PDF Artikel - kulturkloster altdorf

Werbung
schöner leben
Kraftort
In keltischer
Zeit ein Hei­
ligtum, dann
ein Kloster
und heute ein
blühender
Garten.
Der Alchemist
der Farben
Eduard Indermaur fängt die vergängliche Pracht
von Blumen und Sträuchern ein. Mit seinen Färberpflanzen
färbt er Wolle – leuchtend und dauerhaft.
Text Monika Horschik Fotos Christof Hirtler
W
ar es Schicksal oder das Wissen um färbende Pflanzen,
das Eduard Indermaur bewogen hat, im ehemaligen Kapuzinerkloster Altdorf, gegründet 1581, einen Färbergarten anzulegen? Beides. Seit bald vierzig
Jahren beschäftigt sich der 63-jährige Färber und Glasgestalter mit färbenden Pflanzen. «Färberpflanzen», erklärt er, «haben
mich seit meiner Ausbildung zum Werklehrer fasziniert. Ich wusste, sie würden
mich immer begleiten.»
Als das Kloster 2009 aufgelöst wurde
und einer der letzten Brüder ihm den
52
Schweizer Familie 36/2014
Klostergarten mit seinen terrassierten
Anlagen zeigte, war er hin und weg. Hier
wollte er seinen Traum eines Färberpflanzengartens verwirklichen. Hier oben in
Südlage über Altdorf mit weitem Blick.
«Laut Geschichtsschreibung», erzählt er,
«stand an dieser Stelle schon in keltischer
Zeit ein Heiligtum. Es ist eine Art Kraftort
in dem Sinn, dass man den vier Elementen wunderbar ausgesetzt ist. Es gibt Wasser, einen grossen Sonnengang, Raum,
Luft. Und man steht fest auf der Erde.»
Zusammen mit dem Ehepaar Gisler,
sie Musiktherapeutin, er Homöopath für
Mensch und Tier, legten Eduard Indermaur und seine Frau Margrit, künstlerische Gestalterin, der Korporation Uri
einen Vorschlag für die Neunutzung des
Klosters vor (siehe Box Seite 56). Ihr Konzept überzeugte, und die zwei Paare unterzeichneten 2010 einen zehnjährigen Mietvertrag. Vorigen Sommer wurde der
Klostergarten eröffnet. Schieferschilder
mit Name, Herkunft, Färbungseigenschaften erklären die Pflanzen samt historischem Hintergrund.
Denn Farben nicht nur an Pflanzen zu
bewundern, sondern sich seine Farbwelten ➳
Natur
Von zartem Blau
über Tiefrot und
leuchtend Gelb
zu Grasgrün:
Mit Pflanzen­
farben gefärbte
kardierte Wolle.
Wissen Eduard Indermaur
beschäftigt sich seit vierzig
Jahren mit Färberpflanzen.
Grün und Blau
kann man mit der
Indigolupine oder
Färberhülse
herstellen.
Schweizer Familie 36/2014
53
Terrassiert
beliessen die
neuen Mieter den
ehemaligen
Klostergarten.
Dottergelb erzielt
man mit den Blüten
des Mädchenauges.
selbst zu gestalten, war für Menschen aller
Kulturen von jeher ein Bedürfnis. Vor über
30 000 Jahren wurden mit Erdfarben wie
Ocker die ersten Höhlenmalereien geschaffen. Im 3. Jahrtausend vor Christus
kannten die Minoer auf Kreta bereits
pflanzliche Farbstoffe. Der Aufstieg der
Färberpflanzen begann und hielt an bis ins
Spätmittelalter. Auch Mönche zogen sie
neben Arzneipflanzen in Klostergärten.
Die hiesige Landbevölkerung früherer
Zeiten habe die in ihrer Umgebung wach54
Schweizer Familie 36/2014
«In Mitteleuropa leben wir
vornehmlich in einer gelben Welt
in allen Variationen.»
