1 Kann mit weniger Fachunterricht nachhaltig und individualisiert gelernt werden? Ergebnisse der Lernwerkstätten und des Basiswissens an der Heinrichvon-Stephan-Schule, Berlin Die 2008 mit 95%iger Zustimmung des Kollegiums aktiv getroffene Entscheidung eine Gemeinschaftsschule werden zu wollen, setzte intern einen großen Umdenkprozess in Gang. Die Heinrich-von-Stephan-Schule verließ die zuvor erfolgreichen Pfade einer Integrierten Haupt- und Realschule- vielleicht nicht ganz zufällig- fast genau die Art Modell der weniger Jahre später mit der Schulstrukturreform erfolgten Schaffung von integrierten Sekundarschulen als staatlicher Regelschule neben dem Gymnasium. Die von uns bereits Jahre zuvor aufgegebene Aufhebung äußerer Differenzierung musste nun in das Konzept einer gemischten Schülerschaft eingepasst werden, die von gymnasialempfohlenen Schülerinnen und Schülern (SuS) bis hin zu Kindern mit speziellen Förderbedarfen gerecht werden sollte und weiterhin soll. Welche Bedingungen sind notwendig um diese Lerngruppen adäquat und motivierend zu unterrichten? Wie lassen sich verbindliche Inhalte differenziert vermitteln? Wie organisiert man Selbstlernprozesse in strukturell festgelegten Rahmen? Welche Unterstützungen sind möglich, wenn möglichst alle SuS nach ihren ganz persönlichen Neigungen und Fähigkeiten arbeiten? Welche Rolle haben die Lehrenden in freien Lernprozessen? Welche Rückmeldungen bekommen die Schüler/-innen? Ausgehend von den Bedürfnissen von Jugendlichen kurz vor, während und nach der Pubertät suchten wir nach Ideen und Konzepten, die deren Interessen zu großen Teilen einfließen lassen sollten. Das Lernen in immer gleichen Räumen, mit kurzen 2 Intervallen und zu vorgegebenen Themen kann systemisch in heterogenen Gruppen nicht funktionieren. Innerhalb einer Klasse, die wir beschlossen jahrgangsgemischt 7/8 und 9/10 zu organisieren, beträgt u.a. die Altersspanne bis zu drei Jahre. Wir erdachten also eine Organisationsstruktur, mit einem möglichst hohen Anteil an Selbstwahlmöglichkeiten für die SuS. In zunächst acht Stunden „Projekt“ und vier Stunden Wahlpflichtunterricht konnten sie in mehr als einem Drittel der Woche Themen und oder Fächer mit- oder selbst bestimmen. Ergänzend fand Fachunterricht in Mathematik, Englisch, Sport und Arbeitslehre sowie ein in Übungseinheiten gegliederter Unterricht zu Basiskompetenzen in v.a. Deutsch statt. Sowohl die natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächer als auch die Künste waren nunmehr Bestandteil überwiegend epochaler Projekte. Damit entstand ein Unterrichtsblock, der im Spannungsfeld zwischen frei entdeckendem Lernen und vorgegebenen fachwissenschaftlichen existierte. Die verschiedenen Fachinhalte und Methoden mussten ja auf irgendeine Art thematisiert werden. Folglich hatten Projektthemen wie „Erfindungen und Entdeckungen“ oder „Berlin“ künstlich konstruierte Bezüge zu Basisinhalten wie die „Eigenschaften von Metallen“ oder die „Musik des Blues“. Das frei geplante Entdecken von möglichen Assoziationen zu Themen wurde lehrer/ innenseits kanalisiert und vorgegeben, damit eingeschränkt und somit vom Wortsinn ad absurdum geführt. Mit dem Hochwachsen der veränderten Unterrichtsstruktur in der gesamten Mittelstufe bis Jahrgang 10 wurde die Diskussion vom nunmehr gesamten Kollegium dahingehend entschieden, dass die neuen „Projekte“ vom so genannten Basiswissen abgekoppelt wurden. Die Kernforderung, freie Lernzeiten zu schaffen, wurde beibehalten und endlich auch realisiert. Der Ansatz, parallel dazu aber Fächerwissen zu vermitteln, aufgegeben. Diese neue Lernzeit nennen wir die „Lernwerkstätten“, denn nur die Werkzeuge und der Raum werden gegeben oder ggf. vermittelt, der Inhalt aber von den SuS selbst entwickelt. Die in den Rahmenlehrplänen ausgewiesenen Unterrichtsinhalte werden für die Unterrichtsvorbereitung von den jeweils etwa 2-3 vorbereitenden