Ausland je nach Unternehmensgröße, Markt, Position und Land. Bei dem Versuch, das jeweilige lokal ausgezahlte Gehalt in DM umzurechnen, müssen zusätzlich Währungsschwankungen einbezogen werden. In vielen Stellenangeboten im Ausland wird das Anfangsgehalt bereits in der Ausschreibung häufig offen kommuniziert. Lassen Sie sich gerade in Traineeprogrammen nicht von geringen Einstiegsgehältern abschrecken, da die Steigerungen sehr interessant sein können. Es ist durchaus möglich, das Anfangsgehalt nach Abschluss der Traineezeit mehr als zu verdoppeln. Die Möglichkeiten, die Berufslaufbahn im Ausland zu starten, sind vielfältig. Nutzen Sie die enormen Möglichkeiten des Internets, stellen Sie Ihr anonymisiertes Profil entsprechenden Seiten zur Verfügung, suchen Sie die Internetauftritte von interessanten Firmen aktiv nach Stellenangeboten ab. Bewerben Sie sich initiativ bei interessanten Firmen. In vielen Ländern bemühen sich Unternehmen vermehrt, junge Ingenieure direkt aus der Hochschule heraus anzuwerben. Versuchen Sie, an diese Angebote, die oft in speziellen Karrierezeitschriften im Universitätsbetrieb ausliegen, über Bekannte oder die Universitätsverwaltung heranzukommen. Lesen Sie die Angebote der jeweiligen internationalen Zeitschriften und machen Sie von möglichen privaten Kontakten Gebrauch. Das Ausland bietet eine weitere große Chance: Diplomierte Ingenieure, die Ihr spezielles Fachgebiet kurz- oder langfristig nicht ausschließlich verfolgen möchten, werden feststellen, dass besonders Unternehmen aus dem angelsächsischen Wirtschaftsraum im Gegensatz zur typisch deutschen Kultur ihre Nachwuchskräfte häufig aus disziplinarübergreifenden universitären Fachrichtungen heraus rekrutieren. So kann es für in der Datenverarbeitung versierte Maschinenbauer z.B. durchaus interessant sein, im Ausland über ein Traineeprogramm im IT-Sektor Karriere zu machen. Auch für Ingenieure, die Ihren Schwerpunkt im Vertrieb sehen, ergeben sich hervorragende Möglichkeiten, sich über Traineeprogramme für sehr interessante Positionen zu empfehlen. Es gibt keine allgemeine Empfehlung für den optimalen Zeitrahmen einer Auslandstätigkeit, da die entscheidenden Faktoren sehr variabel sind. Ein zu langer Aufenthalt im Ausland kann Sie für den deutschen Arbeitsmarkt u.U. schwer vermittelbar machen. Hier spielt wieder die Wahl des Unternehmens eine wichtige Rolle: Haben Sie acht Jahre lang bei einem Mittelständler in einer stets gleichen Stellung identische Aufgaben ausgeführt, dann ist der ideale Absprungszeitpunkt sicherlich überschritten. Nutzen Sie hingegen die gleiche Zeit in einem international renommierten Unternehmen, sich z. B. über den Berufseinstieg hinein in Mittelmanagement-Positionen (Vertrieb, IT, Forschung, Entwicklung u. a.) zu entwickeln, können Sie Ihren Rückkehrtermin wesentlich entspannter avisieren. Wichtig auch hier: Kommunizieren Sie dem Unternehmen Ihre langfristigen Rückkehrabsichten und warten Sie ab, welche Möglichkeiten Ihnen geboten werden. Den idealen Absprungtermin für Ihre Rückkehr müssen Sie selber feststellen: Wann haben die Sprachkenntnisse optimales Niveau erreicht? Wann bietet das Unternehmen keinen weiteren Entwicklungsraum mehr? Wann ist der Marktwert für eine Anstellung in Deutschland am größten? Egal, welchen Einstieg Sie wählen: Wenn Sie sich entscheiden, bereits nach ein bis zwei Jahren in Ihre Heimat zurückzukehren, ist fast jeder Auslandseinsatz eine positive Bereicherung für Ihren Lebenslauf. Planen Sie hingegen, innerhalb des Konzerns zu verweilen oder nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren, werden o. a. Aussagen selbstverständlich obsolet. Sie benötigen keine perfekten Sprachkenntnisse, um eine Anstellung im Ausland voranzutreiben. Idealerweise beherrschen Sie die jeweilige Sprache jedoch in einem brauchbaren Maß. Sie werden überrascht sein, wie schnell Sie Ihre Sprachkenntnisse erweitern, wenn Sie zur Kommunikation in einer Landessprache