Eduard Indermaur, 63, Färber und Glasgestalter
senden Pflanzen zu färbenden gemacht,
erklärt Indermaur. Schöllkraut, Frauenmantel, Stinkender Storchschnabel, Schlüsselblume, zum Beispiel. Sie färbten mit
dem, wovon mehr als genug anfiel und
wozu man nicht viel Aufwand brauchte.
Man probierte einfach aus und brachte
mit Blüten und Blättern leidlich gute Farben hervor. Von Gelb, Gelb-Grünlich,
Braun-Gelblich, Cognac bis zu leichtem
Orange. Kräftige Farben aber fehlten. «In
Mitteleuropa», so Indermaur, «leben wir
vornehmlich in einer gelben Welt in allen
Variationen. Wir brauchen aber zur Farbgewinnung auch Rot und Blau.»
Deshalb baut Eduard Indermaur aus­ser
einheimischen auch exotische Färberpflanzen an. Intensiv rot färbende stammen vor
allem aus dem Süden. Blautöne vor allem
aus dem Fernen Osten.
Farbkraft in allen Pflanzenteilen
Welche Pflanze bringt aber nun welche
Farbe hervor? Und: Färbt man nur mit
Blüten? «Nein», sagt Indermaur, «vor allem mit Blättern, Rinden und Wurzeln.»
Klares Gelb liefern die Blätter und Blüten
aller Teile der Kanadischen Goldrute,
ebenso wie die Blätter der Artischocke,
des Mönchspfeffers und des grossblütigen
schöner leben
Orange
schenken die
Blüten der
Sulphur-Kosmee.
Besucher
finden im
Garten Infor­
mationen zu
den Pflanzen.
Gelb färbt neben der Artischocke und der
Kanadischen Goldrute auch der Mönchspfeffer.
Johanniskrauts. Die Blütenkörbe der Färberkamille, einer alten Färberpflanze, ergeben warmes Gelb. Brillantes Orange
gewinnt man aus den Blüten der SulphurKosmeen. Schon präkolumbianische Kulturen wussten das. Die gelben Blüten des
Mädchenauges ­(Coreopsis) bringen schöne
orange- und dottergelbe Töne hervor.
«Mich interessierten aber immer
auch Rinden», sagt Indermaur. Wurde im
Sommer irgendwo ein Baum gefällt,
schälte er etwas Rinde ab. Die man,
frisch geerntet und danach getrocknet,
über Jahre zum Färben aufbewahren
kann. Das intensive ApfelbaumrindenGelb ist seine Lieblingsfarbe. Kirschbaumrinde schaffe zwar auch Gelb, sei
aber mit der des Apfelbaumes nicht vergleichbar. Birkenrinde bringe ein ganz
feines Beige mit leichtem rosa Stich, Wei-
Anzeige
Schreinerqualität
statt Massenware.
10 × in der Schweiz!
Crissier/VD
Dietikon/ZH
Dübendorf/ZH
Emmen/LU
Galgenen/SZ
Granges-Paccot /FR
Hägendorf/SO
Lyssach/BE
Pratteln/BL
Rickenbach b. Wil/TG
Info-Service: 055 450 55 55
I d’diga muesch higa!
Entdecken Sie das grösste
Naturholzsortiment
der Schweiz!
WOHNEN • SCHLAFEN • KÜCHEN • BÜRO
www.diga.ch
denrinde ein warmes, fahles, Nussbaumrinde ein tiefdunkles Braun.
Rot liefern vor allem Pflanzen aus der
Familie der Rötegewächse (Rubiaceae).
Und zwar die Wurzeln. Diese Pflanzen
haben unscheinbare, kleine Blüten, dafür
lagern sie ihre Kraft in den Wurzeln. Wie
beispielsweise der einheimische Waldmeister und das Labkraut, mit rot oder
rötlich färbenden Wurzeln. Das kräftigste ➳
Kunstvoll
Ein Blütenkranz aus
pflanzengefärbter
Wolle von Margrit
Indermaur.
blütensud
Wolle wird in
einem Bad
aus SulphurKosmeen orange.