Kolleg/-innen in ihrer Relevanz „überprüft“. Möglichst zwei Fach- und ein/e Nichtfach-Kolleg/-innen ent- 3 schlacken und verdichten, denn die freie Lernzeit für die Lernwerkstätten wird aus anteiligen Stunden aller beteiligten Fächer gewonnen: den Naturwissenschaften Biologie, Chemie, Physik, den Gesellschaftswissenschaften Geschichte und Geografie sowie Kunst, Musik und Ethik. ! Wie lassen sich verbindliche Inhalte differenziert vermitteln? Der Basisunterricht In ein- bis mehrwöchigen Epochen vermitteln die kooperierenden Klassenlehrer/innen ein auf möglichst vier Niveaustufen (A-D) entwickeltes Fach- und Methodenwissen. Niveaustufe A beschreibt dabei alltagsrelevante Tatsachen oder Phänomene und kann von leistungsstärkeren SuS fast immer bereits nach einer Betrachtung der Fragestellungen in der Kenntnis „Das kann ich schon“ übergangen werden. Von B nach D steigern sich Anspruch und Komplexität der Aufgaben. Das Unterrichtsmaterial ist überwiegend selbsterklärend, aber bietet neben Individual- auch Partner- oder Gruppenaufgaben. Für Aufgaben mit eingegrenzter Lösung werden von den SuS Selbstkontrollbögen verwendet. Zahlreiche Inhalte eignen sich die SuS über vorhandene oder selber zu erstellende Lernkarteien an. Diese Methode wird in verschiedenen Fächern sowohl zur Erarbeitung als auch zur Übung eingesetzt. Auf der Vorderseite findet sich ein Auftrag oder Begriff, der erläutert werden soll oder zum Teil Aufforderungen beinhaltet. Abbildungen: Basisfragen Lernkartei Foto: Schüler mit Lernkartei Ein Teil der wöchentlichen Basisstunden wird zur Wiederholung und Vertiefung des Erlernten verwendet. Individuell erstellte Lernkarteikarten zu den behandelten Fächerthemen verwenden die SuS Wochen oder Monate später zur Festigung in den fest im Stundenplan verankerten Basis-Wiederholungsstunden. Dies erfolgt in unserer Erkenntnis, dass zwar zuvor bei uns weniger als an anderen Schulen vermittelt wurde, dieses Wissen aber längerfristig abrufbar ist. In der ersten Phase der Gemeinschaftsschule waren die Lernfortschritte der SuS insbesondere in den naturwissenschaftlichen tatsächlich gering, wie uns die wissen- 4 schaftliche Begleitung der Universität Hamburg und dem Unternehmen RambollManagement vermittelte. Die im Ansatz richtige Idee: „Weniger ist mehr!“ wurde dann in der zweiten Evaluationsphase eindrucksvoll bestätigt. In allen Kompetenzbereichen, neben den Naturwissenschaften auch Englisch, Mathematik und im Deutschen die Orthografie und das Leseverständnis, erzielten die SuS signifikante Lernfortschritte, die keinen Vergleich zu normierten Bezugsgruppen auch anderer Schulformen zu scheuen brauchten. Abbildungen: Schulbezogene Ergebnisrückmeldung Lernstandserhebung Jahrgangsstufe 9, Universität Hamburg + Ramboll Management, 2015, S.34 u. 38 Obwohl die SuS weniger Fachunterricht hatten, lernten sie mehr und hatten darüber hinaus in den Lernwerkstätten die Möglichkeit sich mit ganz eigenen Fragestellungen zu beschäftigen. Überprüft wurden die erreichten Niveaustufen während der Epochen jeweils durch Kurztests, die bei Misserfolg nach einer erneuten Übung wiederholt werden konnten. Abbildung: Lernteppich mit wenig Inhalt, aber klarem Aufbau bietet Redeanlässe Wie organisiert man Selbstlernprozesse in strukturell festgelegten Rahmen? Die Lernwerkstätten Die Lernwerkstätten sind die auch zeitlich intensiven Phasen, in denen die unterschiedlich motivierten und vorerfahrenen SuS sich mit Themen beschäftigen, die sie im Idealfall wirklich, wirklich interessieren. Bereits in dieser Formulierung steckt der Knackpunkt des Gelingens eines Forschungsprozesses. Hat oder findet jedeR Einzelne einen Aspekt, der motivierend, interessant und ergiebig genug ist, sich damit sechs bis acht Wochen zu beschäftigen und eine angemessene Ergebnispräsentation zu liefern? 