gezwungen sind. Nutzen Sie dennoch alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, Ihre Fremdsprachenkenntnisse bereits heute zu optimieren, um zu Beginn Ihrer neuen Anstellung bereits eine Schwierigkeit weniger zu haben. Im EU-Raum ist eine neue Anstellung mit sehr wenig bürokratischen und administrativen Problemen behaftet. Die benötigten Dokumente sind einfach zusammenzustellen und werden Ihnen vom ausländischen Unternehmen mitgeteilt. Planen Sie, den EU-Raum zu verlassen, erkundigen Sie sich bereits im Vorfeld über die jeweiligen unterschiedlichsten bürokratischen Anforderungen, die sich durchaus nervenaufreibend gestalten können. Natürlich dürfen Sie weitgehende Hilfe von dem jeweiligen Unternehmen erwarten. Für detaillierte Informationen wenden Sie sich auch an die jeweiligen Konsulate und Botschaften, die Handelskammern und / oder an die verschiedenen Stiftungen, die Auslandsaufenthalte durch verschiedenste Mittel fördern können. Wenn Sie sich für eine Anstellung im deutschen Raum entschieden haben, aber an einem späteren Einsatz im Ausland stark interessiert sind, ist es ratsam, diesen Wunsch bereits im Bewerbungsgespräch anzusprechen und die Möglichkeit der Entsendung in Ihre Entscheidung einfließen zu lassen. Wenn Sie und Ihr Unternehmen schließlich vor der Entscheidung der befristeten Versetzung stehen, sind eine Vielzahl an wichtigen Punkten zu klären: Wieder einmal gibt es keine generelle Voraussetzung für eine erfolgreiche Entsendung ins Ausland, da die Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden müssen. Beurteilen Sie gemeinsam mit Ihrem Unternehmen, welche Voraussetzungen Sie konkret benötigen, um in der neuen Position erfolgreich zu werden. Ein Einsatz in Wien erfordert ein vollkommen anderes Anforderungsprofil als ein Einsatz in Phnom-Penh. So schlicht diese Einsicht ist, so häufig wird sie in der Praxis übergangen. Pflegen Sie während Ihrer Tätigkeit im Ausland unbedingt einen intensiven Kontakt nach Deutschland zur Personalleitung, Geschäftsleitung und zu einem weiten Kreis von Kollegen. Auch mit dem besten Personalentwicklungsplan können Sie ohne aktive Kontaktpflege sehr schnell zu Hause in Vergessenheit geraten und bei für Sie wichtigen Entscheidungen übergangen werden. Die schlechte Nachricht vorab: Die Zeiten der äußerst generösen ExpatriatKompensationen (Gehälter für ins Aus land entsendete Mitarbeiter) sind vorbei. Prüfen Sie ebenfalls sehr kritisch, wie die Entsendung Ihre beruflichen Perspektiven beeinflusst. Ist ein solcher befristeter Auslandsaufenthalt Teil der Unternehmenskultur für Führungskräfte? Oder stellen Sie sich mit der Entscheidung weitab der deutschen Zentrale auf ein Abstellgleis, während Ihre Kollegen im Heimatland mit ihrer Karriere an Ihnen vorbeiziehen? Wie gestalten sich Ihre Perspektiven nach der Rückkehr nach Deutschland? Ist die Entsendung in einen weitgesteckten Personalentwicklungsplan eingearbeitet? Das ist verständlich, da die primäre Motivation für einen Auslandseinsatz sicherlich nicht kurzfristiger finanzieller Natur sein sollte. Weiterhin ist nicht verständlich, warum ein Ingenieur für eine Entsendung von Hamburg nach Amsterdam stärker kompensiert wird als sein Kollege für den Umzug in das Münchener Werk. Dennoch muss es ein Ziel Ihres Unternehmens sein, zusätzlich zur immateriellen Motivation genügend finanzielle Anreize zu bieten, um Ihren Abschied nicht unerträglich schwer zu machen. Dabei sind die Wege der finanziellen Gestaltung vielfältig. Die Bezahlung kann sich am Gehaltsgefüge des Heimatlandes(home-country-based), des Einsatzlandes (host-country-based), des Landes der Unternehmenszentrale (headquarters-country-based) oder der jeweils günstigeren Variante der Homeoder Host-Country-Variante orientieren. In vielen Unternehmen hat sich jedoch die praktische Nettovergleichsrechnung (home-country-based) durchgesetzt: Nettoeinkommen, das bei Verbleib in Deutschland zur Verfügung gestanden