Alle Farben des Regenbogens bringt der
Färbermeister mit seinen Pflanzen zustande.
Wolle, Wasser
und Pflanzen
Im alten Waschhaus des Klosters
hat Eduard Indermaur seine
Färberei eingerichtet. Fast alle
Farben gewinnt er durch Aus­
kochungen der Färberpflanzen.
Er färbt Wolle und Seide für den
Gebrauch seiner Frau, die Gestal­
tungskurse mit naturgefärbter
Wolle anbietet. Zum Färben be­
nutzt er Flockenwolle, die nach
dem Scheren von Schafen abfällt.
Für eine kräftige Färbung von 500
Gramm Wolle bereitet er in einem
Topf einen Sud von knapp 29 Li­
tern. Mit diesem kann er meistens
zwei bis drei Färbungen machen.
56
Schweizer Familie 36/2014
Rot bringt die Krappwurzel (Rubia tinctorum) hervor. Wer sie zum Färben kultivieren will, gräbt sie erst nach dem dritten
Jahr aus.
Ein Tier mischt mit
Hilfreich für Rotfärbungen ist eine Schildlaus, die Cochenille, die einzige tierische
Farbe, die Indermaur verwendet. Entdeckt wurde sie von Spaniern, als sie Mexiko eroberten. Der Parasit saugt sich auf
den Blättern der Feigenkaktee (Opuntia)
voll und liefert nach Trocknung organischen roten Farbstoff. Die Cochenilles ermöglichen, so Indermaur, unvergleich­
liche Rottöne von Karmin und Scharlach
über kühle, blaustichige Rotfärbungen bis
zu Purpur und Violett.
Nun fehlt noch Blau. Der einheimische
Färberwaid (Isatis tinctoria), ein Verwandter von Ackersenf und Raps, färbt zwar
Blau. Ein tieferes Blau aber erzielt man mit
dem Indigostrauch (Indigofera tinctoria).
Da diese Pflanze aber nicht winterhart ist,
zeigt Indermaur in seinem Garten nur
einen nahen Verwandten, den Strauch
Indi­
gofera heterantha, der auch kalte
Winter überlebt. Mit der Indigolupine
oder Färberhülse (Baptisia australis) haben schon die Indianer Nordamerikas
­gefärbt und damit Grün und Blau erzielt.
«Das brillanteste Blau aber», gerät Eduard
Indermaur ins Schwärmen, «bringt eine
Färberpflanze Ostasiens hervor, der Färberknöterich (Polygonum tinctorium).»
Diesen Sommer hat er diesen versuchs-
schöner leben
Klares Gelb
gewinnt man aus
den Hochblättern
der Artischocke.
Kulturkloster Altdorf
Führungen und kurse: Nächste
Führung durch den Färbergarten:
14. September 2014, 13 Uhr. Garten
offen von 12 bis 16 Uhr. Weitere
­Führungen und Färber- und Gestaltungskurse sind für das kommende
Jahr geplant.
Kräftiges Blau ergeben
die fermentierten Blätter
des Indigostrauches.
Anzeige
weise ausgesät und hofft im nächsten Jahr
auf erste Resultate. Mit dieser Hoffnung
schliesst sich des Färbermeisters Farbkreis.
Nur ein Regenbogen mit seinen sieben
Spektralfarben Rot, Orange, Gelb, Grün,
Blau, Indigo und Violett ist trotz weitem
Blick nicht in Sicht. Doch all diese Farben
bringt ja Eduard Indermaur mit seinen
Pflanzen zustande.
●
Vermietung: Räume des Klosters
kann man für Hochzeiten, Feste, Versammlungen, Tagungen oder Seminare
mieten. Gästezimmer sind vorhanden.
Seminar- und Kursteilnehmern steht
der Garten während ihres Aufenthaltes offen.
Kulturkloster, 6460 Altdorf, Kapuzinerweg 22, Tel. 041 874 18 53/50,
[email protected]
www.pflanzenfarben.ch
www.kulturkloster.ch
Herunterladen