5 Eingeleitet werden Themen oft durch „entflammte“ Lehrer/-innenvorträge. Doch auch assoziatives Brainstorming oder frühe Recherchen zu Schlagwörtern sollen Überschriften wie „Ware – Wirtschaft – Wert“ oder „Sucht und Sehnsucht“ in ihrer Breite darstellen und zum Mitdenken einladen. Nicht selten sind SuS erfreut, dass eine Darstellung ihres Heimatlandes zum Thema „Sehnsucht“ passen kann, wenn eben dieser Aspekt (Was zieht mich eigentlich dorthin? Was vermisse ich an meiner zweiten Heimat Berlin?) ausreichenden Raum in der Darstellung findet oder die „Entstehung und der Verkauf eines Döner Kebabs“ ganz pragmatisch unter ökonomischen Gesichtspunkten erarbeitet werden dürfen. Die Möglichkeit „ich darf mich sogar mit … beschäftigen und muss nicht immer … lernen“ ist zugegebenermaßen nach einer Anfangseuphorie auch Abnutzungserscheinungen ausgesetzt. Vermeintlich immer gleiches Lernen nach dem stereotypen Vorgehen Themensuche Fragen entwickeln recherchieren präsentieren gilt es zu vermeiden und dabei doch genau diese Kompetenzen zu entwickeln. Die 3 Fs: Fragen! Forschen! Formulieren! sind die Leitmotive und Grundlage allen Lernens. Welche Unterstützungen sind möglich, wenn möglichst alle SuS nach ihren ganz persönlichen Neigungen und Fähigkeiten arbeiten? Welche Rolle haben die Lehrenden in freien Lernprozessen? Oft haben Neugierige eine erste Idee, womit sie sich beschäftigen wollen, manchmal auch mehrere, während ein anderer Teil der Schülerschaft ratlos der großen Aufgabe gegenüber steht. Gründe dafür können Überforderung, Desinteresse am Oberthema oder allgemeine Unlust sein- in jedem Fall beginnt hier der Beratungsauftrag der Lehrenden. „Was könnte dein Thema sein?“ „Worin hast du schon Vorerfahrungen?“ „Zu welchen Teilen deines Lebens gib es Berührungspunkte?“ Sinnvollerweise sind die Lernwerkstattzeiten im Stundenplan doppelt gesteckt, um Zeit für individuelles Fördern zu haben. Dem Erstgespräch folgen ggf. zeitnahe weitere bis das Erarbeitungsthema gefunden wurde. Im anschließenden Prozess des Strukturierens benötigen oft die gleichen SuS viele Hilfen. Ein kleinschrittiges Vorgehen mit dialogischer Rückmeldung bringt oft die besten Ergebnisse. 6 Den Beginn des „Forschens“ zu einem Thema kann das Sammeln des Vorwissens (blau) und der Aspekte, die man erfahren möchte (rot), in einer zweifarbigen Mindmap bilden. Die entstehende Themenvielfalt der Erforschung seitens der SuS ist vorab fast gar nicht planbar, sodass die nächste Phase kaum vorbereitet sein kann. Für die Recherche können und sollen alle verfügbaren Medien genutzt werden, doch die Medienkompetenz muss ebenfalls erst geschaffen werden. Büchereibesuche, systematische Lesetrainings, Kartenarbeit, Internetrecherche in altersangemessenen Suchforen und vor allem die Befragung von Experten sowie das Aufsuchen von Einrichtungen, die sich im weiteren Sinn mit diesem Thema beschäftigen, müssen von den Lehrenden vermittelt werden. In dieser Phase ist die Spanne der Lernkompetenzen am weitesten. Einige SuS beginnen mit dem Nachschlagen in den vorhandenen Schriften des Klassenraumes oder der Schülerbücherei und können je nach Vorkenntnissen in der Textarbeit unterstützt werden. Doch wie finde ich Informationen zur „Spielsucht durch Internetspiele“? Aktuelle Themen oder z.B. soziologische Fragen sind durch Bücher und Zeitschriften für SuS kaum recherchierbar und oftmals auch nicht im schulischen Bestand vorhanden. Daher ist der Computer phasenweise das zentrale Medium. Die Schule hat neben zwei PC-Räumen und LAN sowie W-LAN in den Klassen eine akzeptable Ausstattung mit netzfähigen Geräten, doch es bedarf eines großen Vertrauens gegenüber den SuS, dass diese das Internet jeweils so nutzen, wie es in der jeweiligen Phase geboten ist. Seriöse und dennoch verständliche Webseiten selbst aufzuspüren: „Wie bilde ich sinnvolle und erfolgreiche Suchbegriffe“, YouTubeVideos vorab auf informative Tauglichkeit einzuschätzen (und dieses zu wollen!) – das