hätte (Brutto- jahresgehalt – Steuern – Sozialversicherung – Wohnkosten) + Kaufkraftausgleich (Wechselkursabhängig) + Mobilitätszulage u. a. abhängig davon, ob ein ebenfalls in einem Beschäftigungsverhältnis stehender Lebenspartner aus seiner Anstellung „herausgekauft“ werden muss + Erschwerniszulage (von ca. 10 Prozent in EU-Ländern bis 50 Prozent in Staaten wie z.B. Kolumbien oder der Elfenbeinküste) = Nettozieleinkommen im Ausland Über diese Größe muss dann das Bruttoeinkommen des jeweiligen Landes errechnet werden. Ein lediger Chemieingenieur, der ein Nettoeinkommen in Höhe von 35 000 DM nach obiger Rechnung erhält und nach Amsterdam versetzt wird, kann situationsbedingt mit einem Nettozieleinkommen in Höhe von vielleicht 40 000 DM rechnen. Ein Maschinenbauingenieur mit Familie und einem Nettoeinkommen in Höhe von 50 000 DM, der befristet in den Iran versetzt wird, darf u. U. ein Nettozieleinkommen in Höhe von 90 000 DM erwarten. Da jedoch die Entsendung von Mitarbeitern unterschiedliche Dringlichkeit aufweisen kann, jedes Unternehmen sein eigenes Rechenmodell zugrunde legt und sich Wechselkurse und Gefahrenpotenziale in Entsendungsländern ändern können, hat keine Lösung Allgemeingültigkeit. Unternehmen und Mitarbeiter müssen sich letzten Endes in der Frage des „Bestechungsgeldes“ einig werden. Der bestehende Arbeitsvertrag wird nicht aufgelöst, sondern ruht, während der neue Vertrag in Kraft tritt. Folgende Bestimmungen müssen im Falle der befristeten Versetzung ins Ausland dokumentiert werden: • Die Dauer der Auslandstätigkeit • • • Die Währung des auszuzahlenden Gehaltes Zusätzliche mit der Entsendung verbundene Geld- und Sachleistungen Vereinbarungen über die Rückkehr des Mitarbeiters Aufgrund des in Deutschland für Arbeitnehmer eher freundlich gestalteten Arbeitsschutzrechts ist es im Allgemeinen ratsam, das deutsche Recht zugrunde zu legen. Verbleiben Sie unbedingt in der deutschen Sozialversicherung. Schließen Sie eventuell nötige Zusatzversicherungen (Unfallversicherung, Rechtschutzversicherung, Lebensversicherung, Auslandsreisekrankenversicherung etc.) im Vorfeld ab, damit hinterher keine bösen Überraschungen auf Sie warten. Achten Sie neben diesen elementaren Aspekten des Versetzungsvertrages ebenfalls darauf, dass alle Geld- und Sachleistungen explizit aufgeführt sind, da deren Nichterbringung Ihre finanzielle Planung empfindlich stören kann. Darunter fallen die Regelung der Kostenübernahme von Heimatreisen, des Umzuges, der Schulbildung Ihrer Kinder, der Unterkunft, des Dienstwagens etc. Behalten Sie stets die entscheidenden sozialen Komplexe einer Versetzung ins Ausland im Auge. Können Sie sich vorstellen, die notwendigen sozialen Kompetenzen für eine erfolgreiche Versetzung mitzubringen? Besitzen Sie genügend Offenheit für eine gelungene Integration in die Kultur des jeweiligen Gastlandes? Wird Ihre Familie Sie begleiten? Werden Sie in Ihrer Entscheidung von Ihrer Familie unterstützt? Wie wird Ihr Lebenspartner den Aufenthalt sinnvoll gestalten können? So manche Entsendung ist bereits an der fehlenden Integrationsfähigkeit der Familienangehörigen vorzeitig gescheitert. Generell ist ein befristeter Auslandsaufenthalt empfehlenswert. Voraussetzung dafür ist jedoch die sehr sorgfältige Prüfung der eigenen Ressourcen, der Karriereplanung, der Unternehmenskultur und der im Ausland zu besetzenden Position. Es gibt durchaus Konstellationen, die eine Entsendung nicht ratsam erscheinen lassen. Dennoch, Fremdsprachenkenntnisse und im Ausland erworbene sogenannte „Soft Skills“ sind harte Faktoren, um Ihren beruflichen Erfolg in einer Arbeitswelt mit ständig wechselnden Rahmenbedingungen abzusichern. Felix Kronlage Der Autor ist Agraringenieur (FH), MBA, hat mehrere Jahre Berufserfahrung und ist heute tätig als Management Consultant bei Mercuri Urval, einer der führenden international tätigen Unternehmensberatungen im Bereich Personalauswahl und Organisationsentwicklung.