portfoliostrategie BESSERE ANLAGEENTSCHEIDE DANK ESG-INTEGRATION Roland Wöhr Während rein nachhaltige Anlagen noch immer ein Nischendasein in der «Bio-Ecke» fristen, ist das Interesse seitens Investoren und Asset Manager an einer Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in einem breiteren Sinn rasant gestiegen. Doch was versteckt sich hinter dem Schlagwort «ESG-Integration» konkret? B2B JUNI 2016 Immer mehr Investoren und Asset Manager gelangen zur Überzeugung, dass mit der Integration von Nachhaltigkeitsfaktoren bessere Anlageentscheide getroffen werden. Dies belegen bedeutende Investoreninitiativen wie die UN Principles for Res­ ponsible Investment mit weltweit über 1400 Unterzeichnern und Assets von 59 Bio. USD. Auch der 45 portfoliostrategie Auszüge aus dem ESG-Tool des fundamentalen Anlageprozesses am Beispiel der RWE AG analysen hinaus und umfasst die Beachtung von ESG-Faktoren. ESG-Indikator Unter «ESG-Integration» werden alle Ansätze verstanden, die ökologische (E), soziale (S) sowie Governance-Faktoren (G) in die traditionelle Finanzanalyse einbeziehen und die Risiken und Chancen daraus für bessere Anlageentscheide nutzen. Eine notwendige Voraussetzung für die ESG-Integration ist die Verfügbarkeit entsprechender Informationen. Da­­raus abgeleitete Risiken und Chancen können quantitativ in Bewertungsmodelle einfliessen oder als qualitativer Input zu einem Anlageentscheid beitragen. Die Umsetzungsmöglichkeiten und das Potenzial für neue Entwicklungen sind beträchtlich. Häufig ist bisher die Verwendung von ESG-Kriterien im Anlageprozess jedoch nicht systematisch geregelt und damit wenig transparent. Firma Sektor Environment Firma Sektor Best CO2-Fussabdruck in t(e)/USD Mio. Sales 22 Worst 2961 12401 Fragestellungen: Kontroversen in Umweltfragen Hohe Umwelteinflüsse Social Firma Sektor Best Reputations-Index (0 bis 100) 0 Worst 29 45 Fragestellungen: Arbeitssicherheit Arbeitsbedingungen Ausschlusskriterien Governance Firma Heimmarkt Best Governance Score (0 bis 100) Heimmarkt 100 Global Worst 7 1 20 Fragestellungen: Leadership (verschiedene Belange) Business Operations (verschiedene Belange) Aktionärsrechte (Streitfragen) Compensation (Link zur erbrachten Leistung, andere Aspekte) kürzlich durch bedeutende institutionelle Investoren gegründete Schweizer Verein für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen hat das Ziel, die Integration von ESG-Kriterien und Engagement-Ansätzen voranzutreiben. Das heutige Verständnis der treuhänderischen Pflicht bei der Vermögensverwaltung geht zunehmend über klassische Finanz­ 46 Risiken schnell im Blick Als Innovation startet nun die Zürcher Kantonalbank bei allen aktiven Aktienanlagen mit der systematischen Integration von ESG-Faktoren. Das Ziel der Anlagephilosophie besteht darin, überdurchschnittliche Renditen durch die Identifikation von Unternehmen zu erzielen, die attraktiv bewertet sind und einen bewährten Management-Leistungsausweis sowie ein qualitativ hochwertiges Geschäftsmodell aufweisen. Die Aktien werden dazu in einer detaillierten Fundamentalanalyse bewertet. Dabei werden ESG-Faktoren berücksichtigt, um materielle Risiken zu erkennen, die noch nicht in der Bewertung eingepreist sind. Zentral für den praktischen Einsatz bei den über zwanzig Analysten und Portfoliomanagern sind die schnelle Verfügbarkeit sowie die Relevanz und Verständlichkeit der Informationen. Dazu wurde eigens ein Tool entwickelt, das auf Knopfdruck die relevanten Umwelt-, Sozial- und Governance-Daten für ein beliebiges Unternehmen übersichtlich auf einer Seite zusammenstellt (s. dazu Abildung links) und folgende Abschnitte enthält: • Bewertung eines Unternehmens in den Dimensionen Umwelt, Soziales und Governance (grafisch dargestellt), sowie Warnhinweise auf kritische Punkte beim Unternehmen • relevante Datenpunkte zur Corporate Governance • Key Performance Indicators und Fragen für Engagement-Aktivitäten bei Meetings mit