überfordert einige in einer heterogenen Gemeinschaft. Und dennoch haben die vergangenen Jahre und ihre Lernwerkstattergebnisse gezeigt, dass durch die große Bindung des Klassenleitungsduos an ihre Lerngruppe sie diese sehr gut kennen und Einzelne gut fördern können. Als eine sinnvolle LehrerInnenunterstützung in einer Werkstattstunde erweist sich die Kenntnis vorhandener Webseiten oder Bücher, die man – nur für diejenigen, die Motivations- oder Strukturprobleme haben (!) selber vorab recherchiert hat und beispielsweise in einer Link- 7 sammlung bündelt und ausdruckt. In der Gesamtheit forschten die SuS zielorientiert und blieben am Thema. Die größten Hemmnisse zeigen sich bei der uns zentralen Forderung an sie, externe „Experten“ befragen zu müssen. „Wer ist ein Experte?“ Erst einmal jeder, der wirklich mehr darüber weiß als ich selber. Welche Menschen befassen sich zum Beispiel beruflich mit meinem Thema? Wie finde ich diese heraus? Wie trete ich mit ihnen in Kontakt? Wie schreibe ich eine E-Mail, … frage ich am Telefon nach? Wie vereinbare ich einen Termin, um meine Fragen stellen zu können? Welche Fragen kann, soll, muss ich stellen? Welche Fragen gehen nicht? Wie komme ich zu meinem Experten – (=Orientierungskompetenz…) Wie führe ich ein Gespräch, wie frage ich nach ohne nur die Antworten zu sammeln… Derartige Fragen können in Lehrgängen besprochen werden oder instruierte SuS multiplizieren ihr Wissen. Zur Frage der „Spielsucht“ würden in einer Beratung sicherlich die (in Berlin zahlreich vorhandenen) Beratungsstellen genannt werden, bei denen die SuS sich weitere Informationen beschaffen könnten. Das Vereinbaren und Wahrnehmen eines Termins in wenigstens einer dieser Stellen würde verpflichtend gemacht und überprüft werden. Dieses ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der täglichen Realität der Lernwerkstätten an der HvS- doch ein sehr bedeutsamer. Und im Laufe der derzeit vier Lernwerkstattjahre (perspektivisch durch unsere eigene Grundstufe viel mehr!) bekommen die SuS immer mehr Antworten und vor allem mehr Zutrauen in sich selber. Von Beginn der 7. Klasse an müssen sie die Schulräume verlassen, um das Umfeld als Lernfeld zu erfahren. In Kleingruppen, später durchaus auch alleine, erkunden sie den Lebens-, Kultur- und Naturraum Berlin und planen Exkursionen in Museen oder Interviews zunehmend selbstständiger. Welche Rückmeldungen bekommen die Schüler/-innen? Nach einer Phase der unterstützten Forschung präsentieren die SuS in Kleingruppen ihren Zwischenstand und bekommen Hinweise auf bereits Gelungenes und die Bereiche, in denen sie noch nacharbeiten müssen. Die Zwischenpräsentation hat Ernstcharakter: Wer bis dato nichts Vorzeigbares erarbeitete, bekommt das von Mitschüler/-innen und Lehrer/-innen offen gespiegelt. Zwischenbewertungen können, müssen aber nicht in die Abschlusseinschätzung ggf. die Benotung einfließen. 8 Die letzte Phase der Werkstattarbeit beinhaltet idealerweise das Aufnehmen und Verarbeiten der erhaltenen Hinweise und ist nun stärker auf das Erstellen der Präsentation fokussiert. Fachtermini sollen verständlich eingebunden werden. Soll es medial eher eine PowerPoint oder Prezi werden? Eine Wandzeitung? Ein Erklärvideo? Wie kann den Mitschülern das erstellte Portfolio gezeigt werden? Erneut steht der methodische Aspekt im Vordergrund. Daher fließen in die jeweils vier Lernwerkstätten eines Schuljahres in den Jahrgängen festgelegte Methodentrainings ein und jedeR SuS muss im Laufe der Jahre unterschiedliche Präsentationsformen wählen. Von leistungsstärkeren SuS wird zunehmend erwartet, dass sie ihre Themen selbstständig erarbeiten, verpflichtend ist ab einem vereinbarten Zeitpunkt der dokumentierte Austausch mit einem Experten, einer außerschulischen Institution oder einer Originalbegehung. Andernfalls kann die dargebotene Leistung nur in einem deutlich reduzierten Punktebereich bewertet werden. Auch Umfragen sind zu vielen Themen denkbar und beliebt, die Darstellung und Aussagekraft von erhobenen Daten wird mit zunehmender kognitiver Leistungsfähigkeit jedoch kritisch betrachtet. Noch nicht institutionalisiert, aber da wo es bereits durchgeführt wurde, war es stets erfolgreich, ist die „öffentliche Präsentation“ vor einem erweiterten als dem bloßen Klassenpublikum im Rahmen von Jahrgangsstunden, Elternnachmittagen o.ä. Den Wunsch sich erfolgreich zu präsentieren, erfüllten sich nahezu alle, ernteten Anerkennung und stärkten ihr Selbstbewusstsein. Grundsätzlich soll sich die Lerngruppe untereinander alle Ergebnisse zu den vielfältigen Themen präsentieren, doch auch hier gilt es durch Verschiedenheit Individualität zu erhalten. Vor allen zu sprechen, ist das Ziel; doch manchmal sind Kleingruppen für Nachfragen besser geeignet oder lädt ein Museumsrundgang zum Vertiefen in nur einige Themen von Mitschüler/-innen ein. Denn auch das Publikum interessiert sich nicht für alle Themen oder für die Vorträge aller Klassenmitglieder. SuS mit besonderen Bedürfnissen können in Kleingruppen besser ermutigt werden und auch eine leise Stimme ist dort kein Hindernis. Gemeinsam ist, dass in jeder Präsentationsgruppe vorab festgelegte Rückmeldespielregeln bekannt sind und eingehalten werden: 9 Der ersten Phase inhaltlicher Nachfragen gibt es als zweites die Lobrunde für die gelungenen Aspekte, gefolgt von dem dritten Teil der Hinweisrunde für künftige Präsentationen. Vor den Phasen 2 und 3 kann gelegentlich eine Selbsteinschätzung erfolgen, die einen Abgleich mit der Fremdwahrnehmung ermöglicht. Abschließend erfolgt die Gesamtbeurteilung, der sich die Lehrkraft zumeist anschließen sollte. Die zuvor in individuellen Gesprächen formulierten Lernerwartungen werden nun –auch zur Vergleichbarkeit- kritisch reflektiert und das Ergebnis bewertet. Möglicher Widerspruch seitens der Präsentatoren oder des Publikums kann dabei durchaus wertvolle Anlässe für Gespräche in Morgenkreisen bieten. Die in Jahrgang 10 in den Abschlussarbeiten verlangten Präsentationsprüfungen sind für 95% der SuS der HvS dann durch ihre langjährige Erfahrung von der Note her entsprechend ein Ausgleichsfach für die anderen Fächer. Welche übergeordneten Kompetenzen lassen sich in Forschungszeiten fördern? Insbesondere die SuS, die bereits nach der 10.Klasse die Schule mit einem Abschluss verlassen, sollen in jeder Lernwerkstatt auch einen Bezug zu ihrer Alltagsrealität herstellen und dabei soziale Interaktion und lebensnahe Zukunftskompetenzen trainieren: Fragen finden und stellen können Orte und Menschen mit Antworten herausfinden Antworten verstehen und / oder nachfragen sich in der Umwelt zurechtfinden Anderen diese Informationen weitergeben können Im kommenden Frühjahr wird mit den ersten Abiturprüfungen bei uns an der Schule der Erfolg unserer pädagogischen Arbeit noch anders gemessen werden als bisher. Doch wenn neben der wissenschaftlichen Begleituntersuchung auch die Abschlussergebnisse der 10. Klassen Vergleichen standhalten können, sollten sich weder die beeindruckend motivierten Schüler/-innen noch wir Lehrer/-innen ernsthafte Sorgen machen müssen. 10 Strukturelle Gelingensbedingungen für einen individualisierten Forschungsunterricht Zusammengefasst ergeben sich für einen gelingenden Individualisierungsunterricht in freien Forschungszeiten folgende Forderungen: fest implementierte Unterrichtszeiten möglichst viele Doppelsteckungen viel Unterricht in der Lerngruppe schafft eine enge Schülerbindung dadurch Kompetenzeinschätzung Vertrauen in die SuS Zwischenergebnisse einFORDERN und Nachsteuerprozesse einkalkulieren wertschätzende und ehrliche Rückmeldungen abschließende öffentliche Präsentationen mit Ernstcharakter Der Beitrag erschien im Januar 2016 in redaktionell überarbeiteter Form in der Zeitschrift "Gemeinsam Lernen".