dem Management der Unternehmen. B2B JUNI 2016 portfoliostrategie Rote Ampel für Kohlestrom Mit dem deutschen Energieversorger RWE AG als konkretes Unternehmensbeispiel werden ausgewählte Punkte des ESG-Tools vorgestellt. Anhand des ESG-Indikators – einer vereinfachten Analyse, die pro Dimension (Umwelt, Soziales und Governance, gleichgewichtet) auf einem zentralen Kriterium beruht – erkennt man schnell, dass RWE im roten Bereich der Skala angesiedelt ist. Der Indikator Umwelt (Environment) zeigt weiter auf, dass die CO2Emis­sionszahlen des Unternehmens (in Relation zum Umsatz) hoch sind; bei RWE macht Kohlestrom rund 40 % der Produktionskapazität aus. Zudem werden rote Warnhinweise vergeben aufgrund von Umweltkontroversen, etwa wegen der Umweltbelastungen durch den Kohleabbau und der ungedeckten Kosten für den Rückbau der Kernkraftwerke sowie aufgrund der starken Umweltauswirkungen des Stromsektors. Im Bereich Soziales werden unter anderem Vorfälle bei der Arbeitssicherheit erwähnt. Bei der Corporate Governance von RWE sollten etwa Führung, Entlöhnung oder Aktionärsrechte kritisch beurteilt werden. Detailliertere Angaben im ESG-Tool zeigen zum Beispiel für den Bereich Führung (Leadership) eine ungenügende Unabhängigkeit des Verwaltungsrates, des Audits und des Vergütungs-Komittees. Insgesamt geben knapp 60 Indikatoren zu Leadership, Entlöhnung, Aktionärsrechten sowie Accounting & Reputation detaillierte Informationen zu möglichen Risiken bei der Unternehmensführung. So kann der Analyst relevante ESG-Risikohinweise schnell erkennen und beurteilen, ob diese in der Unternehmensbewertung bereits enthalten sind oder ob grundsätzliche Vorbehalte gegenüber dem Geschäftsmodell bestehen. Verständnis für ökonomische Haupttreiber Entscheidend für erfolgreiches Investieren ist das Verständnis der ökonomischen Treiber eines Sektors. ESG-Thematiken sind für viele Branchen materiell. Die besonders relevanten Treiber werden in einem weiteren Abschnitt für die Branche des analysierten Unternehmens zusammengestellt; für den Sektor Energieversorgung sind dies: • die Treibhausgas-Intensität in der Stromproduk­ tion und diesbezügliche Zielsetzungen • der Anteil der erneuerbaren Energie und die diesbezügliche Strategie sowie • Geschäftsethik und Management der Arbeits­ sicherheit Die Energiewende, also der Übergang von fossilen Energiequellen oder Atomstrom zu erneuerbaren B2B JUNI 2016 Daten für Beurteilung des Managements Leadership Aspekt Ampelfarbe Personalunion CEO/VRP Unabhängiger Geschäftsleiter Unabhängige Mehrheit im VR Leitende Führungskräfte (ausser CEO) im VR Unabhängige Revisionsstelle Unabhängiges Vergütungs-Kommittee VR überdimensioniert (im Vergleich zu regionalen Standards) VR unterbesetzt (im Vergleich zu regionalen Standards) Aktionärsrechte Aspekt Ampelfarbe Eine Aktie, eine Stimme Kontrolle Aktienbesitzer Ein Aktionär besitzt mehr als 20 % der Titel Kontrolle von Aktionärsanliegen Stimmrechtsbeschränkungen Giftpillen Goldene Aktien Jährliche Wahl des Direktoriums Quelle: Zürcher Kantonalbank, RepRisk, MSCI ESG, TruCost Energien, und die Dezentralisierung der Energieversorgung stellen die Strombranche vor enorme He­ rausforderungen. Das Geschäftsmodell von RWE ist nur zukunftsfähig, wenn das Unternehmen mit klaren Zielsetzungen die Energiewende mitgestaltet. Weiter dienen spezifische Fragestellungen den Analysten und Portfoliomanagern als Grundlage, die relevanten (ESG)-Faktoren für das Geschäftsmodell direkt an Meetings mit dem Management zu erörtern. Roland Wöhr Senior Sustaina­ bility Analyst bei der Zürcher Kantonalbank, Zürich. Die systematische Erhebung und Verarbeitung dieser ESG-Informationen verleiht der konventionellen Finanzanalyse eine zusätzliche Dimension und führt zu besseren Anlageentscheiden. Mit der konsequenten Integration unterstreicht das Asset Management der Zürcher Kantonalbank die wachsende Bedeutung von ESG-Faktoren für erfolgreiches Anlegen. 47